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Die Aufarbeitung der argentinischen Militardiktatur begann 1983 und halt bis heute an Nach wie vor sind viele Verbrechen der Diktatur nicht gesuhnt und viele der 30 000 Opfer bleiben verschwunden Wahrend der Militardiktatur von 1976 bis 1983 wurde Argentinien von einer Junta aus Generalen regiert deren personelle Zusammensetzung mehrfach wechselte Wahrend das rechtsgerichtete autoritare und ultranationalistische Militarregime regierte kam es zu burgerkriegsahnlichen Zustanden mit Staatsterror und Gegenterror von Seiten linker Guerillaorganisationen Gegen Ende wurde das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise gesturzt Der erste demokratisch gewahlte Prasident Raul Alfonsin wollte nach seiner Wahl 1983 eine grundliche Aufarbeitung der Verbrechen wahrend der Diktatur erreichen Diese wurde jedoch auf massiven Druck des Militars nach wenigen Jahren weitgehend eingestellt und erst ab etwa 2003 unter Prasident Nestor Kirchner wieder aufgenommen Homenaje a los desaparecidos Skulptur zum Gedenken an die Opfer der Diktatur in Buenos AiresGedenkmarsch mit Fotos von Verschwundenen zum Anlass des dreissigsten Jahrestages des Militarputsches in Argentinien 24 Marz 2019 Inhaltsverzeichnis 1 CONADEP Kommission 1983 2 Gerichtsverfahren von 1985 3 Schlussstrichgesetz 1986 und Gesetz uber die Gehorsamspflicht 1987 4 Amnestierungen unter Menem 1989 bis 1999 5 Wiederaufnahme der Verfahren unter Kirchner ab 2003 6 Umgang des Militars mit den Verbrechen 7 Literatur 8 EinzelnachweiseCONADEP Kommission 1983 Bearbeiten Hauptartikel Comision Nacional sobre la Desaparicion de Personas Hauptartikel Desaparecidos Die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen der Militardiktatur wurde zunachst sehr konsequent vorangetrieben Die CONADEP wurde gegrundet eine Kommission die sich mit der Untersuchung der Falle der in der Militardiktatur verschwundenen Personen desaparecidos befasste In der Zeit zwischen 1983 und 1984 wurden der Kommission von der Bevolkerung 8 000 Falle von Verschwundenen gemeldet Schatzungen sprechen allerdings von einer hohen Dunkelziffer und effektiv etwa 30 000 Verschwundenen Die CONADEP gelangte zu dem Schluss dass die Militarregierung nicht zu rechtfertigende Vergehen in der Frage der Menschenrechte begangen habe selbst wenn man die burgerkriegsahnlichen Zustande der Jahre 1976 und 1977 bedenkt Ihr Bericht der unter dem Titel Nunca mas Nie wieder in Buchform unter der Leitung des bekannten Schriftstellers Ernesto Sabato zum Bestseller wurde dokumentiert den Umfang der Menschenrechtsverletzungen anhand von 709 eindeutig bewiesenen Einzelfallen Gerichtsverfahren von 1985 Bearbeiten Hauptartikel Verfahren gegen die Juntas In der Folge wurde im Verfahren gegen die Juntas Juicio a las Juntas gegen die hochste Fuhrungsebene der Junta verhandelt Der Prozess begann am 22 April 1985 das Urteil wurde am 9 Dezember 1985 verkundet Jorge Videla und Emilio Massera beide Mitglieder der ersten Militarjunta erhielten als Hauptverantwortliche fur den schmutzigen Krieg lebenslange die Mitglieder der zweiten Junta langjahrige Gefangnisstrafen Die dritte unter Leopoldo Galtieri und vierte Junta unter Bignone gingen straffrei aus Schlussstrichgesetz 1986 und Gesetz uber die Gehorsamspflicht 1987 Bearbeiten Hauptartikel Schlussstrichgesetz Hauptartikel Gesetz uber die Gehorsamspflicht Nach weiteren Prozessen