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Das Paradoxon von Achilles und der Schildkrote ist einer von mehreren bekannten Trugschlussen die dem griechischen Philosophen Zenon von Elea 5 Jh v Chr zugeschrieben werden und eines von vier Paradoxa die Aristoteles in seiner Abhandlung Physik beschreibt Grafische Veranschaulichung des Paradoxon Inhaltsverzeichnis 1 Paradoxon 2 Losung von Aristoteles 3 Mathematische Losung 4 Zenons Paradoxien 5 Siehe auch 6 Anmerkungen 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseParadoxon BearbeitenDas Paradoxon handelt von einem Wettlauf zwischen dem fur seine Schnelligkeit bekannten Achilles und einer sich langsam bewegenden Schildkrote Beide starten zum selben Zeitpunkt aber die Schildkrote erhalt anfangs einen Vorsprung Obwohl Achilles schneller ist kann er sie niemals einholen Zenons Argument beruht auf der Annahme dass Achilles zunachst den Punkt erreichen muss an dem die Schildkrote gestartet ist Bis zu diesem Zeitpunkt wird sich die Schildkrote wenn auch nur um eine kleine Strecke zu einem anderen Punkt vorwarts bewegt haben Bis Achilles die Strecke zu diesem Punkt zuruckgelegt hat wird die Schildkrote zu einem anderen Punkt vorgeruckt sein usw Losung von Aristoteles BearbeitenDas Achilles Paradoxon verdeutlicht das Problem des Kontinuums Aristoteles Losung fur dieses Problem bestand darin die Segmente der Achillesbewegung als nur potentiell und nicht wirklich zu behandeln da er sie nie durch Anhalten verwirklicht In einer Vorwegnahme der modernen Masstheorie argumentierte Aristoteles dass eine Unendlichkeit von Unterteilungen einer Strecke die endlich ist nicht die Moglichkeit ausschliesst diese Strecke durchzulaufen da die Unterteilungen nicht wirklich existieren es sei denn man tut etwas mit ihnen in diesem Fall das Anhalten an ihnen Mathematische Losung BearbeitenTatsachlich wird ein Schnellerer einen Langsameren aber immer einholen sofern er dafur nur genugend Zeit hat Die zum Einholen benotigte Zeit ist proportional zum Vorsprung und umgekehrt proportional zur Differenz der Geschwindigkeiten der beiden Laufer Anm 1 und bei gleichbleibendem Verhaltnis dieser beiden Geschwindigkeiten umgekehrt proportional zu jeder derselben Anm 2 nbsp Ein geometrischer Beweis mittels des Strahlensatzes der auch den Griechen moglich war Optimalerweise wahlt man am Ursprung fur Achilles einen 45 Winkel Schildkrote AchillesZenons Trugschluss beruht auf zwei Fehlern 1 Er berucksichtigt nicht dass eine unendliche Reihe eine endliche Summe haben kann Anm 3 Anm 4 Der Weg den Achilles von seinem Ausgangspunkt bis zum Zusammentreffen mit der Schildkrote zurucklegt kann beliebig oft formal unendlich oft in Vorsprunge der Schildkrote unterteilt werden Aus der Tatsache dass diese Teilungshandlung beliebig oft vorgenommen werden kann folgt aber nicht dass die zu durchlaufende Strecke unendlich ware Anm 5 oder dass unendlich viel Zeit erforderlich ware sie zuruckzulegen Zenons Paradoxien BearbeitenEs gibt unterschiedliche Ansichten daruber was Zenon mit seinen Paradoxien zeigen wollte Haufig wird vermutet dass sie die Eleatische These siehe Parmenides von Elea stutzen sollten der zufolge es in der Wirklichkeit keine Vielheit sondern nur ein einziges unveranderliches und unzerstorbares Ganzes gebe und dass die Alltagswahrnehmung von Vielfalt und Bewegung blosser Schein sei Sicher ist jedoch dass diese antike Uberlegung zur Begriffsbildung der Unendlichkeit beigetragen hat und auch heute noch als Lehrbeispiel verwendet wird Das Paradoxon ist nicht direkt uberliefert sondern findet sich in Aristoteles Physik 2 3 und Simplikios Kommentar 4 dazu Verwandte Paradoxa die Zenon zugeschrieben werden sind das Teilungsparadoxon und das Pfeil Paradoxon Inhaltlich nicht verwandt mit dem Zenonischen Paradox ist ein von Lewis Carroll in seinem kurzen Dialog What the Tortoise Said to Achilles 5 Was die Schildkrote zu Achilles sagte vorgestelltes Argument mit dem er den Unterschied zwischen objekt und metasprachlicher Implikation thematisiert und das gelegentlich als Carroll Paradox bezeichnet wird 6 Siehe auch BearbeitenInfinitesimalrechnungAnmerkungen Bearbeiten Sei t displaystyle t nbsp die Zeit die vom Beginn des Rennens bis zu dem Zeitpunkt verstreicht zu dem Achilles die Schildkrote einholt s displaystyle s nbsp der Weg den Achilles wahrend der Zeit t displaystyle t nbsp zurucklegt s displaystyle s nbsp der Weg den die Schildkrote wahrend der Zeit t displaystyle t nbsp zurucklegt s 0 displaystyle s 0 nbsp der Vorsprung der Schildkrote zu Beginn des Rennens v a displaystyle v a nbsp die Geschwindigkeit Achilles v s displaystyle v s nbsp die Geschwindigkeit der Schildkrote Dann lasst sich t wie folgt berechnen v a t s s 0 s s 0 v s t displaystyle v a cdot t s s 0 s s 0 v s cdot t nbsp also s 0 v a t v s t v a v s t displaystyle s 0 v a cdot t v s cdot t v a v s cdot t nbsp mit v a v s 0 displaystyle v a v s neq 0 nbsp folgt nach Division t s 0 v a v s displaystyle t frac s 0 v a v s nbsp dd Letzteres zeigt die im Text behauptete Proportionalitat der Zeit t displaystyle t nbsp zum Vorsprung s 0 displaystyle s 0 nbsp der Schildkrote und die umgekehrte Proportionalitat von t displaystyle t nbsp zur Geschwindigkeitsdifferenz v a v s displaystyle v a v s nbsp Mit v a 0 displaystyle v a neq 0 nbsp sei weiter q v s v a displaystyle q frac v s v a nbsp das Verhaltnis der Geschwindigkeiten sodass v s q v a displaystyle v s q cdot v a nbsp mit v s 0 displaystyle v s neq 0 nbsp auch 1 v a q v s displaystyle frac 1 v a frac q v s nbsp Wegen v a v s 0 displaystyle v a v s neq 0 nbsp ist q 1 displaystyle q neq 1 nbsp und der Ausdruck fur t displaystyle t nbsp lasst sich weiter umformen t s 0 v a v s s 0 v a q v a s 0 v a 1 q q s 0 v s 1 q displaystyle t frac s 0 v a v s frac s 0 v a q cdot v a frac s 0 v a cdot 1 q frac q cdot s 0 v s cdot 1 q nbsp fur konstantes Verhaltnis q displaystyle q nbsp der beiden Geschwindigkeiten zeigen die letzten beiden Bruche die im Text behauptete umgekehrte Proprotionalitat der Zeit t displaystyle t nbsp zu v a displaystyle v a nbsp bzw v s displaystyle v s nbsp Die umgekehrte Proportionalitat von t displaystyle t nbsp zu v s displaystyle v s nbsp bedeutet dass Achilles die Schildkrote eher trifft wenn jene schneller lauft Das konnte zunachst verwundern vorausgesetzt ist hier aber dass in diesem