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Carl Muller Braunschweig bis 1925 1926 Carl Muller 8 April 1881 in Braunschweig 12 Oktober 1958 in Berlin war ein deutscher Philosoph Psychoanalytiker und Verbandsfunktionar Wahrend der Zeit des Nationalsozialismus war er zunachst Vorstandsmitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft DPG und stand von 1938 bis 1945 unter Betatigungsverbot Er wurde 1950 Grundungsmitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung DPV Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Bis 1933 1 2 Von 1933 bis 1945 1 3 Nach 1945 2 Publikationen 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenBis 1933 Bearbeiten Carl Mullers Vater besass eine Bautischlerei und ermoglichte ihm ein breit angelegtes Studium vorwiegend der Philosophie bei Jonas Cohn Cay von Brockdorff Paul Menzer Carl Stumpf Georg Lasson und Alois Riehl und nebenfachlich der Physik Biologie Anthropologie Psychologie Geschichte und Nationalokonomie 1905 folgte Carl Muller Riehl nach Berlin promovierte dort 1909 und kam im gleichen Jahr mit der Psychoanalyse in Kontakt Daraufhin verzichtete er auf eine akademische Laufbahn als Philosoph und absolvierte von 1912 bis 1914 eine psychotherapeutische Ausbildung bei Karl Bonhoeffer sowie eine Psychoanalyse zunachst bei Karl Abraham und bei Hanns Sachs 1913 heiratete er Josine Ebsen 1884 1930 welche ebenfalls eine Analyse bei Sachs und eine Ausbildung zur Kinderanalytikerin machte Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er 1919 Mitglied der Berliner psychoanalytischen Gesellschaft und Dozent am 1920 gegrundeten Berliner Psychoanalytischen Institut BPI Von 1922 bis 1933 war er Sekretar und 1933 bis 1936 Vorsitzender des Unterrichtsausschusses des BPI und wirkte massgeblich an den Ausbildungsrichtlinien mit 1925 wahlte ihn die Internationale Psychoanalytische Vereinigung IPV in ihren Zentralvorstand Im selben Jahr liess er seine kinderlos gebliebene Ehe scheiden und heiratete die Kinderanalytikerin Ada Schott 1897 1959 die bei ihm eine Lehranalyse absolviert hatte Sie bekamen 1926 den Sohn Hans Muller Braunschweig der ebenfalls Psychoanalytiker wurde und im Jahr darauf die Tochter Elke Ingeborg Bibby 1927 2019 die spater als Tierarztin in Ottawa praktizierte 1 Muller Braunschweig publizierte regelmassig in der Internationalen Zeitschrift fur Psychoanalyse und in der sexualwissenschaftlichen Zeitschrift Imago wobei er sich vor allem mit der anthropologischen Stellung der Psychoanalyse innerhalb des biologisch philosophischen Menschenbildes befasste Von 1933 bis 1945 Bearbeiten Nach der Machtubernahme durch die Nationalsozialisten wurde der Vorstand der DPG dem mehrere Juden angehorten abgelost und ein neuer Vorstand mit dem Psychiater Felix Boehm als Vorsitzendem und Muller Braunschweig als Stellvertreter eingesetzt Laut einem internen Bericht Boehms vom 21 August 1934 2 der bislang von anderen Quellen nicht bestatigt wurde hatte Sigmund Freud Boehm und Muller Braunschweig im April 1933 versprochen sie als neuen Vorstand zu akzeptieren falls sie dafur sorgen dass Harald Schultz Hencke dem Vorstand fernbliebe und Wilhelm Reich ganz aus der Psychoanalyse verschwande Freud an Boehm Befreien Sie mich von Reich Der marxistisch orientierte Reich wurde 1933 zunachst aus der DPG und 1934 aus der IPV ausgeschlossen 3 Muller Braunschweig veroffentlichte 1933 ein Memorandum Psychoanalyse und Weltanschauung in dem er der Psychoanalyse einen Nutzen fur den nationalsozialistischen Staat zuschrieb und durch welches sich die DPG auch ideologisch an das Regime anpasste In der Folge wurden insgesamt etwa zwei Drittel der DPG Mitglieder in etwa 100 Analytiker und Auszubildende als Juden aus Deutschland vertrieben In Reichswart hatte er im Oktober 1933 4 geschrieben Die Psychoanalyse bemuht sich unfahige Weichlinge zu lebenstuchtigen Menschen umzuformen Im November 1933 wurde er mit Boehm beide zuvor Stellvertreter ihrer judischen Vorstandskollegen Vorsitzender der DPG In Nationalsozialistische Idde und Psychoanalyse forderte er 1935 eine deutsche Psychotherapie 5 1936 wurde die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft umbenannt in Arbeitsgruppe A im Deutschen Institut fur psychologische Forschung und Psychotherapie welches von dem Neurologen Matthias Heinrich Goring einem Vetter Hermann Gorings geleitet wurde Die DPG trat aus der IPV aus was allerdings kurz darauf revidiert wurde Muller Braunschweig wurde nun Vorsitzender des Lehrausschusses am Deutschen Institut und plante 1938 die Herausgabe einer Zeitschrift fur Deutsche Psychoanalyse in der es keine judischen Einflusse mehr geben sollte Nach dem Anschluss Osterreichs an das Deutsche Reich wurde Muller Braunschweig 1938 von Matthias Heinrich Goring zunachst damit beauftragt treuhanderisch die Wiener Psychoanalytische Vereinigung zu ubernehmen Nachdem im Marz 1938 SA Leute in Freuds Wohnung eingedrungen waren reiste Muller Braunschweig dazu nach Wien wo am 20 Marz eine Vorstandssitzung der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft stattfand an der Muller Braunschweig Ernest Jones und Anna Freud