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Der Turm ist ein Trauerspiel des osterreichischen Schriftstellers Hugo von Hofmannsthal 1874 1929 ausgehend von Pedro Calderon de la Barcas beruhmtem Schauspiel Das Leben ein Traum Es gilt als zentrales Werk seiner letzten Schaffensjahre Um die gultige Gestalt und buhnengerechte Form des Dramas rang der Dichter seit er sich 1901 mit dem Stoff zu beschaftigen begann in immer neuen Anlaufen von Sommer 1920 bis Spatherbst 1927 Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Entstehung und verschiedene Fassungen 3 Urauffuhrungen 4 Interpretation 5 Rezeption 6 Einzelnachweise 7 LiteraturhinweiseHandlung BearbeitenInhaltsskizze von Hofmannsthal Das Stuck ist ein Trauerspiel in funf Akten es spielt in einem Konigreich Polen naher der zeitlosen Sage als der Geschichte und in einem vergangenen Jahrhundert dessen Atmosphare der des 17 am nachsten verwandt ist Die vorliegende Szene die erste des Stuckes zeigt die Hauptfigur Sigismund in ihrer tiefsten Erniedrigung aus der sie Lauf der Akte an die Stufen des Throns emporgehoben dann wieder in Kerkernacht zuruckgeworfen durch eine furchtbare Revolution aus dem Kerker hervorgezogen endlich als Konig und Herrscher zugleich im legitimen und revolutionaren Sinn von einem fruhen Tod ereilt wird Veroffentlicht in der Weihnachtsausgabe 1924 des Leipziger Tageblatts dort Abdruck der Eingangsszene der ersten Fassung Entstehung und verschiedene Fassungen BearbeitenAusgangspunkt des Werks ist Calderons beruhmtes Schauspiel Das Leben ein Traum mit dem sich Hofmannsthal seit 1901 immer wieder beschaftigt hat Moglicherweise gehorte Franz Grillparzers dramatisches Marchen Der Traum ein Leben im Burgtheater oft aufgefuhrt und von Calderons erwahntem Drama beeinflusst zu den ersten Theatererfahrungen des sehr jungen Hofmannsthal 1 Bei der Konzeption der Zentralfigur Sigismund hat sich der Autor auch durch den Mythos Kaspar Hauser beeinflussen lassen In der formalasthetischen Ausgestaltung folgt das Stuck nicht der klassischen Tragodie sondern in vielfacher Hinsicht dem deutschen Trauerspiel des 17 Jahrhunderts worauf insbesondere Walter Benjamin in seinen beiden Rezensionen hingewiesen hat Das gilt zumal fur die Kinderkonig Fassungen Das Trauerspiel gelangte in drei divergierenden Fassungen zum Druck 1923 Akt I und II und 1925 Akt III V in der Zeitschrift Neue deutsche Beitrage 1925 in gestraffter Form in einem Einzeldruck der Bremer Presse in dieser Fassung ist die Verdopplung der Zigeunerin im 5 Akt zuruckgenommen 1928 mit drei vollig neu geschriebenen Schlussakten im S Fischer Verlag Der wesentlichste Unterschied der Fassungen Die ersten beiden Versionen enden damit dass der todlich verletzte Sigismund seine Herrschaft an den ein Friedensreich begrundenden Kinderkonig ubergibt In der letzten Fassung lasst der Rebell Olivier Sigismund durch einen seiner Scharfschutzen heimtuckisch ermorden Das Feld behauptet in dieser Version am Ende statt des gewaltlosen Kinderkonigs der anarchische Machtmensch Grossen Einfluss auf die letzte Fassung ubte vor allem Max Reinhardt aus den Autor beeinflusst haben durch ihre konstruktive Kritik auch Martin Buber Max Mell und Rudolf Alexander Schroder Daruber sowie uber die zahlreichen zum Grossteil neuentdeckten literarischen Quellen neben Calderon unter anderem Werke von Grimmelshausen Gryphius Schiller Brentano Burdach Dostojewskij und Paul Claudel sowie Walter Benjamins Trauerspielbuch das Hofmannsthal schon vor dessen Veroffentlichung im Manuskript vorgelegen hat und uber die komplexe Entstehungsgeschichte der drei Dramenfassungen informieren erstmals umfassend die von dem Wuppertaler Germanisten Werner Bellmann herausgegebenen Bande 14 1 und 14 2 der Kritischen Hofmannsthal Ausgabe Verlag S Fischer Urauffuhrungen BearbeitenUrauffuhrungen 4 Februar 1928 am Munchner Prinz Regenten Theater am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und am Stadttheater Wurzburg die Inszenierungen basierten auf der 3 Fassung des Stucks Urauffuhrung der Kinderkonig Fassung 10 Juni 1948 im Ronacher der Dependance des Wiener Burgtheaters 31 Vorstellungen Interpretation BearbeitenMit dem Trauerspiel unternimmt Hofmannsthal den Versuch Aspekte der politischen und sozialen Wirklichkeit seiner Zeit dichterisch zu gestalten und zu deuten Im Mittelpunkt des Werks dem die Erfahrung des Ersten Weltkriegs zugrunde liegt stehen der Konflikt von Geist und Macht