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Der Hochwald ist eine Erzahlung von Adalbert Stifter 1842 1844 Sie erschien erstmals in Iris Taschenbuch fur das Jahr 1842 dann in uberarbeiteter Fassung 1844 im Zweiten Band der Studien Der Hochwald erzahlt eine scheiternde Liebesgeschichte vor der Kulisse des Dreissigjahrigen Krieges Der vom Vater abgelehnte Freier eines Madchens sucht seine Angebetete in deren Waldversteck auf und verspricht sich fur die Schlichtung der Kampfe zwischen den Parteien einzusetzen Er hofft auf diese Weise die Zuneigung des seine Burg verteidigenden Vaters seiner Geliebten zu gewinnen und die Gefechte zu verhindern wird jedoch stattdessen selbst Opfer der Auseinandersetzung Der Erzahlung ist dabei aber weniger angelegen ein Bild der inneren Verfasstheit des Krieges zu zeichnen wie Grimmelshausen im Simplicissimus oder der Landstorzerin oder spater dann Brecht in der Mutter Courage noch die Moral des Scheiterns zu pointieren wie Storm in seiner Novelle Aquis submersus Koloriert hingegen werden die topoi Wald Heimat und Schicksal Werden und Vergehen in einer manches Mal an Scott oder Cooper auch an Thoreau und die rousseausche Naturherrlichkeit erinnernden Weise die das Grundgefuhl der stifterschen Geschichte so fest im Biedermeier verankert erzahlerisch aber weit uber die tatsachliche oder vermeintliche Gemutlichkeit der Epoche hinausgreift Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Natur und Kultur 3 Horspiel 4 Ausgaben 5 Literatur Auswahl 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDer Aufbau der Erzahlung ist uber eine Rahmenerzahlung konstruiert Auf einer Wanderschaft im Bohmischen gerat der Erzahler vor eine Burgruine und erinnert sich an die Geschichte die dieses Gebaude zu berichten weiss Die eigentliche Binnen Erzahlung spielt vor dem Hintergrund des Dreissigjahrigen Krieges wohl zwischen 1632 und 1634 als die schwedischen Truppen nach Bohmen drangten bis sie 1634 in der Schlacht bei Nordlingen gezwungen wurden dieses Ansinnen aufzugeben In dieser Zeit lebt ein Edelmann Heinrich von Wittinghausen mit seinen zwei Tochtern Klarissa und Johanna auf einer Burg Um sie nicht der Gefahr des heranziehenden Krieges auszusetzen richtet er den Tochtern in der Tiefe eines angrenzenden Waldes eine Hutte ein gelegen an einem See der nur wenigen bekannt ist In dieser Hutte bewacht von einem alten waldkundigen Freunde Gregor werden die Tochter dazu angehalten das Anrucken der Schweden abzuwarten Nach einiger Zeit die die Tochter schon im Wald verbrachten macht sich ein vermeintlich Fremder bemerkbar der aber kurz darauf als Angebeteter Ronald der alteren Tochter Klarissa erkennbar wird Der Verbindung wenig Chancen einraumend drangte der Vater ihn einst die Burgmauern zu verlassen die Bindung des Herzens jedoch riss nie sodass sie nun in der Einsamkeit des Waldes Erneuerung und Bestatigung findet Doch nicht nur die Sache der Liebenden auch die des Krieges ist der Jungling zum Guten zu wenden bestrebt ist er doch selbst ein Schwede und rechnet sich aus seine Landsleute um die Schonung der Burg des erhofften Schwiegervaters bitten zu durfen Das Ende der Erzahlung bringt nun in einer schlichten kaum an sophokleische Verstrickungen heranreichenden Weise die tragische Vollendung des Schicksals Der Jungling vermag die die Burg schon Belagernden tatsachlich zu besanftigen wird dann aber auf der anderen Seite von den Belagerten als er die Sache zu verkunden heranreitet nicht erkannt und vom Vater der Geliebten selbst getotet Die Burg wird danach von den erzurnten Schweden in Brand gesteckt und so in jenen verwusteten Zustand versetzt den auch wenn die nun zur Jungfernschaft sich verdammenden Schwestern das Gemauer spater noch bewohnten der Erzahler aus dem Rahmen der Geschichte vorfindet Natur und Kultur BearbeitenDer Reiz der Erzahlung Der Hochwald liegt aber weniger in der o g Handlung als in der Beschreibung jener im Suden Bohmens sich findenden Landschaft um den Blockenstein Und hierin dann werden erst auch die Figuren beleuchtet und facettiert werden in der Teilhabe am Wald geschildert von der sich jene Welt des Menschenwerkes abhebt in der der Krieg herrscht und in der einmal hineingezogen die Liebesverbindung zugrunde gehen soll Zuerst aber einmal wird der Wald den