teilnahmen und bei der beschlossen wurde die Wiener Vereinigung in die arisierte Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft zu uberfuhren und alle Nichtarier auszuschliessen 6 Ein anteilnehmender personlicher Brief Muller Braunschweigs an Anna Freud der von der Gestapo abgefangen wurde erregte jedoch das Misstrauen des Regimes woraufhin Muller Braunschweig und Boehm ihre Positionen verloren Muller Braunschweig erhielt Lehr und Haus Verbot und betrachtete sich daher spater als Opfer des Regimes Die DPG wurde danach auch offiziell aufgelost 7 Nach 1945 Bearbeiten Nach Kriegsende grundete sich die DPG am 16 Oktober 1945 unter Muller Braunschweigs Vorsitz mit Felix Bohem als dessen Vertreter neu Drittes Vorstandsmitglied wurde der Arzt Werner Kemper 8 1949 gab Muller Braunschweig die Zeitschrift fur Psychoanalyse heraus von der nur zwei Hefte finanziert werden konnten Als Harald Schultz Hencke gemeinsam mit Kemper eine wirtschaftliche Absicherung des Berufsstandes mittels der Abrechnung von Psychoanalysen und therapien am Zentralinstitut fur psychogene Erkrankungen der Versicherungsanstalt Berlin erwirkt hatte kam es zu einer scharfen personlichen und fachlichen Auseinandersetzung zwischen Muller Braunschweig und Schultz Hencke die auf dem 1 Nachkriegskongress der IPV in Zurich 1949 auch offentlich ausgetragen wurde Muller Braunschweig verliess daraufhin die DPG und grundete am 11 September 1950 die DPV welche einen eigenen Ausbildungsgang in klassischer Psychoanalyse anbot Auf dem Kongress der IPV 1951 in Amsterdam wurde die DPV als Mitgliedsorganisation aufgenommen wahrend die DPG ausgeschlossen blieb Muller Braunschweig arbeitete danach als praktischer Psychoanalytiker und als Dozent fur Psychoanalyse an der FU Berlin Im Zusammenhang seiner Lehrtatigkeit wandte er sich in seinen Publikationen nun vor allem der Exegese der Schriften Freuds zu Publikationen BearbeitenDie Methode einer reinen Ethik insbesondere der Kantischen dargestellt an einer Analyse des Begriffes eines Praktischen Gesetzes Promotion Berlin 1908 unveranderte Neuauflage Topos Vaduz Liechtenstein 1979 Kantstudien 11 DNB 780038711 Das Verhaltnis des Psychoanalyse zu Ethik Religion und Seelsorge F Bahn Schwerin in Mecklenburg 1927 Arzt und Seelsorger 11 DNB 580787753 Psychoanalyse und Weltanschauung In Reichswart Nationalsozialistische Wochenschrift und Organ des Bundes Volkischer Europaer Organe de L Alliance Raciste Europeenne 14 Jg Nr 42 Berlin 22 Oktober 1933 S 2 f Nachdruck in Psyche Zeitschrift fur Psychoanalyse und ihre Anwendungen 37 Jg Stuttgart 1983 S 1116 1119 Nationalsozialistische Idee und Psychoanalyse Juni 1935 Streifzuge durch die Psychoanalyse Parus Reinbek bei Hamburg 1948 DNB 453500064 Literatur BearbeitenRegine Lockot Muller Braunschweig Carl In Neue Deutsche Biographie NDB Band 18 Duncker amp Humblot Berlin 1997 ISBN 3 428 00199 0 S 489 491 Digitalisat Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 198 200 204 205 207 208 und 210 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Fischer Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 596 16048 8 Aktualisierte 2 Auflage S 423 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Carl Muller Braunschweig im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Applied Carl Muller Braunschweig Psychoanalyse und Sexualreform Vortrag auf dem Internationalen Kongress zur Sozialreform 1921 veroffentlicht in International Journal of Psycho Analysis 4 1923 S 494 495 Helmut Dahmer Regression einer kritischen Theorie Schicksale der Psychoanalytischen Bewegung Vortrag 2001 Carl Muller Braunschweig Biographie der DPGEinzelnachweise Bearbeiten Remembering the life of Elke BIBBY Abgerufen am 20 November 2022 englisch Der Bericht wurde erstmals publik in Karen Brecht u a Hg Hier geht das Leben auf eine sehr merkwurdige Weise weiter Verlag Michael Kellner Hamburg 1985 S 99 109 Weil in den Zeitschriften der Psychoanalytiker nur kurz sein Austritt gemeldet wurde veroffentlichte Reich 1935 selbst einen Bericht uber den Ausschluss Wilhelm Reichs aus der IPV vgl auch Karl Fallend Bernd Nitzschke Hrsg Der Fall Wilhelm Reich Suhrkamp Frankfurt am Main 1997 Carl Muller Braunschweig Psychoanalyse und Weltanschauung In Reichswart vom 22 Oktober 1933 Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 2001 S 198 199 Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 2001 S 200 201 Genaueres zu Muller Braunschweigs Wirken im Vorfeld und zu Zeiten des NS Regimes bei Andreas Peglau Unpolitische Wissenschaft Wilhelm Reich und die Psychoanalyse im Nationalsozialismus Psychosozial Verlag Giessen 2017 korrigierte und erweiterte Auflage DNB Link Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 2001 S 204 205 Normdaten Person GND 129413372 lobid OGND AKS VIAF 67545036 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Muller Braunschweig CarlALTERNATIVNAMEN Muller CarlKURZBESCHREIBUNG deutscher Philosoph und PsychoanalytikerGEBURTSDATUM 8 April 1881GEBURTSORT BraunschweigSTERBEDATUM 12 Oktober 1958STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Carl Muller Braunschweig amp oldid 229359480