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Bildinterpretation oder Bilderdeutung ist eine in der Analytischen Psychologie entwickelte Methode zur Interpretation symbolischer Bilder Anwendungsbereiche sind imaginativ gemalte Bilder visualisierte spontane Phantasien auch aus dem Sandspiel sowie dokumentierte Bilder aus Traumen und Visionen Die Anwendbarkeit auf Kinderbilder ist eingeschrankt und bedarf der besonderen Berucksichtigung der Entwicklungspsychologie des Kindes Bei der Bildinterpretation werden verschiedene Aspekte des Bildes wie z B Farben Formen Motive Proportionen Zahlen oder Raumverhaltnisse auf ihren symbolischen Gehalt hin untersucht Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Voraussetzungen 3 Methodisches Vorgehen 3 1 Systematik des Vorgehens nach Abt 3 2 Analyse bildnerischer Mittel 4 Bildinterpretation in Kunst und Religion 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenWichtige Wegbereiter der Bildinterpretation als diagnostische Methode in der Psychologie und Psychiatrie waren L Nagy H Bertschinger 1 H M Fay 2 W Kurbitz 3 und A M Hamilton 4 Ein erstes Standardwerk mit dem Nachweis dass Bilder Seelisches ausdrucken schuf der Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn 1922 5 Es folgten Walter Morgenthaler 6 und R A Pfeifer 7 auch L Paneth 8 war hierfur Pionier Bei diesen Autoren dienten Bilder vorwiegend als diagnostisches Mittel bei psychischen Erkrankungen bei Paneth begann ihr Einbezug in die Therapie Auch der Psychiater Carl Gustav Jung interpretierte Bilder als Ausdrucksmittel fur seelische Zustande und arbeitete damit wohl in seiner personlichen Auseinandersetzung mit dem Unbewussten 9 wie auch als therapeutisches Mittel und kulturwissenschaftlichem Forschungsgegenstand 10 Siehe auch C G Jung im Artikel Traumdeutung Einen ersten methodischen Ansatz zum Verstandnis von Bildern aus dem Unbewussten beschrieb 1969 Jolande Jacobi eine Schulerin C G Jungs anhand ihrer 20 jahrigen Erfahrung mit spontan gemalten Bildern 11 Dieser Ansatz wurde vor allem von Ingrid Riedel in den 1980er Jahren 12 und von Theodor Abt 2005 13 grossteils bestatigt und systematischer ausgearbeitet Ingrid Riedel vertiefte die Bedeutungsmoglichkeiten insbesondere von Farben und Formen Theodor Abt machte auf die ambivalenten Deutungsmoglichkeiten von Symbolen aufmerksam insbesondere der Zahlensymbolik und entwickelte eine Methode bei der die personlichen subjektiven Voraussetzungen des Interpreten durch den methodischen Einbezug verschiedener Bewusstseinsfunktionen umgangen werden sollen Voraussetzungen BearbeitenDie psychologische Bildinterpretation symbolischer Bilder setzt die Annahme der Existenz einer unbewussten Psyche voraus 14 In ihrer Eigenschaft als Symbole oder Symbol Kombinationen seien Bilder Gefasse d h Auffassungsmoglichkeiten fur unbewusste Inhalte 15 Symbole sind in diesem Verstandnis als Beziehungsbrucken zum Unbewussten grundsatzlich verschieden von Zeichen die auf aussere Tatsachen hinweisen z B Wanderwegmarkierung oder Mann Frau Zeichen fur Toiletten wie auch von Metaphern oder Allegorien die auf Inhalte des Bewusstseins verweisen Methodisches Vorgehen BearbeitenDas grundlegende Problem jeder Bildinterpretation ist dass der Mensch als Interpret dazu neigt die eigenen Vorurteile und Meinungen Weltsichten und Personlichkeitsstrukturen in einem zu interpretierenden Bild wiederzufinden Um diese Projektionen zu vermeiden und als Hilfe zu einer moglichst umfassenden Wahrnehmung des Bildes schlagt Abt eine systematische Berucksichtigung verschiedener Bewusstseinsfunktionen bei der Deutungsarbeit vor wie auch die methodische Gegenuberstellung von Hypothese und Gegenhypothese bei der Bilderdeutung Systematik des Vorgehens nach Abt Bearbeiten Der Wechsel zwischen den vier Bewusstseinsfunktionen Empfindung Wahrnehmung Gefuhl Wertung Denken