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Das Buch Didaktik der Musik von Michael Alt beinhaltet die erste in der Bundesrepublik Deutschland entstandene musikdidaktische Konzeption Uber Alts Konzeption schreibt Brigitta Helmholz Wie sehr Alts Konzeption die deutsche Musikpadagogik pragte geht nicht nur aus dem tatsachlich erfolgten Umbruch in der Praxis sondern auch aus den bis in die heutige Zeit anhaltenden Zustimmungen beziehungsweise kritischen Auseinandersetzungen hervor 1 Inhaltsverzeichnis 1 Situation nach dem Zweiten Weltkrieg 2 Forderung nach einer neuen Konzeption 3 Die Konzeption im historischen Kontext 4 Die Konzeption von Michael Alt 4 1 Allgemeines 4 2 Die vier Funktionsfelder der Konzeption Theorie Reproduktion Information und Interpretation 4 2 1 Die Reproduktion 4 2 2 Theorie 4 2 3 Interpretation 4 2 4 Information 5 Gesamtplan 6 Literatur 7 Siehe auch 8 Einzelnachweise 9 WeblinksSituation nach dem Zweiten Weltkrieg BearbeitenDie Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die auch als neomusische Phase 2 bezeichnet wird lasst sich wie folgt beschreiben Einerseits wurde die Musische Erziehung nach dem Zweiten Weltkrieg als Musische Bildung 3 bezeichnet die bereits seit Anfang des 20 Jahrhunderts das Bild des Musikunterrichtes pragte und anfangs beinahe ausschliesslich aus Gesang s unterricht 4 bestand nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgegriffen und weitergefuhrt Anmerkung Der Terminus Musische Erziehung spater Musische Bildung geht auf das klassische griechische Erziehungs und Gestaltungsprinzip der musike zuruck welches Musik Tanz und Dichtung als Einheit betrachtet Der Begriff der musischen Erziehung fand besonders durch die Schrift Musische Erziehung von Ernst Krieck 1933 seit den 1920er Jahren Eingang in die deutsche Musikpadagogik 5 Das Liedrepertoire Volkslieder Kinderlieder Gesellschaftslieder usw aus dem sich deutsche Musikpadagogen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bedienten bestand grosstenteils immer noch aus Liedern der Jugendmusikbewegung vgl Wandervogelbewegung Anfang des 20 Jahrhunderts und teilweise auch aus alte m Liedgut der Hitlerzeit mit Liedern von Baumann Spitta Rohwer Bresgen usw 6 Andererseits anderten sich im ausserschulischen Bereich die Horgewohnheiten der deutschen Jugendlichen in den Jahren und Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg signifikant Musikrichtungen wie Rock n Roll in den 1950er Jahren oder Beatmusik in den 1960er Jahren waren bei der schulischen Jugend sehr beliebt und verdrangten das Liedrepertoire der Jugendmusikbewegung also die Musik der Elterngeneration Daruber hinaus entstand ein neuer Jugendjargon den die Generation der Erwachsenen nicht mehr verstand 7 Die schulische Jugend befriedigte nun ausserhalb der Schule ihre musikalischen Bedurfnisse mit ihrer Musik zum Beispiel Rock n Roll wahrend deutsche Musikpadagogen immer noch einer veralteten gestrigen Ideologie der musischen Bildung nachhingen zum Beispiel durch Singen von Volksliedern Forciert wurde die Verbreitung der Jugendmusik durch technische Mittler wie dem Rundfunk der Langspielplatte dem Magnetophon Tonbandgerat oder dem Fernsehen das zu Weihnachten 1952 sein erstes Programm ausstrahlte 8 Diese Medien hatten ein nie zuvor erlebte Massenkommunikation zur Folge 9 Erste Ansatze des Umdenkens in der musikpadagogischen Forschung gab es um 1960 als die drei Aufgabenfelder von Musik Singen Musikkunde und Werkbetrachtung formuliert wurden 10 Diese didaktische Theorie forderte in der Unterstufe Singen meist noch im Sinne der Musischen Bildung in der Mittelstufe Musikkunde in der Oberstufe Werkbetrachtung 11 Jedoch gab es in der Praxis zwischen den Schularten signifikante Unterschiede Wahrend am Gymnasium sowohl Volks als auch Kunstmusik behandelt wurde wurde in der Volksschule lediglich Volksmusik gesungen und besprochen 12 Forderung nach einer neuen Konzeption BearbeitenIn seinem Buch Didaktik der Musik stellte Michael Alt mehrere