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Der Begriff Eisstrom ist neben seiner Verwendung als anschauliches Synonym fur Gletscher 1 ein glaziologischer Fachbegriff der dem englischen Begriff Ice stream entspricht Dieser bezeichnet Bereiche von Eisschilden die sich vom umgebenden Eis durch hohere Fliessgeschwindigkeiten unterscheiden Uber sie fliesst ein Grossteil des Eises der Eisschilde ab beim Antarktischen Eisschild sind dies 90 obwohl Eisstrome nur 13 der antarktischen Kustenlinie ausmachen 2 Bildhaft werden sie deshalb als Arterien der Eisschilde bezeichnet 3 Die Fliessgeschwindigkeit der Eisstrome liegt oft deutlich uber der von Gebirgsgletschern 4 Fliessgeschwindigkeit des Eises des Antarktischen Eisschilds Die blau gelb oder weiss gefarbten Bereiche kennzeichnen die schneller fliessenden Eisstrome Eisstrome im engeren Sinne sind dabei nicht durch sichtbare Felsformationen seitlich begrenzt Wenn sie dies sind handelt es sich um Auslassgletscher Allerdings ermoglicht diese Definition in der Praxis keine sinnvolle Abgrenzung Dies wird besonders deutlich beim Rutford Eisstrom in der Antarktis der nur auf einer Seite von Bergen begrenzt ist auf der anderen Seite aber von sich langsamer bewegenden Eismassen Bei der Definition im weiteren Sinne werden schnell fliessende durch Eisstrome gespeiste Auslassgletscher einbezogen 2 Als weltweit grosster Eisstrom gilt der Lambertgletscher in der Antarktis Der am schnellsten fliessende bekannte Eisstrom ist der Jakobshavn Isbrae in Westgronland Dieser fliesst unter normalen Umstanden mit einer Geschwindigkeit von bis zu 7 Kilometern pro Jahr 1996 und in den folgenden Jahren wurde zeitweise eine Verdoppelung dieser Geschwindigkeit auf 14 Kilometer pro Jahr festgestellt 5 Dies zeigt die grosse Dynamik die Eisstrome entwickeln konnen In der Antarktis wurden sogar Eisstrome beobachtet die ihre Fliessrichtung in relativ kurzer Zeit anderten 6 Inhaltsverzeichnis 1 Morphologie 2 Grunde fur die hohen Fliessgeschwindigkeiten 3 Schwankungen der Fliessgeschwindigkeit 4 Siehe auch 5 Literatur 6 EinzelnachweiseMorphologie BearbeitenAufgrund der hoheren Fliessgeschwindigkeit ziehen Eisstrome das umgebende Eis nach unten Dadurch liegt die Oberflache eines Eisstroms tiefer als die des flankierenden Eises 7 Zwischen diesem und dem Eisstrom bilden sich riesige Langsspalten die auf Satellitenaufnahmen gut zu sehen sind und mit zur Entdeckung der Eisstrome gefuhrt haben 8 In Langsrichtung unterscheidet sich das Oberflachenprofil eines Eisstroms von dem normal fliessenden Eises eines Eisschilds Wahrend die Form eines Eisschild an eine Parabelform erinnert und die Neigung mit der Entfernung von der Eisscheide zunimmt ist ein Eisstrom an seinem Anfangspunkt am steilsten und wird flacher Somit ist sein Oberflachenprofil entlang der Flusslinie konvex im Gegensatz zur vorherrschenden konkaven Form der Eisschildoberflache 7 Fast alle Eisstrome enden im Meer oft speisen sie einen Eisschelf 2 Grunde fur die hohen Fliessgeschwindigkeiten BearbeitenDie unterschiedliche Verhalten verschiedener Eisstrome legt nahe dass es verschiedene Ursachen fur die hohen Fliessgeschwindigkeiten von Eisstromen gibt 2 8 9 Topografische Ursachen Die meisten Eisstrome fliessen entlang von subglazialen Talstrukturen Am grossten ist der Einfluss der Topografie des Untergrunds am Rand der Eisschilde wo sie am dunnsten sind Grundsatzlich konzentriert sich der Eisfluss von Gletschern in Bereichen an denen der Gletschergrund am tiefsten eingesenkt ist Dass Eisstrome die hohe Geschwindigkeit in den unteren Bereichen beibehalten oder sogar steigern ist aber allein durch die Topografie nicht zu erklaren Abnahme der Viskositat des Eises Die Konzentration des Eisflusses in einem Bereich fuhrt zu hohen Spannungen und somit zu Reibungswarme Diese fuhrt zur Temperaturerhohung im Inneren und macht das Eis weicher Schmierung am Gletschergrund Bei den meisten Eisstromen geht man davon aus dass flussiges Wasser und basales Gleiten eine grosse Rolle spielt und der Gletschergrund sehr gleitfahig ist Bohrungen am Whillans Eisstrom haben gezeigt dass das Gletscherbett aus Schutt besteht der einen hohen Anteil von Tonmineralien aufweist und der Wasserdruck an der Schnittstelle von Eis und Schutt nahezu dem Druck entspricht den das aufliegende Eis ausubt Entweder entkoppelt dieser hohe Druck das Eis von seinem Bett oder es schwacht die Formstabilitat des Schutts am Untergrund und ermoglicht so