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Bei der Eisenstuck Affare 1876 1878 handelte es sich um eine diplomatisch militarische Auseinandersetzung zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Nicaragua Dabei kam die junge noch im Aufbau befindliche Kaiserliche Marine zu einem ihrer bis dahin grossten militarischen Einsatze in Ubersee 1 Sie fand sowohl an der Pazifik als auch an der Atlantikkuste statt NicaraguaDie Gedeckte Korvette SMS ElisabethAnlass fur die Intervention waren zwei Uberfalle auf den kaiserlichen Honorarkonsul Paul Eisenstuck in der Stadt Leon im Westen Nicaraguas im Jahr 1876 Eisenstuck lebte bereits langer in Mittelamerika und war dort verheiratet Seine Stieftochter Franziska lebte in Ehestreitigkeiten und war 1875 76 mit ihrem Kind vor ihrem Mann einem Zahnarzt aus Leon zu den Eltern gefluchtet Sie war nach Angaben des Historikers Gerhard Wiechmann der Casus Belli 2 Der Mann hatte das Weggehen seiner Frau nicht akzeptieren wollen und hatte die Familie Eisenstuck mitsamt Tochter zweimal auf offener Strasse gewaltsam angegriffen Beim ersten Uberfall am 23 Oktober 1876 wurden durch den Schwiegersohn drei Pistolenschusse abgegeben die jedoch nicht trafen Der zweite Uberfall am 29 November 1876 war deutlich brutaler und wurde von Polizeisoldaten ausgefuhrt die den Konsul verprugelten und verhafteten Zwar wurde Eisenstuck und seine Familie wegen seines diplomatischen Status bereits auf dem Weg zum Gericht freigelassen jedoch verliefen alle strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Tater im Sande Das Strafgericht verwies auf den Weg einer Privatklage und gab dem Vorfall den Rang einer Familienfehde bei der der Schwiegersohn lediglich versuchte seine Ehefrau zuruckzugewinnen Deutschland sah das Volkerrecht durch die Missachtung der Immunitat des Konsuls und die Weigerung beschadigt gegen die Tater der Angriffe vorzugehen Deutschland verlangte von Nicaragua die Bestrafung der Tater eine Entschadigungszahlung von 30 000 US sowie einen Flaggensalut durch nicaraguanische Soldaten Nicaragua kam dem nicht nach weil der Aussenminister die Angelegenheit fur eine Familiensache hielt und seiner Meinung nach der Ehemann der Stieftochter das Recht gehabt habe seine Frau zuruckzuholen Ausserdem gab es zu der Zeit nur etwa 100 Deutsche in Nicaragua so dass der Handel mit dem Deutschen Reich nur einen geringen Umfang hatte Wahrend der gesamten Affare achtete das Auswartige Amt darauf dass sich Deutschland gemass den gultigen Normen des Volkerrechts verhielt Es liess sich seine Rechtsposition mehrfach von Grossbritannien und den USA bestatigen Entsprechend den damaligen diplomatischen Gepflogenheiten verscharfte Deutschland den Druck schaltete aber zugleich das Vereinigte Konigreich und die USA als Vermittler ein Die Vermittlung blieb erfolglos zumal die nicaraguanische Regierung den US amerikanischen Diplomaten so brusk behandelte dass die USA bis zum Ende der Affare die diplomatischen Beziehungen zu Nicaragua abbrachen Das Auswartige Amt bat die Kaiserliche Admiralitat schliesslich im August 1877 um Unterstutzung Die Admiralitat entsandte von Deutschland die Korvetten Leipzig Ariadne und von Japan die auf einer Weltumsegelung befindliche Korvette Elisabeth an die Westkuste Panamas wo sich die drei Schiffe am 9 Marz 1878 zu einem Geschwader unter Kapitan zur See Wilhelm von Wickede vereinigten und nach Corinto segelten 3 Ein weiteres Schiff das Kadettenschulschiff Medusa befand sich auf einer Routinereise in Westindien und wurde an die Ostkuste Nicaraguas beordert Die Schiffe erreichten am 17 und 18 Marz 1878 ihr Ziel Die Schiffe waren allerdings nicht fur Landungsoperationen ausgerustet und deshalb kaum in der Lage militarischen Druck auf die Regierung in der im Landesinneren liegenden Hauptstadt Managua auszuuben Salut der Reichskriegsflagge durch die nicaraguanischen Behorden Corinto Nicaragua 31 Marz 1878 Im Hintergrund von links Ariadne Elisabeth und LeipzigTrotzdem gab die nicaraguanische Regierung am 31 Marz 1878 nach Sie zahlte eine Entschadigung von 30 000 US