Forderungen fur einen seiner Meinung nach zukunftsfahigen Musikunterricht auf die er in drei folgenden Aspekten formulierte Realaspekt Ziel sollte sein dass der Jugendliche sich im disparaten Musikangebot zurechtfinden eine einsichtige Auswahl treffen und Sicherheit im verantwortlichen Gebrauch der Musik gewinnen 13 kann In diesem Zusammenhang forderte Alt dass jeder Mensch in einer Demokratie das Recht besitze sowohl an der Kultur als auch an der Kunst teilhaben zu durfen Fur Alt war es wichtig dass die ganze Musik von der Volksmusik bis hin zur Kunstmusik 14 den Kindern und Jugendlichen in allen Schularten und Schulstufen also sowohl in der Unter als auch in der Mittel und Oberstufe musikpadagogisch vermittelt wird 15 Kunstaspekt Alt postulierte eine Umwandlung des Gesang s unterrichtes in einen Musikunterricht um der Interpretation von Musik mehr Raum zu geben Unter Interpretation verstand Alt weniger das Nachplappern von Musik sondern vielmehr die Einfuhlung das Verstehen und das kunstvolle Nachgestalten im Wort im Sinne einer erlernbaren systematisch angelegten Auslegungslehre 16 Sachaspekt Weil neue Medien wie Radio und Fernsehen unentwegt Nachrichten und Informationssendungen ausstrahlten verfugten Jugendliche bald uber ein sehr breitgefachertes Wissen Alt forderte nun fur einen zukunftsweisenden Musikunterricht dass dieses sehr bruchstuckhafte Vorwissen der Heranwachsenden also jene Kenntnisse und Erfahrungen die Jugendliche in den Unterricht einbringen konnten aufgegriffen gesammelt geklart systematisiert und vertieft werden 17 sollte 18 Die Konzeption im historischen Kontext BearbeitenDie Konzeption Orientierung am Kunstwerk von Michael Alt orientierte sich an damals bekannten Ansatzen von Gustav Wyneken August Halm vgl Wickersdorfer Kreis sowie Theodor W Adorno die sich von der Musischen Bildung abwandten und die Reifung der Jugend am Bildungsgehalt echter Kunstwerke forderten 19 Insbesondere Theodor W Adorno 1903 1969 setzte sich in seinen Schriften kritisch mit der vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vorherrschenden Musikerziehung auseinander In Aufsatzen wie Thesen gegen die musikpadagogische Musik 20 und Zur Musikpadagogik 21 griff Adorno die Ideale der musischen Erziehung an In diesen Schriften postulierte er eine strikte Abkehr vom Musik Dilettantismus eine Abkehr von den Idealen der Jugendmusikbewegung und eine Hinwendung zu Musik mit asthetischem Anspruch 22 Es ging Adorno um die Frage Was wird gesungen wie und in welchem Ambiente 23 Dass einer fidelt soll wichtiger sein als was er geigt 24 beschreibt die Haltung Theodor W Adornos gegenuber der Musik Dilettanten Zweck musikalischer Padagogik ist es so Adorno die Fahigkeiten der Schuler derart zu steigern dass sie die Sprache der Musik und bedeutende Werke verstehen lernen dass sie solche Werke soweit darstellen konnen wie es furs Verstandnis notwendig ist 25 Daruber hinaus war auch Theodor Wilhelm der in seinem Werk Theorie der Schule eine neue Wissenschaftsschule d h eine an den Natur Wissenschaften orientierte Schule forderte fur Alt relevant Wilhelm postulierte dass auch die Kunste eine Denkwelt sichtbar machen aber eine Reflexionsebene anderer nicht verbaler Art In der Kunst wird das Operationsfeld des Denkens erweitert Der Kunstunterricht muss bewirken dass der Schuler sich auch vor Kunstwerken zur Reflexion entschliesst 26 Reflexion stand hier stellvertretend fur Interpretation Diese wurde von Wilhelm explizit gefordert und von Alt als Grundlage fur seine Konzeption ubernommen Die Begrundung der Wissenschaftsschule von Wilhelm eroffnete eine ganz neue Perspektive und legitimierte das Fach Musik in der Schule als ein den anderen geisteswissenschaftlichen Fachern gleichrangiges Fach 2 Ziel aller musikdidaktischen Konzeptionen und Ansatze in dieser Zeit war es die musische Erziehung in einen Musikunterricht umzuwandeln Erst mit der musikdidaktischen Konzeption von Michael Alt gelang dies 27 Bereits in den 1930er Jahren