In Beziehung Setzen Intuition Entwicklungen erkennen Diese wurden von C G Jung in seiner Typenlehre charakterisiert und unterschieden sowie die Bildung von Deutungshypothesen und Gegenhypothesen gestalten sich folgendermassen 1 Schritt erste Reaktion introvertierter Zugang Zuerst registriert und dokumentiert man den ersten unmittelbaren spontanen Eindruck 16 2 Schritt erste Betrachtung 17 Es folgt die Bildbetrachtung und seiner bildnerischen gestaltenden Mittel Dabei sollte der in jedem Gestaltungsmittel oder Symbol liegenden gegensatzlichen Bedeutungsmoglichkeit Rechenschaft getragen werden mit der Empfindungsfunktion Was ist da mit der Gefuhlsfunktion Was ist wichtig Wo ist die Energie mit der Denkfunktion Wie hangen die Dinge zusammen und mit der Intuition Woher kommt das Bild Welche Entwicklungstendenz zeigt es an Dies fuhrt zur Aufstellung einer Hypothese und einer Gegenhypothese uber die Bedeutung des Bildes 3 Schritt Vertiefung zweite Betrachtung 18 Die Betrachtung des Bildes wird vertieft indem man die Abfolge von Schritt II wiederholt Dabei fallen in der Regel neue Gesichtspunkte auf die zuvor nicht beachtet wurden Die Beobachtungen stutzen entweder die zuvor aufgestellte Hypothese oder die Gegenhypothese Nach Abt verhelfe dieses Vorgehen zu einer Distanzierung von der eigenen Lieblingshypothese und damit zur objektiveren Betrachtung des Bildes und seiner moglichen Aussagen 4 Schritt Zusammenfassung 19 Die Bildinterpretation wird systematisch durch die Beantwortung von 5 Fragen zusammengefasst Woher kommt das Bild Wie ist die Beziehung zum weiblichen Prinzip Wie ist die Beziehung zum mannlichen Prinzip In welche Richtung konnte die Entwicklung gehen Was ist die Quintessenz des Bildes fur die weitere therapeutische Arbeit Analyse bildnerischer Mittel Bearbeiten Voraussetzend dass das Bild einen unbekannten Inhalt reprasentiert werden ahnlich wie bei der Jung sche Psychologie alle nachvollziehbar zu dem jeweiligen Motiv gehorigen Assoziationen d h die Einfalle der malenden Person und Amplifikationen d h archetypische Ebene des Motivs die sowohl kulturell gepragt sein kann aber auch kulturunabhangig wichtig sein kann gesammelt Indem die symbolische Bedeutung der verschiedenen Bildelemente solchermassen zusammengestellt werden weisen sie auf die Bedeutung des Bildes als Ganzes 20 Zur Interpretation von Bildern aus dem Unbewussten werden in der Regel folgende Gesichtspunkte und Aspekte betrachtet 21 Material Papier und Farbtyp Rahmen Bildformat Formale Aspekte Organisation Proportionen Bewegung Raum Qualitaten und Perspektive Farben Zahlen MotiveDie Symbolik eines einzelnen bildnerischen Mittels oder Motivs kann nicht eindeutig sein denn Symbole sind immer mehrdeutig Da in der Bildinterpretation aber immer verschiedene symbolische Elemente zusammenkommen sammeln sich hierdurch mehrere bis viele Deutungsaspekte als Indizien die in der Gesamtschau mehr fur die eine oder andere Interpretation sprechen Bildinterpretation in Kunst und Religion BearbeitenAuch Darstellungen der Bildenden Kunst grunden oft im Unbewussten aus dem heraus der kunstlerisch tatige Mensch die Inspirationen fur ein Bild erhalt Insofern stammen sie aus den strukturell gleichen Schichten wie imaginative Bilder die ohne kunstlerischen Anspruch und meist mit geringerer Kunstfertigkeit entstehen 22 Beide Bildarten stellen expressive Ausdrucksformen der menschlichen Psyche dar die sich uberall in verwandten Strukturmustern und Symbolen aussert da sie ihr archetypisch eingepragt sind 23 Daher konnen Kunstwerke nach denselben Gesichtspunkten interpretiert werden wie spontan gestaltete Bilder aus therapeutischem oder alltaglichen Kontext Aufgrund ihrer auf Inhalte des Unbewussten bezogenen Symbolik konnten Kunstwerke in der Bildbetrachtung eine klarende und ganzmachende Funktion erfullen 24 ahnlich dem eigenstandigen