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Unter dem Begriff Empirische Literaturwissenschaft wird nach ihrem Begrunder Siegfried J Schmidt eine Literaturwissenschaft verstanden die folgende Ziele verfolgt Ihre Theoriestruktur soll explizit sein Theoretizitat Die Aussagen der Theorie sollen empirisch uberprufbar sein und sich auf den gesellschaftlichen Handlungsbereich Literatur beziehen Empirizitat Die Theorie soll durch Anwendbarkeit gesellschaftliche Relevanz erhalten Relevanz Applikabilitat Inhaltsverzeichnis 1 Gegenstand der Empirischen Literaturwissenschaft 2 Literaturbegriff 3 Anwendungen und Nutzen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGegenstand der Empirischen Literaturwissenschaft BearbeitenDie traditionelle hermeneutisch orientierte Literaturwissenschaft sieht als ihre Hauptaufgabe die Beschaftigung mit literarischen Texten an besonders die Interpretation solcher Texte Die Vertreter der Empirischen Literaturwissenschaft kritisieren diese Beschrankung als willkurlich und halten der traditionellen Literaturwissenschaft vor dass der uberwiegende Teil ihrer Forschungsresultate kein Wissen enthalte das uber den unmittelbaren Zweck der Forschung Prufung Qualifikation Berufung usw hinaus in anderen wissenschaftlichen Disziplinen oder gar ausserhalb der Literaturwissenschaft verwendbar ware oder zur Losung gesellschaftlicher Probleme taugen konnte Damit die Literaturwissenschaft sich zu einer Normalwissenschaft im Sinne von Thomas S Kuhn entwickeln konne mussen nach Auffassung der Vertreter der Empirischen Literaturwissenschaft nicht nur ihre Voraussetzungen sondern auch ihr Gegenstand neu bestimmt werden Das Erkenntnisinteresse der Empirischen Literaturwissenschaft gilt daher weniger den literarischen Kunstwerken als vielmehr den menschlichen Handlungen die mit literarischen Phanomenen im weitesten Sinne zu tun haben wie z B der Produktion der Vermittlung der Rezeption und der Verarbeitung von Literatur Literaturbegriff BearbeitenDie Empirische Literaturwissenschaft bestimmt den Begriff Literatur nicht vom literarischen Text Dokument oder Kunstwerk her sondern als System gesellschaftlichen Handelns Literatur wird beschrieben als ein Netz von Handlungen der Teilnehmer Aktanten des Handlungssystems Literatur Autoren Leser Kritiker Verleger usw Diese Handlungen konnen mit empirischen Methoden untersucht werden Wenn man hingegen das Literaturkunstwerk zum Hauptgegenstand von Literaturwissenschaft und seine Interpretation zur Hauptaufgabe macht steht man nach Auffassung der Vertreter der Empirischen Literaturwissenschaft vor dem Problem eines ungeklarten Wissenschaftsbegriffs und infolgedessen eines unuberschaubaren Methodenpluralismus der das Gegenteil einer normalwissenschaftlichen Forschungstradition darstellt die auf kritische Rationalitat Argumentation empirische Uberprufung und intersubjektive Verifizierbarkeit Falsifizierbarkeit setzt Anwendungen und Nutzen BearbeitenDie empirische Literaturwissenschaft steht der psychologischen Leseforschung nahe und bezieht aus dieser praktische Methoden um die Handlungen im Handlungssystem Literatur empirisch zu beschreiben so etwa Lese Fragebogen oder Auswertungstechniken Praktische Anwendungsfelder finden sich vor allem im interdisziplinaren Kontext so etwa im Zusammenspiel mit Sozial Politik oder Rechtswissenschaften Hier hilft sie die Wirkung eines literarischen Werkes auf das Handlungssystem in dem das Werk steht zu erfassen und darzustellen Im Zuge der juristischen Beurteilung von literarischen Texten wie im Fall Bohmermann oder im Fall Esra ist die empirische Literaturwissenschaft somit in der Lage wesentliche Begriffe zu definieren und die direkte Wirkung des Werkes auf Betroffene und auch die indirekte Wirkung auf Betroffene uber deren Umfeld empirisch zu prufen 1 Literatur BearbeitenSiegfried J Schmidt Grundriss der Empirischen Literaturwissenschaft Suhrkamp Frankfurt M 1991 Siegfried J Schmidt Literary Studies from Hermeneutics to Media Culture Studies CLCWeb Comparative Literature and Culture 12 1 2010 http docs lib purdue edu clcweb vol12 iss1 1 Siegfried J Schmidt Literaturwissenschaft als argumentierende Wissenschaft Fink Munchen 1975 Siegfried J Schmidt Worlds of Communication Interdisciplinary Transitions Peter Lang Bern 2011 Helmut Hauptmeier Siegfried J Schmidt Einfuhrung in die Empirische Literaturwissenschaft Vieweg Braunschweig Wiesbaden 1985 The Systemic and Empirical Approach to Literature and Culture as Theory and Application Ed Steven Totosy de Zepetnek and Irene Sywenky Edmonton Research Institute for Comparative Literature University of Alberta and Siegen Institute for Empirical Literature and Media Research Siegen University 1997 Agata Anna Lisiak Steven Totosy de Zepetnek Bibliography of Siegfried J Schmidt s Publications CLCWeb Comparative Literature and Culture 12 1 2010 http docs lib purdue edu clcweb vol12 iss1 9 Steven Totosy de Zepetnek Bibliography of Contextual Systemic and Empirical Approaches in the Study of Literature and Culture to 1998 CLCWeb Comparative Literature and Culture 3 3 2001 http docs lib purdue edu clcweb vol3 iss3 7 Einzelnachweise Bearbeiten Sebastian Mehl Fiktion und Identitat im Fall Esra Mehrdisziplinare Bearbeitung eines Gerichtsverfahrens LIT Verlag Berlin u a 2014 Kap 4 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Empirische Literaturwissenschaft amp oldid 174130233