hatte Michael Alt Schriften wie Vom neuen Musikunterricht 1936 oder Die Musikerziehung in der deutschen Schule 1939 publiziert in denen er sich zu einer revolutionaren nationalsozialistischen musischen Erziehung 28 bekannte So gab er beispielsweise in seiner Schrift Wesen und Wege der musischen Erziehung 1938 als Ziel der musischen Erziehung aus Seelische Bewegung und Erregung durch das rhythmisch bewegte musische Tun zu erreichen durch Singen Sprechen von Dichtungen und gestaltete Korperbewegung 29 Gleichzeitig aber bezog Alt kritische Position gegenuber Ernst Krieck 30 In den 1960er Jahren anderte sich der Begriff der musischen Bildung bei Michael Alt Zwar ist fur Alt die griechische Idee des Musischen immer noch unersetzlich weil sie die leib seelische Grundschicht des Menschen anspreche von der aus die Bildung in Gang gebracht werden musse 31 Jedoch sollte sie lediglich in der Unterstufe also in der Grundschule zum Tragen kommen In den hoheren Schulstufen Mittelstufe und Oberstufe sollte sie der Interpretation von und Reflexion uber Musik also der Verwissenschaftlichung von Musik weichen 32 In seinem Artikel Tendenzen der Musikdidaktik schreibt Dieter Zimmerschied dass Theodor W Adorno und Michael Alt bereits sehr fruh erste Zweifel an der Zeitgemassheit und Legitimitat der rein musischen Musikerziehung 33 ausserten die noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg im Musikunterricht an deutschen Schulen bestimmte vgl Situation nach dem Zweiten Weltkrieg Die Konzeption von Michael Alt BearbeitenAllgemeines Bearbeiten Das Buch Didaktik der Musik erschien in den Jahren 1968 1970 1973 und 1977 in insgesamt vier Auflagen In den ersten beiden Auflagen trug das Buch den Untertitel Orientierung am Kunstwerk der 1973 ersatzlos gestrichen wurde Als Begrundung fur die Streichung des Untertitels gab Alt an beide Bestandteile des Begriffes Kunstwerk seien in einen mehr ideologischen als asthetischen Streit hineingeraten und widersprachen deshalb den Intentionen und Ausfuhrungen des Buches 34 Im ersten Teil des Buches Didaktik der Musik geht Alt auf die Situation der Musikpadagogik ein Teil II beinhaltet die Funktionsfelder Reproduktion Interpretation Information und Theorie die im folgenden Punkt naher erlautert werden Die vier Funktionsfelder der Konzeption Theorie Reproduktion Information und Interpretation Bearbeiten Der Kern der Konzeption von Michael Alt setzt sich aus den vier Funktionsfeldern Theorie Reproduktion Information und Interpretation von Musik zusammen Erst wenn alle vier Funktionsfelder Bestandteil des Musikunterrichtes sind ist nach Ansicht von Alt der Musikunterricht zukunftsfahig Im Folgenden werden die Funktionsfelder vorgestellt Die Reproduktion Bearbeiten Wenn Alt von der Reproduktion von Musik spricht meint er damit das kunstlerische Singen Kunstlied sowie die kunstlerische Nachgestaltung von Musik und nicht das Usuelle Singen 35 Mit Usuellem Singen bezeichnet Alt das Singen von inhaltlich und musikalisch seichten Liedern und Songs die im alltaglichen Leben eine bestimmte Funktion haben wie beispielsweise Schlager das Lied im Gottesdienst oder Wander und Fahrtenlieder 36 Erst wenn Volkslieder die Alt auf etwa 200 000 schatzt 37 im textlichen Niveau entschieden angehoben werden kann man sie als Kunstlieder betrachten Aber nicht nur an den Text sondern auch an die Melodie und die Harmonik stellt Alt hohe Anforderungen damit diese Lieder in den Singkanon des Musikunterrichtes aufgenommen werden konnen 38 Die besten kunsthaften Volkslieder welche von den Schulern grundlich erarbeitet und sicher gekonnt 39 werden sollen bilden dann im Musikunterricht in der Unter und Mittelstufe die Basis auf die dann die kunstlerisch entfaltete Vokalmusik in der Oberstufe und auch in Ansatzen bereits in der Mittelstufe aufbaut Von grosser Bedeutung ist fur Alt dass die Schuler Vokalmusik aus allen grossen musikgeschichtlichen Epochen von der Entstehungszeit des Gregorianischen Gesangs uber das Chorlied in der