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Als Brandungskliff am Steigerberg wird der in einer Kiesgrube am Steigerberg in Rheinhessen aufgeschlossene Teil einer vor etwa 30 Millionen Jahren mya entstandenen Steilkuste des Unter Oligozanmeeres des Mainzer Beckens bezeichnet bei dem es sich um ein in dieser Form europaweit einmaliges Geotop handelt Brandungskliff am Steigerberg mitsamt Deckschichten der Alzey Formation Blick von Nordwesten Inhaltsverzeichnis 1 Geographische Lage 2 Geologie 2 1 Regionale Geologie und Stratigraphie 2 2 Der Kliffkomplex 2 3 Entstehungsgeschichte 3 Entdeckung und Konservierung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeographische Lage BearbeitenDie stillgelegte Kiesgrube befindet sich im rheinland pfalzischen Landkreis Alzey Worms etwa 25 Kilometer sudwestlich von Mainz nahe der K5 zwischen den Ortschaften Eckelsheim und Wendelsheim an der Westflanke des Steigerberges Der Kliffkomplex erstreckt sich uber eine Flache von ungefahr 40 70 Metern bei einer Hohe von etwa 15 Metern Geologie BearbeitenRegionale Geologie und Stratigraphie Bearbeiten Die Kiesgrube mit dem fossilen Kliffkomplex befindet sich am Sudwestrand des Mainzer Beckens bei dem es sich um ein Teilbecken am nordwestlichen Endes des Oberrheingrabens handelt Oberrheingraben und Mainzer Becken bildeten sich infolge der Fernwirkung der alpidischen Gebirgsbildung Die Einsenkung des Oberrheingrabens und des Mainzer Beckens begann im Eozan Im Verlauf des Oligozans und Miozans kam es zu mehreren Meereseinbruchen im Oberrheingraben einschliesslich des Mainzer Beckens Von diesen war der Meereseinbruch im Untergoligozan die sogenannte Rupel Transgression der einzige der vollmarine Bedingungen im Mainzer Becken herstellte d h die Lebensbedingungen im Rupel Meer wie z B der Salzgehalt entsprachen dem eines richtigen Meeres Zudem wurden wahrend der Rupel Transgression die hochsten Meeresspiegelstande im gesamten Tertiar des Mainzer Beckens erreicht Ursachlich fur die Rupel Transgression war eine Phase beschleunigten Einsinkens der Beckenstrukturen im Zusammenspiel mit einem globalen eustatischen Meeresspiegelanstieg Die Gesteine aus denen der Kliffkomplex besteht reprasentieren den vortertiaren Untergrund des Beckens Sie entstanden bereits im Unterperm 260 Millionen Jahre vor der Rupel Transgression und sind Bestandteil der Beckenfullung des oberkarbonisch unterpermischen Saar Nahe Beckens das sich nach der Variszischen Gebirgsbildung im heutigen Sudwest Deutschland in den Gebirgsstock einsenkte Lithostratigraphisch gehoren sie der Donnersberg Formation an einer vulkano sedimentaren Abfolge im unteren Teil der Nahe Gruppe Letztgenannte ist wiederum Teil der Rotliegend Serie Das Kliffgestein ein Rhyolith d h eine erstarrte saure Lava wird als Kreuznacher Rhyolith bezeichnet nicht zu verwechseln mit der rein sedimentaren Kreuznach Formation im oberen Teil der Nahe Gruppe Wahrend der Kreuznacher Rhyolith also zum Rotliegend gehort ist der Kliffkomplex der aus ihm geformt wurde geologisch deutlich junger Er wird zusammen mit den marinen Sanden und Kiesen welche den Kliffkomplex in der Grube am Steigerberg uberdecken in das obere Rupelium rund 30 mya gestellt und lithostratigraphisch als Alzey Formation bezeichnet Die Alzey Formation die in kustennahen Gewassern abgelagert wurde verzahnt sich im Umland des Steigerberges mit tonig mergeligen Sedimenten der Bodenheim Formation die eine kustenfernere Sedimentation in tieferen Gewassern reprasentiert Die Fossilien in den Rupel Sedimenten des Mainzer Beckens zeigen dass das Klima in Rheinhessen zu dieser Zeit subtropisch war Unter anderem kommen dort viele warmeliebende Muscheln verschiedene Hai und Rochenarten und sogar Seekuhe vor Der Kliffkomplex Bearbeiten nbsp Totalansicht des Kliffkomplexes von Sudosten Der grosste Teil des Komplexes wird von den Brandungsplattformen eingenommen nbsp nbsp Links Etwa vier Meter hoher Stumpf des Kliffs