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Die Chemische Fabrik der Gebruder Gravenhorst war ein Unternehmen zur Herstellung chemischer und pharmazeutischer Produkte in Braunschweig Es wurde im Jahr 1759 gegrundet und stellte im fruhen 19 Jahrhundert seinen Betrieb ein Die Gravenhorstsche Fabrik war die erste Fabrik fur Salmiak in Deutschland In Publikationen aus dem Bereich Chemie und Pharmaziegeschichte wird sie oft als erste chemische Fabrik uberhaupt im deutschen Sprachraum bezeichnet 1 Johann Heinrich links und Christoph Julius Gravenhorst auf dem Frontispiz der Oeconomischen Encyclopadie Band 19 1780 Inhaltsverzeichnis 1 Unternehmensgeschichte 2 Produkte 2 1 Braunschweiger Salmiak 2 2 Braunschweigisches Grun 2 3 Glaubersalz 2 4 Roter Braunschweiger Alaun 3 Publikationen Auswahl 4 Literatur 5 EinzelnachweiseUnternehmensgeschichte BearbeitenGegrundet wurde das Unternehmen durch die Bruder Johann Heinrich Gravenhorst 1719 1781 und Christoph Julius Gravenhorst 1731 1794 Zunachst sollten sie Kaufleute werden beschaftigten sich aber intensiv mit eigenen Studien zur Mechanik Hydraulik und Chemie 2 Im Jahr 1759 erwarben die Bruder das Gelande des Johannishofes eine ehemalige Besitzung der Johanniter in der Braunschweiger Innenstadt heute ein Bereich zwischen Kattreppeln und der fruheren Oberpostdirektion in der Friedrich Wilhelm Strasse Dort errichteten sie Produktionsanlagen zur Herstellung chemischer und pharmazeutischer Produkte 3 Hergestellt wurden ab 1762 im Wesentlichen Salmiak Roter Braunschweiger Alaun und Braunschweigisches Grun ab 1767 Glaubersalz ab 1769 1 sowie ein Wundbalsam namens Balsamus Brunsvicensis 4 oder Balsamum Brunsvicense 5 nbsp nbsp Das Gelande der Chemischen Fabrik der Gebruder Gravenhorst in der Braunschweiger Innenstadt Keines dieser Produkte wurde von den Brudern erfunden Ihre Leistung bestand vielmehr in der Entwicklung und fabrikmassigen Realisation wirtschaftlicher Herstellungsverfahren sowie in einer mit den damaligen Mitteln uberaus geschickten Vermarktung der Erzeugnisse 1 Das Konzept der Vermarktung war ausserordentlich erfolgreich Die Inhaber verfassten eine Reihe kleiner Schriften in denen sie den Nutzen ihrer Produkte beschrieben und Anleitungen zu ihrer Anwendung gaben Die Schriften dienten mehr kaufmannischen als wissenschaftlichen Zwecken 6 und wurden als allgemein aufklarende belehrende Artikel in zahlreichen Zeitschriften abgedruckt Die gleichen Artikel wurden dann auch noch als einzelne Drucke an Kunden und Interessenten verteilt 7 Zeitweise stand die Firma mit bis zu 3000 Handelskorrespondenten in Kontakt 2 und ihre Besitzer zahlten in der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts zu den wohlhabendsten Burgern der Stadt Braunschweig Nach dem Tod Johann Heinrichs wurde die Fabrik von Christoph Julius weiterbetrieben 6 Nach dessen Tod ging das Unternehmen in den Besitz von Johann Andreas Christoph Gravenhorst 1768 1833 Mediziner und Carl Hermann Julius Gravenhorst 12 August 1828 Fabrikant uber 8 In den 1820er Jahren erfolgte die Einstellung des Betriebes 9 Im Jahr 1780 widmete Johann Georg Krunitz den 19 Band seiner Oeconomischen Encyklopadie den Gebrudern Gravenhorst Der Band zeigt die Portrats der Bruder auf dem Frontispiz 10 Produkte BearbeitenWahrend die Bruder zahlreiche Schriften fur Werbezwecke veroffentlichten hielten sie die Herstellungsverfahren streng geheim Auch die Mitarbeiter wurden zur Verschwiegenheit verpflichtet und dafur aussergewohnlich gut bezahlt Zudem achtete man darauf dass kein Mitarbeiter den vollen Uberblick uber den gesamten Produktionsablauf erhielt Die Produktionsanlagen wurden von den Inhabern meist selbst errichtet Christoph Julius mauerte die Ofen eigenhandig und nahm Veranderungen der Anlagen oft in Nachtarbeit allein vor Es wird berichtet dass die Gebruder Gravenhorst selbst einen interessierten Fursten nicht in ihre Gebaude hineinliessen 2 Braunschweiger Salmiak Bearbeiten Hauptartikel Braunschweiger Salmiak Salmiak Ammoniumchlorid NH4Cl war das Hauptprodukt des Unternehmens Verwendung fand Salmiak damals in der Farberei und