Renaissance bis hin zur zeitgenossischen Musik kennenlernen 40 Fur Alt ist besonders die Begabtenforderung also das Ausdifferenzieren der technischen Leistungsfahigkeit der Schuler und die daraus resultierende Teilnahme der Besten an Schulchor und oder Schulorchester von entscheidender Bedeutung Neben der Ausbildung der Stimme spielt auch die Ausbildung am Instrument eine grosse Rolle Die besseren Schuler sollen nicht nur im Gruppenunterricht sondern vor allem auch im Einzelunterricht in harter Ubung und systematischer Steigerung 41 ein Instrument erlernen um einen hoheren Bewusstseinsgrad des Vollzuges 41 von Musik zu erreichen Alt meldet aber Bedenken an wenn man versucht im Klassenverband die gesamte Schulerschaft an das Instrument zu binden 41 weil die Orientierung am schwachsten Schuler zu einer Demotivierung der besseren Schuler fuhren konnte 41 Theorie Bearbeiten Ein weiteres Funktionsfeld wird als Theorie bezeichnet die sich laut Alt in zwei Bereiche aufteilen lasst die Handwerkslehre im Sinne einer praktischen handwerklichen Fachkunde der Musik und das spekulative Denken deutende Betrachtung in Musikasthetik und Musikphilosophie Handwerkslehre umfasst Bereiche wie Harmonielehre Satztechnik und Formenlehre und stellt eine Art Allgemeine Musiklehre dar Entscheidend dabei ist dass man sich an der abendlandischen Musik orientiert und einen interkulturellen Vergleich meidet 42 Um die Handwerkslehre motivierend zu gestalten fordert Alt die Verwendung improvisatorischen Ubungsgutes Alt orientiert sich bei Improvisation an der reformpadagogischen Idee von der Weckung der schopferischen Krafte im Kinde 43 die bereits bei Comenius Pestalozzi oder Montessori eine grosse Rolle spielten Um spater in das Spiel mit Tonen am elementaren Instrumentarium hinubergleiten zu konnen 44 sollen Kinder in Modellen Silben Worten oder Rhythmen arbeiten Unabdingbar fur die Erarbeitung der Handwerkslehre ist fur Alt das Werkhoren um die Grunderscheinungen der Musik auch in dieser sublimierten Form erfassen zu lernen 45 Daruber hinaus postuliert Alt eine systematische Steigerung der Anforderungen beim Erwerb der Handwerkslehre sowie eine ausgepragte Differenzierung innerhalb der Schulerschaft 46 Zudem sollte die Handwerkslehre mit einer praktikablen Musikasthetik verknupft werden In groben Zugen gibt Alt eine Vorstellung davon wie er sich eine derartige Entwicklung der Musikasthetik im Musikunterricht vorstellt In der Unterstufe werden Improvisationen der Schuler gemeinsam besprochen und bewertet in der Mittelstufe Ausdrucksmittel der Musik zum Beispiel Rubato Ritardando untersucht in der Oberstufe die musikologische Thematisierung der Musik 47 zum Beispiel Bedeutung der Notenschrift fur die abendlandische Musik ausgebaut 48 Interpretation Bearbeiten Interpretation bezeichnet das dritte und fur Alt wohl bedeutendste 49 Funktionsfeld der Musik Obwohl einige Bezeichnungen aus der padagogischen Geschichte zur Verfugung stehen zum Beispiel Werkhoren Rezeption Werk Betrachtung usw wahlt Alt den Terminus Interpretation weil dieser die Rationalitat bei der Bewertung eines Kunstwerkes in besonderer Weise betont 50 Das Funktionsfeld Interpretation soll vom Lehrer gelenkt werden Ziel ist es dem Schuler eine Auslegungslehre an die Hand zu geben damit dieser in der Lage ist die Interpretation des Lehrers nicht nur nachvollziehen sondern auch selbst durchfuhren zu konnen 51 Alt geht davon aus dass der Schuler nur an Hand einer methodisch erarbeiteten Auslegungslehre einen adaquaten Zugang zu musikalischen Kunstwerken 52 finden kann Durch die Interpretation von musikalischen Kunstwerken wird das Unterrichtsfach Musik auf die gleiche Stufe mit den Sprachen Geschichte oder Religion gehoben das einige Jahre zuvor Theodor Wilhelm bereits gefordert hatte und auf das nunmehr Alt nochmals ausdrucklich hinweist 51 In Anlehnung an die Literaturwissenschaft entscheidet sich Alt fur den Terminus Werkimmanente Interpretation bei der das Kunstwerk nicht durch