und das Problem der legitimen Herrschaft Eingebettet ist die Handlung in ein zeitlich entrucktes historisch mythisches Geschehen Dadurch gewinnt das Stuck jene spezifische Form die Hofmannsthal selbst vom Uberhistorischen dieses Trauerspiels hat sprechen lassen von dem zwischen einer Vergangenheit und einer Gegenwart Schwebenden Rudolf Alexander Schroder schrieb in seiner Besprechung der Kinderkonig Fassung An funf ja wenn man will an sechs Gestalten wird das Problem der Herrschaft abgewandelt alle diese Gestalten sind nur Varianten des Hauptthemas Durchgefuhrt wird es an und in der Person des Sigismund Neue Zurcher Zeitung 20 Juni 1926 Rezeption BearbeitenArthur Schnitzler schrieb in sein Tagebuch 30 Oktober 1925 Las den Thurm von Hugo nach Calderon zu Ende Eine Uberflussigkeit auf sehr hohem Niveau 2 Thomas Mann urteilte 1926 uber die Kinderkonig Fassung des Turm wobei er auf die von Hofmannsthal selbst herausgestellten Gegenwartsbezuge des Stucks und auf dessen politischen Gehalt anspielte Es ist ein Werk von ausserordentlicher Schonheit und von einer Unwillkurlichkeit die ich im ruhrendsten und verehrungswurdigsten Sinn dichterisch empfinde Auf jeden Fall beschamt es eine Jugend die sich allein als Trager der Zeit und ihrer Revolution fuhlen mochte und so tut als hatten wir die letzten 12 Jahre verschlafen und lebten ahnungslos im Alten Im Juli 1929 schrieb Thomas Mann in einem Gedenkartikel Der Turm sein leidvoll chaotischstes Gedicht das er liebte wie sein Schicksal ist das Denkmal von Hofmannsthals Ringen mit dem Neuen der Revolution der Jugend Walter Benjamin schrieb am 11 Juli 1925 in einem Brief an Hofmannsthal In Wahrheit sehe ich in Ihrem Werk ein Trauerspiel in seiner reinsten kanonischen Form Und zugleich empfinde ich die ausserordentliche Kraft deren diese Form der verbreiteten Bildungs Meinung zum Trotz in ihren hochsten Reprasentationen fahig ist Carl Burckhardt traf Hofmannsthal im Winter 1923 1924 in Paris 3 Das Trauerspiel Der Turm bezeichnet im Schaffen des Dichters die schwerste Anfechtung Das altertumliche Zeitgewand das er fur die Figuren dieser Tragodie wahlte ist belanglos dieses Drama setzt sich unmittelbarer als irgendein anderes seiner Werke mit der Gegenwart auseinander Der zweite Abschluss des nie wirklich vollendeten Stuckes ist hoffnungslos Er bringt den Untergang Niederlagen von nie dagewesenem Ausmass drohten schon als Hofmannsthal diese Arbeit ausfuhrte welche trotz ihrer ausseren Bewaltigung ein Versuch bleiben musste Einzelnachweise Bearbeiten Hermann Broch Hofmannsthal und seine Zeit in Dichten und Denken Essays Band I hrg von Hannah Arendt Rhein Verlag Zurich 1955 S 119 Freitag 30 Oktober 1925 Abgerufen am 12 September 2023 Carl J Burckhardt Begegnungen Zurich 1958 S 112f Literaturhinweise BearbeitenNorbert Altenhofer Wenn die Zeit uns wird erwecken Hofmannsthals Turm als politisches Trauerspiel In Hofmannsthal Forschungen Bd 7 Freiburg i Br 1983 S 1 17 Werner Bellmann Nachwort In Hugo von Hofmannsthal Der Turm Hrsg von W B Reclam Stuttgart 2000 S 220 246 Erika Brecht Erinnerungen an Hugo von Hofmannsthal Innsbruck 1946 S 69 72 Hermann Kunisch Geist und Macht Hugo von Hofmannsthals abendlandisch christliches Geschichts und Staatsbewusstsein in seinem Drama Der Turm In Jahres und Tagungsberichte der Gorresgesellschaft 1985 Koln 1986 S 22 49 Jakob Laubach Hugo von Hofmannsthals Turm Dichtungen Kempten 1954 Katharina Meiser u d N Katharina Maria Herrmann Hugo von Hofmannsthals spates Drama Der Turm Ringen um Erlosung von der bosartigen Unwirklichkeit Moderne In New German Review 23 2008 S 7 25 Walter Naumann Hofmannsthals Drama Der Turm In Deutsche Vierteljahrsschrift fur Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 62 1988 Heft 2 S 307 325 William H Rey Hofmannsthals Der Turm In Das deutsche Drama Interpretationen Hrsg von Benno von Wiese Bd 2 Bagel Dusseldorf 1964 S 267 285 Max Rychner Hofmannsthals Turm 1954 In M R Welt im Wort Literarische Aufsatze Zurich 1949 S 211 245 Rudolf Alexander Schroder Ein dramatisches Gedicht Hugo von Hofmannsthals In R A Sch Gesammelte Werke in funf Banden Bd 2 Berlin Frankfurt a M 1952 S 852 860 Erstdruck in Neue Zurcher Zeitung 20 Juni 1926 Werner Volke Hugo von Hofmannsthal mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten S 157 162 Rowohlt Hamburg 1967 ISBN 3 499 50127 9 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Turm Hofmannsthal amp oldid 237258479