Gerberei sowie beim Verzinnen Verzinken und Loten Bis zur Errichtung der ersten Salmiakfabriken in England und Frankreich wurde Salmiak hauptsachlich aus Agypten eingefuhrt wo es in naturlichen Lagerstatten vorkommt In Braunschweig wurde Ammoniumchlorid aus tierischem und menschlichem Urin hergestellt den man mit Gips Calciumsulfat CaSO4 2 H2O und Natriumchlorid NaCl umsetzte Gereinigt wurde das Produkt durch Umkristallisation Zur Kristallisation wurde eine hochkonzentrierte Ammoniumchlorid Losung in perforierte Keramikformen gefullt Nach Auskristallisation erhielt man das Ammoniumchlorid in einem kegelformigen Block ahnlich einem Zuckerhut Salmiak in Zuckerhutform wurde auch noch nach der Stilllegung des Braunschweiger Unternehmens als Braunschweiger Salmiak bezeichnet 11 Zeitzeugen berichteten dass die Gebruder Gravenhorst die Braunschweiger Burger fur die Anlieferung von Urin bezahlten 2 und die Fabrikation des Salmiaks aus Urin wie es in der engbebauten Innenstadt Braunschweigs geschah in einem weiten Umkreis einen unangenehmen erstickend scharfen Dampf und Geruch verbreitete 12 Braunschweigisches Grun Bearbeiten Hauptartikel Braunschweigisches Grun Braunschweigisches Grun eine Maler und Anstreichfarbe auf der Grundlage basischer Kupfersalze bildete ein Folgeprodukt der Salmiakherstellung 13 Der Vertrieb der Farbe verlief sehr erfolgreich und das Produkt wurde schon kurz nach seiner Einfuhrung von anderen Herstellern kopiert 13 Bereits 1768 vertrieb der Apotheker Pabytzky aus Peine ein vergleichbares Produkt unter dem Namen Peinsches Grun 14 Uber den eigenen Herstellungsprozess publizierten die Bruder Gravenhorst selbst nichts Andere Betriebe die dieses Produkt noch im 19 Jahrhundert produzierten ubergossen Kupferbleche mit einer konzentrierten Salmiaklosung Nach einiger Zeit der Einwirkung bildete sich das Braunschweigische Grun als eine grune Masse die abgekratzt wurde 13 Glaubersalz Bearbeiten Als Nebenprodukt der Salmiakherstellung produzierte die Fabrik Glaubersalz Natriumsulfat Na2SO4 10 H2O das auch unter den Handelsnamen Gravenhorst sches Salz 15 und Braunschweig sches Salz 16 fur pharmazeutische Zwecke besonders als Abfuhrmittel an Apotheken vertrieben wurde 17 Der Schriftsteller Heinrich Sander 1754 1782 berichtete nach einem Besuch der Fabrik dass die Bruder ihr Glaubersalz vielen Armen kostenlos weitergaben und der kranke Johann Heinrich selbst von Leistenbruch und Hamorrhoiden geplagt mit Glaubersalz bestandig seinen Leib offenhielt 2 Roter Braunschweiger Alaun Bearbeiten Alaun Aluminiumkaliumsulfat Dodecahydrat KAl SO4 2 12 H2O verwendete man in der Weissgerberei und in der Farberei Wegen seiner adstringierenden Wirkung wurde Alaun in der Medizin schon fruh zur Blutstillung eingesetzt Im 18 Jahrhundert galt italienischer Alaun Romischer Alaun roter Alaun als bestes Produkt seiner Art obwohl an den Kristalloberflachen rote eisen bzw eisenoxydhaltige Erde anhaftete Erst durch Auflosen in Wasser und Filtrieren erhielt man daraus einen farblosen eisenfreien Alaun Der Ruf dieses Produktes war so uberragend dass andere Hersteller die blassrotliche Farbung nachahmten und bereits reinen farblosen Alaun zunachst in Eisenoxid walzten bevor sie ihn in den Handel brachten 18 19 Auch der Braunschweiger Betrieb kopierte dieses Produkt indem Alaun der durch Cobaltionen verunreinigt war 18 als Romischer Alaun angeboten wurde Die transparenten Alaunkristalle erhielten durch ihren Cobaltgehalt eine durchgangige blassrote Farbung die sich allerdings durch Auflosen und Filtrieren nicht entfernen liess Das Erzeugnis wurde von den Gebrudern Gravenhorst spater unter dem Handelsnamen Roter Braunschweiger Alaun verkauft Publikationen Auswahl BearbeitenEinige Nachrichten an das Publicum viere der Gravenhorstschen Fabric Producte betreffend 1 Ein vollkommen reines Salmiak 2 ein aufrichtiger rother Alaun 3 Eine in Luft und Wetter bestandige neuerfundene grune Mahlerfarbe Braunschweigisch Grun genannt 4 Ein aufs hochste gereinigtes sogenanntes Glaubersches Wundersalz oder Sal mirabile Glauberi 1769 Nachricht den medicinischen Gebrauch und