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Die Burschensprache oder Studentensprache war eine von zahlreichen lateinischen franzosischen und latinisierten Wortern durchsetzte Standessprache die unter deutschsprachigen Studenten gesprochen wurde und ihre Blutezeit vom 18 bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts hatte Der Begriff des Burschen ist also auf den Studenten nicht auf den Jungling allgemein zu beziehen Sie hatte uberregionale Geltung auch wenn die Kastensprache der zechfreudigen und rauflustigen Studenten der Universitaten Giessen Gottingen Halle Saale und Jena als bestimmend galt Etliche Begriffe der Studentensprache haben sich im Alltagsgebrauch eingeburgert Daruber hinaus verwenden Mitglieder deutscher Studentenverbindungen heute noch Begriffe die nur im Rahmen des Burschenlebens gebrauchlich sind Eine ausgepragte Studentensprache als einem nicht Eingeweihten unverstandliche Sondersprache wie in fruheren Zeiten wird seit dem 20 Jahrhundert nicht mehr gesprochen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Sprachliche Besonderheiten 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Studentensprache wortlich genommen und bildlich umgesetzt 1903 Die Hochschulen des 18 und 19 Jahrhunderts waren in einem standigen Informationsaustausch daher mussten auch alle in einer einheitlich verstandlichen Sprache miteinander reden Da die Studentensprache nicht lokal gewachsen war sondern sich auf den ganzen deutschen Raum ausdehnte war sie auch allgemein verstandlich Die Burschensprache verband alle deutschen Studenten miteinander nbsp Titelseite des Studenten Lexicons von Christian Wilhelm Kindleben Halle Saale 1781Andererseits stellte Friedrich Christian Laukhard 1757 1822 bereits im Jahre 1800 fest dass die Giessener Burschensprache ein Deutsch ist das ein Deutscher so wenig versteht wie Arabisch Daran lasst sich bereits erkennen wie schwer verstandlich die burschikose Ausdrucksweise der Studenten fur Aussenstehende war Johannes Meiner sprach uber das Phanomen Studentensprache wie folgt Die eigene nur ihnen gehorige und von ihnen gebrauchte Studentensprache eine Art Geheimsprache entstammt von Anfang an verschiedenen Quellen und die allgemeine kulturelle Entwicklung hat dann auch im Sprachgut ihre deutlichen und unausloschlichen Spuren hinterlassen Die Studentensprache umfasst das ganze Studentenleben in all seinen Formen und Ausserungen Ihr vielseitiger und reichhaltiger Wortschatz ist in den grossen allgemeinen deutschen Worterbuchern niemals vollstandig erfasst worden denn dazu ist die Menge burschikoser Wortbildungen zu gross Die ersten studentensprachlichen Worterbucher sind schon fruh entstanden so das Handlexikon des Salamasius um die Mitte des 18 Jahrhunderts 1781 ein Worterbuch von Christian Wilhelm Kindleben und 1795 ein weiteres von Christian Friedrich Augustin Das Burschicose Worterbuch des Schweizers Johann Grassli es erschien unter dem Pseudonym J Vollmann unterschied sich von diesen Lexika durch seine lebendige und anschauliche Schilderung des Studentenlebens Der Luneburger Jurist Daniel Ludwig Wallis findet 1813 die Form eines Hochschulfuhrers fur die Gottinger Universitat schildert die Ablaufe und Kosten und fugt ein Kapitel als lexikalisches Worterbuch an Auch sein Corpsbruder Georg Kloss hinterliess ein Idiotikon der Burschensprache das postmortem veroffentlicht wurde Bei diesen beiden Praktikern ist also gleichzeitig von einer grossen Realitatsnahe auszugehen Bemerkenswert im Fall des 1813 wahrend der Franzosenzeit erschienenen Werkes von Wallis ist der verblumt enthaltene Hinweis auf die bestehende Zensur und deren Auswirkung auf den Inhalt des Worterbuches Der starke behordliche Verfolgungsdruck auf die Studentenverbindungen dieser Zeit musste vom Autor berucksichtigt werden wollte er seine Kommilitonen nicht gefahrden Die Worter der studentischen Standessprache sie entstammen grosstenteils von der Mitte des 17 Jahrhunderts bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts unterliegen ebenso wie