Madchen von denen insbesondere die jungere Johanna empfanglicher fur das der Wildnis oft anhaftende Grauen Furcht empfindet vom Vater mit Ernst und Liebe Kap 1 209 als Schutz auserkoren Kein Hauch keine Ahnung von der Welt draussen dringt herein und wenn man sieht wie die prachtvolle Ruhe Tagereisen weit immer dieselbe immer ununterbrochen immer freundlich in Laub und Zweigen hangt dass das schwachste Graschen ungestort gedeihen mag so hat man schwere Muhe daran zu glauben dass in der Welt der Menschen schon die vielen Jahre her der Larm des Krieges und der Zerstorung tobe wo das kostbarste und kunstreichste Gewachs das Menschenleben mit ebensolcher Eil und Leichtfertigkeit zerstort wird mit welcher Muh und Sorgfalt der Wald die kleinste seiner Blumen hegt und auferziehet 1 211 Mit dem Krieg kontrastiert wird die Schopfung in ihrer Unschuld nicht jedoch im Allgemeinen oder Umfassenden sondern in eben jenem Mikrokosmos den der wilde Wald darstellen mag Auch schon in Johannas kindlichen Phantasien drangte sich schnell das Bild eines Waldes von tiefer Unschuld hindurch Vermag sie noch einleitend von einer gerade verbreiteten fama uber einen Wildschutzen erschreckt sich den Wald dunkel und abweisend vorzustellen so schwenkt dies Bild schnell zur Idylle Er hat alles so lebendig beschrieben auch die Walder alle dort oben unermesslich und undurchdringlich so dass unsere nur Garten dagegen sind Ein schoner schwarzer Zaubersee soll in ihrer Mitte ruhen und wunderbare Felsen und wunderbare Baume um ihn stehen und ein Hochwald ringsherum sein in dem seit der Schopfung noch keine Axt erklungen 1 207 Der Wald erscheint dann den Hindurchwandernden den ihren Schutzplatz am See Suchenden nahezu personifiziert nicht als Lebewesen sondern als Leben nicht als Gegenuber sondern als Umfassung Klare liebliche silberhelle Menschenstimmen Madchenstimmen drangen zwischen den Stammen hervor unterbrochen von dem teilweisen Anschlage eines feinen Glockleins Gleichsam wie lauschend dem neuen Wunder hielt die Wildnis den Atem an kein Zweig kein Laubchen kein Halm ruhrte sich die Sonnenstrahlen traten ungehort auf das Gras und pragten grungoldne Spuren die Luft war unbeweglich blank und dunkelblau nur der Bach von seinem Gesetze gezwungen sprach unaufhorlich fort fluchtig uber den Schmelz seiner Kiesel schlupfend wie uber eine bunte Glasur 2 217 Auch wenn es kurz darauf heisst Voruber war der Zug unser lieblich Waldplatzchen hatte die ersten Menschen gesehen 2 218 und sich spater noch einiges wie als ginge sachte ein neues Fuhlen durch den ganzen Wald 3 241 lesen lasst sollten diese Einschaltung die einerseits manchmal den Erzahler hervortreten den Wald andererseits in personam erscheinen lassen nicht daruber hinwegtauschen dass die Natur nie als Gegenuber sondern als umfassende hohere Ordnung gedacht ist sodass Stifter zu schreiben vermag Wer die Gesichter der Madchen ansieht wie sie doppelt rein und zart neben dem dunklen Grunde des Waldlaubes dahinschweben wie sie bluhend und vergnugt aus dem wallenden weissen Schleier des Kopfschmuckes herausblicken der hatte nicht gedacht dass sie sich noch kurzlich so sehr vor diesen Waldern furchteten und scheuten Johanna blieb fast immer an der Spitze wie sie ihrer Natur gemass sich vorher unmassig furchtete so freute sie sich auch jetzt unmassig 2 219 Hier bluhen die Madchen und schweben dahin wie der Nebel und in der Natur als umfassende offenbart sich die Natur der Johanna als einzelne Doch auch der Unterschied leuchtet hier auf So sehr auch beide Wald wie Johanna von der Natur sind so sehr gebricht es dieser doch an eben jenem Mass das sich in der Natur des Waldes findet Doch sogleich wird auch diesem Krankeln die Heilung beigegeben Die Pracht und Feier des Waldes mit all ihrem Reichtume und aller Majestat drang in ihr Auge und legte sich an ihr kleines Herz das so schnell in Angst aber auch in Liebe uberfloss ibd Erst jetzt vermag Johanna auch das Einzelne im Umfassenden zu erblicken sieht den seltsamen Strauch mit den fremden gluhendroten Beeren ibd dann den machtigen Baum oder den um eine Ecke brechenden Sonnenstrahl dann das Waldwasserchen mit seinen silbernen Funken 2 219f hort schliesslich Schmelz und Klage 2 220 der verschiedenen Tone wie ein schoner Gedanke Gottes senkte sich gemach