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Als Betschicht 1 Betstunde 2 oder Beetstunde 3 bezeichnete man im Bergbau den zeitlichen Anteil der Arbeitsschicht der Bergleute 1 den die Bergleute zur Gottesverehrung nutzten 2 und ihr Berggebet verrichteten 1 Die Betschicht verbrachten die Bergleute je nach Bergrevier in der Kaue 4 in einer von der Kirche zur Verfugung gestellten Kapelle 3 in einem Raum des Huthauses 5 oder im eigens dafur vorgesehenen Bethaus 6 Neben der religiosen Erbauung diente die Betschicht auch der Anwesenheitskontrolle der Bergleute 7 Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen und Geschichte 2 Zeitlicher Aufwand 3 Gliederung der Betschicht 4 Einzelnachweise 5 AnmerkungenGrundlagen und Geschichte BearbeitenDie ersten Betstunden der Bergleute sind bereits fur das 16 Jahrhundert datiert 3 Der Glaube an Berggeister Bergteufel oder andere Damonen die man mit den Gefahren in Verbindung brachte die den Bergleuten bei ihrer Arbeit unter Tage drohten drangte die Bergleute des fruhen Bergbaus dazu vor und nach der Arbeit Gott durch andachtiges Gebet und gemeinsamen Gesang um Schutz zu bitten und ihm fur die bisherige Bewahrung zu danken 7 Die Teilnahme an der Betstunde war fur die Bergleute nicht freiwillig sondern Pflicht 4 Bergleute die die Betstunde versaumten wurden mit Abzug vom Lohn bestraft 7 Andererseits gab es eine Zeit in der der Stadtrat die Betstunde verboten hatte Das gemeinsame Beten war den Bergleuten aber insbesondere in den ersten Jahren so wichtig dass einige von ihnen im Beharren auf diesen Brauch selbst vor korperlicher Gewalt gegen Mitglieder des Stadtrates ANM 1 nicht zuruckschreckten 8 Anfang des 18 Jahrhunderts wurden in einigen Bergbauregionen auch im Privatbereich der Bergleute pietistische Betstunden abgehalten die jedoch sehr bald von den zustandigen Regierungen per Edikt verboten und unter Strafe gestellt wurden 9 Die taglichen Betstunden wurden fur die Bergleute ein Brauch den sie in einigen Bergbauregionen bis Anfang des 20 Jahrhunderts pflegten 10 Wahrend der Nazizeit wurde die Betschicht propagandistisch umgedeutet und instrumentalisiert 11 Nachdem mit Beginn des 20 Jahrhunderts fur die Betstunden die Teilnahmepflicht entfallen war hielten dennoch viele der Bergleute bis in die Mitte der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts an dieser Tradition fest und feierten ihre Betstunde in der Kaue unter Leitung des altesten Steigers 4 Ein bergbauhistorisches Bethaus aus der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts befindet sich mit dem Bethaus der Bergleute im Muttental der Stadt Witten am sudlichen Rand des Ruhrgebiets Zeitlicher Aufwand BearbeitenDie Dauer der Arbeitsschicht der Knappen variierte in den verschiedenen Bergrevieren in den unterschiedlichen zeitlichen Epochen 12 So gab es je nach Region Achtstunden und Zwolfstundenschichten 13 Ebenso variierte aber auch je nach Bergrevier die Dauer und zeitliche Lage der Betschicht 14 Die Betschicht war Bestandteil der Arbeitszeit 15 Die Betstunden fanden in der Regel morgens fruh statt 16 Bei Mehrschichtbetrieb der Bergwerke wurden sie auch zu unterschiedlichen Tageszeiten vor der Schicht gehalten 17 Aber selbst bei reinem Einschichtbetrieb variierte die Anfangszeit ANM 2 der Betschicht in einigen Bergrevieren sogar zwischen Sommer und Winter 14 Es gab auch Bergreviere in denen jeweils vor und nach der Schicht eine Betstunde abgehalten wurde 7 Zudem war die Betstunde in den Bergrevieren teilweise unterschiedlich lang 13 Im Clausthal Bergrevier dauerte die