studentische Redensarten im Laufe der Zeit auch einem Bedeutungswandel Die Blutezeit der deutschen Burschensprache ist das 18 Jahrhundert als die deutsche Muttersprache das Latein an den Hohen Schulen allmahlich verdrangte Damals bestimmte der Student mit seinem Erscheinungsbild mit seinen Sitten nicht nur das Leben in den kleinen Universitatsstadten seine Sprache und ihr Wortschatz beherrschte auch den Verkehr mit den Burgern Ebenso stand die Sprache der Pennaler unter dem Einfluss der Hochschule und ihrer Sondersprache Der deutsche Student trug seine Burschensprache aber auch in seine Heimat er nahm sie auf seinem weiteren Lebensweg mit Sprachliche Besonderheiten BearbeitenDie Sprache der deutschen Studenten insbesondere des 16 und 17 Jahrhunderts sowie des beginnenden 18 Jahrhunderts war von griechischen und vor allem lateinischen Sprachelementen viel starker durchsetzt als die Sprache der heutigen Hochschuler Latein die universelle Sprache der Wissenschaft bestimmte die Lehre und das Leben an den deutschen Hohen Schulen Teutonisare deutsch sprechen war verpont und stand sogar unter Strafe Der Student ubernahm lateinische Worter unverandert in seinen Wortschatz und wendete sie u a in der Bezeichnung der Chargen und im traditionellen studentischen Liedgut an Der Student streift schliesslich jeden Regelzwang ab er mischt ohne Hemmung lateinische griechische und deutsche Sprachelemente und versetzt deutsche Worter mit lateinischen Endungen Als das bekannteste sei der in der Umgangssprache gebrauchliche Ausdruck Bursche erwahnt das Wort leitet sich von Bursarius dem Bewohner einer Burse ab Das lat bursa urspr Tasche Beutel Borse wandelte seine Bedeutung zu gemeinschaftlicher Kasse davon abgeleitet ist der Ausdruck die Burse einer Gemeinschaft die aus einer gemeinsamen Kasse lebt und des Weiteren die Burse das gemeinschaftliche Wohnheim von Hochschullehrern und ihren Schulern Die Gesamtheit der Bewohner einer Burse den Bursanten oder die Bursgesellen Bursale auch Bursalis Burssgesell und Bursenknecht wurde auch als die Bursch bezeichnet und erst allmahlich ist dieser Ausdruck auf den einzelnen Bewohner ubertragen worden Im 17 Jahrhundert tritt neuerlich ein Bedeutungswandel ein Der Bursch ist ein Synonym fur Student eine Bedeutungsverengung im 19 Jahrhundert macht daraus ein Vollmitglied einer Studentenverbindung In Suddeutschland und Osterreich erfuhr der Begriff dagegen eine Weitung und bezeichnet jeden jungen Mann Vom lat Adjektiv crassus dick weitgehend wurde im 18 Jahrhundert krass ubernommen wobei die Vermischung mit nhd grass heute noch gebrauchlich in grasslich eingetreten ist so dass die studentensprachliche Benennung ein krasser Fux einen jungen Studenten ohne Lebensart beschreibt Der Burschensprache des 17 Jahrhunderts entstammt fidel von lat fidus treu zuverlassig abgeleitet Einen Bedeutungswandel machte aus einem fidelen Burschen in der Studentensprache etwas grober auch als fideler Knochen angesprochen einen Bruder Liederlich einen lockeren Gesellen heute hat das einstige Wort der Burschensprache die harmlose Bedeutung von heiter lustig angenommen Typische Wortbildungen der studentischen Standessprache sind Exkneipe Conkneipant Als ebenso echt studentische Wortschopfungen sind anzusprechen Spiritus Kornus fur Branntwein Dickus fur einen beleibten Menschen Politikus fur einen Schlaukopf gleichwertig gelten aber auch Pfiffikus und Luftikus ebenso Schwachmatikus oder Schlechtikus Als Bacchanten wurden in studentischen Kreisen im 16 und 17 Jahrhundert die Neulinge an den Hohen Schulen bezeichnet Ahnliche Worter der Burschensprache auf ant sind Erzstapulant Lyrant Schnurrant oder Paukant Der franzosische Einfluss auf die studentische Standessprache ist nicht minder bedeutsam als der des lange vorherrschenden Lateins Um 1700 regte sich ein neuer Geist an den deutschen Hohen Schulen So verdrangte Professor Christian Thomasius in Halle das Latein aus den Horsalen und las als Erster in der deutschen Hochschulgeschichte in seiner deutschen Muttersprache Andererseits