Nutzen des Salis mirabilis Glauberi oder Glaubersalzes betreffend 1770 1775 und 1778 Nachricht an das Publicum abermalen eine neue erfundene grune Malerfarbe betreffend unter dem Namen gelautertes Braunschweigsch Grun 1771 Fernere Nachricht an das Publicum das Braunschweigische Salmiac betreffend 1772 Gutachten der Gebruder Gravenhorst die Anwendung des Glaubersalze wider die Rindviehseuche betreffend 1775 Etwas von der Anwendung des Braunschweigischen Balsams in Verbindung mit dem innerlichen Gebrauche des Glaubersalzes wider das Podagra 1777 Auszug aus den Nachrichten das Braunschweigschen Grun betreffend welchel nur blos zum Unterricht auf was Weise man bei der Anwendung der Farbe zu verfahren hat dienen sol 1778 Literatur BearbeitenHorst Rudiger Jarck Gunter Scheel Hrsg Braunschweigisches Biographisches Lexikon 19 und 20 Jahrhundert Hahnsche Buchhandlung Hannover 1996 ISBN 3 7752 5838 8 S 275 276 Jorg Leuschner Karl Heinrich Kaufhold Claudia Martl Hrsg Die Wirtschafts und Sozialgeschichte des Braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart Band 2 Fruhneuzeit Georg Olms Verlag Hildesheim 2008 ISBN 978 3 487 13597 7 Norman Mathias Pingel Gravenhorst Gebruder In Luitgard Camerer Manfred Garzmann Wolf Dieter Schuegraf Hrsg Braunschweiger Stadtlexikon Joh Heinr Meyer Verlag Braunschweig 1992 ISBN 3 926701 14 5 S 92 Karl Karmarsch Gravenhorst Johann Heinrich In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 9 Duncker amp Humblot Leipzig 1879 S 615 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Rolf Walter Hrsg Innovationsgeschichte Ertrage der 21 Arbeitstagung der Gesellschaft fur Sozial und Wirtschaftsgeschichte 30 Marz bis 2 April 2005 in Regensburg F Steiner Stuttgart 2007 S 189 ISBN 978 3 515 08928 9 a b c d e Heinrich Sander Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich die Niederlande Holland Deutschland und Italien Zweiter Theil Friedrich Gotthold Jacobaer Leipzig 1784 S 223 f Friedrich Knoll Braunschweig und Umgebung Goritz Braunschweig 1881 S 146 Carl Philipp Ribbentrop Vollstandige Geschichte und Beschreibung der Stadt Braunschweig Band v2 Braunschweig 1779 S 142 Gabriele Beisswanger Arzneimittelversorgung im 18 Jahrhundert die Stadt Braunschweig und die landlichen Distrikte im Herzogtum Braunschweig Wolfenbuttel Deutscher Apotheker Verlag Braunschweig 1996 S 180 ISBN 3 7692 2023 4 a b Karmarsch Karl Heinrich Kaufhold Hrsg Die Wirtschafts und Sozialgeschichte des Braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart Fruhneuzeit Olms Hildesheim 2008 S 788f ISBN 978 3 487 13597 7 Regierungs Blatt fur das Konigreich Bayern Munchen 1831 S 715 August Friedrich Wilhelm Crome Geographisch statistische Darstellung der Staatskrafte von den sammtlichen zum deutschen Staatenbunde gehorigen Landern III Teil Gerhard Fleischer Leipzig 1827 S 27 Johann Georg Krunitz Oekonomische Encyklopadie Bd 19 Verlag Joachim Pauli Berlin 1780 Justus von Liebig Handbuch der Pharmacie Band 1 5 Auflage C F Winter Heidelberg 1843 S 245 Johann Anton Heinrich Nicolai Grundriss der Sanitats Polizei Nicolaische Buchhandlung Berlin 1835 S 401 a b c Allgemeine Encyclopadie fur Kaufleute und Fabrikanten 3 Auflage Otto Wigand Leipzig 1838 S 160 Friedrich F Zincke Das neue allgemeine Harzmagazin Bd 1 Christoph August Reussner Blankenburg 1768 S 114 118 Ernst Horn Handbuch der praktischen Arzneimittellehre fur Aerzte und Wundarzte 2 Auflage Oehmigke der Jungere Berlin 1805 S 646 Johannes Leunis Schul Naturgeschichte Dritter Theil 4 Auflage Hahn sche Hofbuchhandlung Hannover 1870 S 189 Christoph Schumann Der Anteil deutscher Apotheker an der Entwicklung der technischen Chemie zwischen 1750 und 1850 Peter Lang Frankfurt am Main 1997 S 117 ISBN 3 631 48212 4 a b Justus von Liebig Handbuch der Pharmacie Band 1 5 Auflage C F Winter Heidelberg 1843 S 381 382 Herders Konversations Lexikon 8 Bande und Erganzungsband 3 Auflage Freiburg im Breisgau 1902 1910 Band 1 S 205 52 261916666667 10 522 Koordinaten 52 15 43 N 10 31 19 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Chemische Fabrik Gebruder Gravenhorst amp oldid 229808577