die Dichterbiographie die Stoff und Motivgeschichte des Werkes die Geistesgeschichte usw sondern als ein eigener Bereich eigenstandiger Gestaltungen und Sinnbilder und als eine Sinneinheit 53 verstanden wird Doch die Interpretation von Musik bringt laut Alt auch das Problem mit sich dass Musik eine fluchtige Kunst 54 sei und dass lediglich die Interpretation des Nachklanges von Musik uber die Horanalyse moglich sei Eine Horanalyse ist bei der Besprechung von musikalischen Details unzureichend und bedarf der Durchfuhrung einer Augenanalyse uber die Partitur Da Alt davon ausgeht dass einer Vielzahl von Jugendlichen das Partiturlesen Probleme bereitet sei es unabdingbar sich auf einige wenige Brennpunkte des musikalischen Ablaufs zu konzentrieren incl Formplan an der Tafel zur Verdeutlichung 55 Daruber hinaus weist Alt auf das Problem hin dass werkimmanente Interpretation oft auf musikwissenschaftlich abgesicherte Kenntnisse verzichten muss weil die Musikwissenschaft selbst noch eine sehr junge Wissenschaft sei Dies bedeutet dass man sich in der Schule darauf beschranken muss die leicht fasslichen und unter diesen wieder die sinntragenden Erscheinungen zu begreifen 56 Die Werkauswahl erfolgt gemass der Ergiebigkeit des Werkes 57 um eine Auslegungslehre aufbauen zu konnen Alt postuliert in seiner Konzeption auch die Erstellung von Werkgruppen d h Werke die den gleichen Sinnkern beinhalten Nachfolgende Abbildung 2 verdeutlicht die Werkeinteilung bei der sich Alt teilweise auf die Einteilung von Albert Wellek bezieht Werkgruppeneinteilung von Michael Alt in Anlehnung an A Wellek Abb 2 Absolute Musik Verbundene MusikFormale Musik Ausdrucksmusik Tanzerische gestische Musik Vokalmusik ProgrammmusikSonate Fuge Kanon Rondo Passacaglia usw Praludium Toccata Etude Variation Modetanze Volkslied Motette religioses Lied Madrigal Choralwerk usw Sinfonische Dichtung Charakterstuck usw Gavotte Menuett Siciliano usw Neuer Tanze Wort Ton VerhaltnisPolka Wiener Walzer usw musikbetont wortbetontSymphonie usw Belcanto Arie Gregorianischer Choral usw Sololied Strophenlied Rezitativ usw Oper Oratorium Kantate usw Um ein musikalisches Kunstwerk interpretieren zu konnen ist es notwendig dieses im Hinblick auf beispielsweise Rhythmik Harmonik Melodie oder Form zu durchleuchten Alt weist in diesem Zusammenhang auf die verschiedenen Schichten eines Kunstwerkes hin die von Nicolai Hartmann in seiner Asthetik 1953 vorgestellt wurden Abbildung 6 zeigt die einzelnen Schichten und ihre Inhaltsdimension Alt weist darauf hin dass der Musikhorer beim Horen und spater beim Analysieren des Kunstwerkes zwischen den Schichten hin und her wechselt und demnach die Schichten nicht von oben nach unten abgearbeitet werden 58 Erst wenn der Rezipient das Kunstwerk sowohl horend als auch analysierend verinnerlicht hat wird es als geistiges Dokument 59 im Langzeitgedachtnis gespeichert Damit Schuler eine Auslegungslehre entwickeln konnen ist es unerlasslich dass sie Methoden an die Hand bekommen mithilfe derer sie das Kunstwerk analysieren konnen Alt unterscheidet verschiedene Arten von Analysemethoden Phanomenologische Methoden Formanalyse Energetik Psychologische Methoden Hermeneutik Stimmungsasthetik Historische Methoden biographische musikgeschichtliche genetische und stilkundliche Methoden 60 Ob nun der Schuler eine Methode aus dem phanomenologischen oder aus dem historischen Bereich wahlt der Ablauf ist immer derselbe Uber die Horanalyse bei der der Schuler die groben Formen oder Figuren wahrnimmt hin zur Sehanalyse mithilfe der Partitur bei der dann Details herausgearbeitet werden konnen 61 Alt gibt aufgrund seiner Vermutung dass das Fassungsvermogen von Jugendlichen allgemein gering sei zu bedenken dass der Jugendliche bei der Analyse eines Kunstwerks nicht uberfordert sein sollte 62 Information Bearbeiten Das vierte und letzte Funktionsfeld ist die Information Musikunterricht konkurriere so Alt mit den Medien vgl Punkt 1 die die Jugendlichen mit Erfahrungen