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Dieser Artikel behandelt die Argumentationsweise ad hominem Fur weitere Bedeutungen siehe ad hominem Begriffsklarung Unter einem argumentum ad hominem lateinisch argumentum wortlich fur sich Beweis Fuhrung oder Rede sowie ad hominem zum Menschen sinngemass als Gesamtbegriff Rede gegen den Menschen wird ein Scheinargument Red Herring verstanden in dem die Position oder These eines Streitgegners durch Angriff auf dessen personliche Umstande oder Eigenschaften angefochten wird Dies geschieht meistens in der Absicht wie bei einem argumentum ad populum die Position und ihren Vertreter bei einem Publikum oder in der offentlichen Meinung in Misskredit zu bringen und eine echte Diskussion zu vermeiden In der Rhetorik kann ein argumentum ad hominem bewusst als polemische und unter Umstanden auch rabulistische Strategie eingesetzt werden Wenn es die gegnerische Streitpartei zum Abbruch des Streites ohne Entscheidung in der Sache bzw ohne Uberzeugung eines Publikums bringen soll spricht man nach Schopenhauer auch von einem argumentum ad personam Inhaltsverzeichnis 1 Schema 2 Geschichtlicher Abriss 3 Unterarten nach Walton 3 1 Direktes ad hominem 3 2 Performatives ad hominem 3 3 Befangenheit 3 4 Tu quoque 3 5 Brunnenvergiftung 4 Literatur 5 Siehe auch 6 EinzelnachweiseSchema BearbeitenDer Gegner behauptet dass p Der Gegner ist inkonsequent dumm unfahig unwahrhaftig selbstsuchtig Daher p ist abzulehnen Geschichtlicher Abriss BearbeitenWahrend in alterer Literatur das argumentum ad hominem als Musterbeispiel einer polemischen Argumentation und eines logischen Fehlschlusses betrachtet wurde ist dies gemass neueren Interpretationen nicht vorbehaltlos in jedem Fall angebracht sondern nur wenn ein logischer Irrtum begangen wird der in der englischsprachigen Literatur als genetic fallacy bezeichnet wird Die genetic fallacy zahlt aber zu den schon von Aristoteles beschriebenen Sophismen Als argumentum ad personam 1 bezeichnet der Philosoph Arthur Schopenhauer in seinem Werk zur eristischen Dialektik ein Scheinargument das sich wie beim argumentum ad hominem auf die Person des Gegners richtet dabei jedoch keinen Bezug mehr zum eigentlichen Streitthema enthalt und ausschliesslich sachlich irrelevante personliche Eigenschaften angreift 2 Es benotigt im Gegensatz zum argumentum ad hominem keinen logischen Aufbau und besteht im Extremfall aus einer schlichten Beleidigung Schopenhauer fuhrt es als letztes Mittel in einem Streitgesprach an Wenn man merkt dass der Gegner uberlegen ist und man Unrecht behalten wird so werde man personlich beleidigend grob Diese Vorgehensweise sei beliebt da sie von jedermann angewandt werden konne Im Gegensatz dazu sei die Fahigkeit zu einer sachlichen Auseinandersetzung und dem Eingestehen des eigenen Unrechts nicht jedem gegeben und er bemerkt Daraus folgt dass unter Hundert kaum Einer ist der wert ist dass man mit ihm disputiert Schopenhauer betont dass ein dialektischer Sieg also das sachliche Widerlegen einer Position einen Streitgegner weit mehr erbittert als eine blosse Beleidigung und empfiehlt dieses Vorgehen als Gegenstrategie Im Gegenzug dazu ist das ad hominem zwar auch auf die Person der generischen Streitpartei gerichtet versucht aber dennoch den Streitpunkt in den Augen des Publikums zu gewinnen und nicht den Streit abzubrechen Seit dem 20 Jahrhundert ist das argumentum ad hominem vermehrt Gegenstand systematischer Betrachtung was auf die Behandlung in Charles Leonard Hamblins Fallacies zuruckzufuhren ist Hamblin startete damit den Diskurs uber die sogenannte Informal Logic In Fallacies nennt Hamblin eine Passage aus John Lockes Abhandlung An Essay concerning Humane Understanding 1690 als Quelle des Ausdrucks argumentum ad hominem Allerdings gab Locke seinerzeit an dass dieser Ausdruck nicht von ihm selbst stammt womit auch die Frage nach dem Ursprung des Terminus noch ungeklart blieb Hamblin vertritt die These dass das ad hominem Konzept eigentlich von Aristoteles stamme 3 In der retrospektiven Betrachtung wurde durch Maurice Finocchiaro nachgewiesen dass das argumentum ad hominem ein wichtiges Werkzeug in den Dialogen Galileo Galileis darstellte und Locke von diesen beeinflusst war 4 Gemass Douglas Walton hatten Galileo und Locke sehr ahnliche Vorstellungen von diesem Argument so gaben sie auch beide an dass es im Wesentlichen darin besteht seinen Gegner