im Jahre 1986 sah sich die Regierung Alfonsin im selben Jahr gezwungen als Zugestandnis an die Militars das sogenannte Schlussstrichgesetz Ley de Punto Final zu erlassen Nach diesem Gesetz durften neue Anklagen nur noch in einer Frist von 60 Tagen gestellt werden Dies hatte eine grosse Welle von Anklagen und Prozessen zur Folge In dieser Situation kam es zum sogenannten Carapintada Vorfall Ein wegen Folter und Mord angeklagter Major verschanzte sich 1987 in einer Kaserne von Cordoba unterstutzt vom Oberst Aldo Rico einem der Wortfuhrer des rechten Armes der Militars nach der Demokratisierung Sie forderten eine Amnestie fur alle angeklagten Militars Trotz zahlreicher Massendemonstrationen und Unterstutzungsappellen von allen Seiten der Gesellschaft gegen diese Forderungen kam die Regierung Alfonsin den aufstandischen Militars weitgehend entgegen und erliess das sogenannte Gesetz uber die Gehorsamspflicht Ley de Obediencia Debida Dies bedeutete eine Amnestie fur die unteren Range der Militars denen zugutegehalten wurde dass sie bei ihren Verbrechen nur Ausfuhrende von Befehlen von hoherer Ebene waren Amnestierungen unter Menem 1989 bis 1999 BearbeitenDie Regierung unter Carlos Menem der nach der Wirtschaftskrise 1988 im Jahr 1989 auf Raul Alfonsin folgte und bis 1999 im Amt war versuchte die Struktur des argentinischen Militars starker zu reformieren und schaffte als ersten Schritt hierzu 1994 die Wehrpflicht ab Als Zugestandnis wurden dafur allerdings die verurteilten Diktatoren begnadigt Dies zeigt dass bis Anfang der 1990er Jahre die Angst vor einem erneuten Militarputsch weiterhin latent vorhanden war Gleichzeitig begnadigte Menem auch viele verurteilte Militarangehorige allerdings auch einige ehemalige Guerilla Kampfer Wiederaufnahme der Verfahren unter Kirchner ab 2003 BearbeitenNach dem Machtwechsel 1999 als Menem von Fernando de la Rua abgelost wurde wurde immer lauter die Forderung ausgesprochen die Amnestie ruckgangig zu machen und die beiden Gesetze Punto Final und Obediencia Debida zu annullieren um auch die bisher straffrei ausgegangenen Verantwortlichen anklagen zu konnen Es dauerte unter anderem wegen der Wirtschaftskrise zwischen 1998 und 2003 bis 2003 unter der Regierung Nestor Kirchners bis dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt wurde und 2005 vom Obersten Gerichtshof Argentiniens bestatigt wurde Die von Menem ausgesprochenen Begnadigungen wurden aufgehoben Erst in den 2010er Jahren kam es nach jahrelangem Stillstand erneut zu mehreren Gerichtsprozessen gegen Verantwortliche der Verbrechen wahrend der Diktatur Im Februar 2010 begann in Buenos Aires ein Prozess gegen acht ehemalige Militars wegen Verbrechen wahrend der argentinischen Militardiktatur Dabei trat die deutsche Bundesregierung wegen der Ermordung Elisabeth Kasemanns als Nebenklager auf 1 Im Dezember 2010 wurde Videla gemeinsam mit 15 weiteren Verantwortlichen der Repression erneut zu lebenslanger Haft verurteilt 2 Anfang Juli 2012 wurden Jorge Rafael Videla und Reynaldo Bignone juristisch fur den wahrend der Militardiktatur von 1976 bis 1983 vielfach verubten Kindesraub an inhaftierten Regimegegnern die danach meist umgebracht wurden zur Verantwortung gezogen Das Bundesgericht in Buenos Aires verhangte Gefangnisstrafen von 50 Jahren fur Videla und 15 Jahren fur Bignone Vier weitere ranghohe Offiziere wurden zu Strafen von 14 bis 40 Jahren verurteilt zwei