die Tater wurden bestraft Geldstrafe von 500 US und eine Abteilung Marinesoldaten erwies den Flaggensalut Im gesamten Konflikt fiel kein Schuss Die Affare ist ein Beispiel fur Kanonenbootpolitik europaischer Machte in der damaligen Zeit Insbesondere das junge Deutsche Reich war darum bemuht als Grossmacht ernst genommen zu werden Das hing mit nationalem Prestigestreben zusammen hatte aber auch einen sachlichen Hintergrund Die Behandlung fremder Staatsburger im Ausland hing sehr stark davon ab in welchem Ansehen ihr Heimatland stand Die Geschafte deutscher Kaufleute in Lateinamerika hingen also auch davon ab ob die dortigen Regierungen Respekt vor dem Deutschen Reich hatten Diesen Respekt fur das Reich zu gewinnen gehorte zu den Hauptaufgaben der Auslandskreuzer der Kaiserlichen Marine Es zeigte sich bei der Eisenstuck Affare dass sie wegen mangelhafter Ausrustung nicht in der Lage war eine wirkliche Landungsoperation gegen einen lateinamerikanischen Staat durchzufuhren Dass die Operation dennoch den gewunschten Erfolg erzielte ist zum einen auf das diplomatische Geschick des in Mittelamerika sehr erfahrenen Verbandsfuhrers Wilhelm von Wickede zuruckzufuhren zum anderen auf die Tatsache dass die deutsche Forderung an Nicaragua als sehr moderat empfunden wurde Die Haltung der Regierung von Nicaragua war widerspruchlich Unter Historikern wird spekuliert dass die Regierung hoffte die Deutschen wurden das oppositionelle Leon beschiessen was jedoch nicht geschah Fur die langfristigen deutsch nicaraguanischen Beziehungen war die Intervention eine starke Belastung auch war sie von der kleinen deutschen Kolonie Nicaraguas nicht unterstutzt worden Erst 1896 wurde ein Handelsvertrag abgeschlossen der nach Houwald vergessen machen konnte was seinerzeit geschehen war 4 Fur den nicaraguanischen Politiker und Zeitungsverleger Don Enrique Guzman war der Tag der Zahlung der 30 000 Entschadigung an das Deutsche Reich ein Tag der Nationalen Schande 5 Eisenstucks Stieftochter kehrte spater zu ihrem Ehemann zuruck und war noch bis mindestens 1914 mit ihm verheiratet Literatur BearbeitenGotz von Houwald Los alemanes en Nicaragua Managua 1975 Gerhard Wiechmann Ein deutscher Krieg in Nicaragua Die kaiserliche Marine in der Eisenstuck Affare 1876 78 In Hartmut Kluver Hrsg Auslandseinsatze deutscher Kriegsschiffe im Frieden Bochum 2003 ISBN 3 89911 007 2 S 31 60 Gerhard Wiechmann Die preussisch deutsche Marine in Lateinamerika 1866 1914 Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik Hauschild Bremen 2002 ISBN 3 89757 142 0 zugleich Dissertation Universitat Oldenburg urn nbn de gbv 715 oops 4458 Gerhard Wiechmann Die Koniglich Preussische Marine in Lateinamerika 1851 bis 1867 Ein Versuch deutscher Kanonenbootpolitik In Sandra Carreras Gunther Maihold Hrsg Preussen und Lateinamerika Im Spannungsfeld von Kommerz Macht und Kultur Europa Ubersee Band 12 Munster 2004 ISBN 3 8258 6306 9 S 105 144 Thomas D Schoonover Germany in Central America Competitive Imperialism 1821 1929 The University of Alabama Press Tuscaloosa u a 1998 ISBN 0 8173 0886 5 Einzelnachweise Bearbeiten Gerhard Wiechmann Die preussisch deutsche Marine in Lateinamerika 1866 1914 Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik Hauschild Bremen 2002 ISBN 3 89757 142 0 S 140 Gerhard Wiechmann Die preussisch deutsche Marine in Lateinamerika 1866 1914 Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik Bremen 2002 S 129 Gerhard Wiechmann Die Koniglich Preussische Marine in Lateinamerika 1851 bis 1867 Ein Versuch deutscher Kanonenbootpolitik in Sandra Carreras Gunther Maihold Hrsg Preussen und Lateinamerika Im Spannungsfeld von Kommerz Macht und Kultur Europa Ubersee Band 12 Munster 2004 ISBN 3 8258 6306 9 S 140 Gotz von Houwald Los alemanes en Nicaragua Managua 1975 S 130 Tagebucheintrag Guzman vom 14 April 1878 laut Gerhard Wiechmann Die preussisch deutsche Marine in Lateinamerika 1866 1914 Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik Bremen 2002 S 147 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eisenstuck Affare amp oldid 239111717