imaginativen Malen und Gestalten des Laien wohingegen der Ausdrucks und Wirkungswert vor allem beim Gestalter liege dessen Konnen hier eher Nebensache sei Bei Kunstwerken hingegen sei der unbewusste Inhalt Anlass zu einer gekonnten kunstlerischen Gestaltungstatigkeit habe uberpersonlicheren Wert und spreche eine grossere Menschengruppe an 25 Literatur BearbeitenTheodor Abt Picture Interpretation According to C G Jung and Marie Louise von Franz Living Human Heritage Zurich 2005 ISBN 3 9522608 2 7 Jolande Jacobi Vom Bilderreich der Seele Wege und Umwege zu sich selbst Walter Verlag Zurich und Dusseldorf 1963 5 Auflage 1992 ISBN 3 530 39599 4 Joseph H Di Leon Die Deutung von Kinderzeichnungen 2007 ISBN 3 927948 82 9 Ubersetzt aus dem Amerikanischen von Sylvia M Schomburg Scherff Ingrid Riedel Bilder in Therapie Kunst und Religion Wege zur Interpretation Kreuz Verlag Zurich 1988 ISBN 3 7831 0906 X Uberarbeitete erweiterte Auflage Stuttgart Berlin 2005 ISBN 9783783125078 Ingrid Riedel Farben In Religion Gesellschaft Kunst und Psychotherapie Kreuz Verlag Stuttgart Berlin 1983 12 Auflage 1995 ISBN 3 7831 0700 8 Vollig uberarbeitete erweiterte und neu gestaltete Fassung Stuttgart Berlin 1999 ISBN 3 7831 1732 1 Weblinks BearbeitenDeutsche Gesellschaft fur Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks e V C G Jung Institut in Zurich Kurse zum Verstandnis der Bildsymbolik Forschungs und Ausbildungszentrum fur Analytische Psychologie nach C G Jung und Marie Louise von Franz in Zurich Deutung von Bildern aus dem Unbewussten als Teil des StudiumsEinzelnachweise Bearbeiten H Bertschinger Illustrierte Halluzinationen In Jahrbuch fur psychoanalytische und psychopathologische Forschungen 3 1911 H M Fay Reflexions sur l art et les alienes In Aesculape 2 1912 W Kurbitz Die Zeichnungen geisteskranker Personen In Zeitschrift fur Neurologie 13 1912 A M Hamilton Insane art In Scribner s Magazine 63 1918 Hans Prinzhorn Bildnerei der Geisteskranken Berlin 1922 Nachdruck bei Springer Wien 2001 und ders Bildnerei der Gefangenen Berlin 1926 W Morgenthaler Ein Geisteskranker als Kunstler In K Jaspers u a Hrsg Arbeiten zur angewandten Psychiatrie I Bern und Leipzig 1921 R A Pfeifer Der Geisteskranke und sein Werk Leipzig 1923 L Paneth Form und Farbe in der Psychoanalyse In Nervenarzt 2 1929 Carl Gustav Jung Das Rote Buch Herausgegeben von der Stiftung der Werke von C G Jung sowie der Philemon Foundation 2 Auflage 2010 1 A 2009 ISBN 978 3 491 42132 5 z B Carl Gustav Jung Zur Psychologie ostlicher Meditation Ursprunglich erschienen in Mitteilungen der Schweizer Gesellschaft der Freunde ostasiatischer Kultur 5 1943 Abgedruckt in Gesammelte Werke Bd 11 Carl Gustav Jung Die Schizophrenie Geschrieben 1958 In Gesammelte Werke Band 3 Jolande Jacobi Vom Bilderreich der Seele Wege und Umwege zu sich selbst Walter Verlag Zurich und Dusseldorf 1963 5 Auflage 1992 ISBN 3 530 39599 4 Ingrid Riedel Farben In Religion Gesellschaft Kunst und Psychotherapie Stuttgart 1983 Ingrid Riedel Bilder In Therapie Kunst und Religion Wege zur Interpretation Kreuz Verlag Zurich 1988 ISBN 3 7831 0906 X Theodor Abt Picture Interpretation According to C G Jung and Marie Louise von Franz Living Human Heritage Zurich 2005 ISBN 3 9522608 2 7 Jolande Jacobi Vom Bilderreich der Seele S 34 Ingrid Riedel Bilder S 18 Theodor Abt Picture Interpretation S 54 Abb S 55 Theodor Abt Picture Interpretation S 47f Abb S 55 Theodor Abt Picture Interpretation S 49f Theodor Abt Picture Interpretation S 50f Theodor Abt Picture Interpretation S 60 Sie werden sowohl von Jacobi wie auch von Abt und Riedel besprochen Jolande Jacobi Vom Bilderreich der Seele S 38 Ingrid Riedel Bilder S 8 Ingrid Riedel Bilder S 15 Jolande Jacobi Vom Bilderreich der Seele S 39f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bildinterpretation amp oldid 220239128