die Weite des Waldes in ihre Seele 2 220 Das Bild vom Wald gerat so aber auch an den verwunschenen Wald der Marchen heran doch so belehrt der sich dessen bewusste Erzahler nicht der Wald ist das Marchen vielmehr die Menschen waren ein Marchen fur die ringsum staundende Wildnis 3 240 um kurz darauf wieder im Marchenhaften zu schwelgen wenn der See gleichsam seine Wasser herandrangte um ihr Nachbild aufzufassen ibd Aber schon vorher wurden wir ja belehrt es liegt ein Anstand ein Ausdruck von Tugend in dem von Menschenhanden noch nicht beruhrten Antlitze der Natur dem sich die Seele beugen muss als etwas Keuschem und Gottlichem und doch ist es zuletzt die Seele allein die all ihre innere Grosse hinaus in das Gleichnis der Natur legt 2 224 Allein die Liebe scheint hierin noch eine besondere Position zugewiesen zu bekommen erhebt den Menschen wie es Ronald beschreibt Wie schwach und herrlich ist der Mensch wenn ein allmachtig Gefuhl seine Seele bewegt und ihr mehr Schimmer und Macht verleiht als im ganzen anderen toten Weltall liegt 5 266 In der Liebe ubersteigt sich der Mensch wird zu einem Mehr hierin jedoch liegt auch seine Verletzlichkeit Und diese blanke Stelle sucht und findet der Krieg der nichts anderes ist als das Toten von Menschen die irgendwo irgendwelchen anderen Menschen das Liebste sind Dem Krieg aber vermag der Wald nichts entgegenzusetzen als sich selbst Denn wo das kostbarste und kunstreichste Gewuchs das Menschenleben mit eben solcher Eil und Leichtfertigkeit zerstort wird mit welcher Muh und Sorgfalt der Wald die kleinste seiner Blumen hegt und auferziehet da ist der Wald wieder nur der einfache Schutz den Krieg zu fliehen Wo der Mensch dann aber diesen Schutz den Schutz der Urnatur und seines eigenen Beisichseins verlasst da vermag auch der Wald nicht mehr zu retten Und so uberleben zwar die Tochter die die Liebe des Vaters in den Wald fuhrte doch das Lieben der einen der Tochter und so dann das Leben beider geht zuschanden da der Jungling sich hieran nicht zu halten vermag Er vermag dies so wenig wie der Vater denn beiden liegt die Ehre auf dem Schlachtfeld und beide liegen am Ende in der Erde auf einem unbekannten Feld Das Sich Verstecken gelingt somit letztlich nicht die Erzahlung endet wieder vor dem Panorama der Burgruine in der die Jungfern um deren Grab sodann auch niemand weiss den Rest ihres Lebens fristeten Zitiert nach Adalbert Stifter Gesammelte Werke in sechs Banden hg v Michael Benedikt u Herbert Hornstein Gutersloh 1960 Horspiel BearbeitenAm 7 Mai 2016 wurde im Osterreichischen Rundfunk O1 Der Hochwald als Horspiel ausgestrahlt Ursendung Bearbeitung und Regie Andreas Jungwirth Musik und Sound Miki Liebermann Mit Sophie Rois Stefanie Reinsperger Pippa Galli Laurence Rupp Raphael von Bargen Paul Wolff Plottegg Michael Konig Ton und Technik Anna Kuncio Manuel Radinger 1 Ausgaben BearbeitenAdalbert Stifter Der Hochwald Mit einem Nachwort von Harald Salfellner Vitalis Prag 2018 ISBN 978 3 89919 502 6 Literatur Auswahl BearbeitenRoy Pascal Die Landschaftsschilderung im Hochwald In Lothar Stiehm Hrsg Adalbert Stifter Studien und Interpretationen Gedenkschrift zum 100 Todestage Stiehm Heidelberg 1968 S 57 68 Christine Oertel Sjogren Tuch as a Symbol for Art in Stifter s Hochwald In Journal of English and Germanic Philology Band 73 1974 ISSN 0363 6941 S 375 388 John Reddick Mystification Perspectivism and Symbolism in Hochwald In Johann Lachinger u a Hrsg Adalbert Stifter heute Schriftenreihe des Adalbert Stifter Institutes des Landes Oberosterreich Band 35 Publications of the Institute of Germanic Studies Band 33 Adalbert Stifter Institut des Landes Oberosterreich Linz 1985 ISBN 3 900424 03 9 S 44 74 Hans Steffen Traumbedurfnis und Traumanalyse Stifters Hochwald als asthetisches Bedeutungsspiel Uber die Innerlichkeit des modernen Menschen In Etudes Germaniques Band 40 Nr 3 1985 ISSN 0014 2115 S 311 334 Weblinks BearbeitenAdalbert Stifter Der Hochwald im Projekt Gutenberg DE Adalbert Stifter Der Hochwald In Iris Taschenbuch fur das Jahr 1842 S 267 413 Einzelnachweise Bearbeiten Die Horspiel Galerie In oe1 orf at 7 Mai 2016 abgerufen am 24 Juli 2021 Normdaten Werk GND 4245733 6 lobid OGND AKS VIAF 202249857 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Hochwald amp oldid 237919067