zu kompromittieren 5 Die Hypothese Hamblins wurde von Nuchelmans bestatigt der zwei unterschiedliche Ad Hominem Muster unterscheidet die seit der ersten Beschreibung durch Aristoteles wiederholt dargelegt wurden 6 Eine vergleichbare Unterteilung nahm bereits Arthur Schopenhauer in seinem Werk zur eristischen Dialektik vor Dort wird die Kompromittierung des Gegenubers einerseits genannt andererseits der personliche Angriff mit dem Ziel den Gegner zum Abbruch des Disputs zu reizen Nur die erste Variante mochte Schopenhauer als argumentum ad hominem bezeichnen wahrend er fur die zweite den Ausdruck argumentum ad personam vorschlug Douglas Walton hat schliesslich mit Ad Hominem Arguments ein Standardwerk vorgelegt das den Begriff exakt definiert und klar unterscheidbare Subtypen benennt Unterarten nach Walton BearbeitenDouglas Walton unterteilt das argumentum ad hominem in funf Typen mit dem Hinweis die er auch in der Literatur wiederfindet five types or subcategories of ad hominem argument recur as being recognized as central most frequently the abusive the circumstantial the bias the tu quoque or you too and the poisoning the well deutsch Wiederholt werden folgende Typen oder Unterarten als wesentlich benannt die Beschimpfung der Verweis auf Begleitumstande der Verweis auf Befangenheit das tu quoque du ebenso und die Brunnenvergiftung 5 Auf diese wird nachfolgend einzeln naher eingegangen Direktes ad hominem Bearbeiten Als beschimpfendes ad hominem engl abusive ad hominem kann diejenige Argumentationsweise bezeichnet werden bei der die Person des Streitgegners unmittelbar angegriffen wird um alle ihre Behauptungen zuruckzuweisen Die Person wird als ganzlich ungeeignet dargestellt sich an der Debatte zu beteiligen oder ihr werden Motive unterstellt eine offene Auseinandersetzung auf argumentativer Ebene durch Luge oder Tauschung zu unterlaufen diese Argumentation weist das Muster auf X ist ein schlechter Mensch deshalb sollten wir ihm keinen Glauben schenken Trotz der breiteren Akzeptanz des Ausdrucks abusive ad hominem empfiehlt Walton ihn nur fur klar missbrauchliche Falle zu verwenden in denen kein gultiger Schluss zugrunde liegt und die Person zu Unrecht angegriffen wird Das Wort abusive meint nicht nur die Verletzung oder Beschimpfung der Person sondern auch dass die Argumentform selbst missbraucht wird Da es Walton zufolge aber durchaus Falle gibt bei denen ein ad hominem berechtigt ist und die nicht auf einem logischen Irrtum beruhen schlagt er auch die Bezeichnung Direct Ethotic vor Das direct betont den direkten Angriff das ethotic das Ethos des Gegenubers konkret die Beschaffenheit gewisser Personlichkeitsmerkmale 7 Walton unterscheidet folgende funf Subtypen des Direct Ethotic Ad Hominem from Veracity mangelnde Wahrhaftigkeit from Prudence mangelnde Vernunft oder Vorsicht from Perception mangelnde Einsicht Unwissenheit from Cognitive Skills mangelnde kognitiven Fahigkeiten from Morals mangelnde moralische Grundsatze 8 All diesen Subtypen ist gemeinsam dass sie einen spezifischen Aspekt der Personlichkeit des Kontrahenten angreifen so dass der Eindruck entsteht er ware allgemein fur das Vorbringen einer gultigen Argumentation Behauptung oder Meinung nicht qualifiziert Siehe auch Reductio ad Hitlerum fur den Fall dass das Argument selbst einer bereits vollig disqualifizierten Person in den Mund gelegt wird um es ungultig zu machen Dabei handelt es sich aber eigentlich um eine Form des Argumentum ad verecundiam mit negativen Vorzeichen Performatives ad hominem Bearbeiten Siehe auch Performative Retorsion Spezifischer ist das circumstantial ad hominem oder performative ad hominem Laut Walton wurde dieses in der alteren Literatur nur unscharf vom abusive ad hominem abgegrenzt Es schlagt daher folgende Bestimmung vor the circumstantial type of ad hominem argument requires some kind of practical inconsistency between what an arguer says and some propositions expressed directly or indirectly by that arguer s personal circumstances deutsch Eine notwendige Voraussetzung fur ein ad hominem der Art Verweis auf Begleitumstande ist ein pragmatischer Widerspruch zwischen dem was eine Streitpartei sagt und Sachverhalten die direkt oder indirekt durch die Person dieser Partei betreffende Begleitumstande zum Ausdruck kommen 9 Es wird also nicht die grundlegende argumentative Fahigkeit der Streitpartei sondern ihre Berechtigung zu einer