ubte das Franzosische im Zeitalter Ludwigs XIV nachhaltigen Einfluss auf das gesamte Kulturleben somit auch auf die Sprache und das Schrifttum im deutschen Sprachraum aus Der franzosische Einfluss zeigt sich in der Burschensprache im Wortschatz wie auch in der Wortbildung In der Standessprache des deutschen Studenten drangen wie in der Sprache des Gebildeten von damals auch franzosische Worter ein und ersetzten deutsche Als die gelaufigsten Beispiele sie sind als deutsche Termini noch heute gebrauchlich gelten die Couleur franz Farbe die Farben einer Studentenverbindung durch Begriffserweiterungen eine farbentragende Verbindung Zu welcher Couleur gehort er Couleur tragen die Farben der Studentenverbindung im Band in der Mutze im Bier Wein oder Sektzipfel zeigen als haufig gebrauchte Wortzusammensetzungen seien hier erwahnt Couleurbruder Couleurbummel Couleurdame Couleurdiener Couleurkarte Couleurstudent couleurfahig Andererseits kam es zu neuen Wortbildungen z T von franzosischen Wortern abgeleitet mit franzosischen Endungen z B auf ier und age Ein Beispiel ist das heute ins Standarddeutsch gelangte Wort Blamage Schande Blossstellung eine um 1750 gepragte franzosisierende Neubildung der deutschen Burschensprache die trotz ihres franzosischen Grundwortes blamer tadeln nie der franzosischen Sprache angehort hat Des Weiteren sind auch burleske Wortbildungen bezeugt luderos pechos malitios philistros schauderos schmissos Seit den 2000er Jahren verbreiten sich im korporierten Milieu metaphorische Neologismen wie z B Bandwurfmaschine Bibelschmeisser Mitglied einer christlichen Verbindung buxig Curry Corpsstudent papsten Papstat Parkettgrusse paulen Phritte phrittig Raffchen knuspern sauphieren Tittenbuxe und Trummerbesuch Auch der Einfluss des Hebraischen des Jiddischen und des Rotwelschen auf die Burschensprache ist nicht zu ubersehen Fahrende Scholaren und Bettelstudenten des Spatmittelalters kamen auf ihren Reisen in Verbindung mit Handlern und Schaustellern aber auch Gaunern Dies hat sich in ihrer Sprache niedergeschlagen besonders bei Ausdrucken des Geldwesens oder fur Betrugereien Der Einfluss deutscher Dialekte auf die Studentensprache ist vorhanden gemessen an dem Einwirken fremder Sprachen auf sie allerdings gering Ein bekanntes Beispiel ist das Wort Fink es stammt ursprunglich aus dem Niederdeutschen und bezeichnete einen leichtlebigen leichtsinnigen Jungling spater dann einen Nichtkorporierten Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist die Entlehnung von Begriffen aus anderen deutschen Gruppen und Berufssprachen Neben fremdsprachigen Einflussen wirkt auch die Volkssprache der Universitatsstadte auf die Studentensprache ein Sie entlehnt nicht nur Ausdrucke des Standarddeutsch und formt sie um sondern bedient sich ebenso der Umgangssprache und im Besonderen anderer Sondersprachen Besonders reich ist die Burschensprache an bildhaften auch teils grob ausfallenden Vergleichen von denen einige heute nicht mehr verwendet werden Manches kraftige Wort oder komisches Wortgebilde ist dem Zufall oder dem jugendlichen Ubermut eines flotten Burschen entsprungen was die Farbigkeit und den Einfallsreichtum der deutschen Studentensprache auszeichnet Aus dem reichen Schatz der Burschensprache wie aus dem anderer deutscher Standessprachen und Berufssprachen auch sind viele Worter und Redewendungen in die Umgangssprache eingegangen einige hat sogar die allgemeine Literatursprache aufgenommen ein ungehobelter Bursche Gerade einige markante aussagekraftige Worter der Burschensprache leben in der heutigen Umgangssprache weiter Literatur BearbeitenStudentikoses Idiotikon oder gemeine deutsche Burschensprache herausg von einem bemoosten Haupte Verlag Hochhausen Jena 1841 Martin Biastoch Kolossale Stopselei Ein Beitrag zur Studentensprache des 19 Jahrhunderts In Einst und Jetzt Bd 35 1990 S 35 38 Otto Bocher Kleines Lexikon des studentischen Brauchtums Edition Piccolo 3 Auflage 2009 ISBN 978 3 931892 06 7 Richard Fick Auf Deutschlands hohen Schulen Ludwig Thilo