des ersten Stadiums mit Brandungshohlkehlen Rechts Blick in die obere Brandungshohlkehle durch den Spalt in der oberen Bildmitte des linken Bildes hindurch nbsp Kleine Hohle in einer der Kliffwande Der rhyolithische Kliffkomplex besteht aus vier terrassenartigen Stufen die jeweils aus einer annahernd waagerechten Flache bestehen und jeweils von einer schatzungsweise drei bis funf Meter hohen NNW SSO orientierten annahernd senkrechten Wand begrenzt werden sodass sich insgesamt eine treppenformige Geometrie ergibt Die unterste und zugleich alteste Terrassenflache besteht nicht aus Rhyolith sondern aus schwach verfestigten Sand und Tonsteinen der Nahe Gruppe Die oberste und jungste aufgeschlossene Terrassenflache verschwindet in den sandigen und kiesigen Sedimenten der Alzey Formation der Ostwand der Kiesgrube Die senkrechten Wande weisen waagerechte kerbenartige Strukturen auf die als Brandungshohlkehlen interpretiert werden Ausserdem zeigen sie grossere und kleinere Hohlraume die z T relativ weit in den Fels hineinreichen Die horizontalen Flachen sind von annahernd parallelen im 90 Grad Winkel zu den senkrechten Wanden verlaufenden Rillen durchzogen die etwa 0 05 bis 0 1 Meter tief sind Zudem treten auf den Flachen haufig kesselformige Vertiefungen mit geglatteter Innenflache auf Sowohl Rillen als auch die Vertiefungen sind vermutlich das Ergebnis von Erosionsprozessen durch Brandung oder Stromung im Zusammenspiel mit Gerollen die vom Wasser bewegt wurden Bei den kesselartigen Vertiefungen handelt es sich vermutlich um Strudeltopfe Auffallig sind einige isoliert auf den waagerechten Flachen stehende Felsen Diese werden als Brandungspfeiler im weitesten Sinne gedeutet Auf den Felsen finden sich zudem Spuren von Organismen die dort festgewachsen lebten z B Austern Ostrea callifera Miesmuscheln Perna sanderbergi und Seepocken Balanus stellaris Alle diese Merkmale zusammengenommen zeigen dass es sich hier um eine fossile Felsenkuste handelt die typische Merkmale heutiger Felsenkliffkusten aufweist Die waagrechten Flachen sind Brandungsplattformen die durch das Zuruckweichen der Kustenlinien reprasentiert durch die senkrechten Wande entstanden sind Das Besondere ist dass der terrassen bzw stufenartige Aufbau des Komplexes den Anstieg des Meeresspiegels wahrend der Fruhphase der Rupel Transgression dokumentiert Entstehungsgeschichte Bearbeiten Im heutigen Raum Bad Kreuznach stiegen im oberen Unterperm an Storungen die mit der tektonischen Absenkung des Saar Nahe Beckens in Zusammenhang standen saure Magmen auf und drangen relativ dicht unter der Erdoberflache in bereits abgelagerte Sedimente ein wo sie nach ihrem Erkalten waagerechte Rhyolith Lager den heutigen Kreuznacher Rhyolith bildeten In den nachfolgenden Geologischen Zeitaltern lagerten sich weitere Sedimente in der Region ab Bis zum oberen Rupelium waren diese auflagernden Schichten wieder erodiert worden und am Sudwestrand des Mainzer Beckens wo bis dahin noch keine Tertiar Sedimente zur Ablagerung kamen befanden sich eine Reihe von Zeugenbergen aus Kreuznacher Rhyolith Mit dem Meereseinbruch im Zuge der Rupel Transgression verwandelten sich diese Berge in Inseln und ihre Hange wurden zu Steilkusten an denen das Rupel Meer nagte Die Steilkuste einer dieser Inseln ist jene die heute in der Sandgrube am Steigersberg uberliefert ist Die Brandung des Rupel Meeres die gegen das Kliff schlug erzeugte eine immer tiefer werdende Hohlkehle am Fuss des Kliffs Der so entstehende Uberhang brach irgendwann begunstigt durch naturliche Verwitterungsvorgange unter seinem Eigengewicht nach Durch das Wechselspiel von Aushohlung und Nachbrechen verlagerte sich die Kustenlinie landeinwarts Nach einem relativ raschen Anstieg des Meeresspiegels setzte sich dieser Prozess etwa vier Meter weiter oben am Kliff fort Das Kliff wurde nun auf diesem Niveau weiter abradiert und weiter landeinwarts versetzt Da die Abrasion nun aber vollstandig im relativ erosionsresistenten Rhyolith stattfand bildete sich vor dem Kliff eine Brandungsplattform die den nicht erodierten Kliff Fuss auf Hohe und unterhalb der Wasserlinie reprasentierte Gesteinsbrocken die den nachgebrochenen Kliff Partien entstammten wurden von den Wellen auf der Brandungsplattform hin und her gerollt und schliffen Rillen und Strudeltopfe in die Felsplatte sowie Hohlen in die Kliffwand Nach einem weiteren raschen Meeresspiegelanstieg setzte sich das ganze wiederum um einige Meter weiter oben an der Steilkuste fort Eine neue Brandungsplattform entstand wodurch die Decken der wahrend des vorhergehenden Kliffstadiums geformten Hohlen abgetragen wurden sodass rinnenartige Gebilde entstanden deren Wande insofern diese sich nicht seitlich in der Kliffwand fortsetzten nun als eine Art Brandungspfeiler isoliert auf der alten nun deutlich unterhalb des Meeresspiegels liegenden Brandungsplattform stehen blieben Im Brandungskliff am Steigerberg ist so noch ein dritter rascher Meeresspiegelanstieg uberliefert Seewarts der jeweils aktiven Brandungsplattform sammelten sich Gerolle an die aus der Abrasion des Kliffs stammten und weiter seewarts in feinkornigere klastische Sedimente Feinkiese Sande ubergingen Diese Gerolle Kiese und Sande werden heute als Alzey Formation bezeichnet Der fortgesetzte Anstieg des Meeresspiegels fuhrte dazu dass die fruhen Stadien des Brandungskliffs von den Sanden der Alzey Formation komplett zugedeckt wurden und erst durch die Arbeiten in der Kiesgrube wieder ans Tageslicht gelangten Entdeckung und Konservierung BearbeitenDas Kliff wurde 1997 bei Kartierungsarbeiten des Geologischen Landesamtes Rheinland Pfalz auf dem Gelande einer Kiesgrube entdeckt Das Geotop wurde dann 1999 in Kooperation vom Geologischen Landesamt dem damaligen Arbeitsamt und dem Christlichen Jugenddorfwerk von Kies und Sand befreit Im Winter 1999 2000 entstanden in einigen Bereichen des Kliffareals unerwartet grosse Schaden durch Frostsprengung 2002 wurde das Kliff deshalb zum Schutz vor weiterer Erosion wieder mit Sand bedeckt nachdem eine andere Form der Erhaltung und Erforschung an der Finanzierung gescheitert war 1 Literatur BearbeitenStephane Rousse Philippe Duringer Karl R G Stapf An exceptional rocky shore preserved during Oligocene Late Rupelian transgression in the Upper Rhine Graben Mainz Basin Germany Geological Journal Bd 47 Nr 4 2012 S 388 408 doi 10 1002 gj 1349 Kirsten I Grimm Matthias C Grimm Die Alzey Formation Rupelium Mainzer Becken am Steigerberg bei Eckelsheim Sedimentologische sequenzstratigraphische und biostratigraphische Untersuchungen eines transgressive Kustensystems Geologica et Palaeontologica Bd 39 2005 S 79 108 Marburg Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Brandungskliff am Steigerberg Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Winfried Kuhn Das Brandungskliff bei Eckelsheim Reich bebilderte Webseite mit einem uberarbeiteten und aktualisierten Text der vom Webseitenautor verfassten Publikation Das Brandungskliff von Eckelsheim Die Rekonstruktion eines 30 Millionen Jahre alten Kustenstreifens Alzeyer Geschichtsblatter Heft 37 2008 S 3 24 Kurt Werner Augenstein Steigerberg bei Eckelsheim Webseite mit kurzer Vorstellung des Geotops und Fotos 2006 Jean Sachreiter 1 2 Vorlage Toter Link studhome fh mainz de Digitalphotogrammetische Vermessung eines Geotops und Erstellung einer pseudorealistischen Visualisierung Seite nicht mehr abrufbar Suche in Webarchiven Webseite zu einer geodatischen Diplomarbeit zum fossilen Kliffkomplex am Steigerberg 2001Einzelnachweise Bearbeiten Lutz Geissler Brandungskliff am Steigerberg versandet Memento vom 27 Oktober 2012 im Internet Archive Netzwerk Geowissenschaftliche Offentlichkeitsarbeit 9 Februar 2008 abgerufen am 7 August 201149 786666666667 7 9886111111111 Koordinaten 49 47 12 N 7 59 19 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brandungskliff am Steigerberg amp oldid 229797387