bestimmten Position in der Streitsache angegriffen Insbesondere wird nach einem performativen Widerspruch zwischen Verhalten und Behauptung gesucht Ein Beispiel dafur ware wenn eine Mutter selbst raucht aber ihrem Kind nahelegt nicht zu rauchen weil es sehr ungesund sei Das Kind erwidert Offenbar ist es doch nicht so ungesund da du ja selbst auch rauchst Die Aussage des Kindes thematisiert den Widerspruch zwischen der Aussage der Mutter und ihrer Handlung Mit Du kannst nicht nicht x fordern wenn dein Verhalten selbst x entspricht konnte die dahinter liegende Regel formuliert werden Dabei wird Behauptung oder Forderung der Mutter Man sollte lieber niemals rauchen keinesfalls zwangslaufig unwahr auch wenn ihr Verhalten das Gegenteil sagt Ab und zu sollte ich mal rauchen Die Argumentation der Mutter ist kein Fehlschluss nur weil ihr Verhalten nicht in aller Konsequenz der ihr vertretenen Regel folgt insbesondere wird ihre Begrundung weil es ungesund ist mit der impliziten Maxime Ungesundes Verhalten sollte vermieden werden nicht falsch Dennoch gibt es Falle in denen diese Form des ad hominem berechtigt und gultig sein mag Befangenheit Bearbeiten Das Befangenheits ad hominem bias ad hominem stellt die Unbefangenheit einer Person bezuglich des Streitpunkts in Frage Die Behauptung des Gegners wird dabei auf eigennutzige Motive zuruckgefuhrt und ihm wird ein Interesse an einer wahrheitsgemassen klugen oder dem Gemeinwohl vertraglichen Entscheidung abgesprochen 10 Im Gegensatz zum abusive bezieht sich der Angriff aber nur auf den konkreten Streitpunkt und nicht auf die generelle moralische oder geistige Befahigung zum Argumentieren Zusatzlich kann aber auch unterstellt werden dass die Streitpartei sich selbst diese Motive und ihrer Befangenheit unzureichend bewusst ist Tu quoque Bearbeiten Hauptartikel Tu quoque und Retorsion Diese Argumentationsart wird haufig dazu verwendet das angreifende Argument an den Absender zuruckzugeben Dabei wird nicht seine Berechtigung angefochten das Argument vorzubringen wie im performativen ad hominem stattdessen wird die Behauptung des Gegners zum Anlass genommen um ihn selbst direkt zu tadeln und somit unabhangig von der speziellen Sachfrage zum Schweigen zu bringen Beispiel Erzahl mir nicht dass ich mit dem Rauchen aufhoren soll du qualmst ja selbst wie ein Schlot Walton lasst offen ob dieses Muster unter dem Uberbegriff ad hominem einzuordnen ist Brunnenvergiftung Bearbeiten Siehe auch Brunnenvergiftung Rhetorik Walton schlagt vor die Brunnenvergiftung poisoning the well als Verscharfung des Befangenheits ad hominem zu betrachten bei dem die Befangenheit der Streitpartei Sprechers als gesichert gilt und ihr Interesse unterstellt wird das dem des Publikums klar zuwiderlauft und von diesem als moralisch verachtlich betrachtet wird 11 So kann durch geeignetes Framing ein Bezug geschaffen werden durch den eine bestimmte Aussage eine deutlich negative Konnotation erhalt Auch wenn diese Vorwurfe weit hergeholt sein mogen gilt Semper aliquid haeret etwas bleibt immer hangen womit die Grundlage fur ein missbrauchliches ad hominem gelegt ist Literatur BearbeitenDouglas Walton Ad hominem arguments Studies in rhetoric and communication Tuscaloosa Alabama Alabama University Press 1998 ISBN 0 8173 0922 5 gebundene Ausgabe ISBN 0 8173 5561 8 Taschenbuchausgabe 2009 Charles Leonard Hamblin Fallacies Methuen London 1970 ISBN 0 416 14570 1 und ISBN 0 416 70070 5 Taschenbuch Neuauflage von 2004 bei Vale Press ISBN 0 916475 24 7 Taschenbuch Arthur Schopenhauer Eristische Dialektik oder Die Kunst Recht zu behalten 1830 31 Edition Arthur Hubscher 1966 Haffmans Verlag Zurich 1983 ISBN 3 251 00016 0 Volltext auf Projekt Gutenberg DE Maurice A Finocchiaro Galileo and the Art of Reasoning Boston Studies in the Philosophy of Science vol 61 Dordrecht 1980 Siehe auch BearbeitenArgumentum ad ignorantiam Typen von Argumenten Strohmann Argument Association FallacyEinzelnachweise Bearbeiten Gegensatz lat ad rem zur Sache Arthur Schopenhauer Die Kunst Recht zu behalten tredition Hamburg 2011 ISBN 978 3 8424 1385 6 S 95 96 Volltext Vorschau in der Google Buchsuche Hamblin 1970 S 161 Finocchiaro 1980 S 131 f a b Walton 1998 S 2 Nuchelmans 1993 Walton 1998 S 283 Walton 1998 S 215 Walton 1998 S 6 Vgl Walton 1998 S 11 14 Vgl Walton 1998 S 15 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Argumentum ad hominem amp oldid 238820188