Berlin 1900 Friedhelm Golucke Studentenworterbuch Student und Hochschule von A bis Z 5 vollig uberarbeitete und erweiterte Auflage in vier Banden herausgegeben im Auftrag der Gemeinschaft fur deutsche Studentengeschichte und des Instituts fur Deutsche Studentengeschichte akadpress Essen 2018 ISBN 978 3 939413 68 4 Matthias Heine Krass 500 Jahre deutsche Jugendsprache Duden Verlag 2021 ISBN 978 3 411 75448 9 1 Helmut Henne und Georg Objartel Hrsg Bibliothek zur historischen deutschen Studenten und Schulersprache Bd 1 6 de Gruyter Berlin New York 1984 ISBN 3 11 009992 6 Bd 1 Historische deutsche Studenten und Schulersprache Einfuhrung Bibliographie und Wortregister Bd 2 Worterbucher des 18 Jahrhunderts zur deutschen Studentensprache Bd 3 4 Worterbucher des 19 Jahrhunderts zur deutschen Studentensprache I II Bd 5 Wissenschaftliche Monographien zur historischen deutschen Studenten und Schulersprache Bd 6 Kleinere wissenschaftliche Beitrage zur historischen deutschen Studenten und Schulersprache Anhang Verdeutschungsworterbucher Hortus Injuriarum oder Der feine Couleurbummel Ein galantes Worterbuch korporativer Konversation zusammengetragen mit einem ganz famosen Anhang versehen mit allerlei Weisheitsspruchen der burschikosen Patriarchen gefullt und mit soviel Worten und Abbildungen als notig erlautert von Crescentius Gregarius Silenus Potopolis 2010 Norderstedt Books on Demand ISBN 978 3 8391 8786 9 Christian Wilhelm Kindleben Studenten Lexicon Halle Saale 1781 Georg Kloss Das Idiotikon der Burschensprache herausgegeben mit einer Einfuhrung von Carl Manfred Frommel Frankfurt a M 1931 Friedrich Kluge Deutsche Studentensprache Trubner Strassburg 1895 Neuausgabe Studentengeschichtliche Vereinigung des Coburger Convents Nurnberg 1984 1985 Peter Krause O alte Burschenherrlichkeit 5 Auflage Styria Graz Wien Koln 1997 ISBN 3 222 12478 7 Norbert Nail Regionalsprachliches in der historischen deutschen Studentensprache des 18 und 19 Jahrhunderts In Deutscher Wortschatz Lexikologische Studien Ludwig Erich Schmitt zum 80 Geburtstag von seinen Marburger Schulern Herausgegeben von Horst Haider Munske Peter von Polenz Oskar Reichmann Reiner Hildebrandt de Gruyter Berlin New York 1988 S 351 369 Norbert Nail Go in Go out Kontinuitat und Wandel in der deutschen Studentensprache des 19 und 20 Jahrhunderts Ein Versuch In Beitrage zu Linguistik und Phonetik Festschrift fur Joachim Goschel zum 70 Geburtstag Herausgegeben von Angelika Braun Stuttgart 2001 Zeitschrift fur Dialektologie und Linguistik Beihefte 118 S 135 153 PDF Datei Norbert Nail Jenseits des breiten Steins Studentendeutsch in der DDR In Studenten Kurier 3 2013 S 15 17 online auf norbert nail de Norbert Nail 1968 im studentischen Sprachgebrauch Spurensuche an der Philipps Universitat Marburg In Studenten Kurier 1 2018 S 5 7 online auf norbert nail de Norbert Nail Studentische Identitat und Studentensprache anno 2023 online auf norbert nail de Georg Objartel Sprache und Lebensform deutscher Studenten im 18 und 19 Jahrhundert Aufsatze und Dokumente de Gruyter Berlin Boston 2016 Studia Linguistica Germanica 123 ISBN 978 3 11 045657 8 Gerhard Richwien Student sein Gesellschaft fur deutsche Studentengeschichte Wurzburg 1998 ISBN 3 89498 049 4 Carl Albert Constantin Ragotzky Der flotte Bursch oder Neueste durchaus vollstandige Sammlung von sammtlichen jetzt gebrauchlichen burschicosen Redensarten und Wortern Leipzig 1831 Reprint in Helmut Henne und Georg Objartel Hrsg Bibliothek zur historischen deutschen Studenten und Schulersprache de Gruyter Berlin New York 1984 Bd 3 S 191 304 Paul Ssymank Das deutsche Studententum Verlag fur Hochschulkunde Munchen 1932 J Vollmann Johann Grassli Burschicoses Worterbuch Ragaz 1846 Neuauflage mit Vorwort WHB Verlag Monchengladbach 2020 ISBN 978 3 943953 02 2 Daniel Ludwig Wallis Der Gottinger Student Gottingen 1813 VI Teil Online in der Google Buchsuche Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Studentensprache Bedeutungserklarungen 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