Betschicht beispielsweise bis zu einer Stunde 18 In anderen Bergrevieren dauerte die Betstunde nur 30 Minuten 13 Nach der Betstunde hatten die Bergleute teilweise noch einen 30 Minuten dauernden Fussweg ANM 3 vom Bethaus bis zu ihrem Bergwerk 18 Anschliessend erfolgte die Anfahrt die wenn sie per Fahrkunst erfolgte auch noch einmal bis zu einer Stunde dauern konnte 7 Im Laufe der Jahre wurde die Anzahl der Betstunden erheblich reduziert sodass gegen Ende des 19 Jahrhunderts teilweise nur noch einmal in der Woche eine Betstunde abgehalten wurde 4 Gliederung der Betschicht BearbeitenIn einigen Bergbauregionen bestand die Betschicht nur aus dem gemeinschaftlichen Schichtgebet 12 In anderen Bergbauregionen war der Ablauf der Betschicht liturgisch streng geregelt 7 Hier wurde wahrend der Betschicht eine Predigt gehalten zudem wurde gesungen und gebetet 3 Das Vorlesen Vorsingen und das Gegensprechen war in einigen Bergbauregionen Aufgabe eines zum Vorbeter ANM 4 gewahlten Bergmanns 19 Die Betschicht begann der zustandige Steiger mit dem Aufrufen der Namen der Bergleute zwecks Anwesenheitskontrolle ANM 5 anschliessend stimmte der Vorsanger ANM 6 ein fur die Bergleute geeignetes Morgenlied an 20 Hierfur gab es eine Vielzahl von Liedern 21 Im Mansfelder Bergrevier gab es ein Gesangbuch zur Morgenandacht der Huttenarbeiter das wahrend der Betschicht verwendet wurde 7 Anschliessend wurde eine kurze Predigt gehalten 20 Der Predigt folgten das Vaterunser und teilweise auch das Glaubensbekenntnis 7 Abschliessend sprach der Vorbeter das Schichtgebet danach wurde ein Liedvers gesungen 20 Am Ende der Betschicht begaben sich die Bergleute zu ihrer Arbeit 19 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Heinrich Veith Deutsches Bergworterbuch mit Belegen Verlag von Wilhelm Gottlieb Korn Breslau 1871 a b Carl Friedrich Richter Neuestes Berg und Hutten Lexikon Erster Band A bis L Kleefeldsche Buchhandlung Leipzig 1805 a b c d Erich Hofmeister Arbeitskreis Bergbau der Volkshochschule Schaumburg Hrsg Das Erzbergwerk Rammelsberg bei Goslar im Harz Exkursionsfuhrer und Veroffentlichungen Schaumburger Bergbau Heft Nr 25 Hagenburg 2010 S 17 a b c d Forderverein Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar e V Hrsg 50 Jahre Harzer Knappenverein Goslar Eigenverlag des Fordervereins Druck Papierflieger Clausthal Zellerfeld Goslar 2014 S 22 26 M von Sussmilch genannt Hornig Das Erzgebirge in Vorzeit Vergangenheit und Gegenwart Zweite wohlfeile Volks Ausgabe Hermann Grafer s Verlag Annaberg 1894 S 309 Gerhard Koetter Forderverein Westfalisches Industriemuseum Zeche Nachtigall e V Hrsg Als Kohle noch Zukunft war 2 veranderte Auflage Klartext Verlag Essen 2017 ISBN 978 3 8375 1844 3 S 39 a b c d e f g h Verein Mansfelder Berg und Huttenleute e V Hrsg Mitteilung 78 Juni 2005 S 2 7 Heinrich Prohle Harzsagen Gesammelt auf dem Oberharz und in der ubrigen Gegend von Harzburg und Goslar bis zur Grafschaft Hohenstein und bis Nordhausen Avenarius amp Mendelssohn Leipzig 1854 S 261 262 Friedrich von Raumer Hrsg Historisches Taschenbuch Dritte Folge vierter Jahrgang F U Brockhaus Leipzig 1853 S 180 Rudolf Ruprecht Der Pietismus des 18 Jahrhunderts in den Hannoverschen Stammlandern Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 1919 S 15 16 Kai Gurski Schlagel Eisen und Hakenkreuz Das Thema Bergbau im Werk des Malers Karl Reinecke Altenau Genehmigte Dissertation an der Hochschule fur Bildende Kunste Braunschweig HBK Braunschweig 2008 S 198 a b W Schulz Wirklichkeit Aberglaube und Sage bei den deutschen Bergknappen der