weitere Angeklagte dagegen freigesprochen 3 Im November 2012 fast 30 Jahre nach der Diktatur wurde gegen 68 weitere Beschuldigte im 5 Gericht von Buenos Aires der Prozess eroffnet Darunter befanden sich acht Piloten der damaligen argentinischen Luftwaffe die die sogenannten Todesfluge ausgefuhrt hatten bei denen Gefangene lebendig uber dem Meer aus Hubschraubern oder Flugzeugen abgeworfen worden waren 4 In einem grosseren Gerichtsverfahren wurden im Juli 2022 insgesamt 19 Militars und Sicherheitskrafte zu Haftstrafen vier Jahre bis lebenslanglich verurteilt 5 Insgesamt sind Stand Sep 2022 seit 1985 1 124 Militarangehorige wegen Verbrechen wahrend der Militardiktatur verurteilt worden 6 Umgang des Militars mit den Verbrechen BearbeitenDas argentinische Militar selbst bezeichnete die Zeit seiner Herrschaft mit dem euphemistischen Begriff Prozess der Nationalen Reorganisation spanisch Proceso de Reorganizacion Nacional oft mit Proceso abgekurzt Dieser Name wurde von der Militarregierung gewahlt um den vorubergehenden Charakter dieses Prozesses anzudeuten Die Nation die sich zu dieser Zeit in einer tiefen gesellschaftlichen Krise befand sollte nach konservativen Idealen neu organisiert und dann nach dem Plan der Militars in die Demokratie entlassen werden Wegen der zehntausendfachen Menschenrechtsverletzungen der Militars wird dieser Name weithin als verharmlosend und beschonigend bewertet und daher zur Distanzierung meist in Anfuhrungszeichen gesetzt Heute scheint die demokratische Einbindung der Militars in den Staatsapparat weitgehend gelungen was auch mit dem nach wie vor schlechten Image dieser Institution in weiten Teilen der Bevolkerung zusammenhangt der ihren Einfluss stark beschrankt hat Ein erneuter Putsch droht nicht selbst in den schwersten Zeiten der Wirtschaftskrise wurde im Land trotz internationaler Bedenken und einiger Geruchte nie ernsthaft uber eine derartige Losung spekuliert Auch spektakulare Eingriffe der Regierung Kirchner in den Militarapparat wie die Absetzung der gesamten Fuhrungsriege Anfang 2005 wegen Verwicklung in einen Drogenskandal blieben ohne nennenswerten Widerstand Literatur BearbeitenPatrick Eser Jan Henrik Witthaus Hrsg Memoria Postmemoria die argentinische Militardiktatur 1976 1983 im Kontext der Erinnerungskultur Frankfurt am Main Peter Lang 2016 ISBN 978 3 631 65761 4 Wolfgang Kaleck Die Koalition gegen Straflosigkeit Ohne Jahr Volltext online 7 Einzelnachweise Bearbeiten Argentinien bringt Mord an Elisabeth Kasemann vor Gericht ND 27 Marz 2010 Videla fue condenado a prision perpetua e ira a una carcel comun LaNacion com 22 Dezember 2010 Argentinien Ex Diktatoren Videla und Bignone wegen Babyraubes verurteilt bei zeit de 6 Juli 2012 abgerufen am 6 Juli 2012 tagesschau de Memento vom 2 Dezember 2012 im Internet Archive Vorlage Webarchiv Wartung Linktext fehlt Linktext fehlt Argentinien Lebenslange Haft fur fruhere Militars In orf 7 Juli 2022 abgerufen am 7 Juli 2022 Desde el Juicio a las Juntas fueron condenados 1124 represores por crimenes de lesa humanidad In BAE Negocios 29 September 2022 abgerufen am 27 Februar 2023 Boris Burghardt Wolfgang Kaleck Kampf gegen die Straflosigkeit Argentiniens Militars vor Gericht Verlag Klaus Wagenbach Berlin 2010 128 S 10 90 Buchrezension ZIS 2011 S 1006 1008 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aufarbeitung der argentinischen Militardiktatur amp oldid 236882354