und Informationen uberschwemme Der Lehrkraft obliege es nun diese zu ordnen und aufzuarbeiten 63 Dabei solle der Lehrer das Vorwissen der Schuler nicht aufs Wesentliche beschranken sondern auf die gesamten Wissensbestande zuruckgreifen In Anlehnung an T Wilhelms Wissenschaftsschule forderte Alt ein Bestreben weg vom Auslesekanon und hin zur freien offenen Wissensenzyklopadie 64 Alt unterscheidet drei Arten von Wissen bzw Informationen Kategorisieren Sinnstrukturen von Musik Geschichtlich gerichtetes Orientierungswissen Funktionswissen Umweltlehre Lebenslehre usw 65 Gesamtplan BearbeitenDie Konzeption Orientierung am Kunstwerk beinhaltet dass alle vier Funktionsfelder in allen Schularten und Schulstufen im Musikunterricht Einzug halten Erst dann ist Durchlassigkeit gegeben und ein Wechsel von einer in eine andere Schulart moglich Jedoch weist Alt auch auf die Problematik hin dass die einzelnen Schularten erst eine gemeinsame Linie finden mussen von der ersten bis zur 13 Klasse 66 Alt geht davon aus dass sich der Gesamtplan von Orientierung am Kunstwerk aus drei Teilen zusammensetzt an deren Ende jeweils Zwischenziele stehen Untere Schulstufe Unterstufe Allgemeine Grundbildung Mittelstufe und Grundlegende Geistesbildung Oberstufe 66 Der Gesamtplan wird gleichzeitig als eine Art Rahmenplan gesehen Dies bedeutet dass einzelne Stoffe nicht explizit festgelegt werden sondern lediglich Aufgaben im Rahmen der Funktionsfelder formuliert werden Literatur BearbeitenAdorno Theodor Thesen gegen die musikpadagogische Musik in Junge Musik Heft 4 1954 Adorno Theodor Zur Musikpadagogik in Dissonanzen Musik in der verwalteten Welt Berlin 1958 S 102 120 Adorno Theodor Kritik des Musikanten in Dissonanzen Musik in der verwalteten Welt Berlin 1958 S 61 101 Alt Michael Didaktik der Musik Orientierung am Kunstwerk 1 Aufl Dusseldorf 1968 Alt Michael Wesen und Wege der musischen Erziehung Antrittsvorlesung Hochschule fur Lehrerbildung in Oldenburg Oldenburg 1938 Typoskript Alt Michael Vom neuen Musikunterricht in Rhein Ruhr Nationalsozialistische Erzieherzeitung 3 Jahrgang Nr 11 1936 S 177 178 Alt Michael Die Musikerziehung in der deutschen Schule in Internationale Zeitschrift fur Erziehung 8 Jahrgang Heft 5 6 1939 S 325 337 Greuel Thomas Das musikpadagogische Schaffen Michael Alts in Perspektiven zur Musikpadagogik und Musikwissenschaft Bd 25 Kassel 1999 S 38 Gruhn Wilfried Geschichte der Musikerziehung Eine Kultur und Sozialgeschichte vom Gesangunterricht der Aufklarungspadagogik zu asthetisch kultureller Bildung 2 uberarbeitete Aufl Hofheim am Taunus 2003 S 279 300 Heer Josef Musikerziehung in den mittleren Schulen in Fischer Hans Hrsg Handbuch der Musikerziehung 2 neubearbeitete Aufl Berlin 1964 S 233 256 Helmholz Brigitta Musikdidaktische Konzeptionen nach 1945 in Helms Siegmund u a Kompendium der Musikpadagogik Kassel 1995 S 42 44 Helmholz Brigitta Musikdidaktische Konzeptionen nach 1945 in Musikwissenschaft Musikpadagogik in der Blauen Eule Bd 30 Essen 1996 S 11 24 Hopf Helmut u a Lexikon der Musikpadagogik Regensburg 1984 Jank Werner Hrsg Musikdidaktik Praxishandbuch fur die Sekundarstufe I und II Berlin 2005 S 40 51 Noll Gunther Musische Bildung in Helms Siegfried u a Neues Lexikon der Musikpadagogik Sachteil Kassel 1999 S 201 Noll Gunther Alt Michael in MGG Personenteil 2 uberarbeitete Aufl Bd 1 1999 541 542 Wilhelm Theodor Theorie der Schule Hauptschule und Gymnasium im Zeitalter der Wissenschaften 2 uberarbeitete Aufl Stuttgart 1969 S 395 398 Zimmerschied Dieter Tendenzen der Musikdidaktik in Dahlhaus Carl Funk Colleg Musik Bd 2 1981 Frankfurt am Main S 125 131 Siehe auch BearbeitenMusikdidaktik MusikpadagogikEinzelnachweise Bearbeiten Helmholz Brigitta Musikdidaktische Konzeptionen in Deutschland nach 1945 1996 S 13 a b Jank Werner Musikdidaktik 2005 S 40 Vgl Gruhn Wilfried Geschichte der Musikerziehung 2003 S 281 Anmerkung Ursprunglich war von Gesangsunterricht die Rede Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich mehr und mehr die Bezeichnung Gesangsunterricht durch M H Vgl Noll Gunther Musische Bildung 1999 S 201 Vgl Gruhn Wilfried Geschichte der Musikerziehung 2003 S 282f Vgl Gruhn Wilfried Geschichte der Musikerziehung 2003 S 283 Vgl Gruhn Wilfried Geschichte der Musikerziehung 2003 S 284 Vgl Gruhn Wilfried Geschichte der Musikerziehung 2003 S 285 Vgl Heer Josef Musikerziehung an den mittleren Schulen 1964 S 233 Jank Werner Musikdidaktik 2005 S 41 Vgl Jank Werner Musikdidaktik 2005 S 41 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 16 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 18 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 15 18 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 19 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 21 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 20 22 Vgl Hopf Helmut Lexikon der Musikpadagogik 1984 Vgl Adorno Theodor Thesen gegen die musikpadagogische Musik 1954 Vgl Adorno Theodor Zur Musikpadagogik 1958 Vgl Adorno Theodor Kritik des Musikanten 1957 S 67 94 Adorno Theodor Kritik des Musikanten 1957 S 75 Adorno Theodor Kritik des Musikanten 1957 S 69 Adorno Theodor Zur Musikpadagogik 1957 S 102 Wilhelm Theodor Theorie der Schule 1969 S 395 f Hopf Helmut Lexikon der Musikpadagogik 1984 Greuel Thomas Das musikpadagogische Schaffen Michael Alts 1999 S 87 Alt Michael Wesen und Wege der musischen Erziehung Antrittsvorlesung Hochschule fur Lehrerbildung in Oldenburg Oldenburg 1938 Vgl Greuel Thomas Das musikpadagogische Schaffen Michael Alts 1999 S 91 Greuel Thomas Das musikpadagogische Schaffen Michael Alts 1999 S 248 Vgl Greuel Thomas Das musikpadagogische Schaffen Michael Alts 1999 S 248 250 Zimmerschied Dieter Tendenzen der Musikdidaktik 1981 S 127f Vgl Greuel Thomas Das musikpadagogische Schaffen Michael Alts 1999 S 270 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 46 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 46 48 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 35 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 51 53 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 53 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 53 54 a b c d Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 55 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 56f Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 62 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 63 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 61 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 63 f Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 66 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 64 67 Alt widmet den grossten Teil seines Buches Didaktik der Musik 1968 diesem Thema 165 Seiten Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 74 a b Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 75 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 84 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 79 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 81 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 80 f Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 83 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 84 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 112 117 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 129 Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 86 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 132 f Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 139 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 238 Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 239 f Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 243 246 a b Vgl Alt Michael Didaktik der Musik 1968 S 257 f Weblinks BearbeitenMusikdidaktische Konzeptionen Arbeitskreis Musikpadagogik Forschung Zeitschrift fur Kritische Musikpadagogik padagogisches Journal Forum fur Kritische Padagogik Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Didaktik der Musik amp oldid 233057249