Vergangenheit Offentlicher Vortrag gehalten in der koniglichen technischen Hochschule zu Aachen Verlag Graz amp Gerlach Freiberg 1890 S 7 8 a b c Wilfried Liessmann Historischer Bergbau im Harz 3 Auflage Springer Verlag Berlin und Heidelberg 2010 ISBN 978 3 540 31327 4 S 38 39 41 a b Swen Rinmann Allgemeines Bergwerkslexikon Nach dem Schwedischen Original bearbeitet und nach den neuesten Entdeckungen vermehrt von einer Gesellschaft deutscher Gelehrten und Mineralogen Zweyter Theil Fr Chr W Vogel Leipzig 1808 Historische Kommission fur Niedersachsen Hrsg Niedersachsisches Jahrbuch fur Landesgeschichte Band 34 Verlagsbuchhandlung August Lax Hildesheim 1962 S 88 91 Carl Hartmann Handworterbuch der Mineralogie Berg Hutten und Salzwerkskunde Nebst der franzosischen Synonymie und einem franzosischen Register Erste Abtheilung A bis K gedruckt und verlegt bei Bernhard Friedrich Voigt Ilmenau 1825 Franz Ludwig Canerinus Beschreibung der vorzuglichen Bergwerke in Hessen in dem Waldhessischen an dem Haarz in dem Mansfeldischen in Chursachsen und in dem Saalfeldischen In der Andreaischen Buchhandlung Frankfurt an dem Main 1767 S 133 134 a b Karl August Tolle Die Lage der Berg und Huttenarbeiter im Oberharze Unter Berucksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der gesammten Bergarbeiter Verhaltnisse Puttkammer amp Muhlbrecht Buchhandlung fur Staats und Rechtswissenschaft Berlin 1892 S 49 53 a b D Christoph Wilhelm Jacob Gatter Beschreibung des Harzes Erster Theil Verlag der Bauer und Mannischen Buchhandlung Nurnberg 1792 S 96 a b c Heinrich Andreas Prohle Kirchliche Sitten Ein Bild aus dem Leben evangelischer Gemeinden Verlag von Wilhelm Herz Berlin 1858 S 248 250 Emil Dietz Liederbuch der Bergleute Druck und Verlag der Vorlander schen Buchdruckerei Siegen 1856 S I II 1 56 Anmerkungen Bearbeiten So wird berichtet dass der Bergschreiber Martin Hoffmann einige Mitglieder des Stadtrates der Stadt Clausthal die Treppe des Rathauses hinunterschubste weil sie die Betstunde mit Umzug der Puchknaben abgeschafft hatten Nach diesem Vorfall wurde die Betstunde wieder eingefuhrt Quelle Heinrich Prohle Harzsagen So fand z B im Goslarer Bergbau die Betstunde im Winter zwischen 5 Uhr und 6 Uhr und im Sommer zwischen 7 Uhr und 8 Uhr statt Andererseits war im Oberharzer Bergrevier die Zeit der Betstunde zu jeder Jahreszeit immer zwischen 4 Uhr und 5 Uhr Quelle Swen Rinmann Allgemeines Bergwerkslexikon Das lag daran dass nicht jedes Bergwerk ein eigenes Bethaus hatte Oftmals waren die Bergwerke rings um das Bethaus verteilt Quelle Gerhard Koetter Forderverein Westfalisches Industriemuseum Zeche Nachtigall e V Hrsg Als Kohle noch Zukunft war Der Vorbeter erhielt fur seine Tatigkeit einen Lohn von vier Mariengroschen Dafur musste er neben den Aufgaben wahrend der Betschicht auch Vorbereitungsarbeiten wie z B das Schneeschaufeln im Winter ubernehmen Um das erledigen zu konnen begann sein Arbeitstag bereits um 3 Uhr morgens Quelle D Christoph Wilhelm Jacob Gatter Beschreibung des Harzes Diese Form der Anwesenheitskontrolle wurde mit Einfuhrung der Markenkontrolle abgeschafft Quelle Verein Mansfelder Berg und Huttenleute e V Hrsg Mitteilung 78 In einigen Bergbauregionen erfolgte die Anwesenheitskontrolle erst nach dem religiosen Teil Quelle Eduard Heuchler Album fur Freunde des Bergbaues Der Vorsanger war zugleich auch Vorbeter Meist wurde fur diese Aufgabe der Knappschaftsalteste gewahlt Quelle Heinrich Andreas Prohle Kirchliche Sitten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Betschicht amp oldid 227522385