dessen Verformung was das Gleiten begunstigt oder beides Schwankungen der Fliessgeschwindigkeit BearbeitenFur das Auftreten hoher und oft auch schwankender Fliessgeschwindigkeiten bei Gletschern gibt es drei Kategorien Surges Gezeitengletscher und Eisstrome Dass diese Kategorien sich uberschneiden ist schon alleine deshalb ersichtlich da praktisch alle von Eisstromen gespeisten Auslassgletscher auch Gezeitengletscher sind Zumindest fur einen solchen Auslassgletscher dem Storstrommen im Nordosten Gronlands gilt als sicher dass er zudem Surge Verhalten zeigt Von 1913 bis 1978 zog er sich zuruck um dann in den folgenden Jahren rasch mit Geschwindigkeit von mehr als 4 Kilometern pro Jahr vorzustossen wobei grosse Eismassen vom oberen Zehrgebiet in das untere verlagert wurden 10 11 Es gibt allerdings keine Anzeichen dafur dass grossere Bereiche der heutigen Eisschilde und Eisstrome Surge Verhalten zeigen Insbesondere haben Messungen bislang kein Indiz fur grossere Regionen geliefert wo die Eisbewegung nahezu zum Erliegen gekommen ist und die Eisdicke im Vergleich zu tiefer liegenden Bereichen kontinuierlich zunimmt was charakteristisch fur Surge Verhalten bei Gebirgsgletschern ist Auf der anderen Seite waren Surges die plausibelste Erklarung fur die Heinrich Ereignisse beim Laurentidischen Eisschild wahrend des Jungpleistozans Allerdings hat man bislang keine ausreichende Kenntnis uber die damalige Gletscherdynamik 11 In der Westantarktis zeigten die an der Siple Kuste mundenden Eisstrome auffallige Schwankungen wahrend der letzten Jahrhunderte Wahrend die Fliessgeschwindigkeit des Whillans Eisstroms zwischen 300 und 800 Metern pro Jahr liegt tritt der Kamb Eisstrom bei dem dieselben klimatischen Bedingungen vorliegen seit etwa 200 Jahren nahezu auf der Stelle Eine mogliche Erklarung fur dieses Verhalten ist dass sich die subglazialen Wasserabflusse umgestellt haben konnten Dies sorgt moglicherweise fur ein Festfrieren am Gletscherbett da das Eis am Gletschergrund nur durch von zufliessendem Wasser zugefuhrte Schmelzenthalpie am Druckschmelzpunkt bleiben kann Moglicherweise nimmt dieses Wasser nun den Weg uber einen anderen Eisstrom 11 12 Interessanter als die Frage ob Eisstrome Surge Verhalten zeigen scheint im Moment die Frage ob die von Gezeitengletschern bekannten Eigendynamik entwickelnden Prozesse zum Zerfall ganzer Eisschilde fuhren konnen Beim Ruckzug der Grounding Line also der Linie ab der das Eis beginnt auf dem Meer zu schwimmen vermindert sich der Reibungswiderstand wodurch sich die Fliessgeschwindigkeit erhoht Dadurch dunnt das Eis weiter aus wodurch ein Ruckkopplungseffekt entsteht 11 Siehe auch BearbeitenEisstromnetz Netzartige Gebilde aus fliessendem Eis in Gebirgsland Literatur BearbeitenKurt M Cuffey W S B Paterson The Physics of Glaciers Fourth Edition Butterworth Heinemnn Burlington 2010 ISBN 978 0 12 369461 4 Roger LeB Hooke Principles of Glacier Mechanics Second Edition Cambridge University Press Cambridge 2005 ISBN 0 521 83609 3 Terry Hughes Glacier Motion Ice Velocity In Vijay P Singh Pratap Singh Umesh K Haritashya Hrsg Encyclopedia of Snow Ice and Glaciers Springer Dordrecht 2011 ISBN 978 90 481 2641 5 S 408 414 Einzelnachweise Bearbeiten Gunther Drosdowski Duden Stilworterbuch der deutschen Sprache Bibliographisches Institut Mannheim 1971 ISBN 3 411 00902 0 S 315 online a b c d Cuffey Paterson The Physics of Glaciers Fourth Edition 2010 S 360 372 Matthew R Bennett Ice streams as the arteries of an ice sheet their mechanics stability and significance In Earth Science Reviews Band 61 2003 S 309 339 online PDF 1 6 MB Wenn Gletscher rasch fliessen In Neue Zurcher Zeitung 2 Oktober 2002 Gletscher in der Badewanne In Deutschlandfunk Forschung Aktuell 29 September 2008 Antarktischer Eisstrom im Ruckwartsgang Auf wissenschaft de vom 4 Oktober 2002 a b Terry Hughes Glacier Motion Ice Velocity 2011 S 408 414 a b Roger LeB Hooke Principles of Glacier Mechanics 2005 S 105 110 Zentralanstalt fur Meteorologie und Geodynamik ZAMG Antarktis Dynamischer als angenommen abgerufen am 24 April 2013 Garry K C Clarke Fast glacier flow Ice streams surging and tidewater glaciers In Journal of Geophysical Research Band 92 1987 S 8835 8841 Zusammenfassung a b c d Cuffey Paterson The Physics of Glaciers Fourth Edition 2010 S 537f Cuffey Paterson The Physics of Glaciers Fourth Edition 2010 S 365 370 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eisstrom amp oldid 236942058