Fall auch Achilles um den gleichen Faktor schneller lauft wie die Schildkrote da q displaystyle q nbsp als konstant vorausgesetzt wird Es ist heute moglich auch mit Zenons Ansatz die Zeit t displaystyle t nbsp auszurechnen nach der Achilles die Schildkrote einholt Sei s 0 displaystyle s 0 nbsp wie oben der Vorsprung der Schildkrote zu Beginn des Rennens t 0 displaystyle t 0 nbsp die Zeit die Achilles benotigt um s 0 displaystyle s 0 nbsp zuruckzulegen Ferner sei die Schildkrote q displaystyle q nbsp mal langsamer als Achilles Dann holt Achilles die Schildkrote nach der Zeit t 0 q displaystyle t 0 cdot q nbsp ein weiteres Mal ein nach der Zeit t 0 q q t 0 q 2 displaystyle t 0 cdot q cdot q t 0 cdot q 2 nbsp ein drittes Mal usw Mit q 0 1 displaystyle q 0 1 nbsp ist die Summe aller von Zenon betrachteten Zeiten die Achilles zurucklegt t t 0 n 0 q n t 0 lim n k 0 n q k t 0 lim n 1 q n 1 1 q t 0 1 q displaystyle t t 0 cdot sum n 0 infty q n t 0 cdot lim n to infty sum k 0 n q k t 0 cdot lim n to infty frac 1 q n 1 1 q frac t 0 1 q nbsp dd Es ist moglich aber nicht zwingend erforderlich q displaystyle q nbsp wie oben als Quotienten v s v a displaystyle frac v s v a nbsp zweier Geschwindigkeiten aufzufassen Dann ist mit t 0 s 0 v a displaystyle t 0 frac s 0 v a nbsp weiter t t 0 1 q s 0 v a q v a s 0 v a v s displaystyle t frac t 0 1 q frac s 0 v a q cdot v a frac s 0 v a v s nbsp dd die konvergente geometrischen Reihe t 0 n 0 q n displaystyle t 0 cdot sum n 0 infty q n nbsp ergibt also das gleiche Ergebnis fur t displaystyle t nbsp wie die Rechnung in Anmerkung 1 ohne Zerlegung von t displaystyle t nbsp nach Zenons Ansatz Die Reihe erfullt wegen 0 lt q lt 1 displaystyle 0 lt q lt 1 nbsp ein Konvergenzkriterium sodass Grenzwertrechnung ihr genau eine exakte als Grenzwert bezeichnete Zahl zuordnet die sie im Unendlichen erreicht Eine solche Mathematik war Zenon augenscheinlich nicht bekannt Sainsbury zeigt in Paradoxien die Unbestimmtheit des Problems anhand der Zweiteilung Die Lange zwei wird halbiert in zwei Langen eins dann weiter eine Lange eins in zwei halbe davon wieder eine halbe in zwei viertel und so weiter Es ist offensichtlich dass dabei die Zwei nicht uberschritten wird noch sich die Zeit dehnt Es ist vielmehr der verbleibende Rest stets klar Identisch mit dem letzten Teilungsglied oben ein Viertel Es scheint somit kein Ziel Zenons zu sein zu zeigen dass das Rennen ewig wahrt noch unbestimmt lang ist Als Argument bleibt ahnlich wie beim Pfeilparadoxon die Unmoglichkeit in Einklang mit den fehlenden Aussagen der Mathematik uber Unendlich bzw ggf Null das Ziel zu erreichen Mit Zenons Ansatz lasst sich auch der Weg s displaystyle s nbsp ausrechnen den Achilles im Zeitraum t displaystyle t nbsp von seinem Startpunkt bis zum Einholen der Schildkrote zurucklegt In der Rechnung in Anmerkung 3 ist nur t displaystyle t nbsp bzw t 0 displaystyle t 0 nbsp durch s displaystyle s nbsp bzw s 0 displaystyle s 0 nbsp zu ersetzen s s 0 n 0 q n s 0 1 q displaystyle s s 0 cdot sum n 0 infty q n frac s 0 1 q nbsp dd Werden Geschwindigkeiten eingefuhrt so ist ohne Zerlegung in Teilwege unter Benutzung obiger Darstellung von t displaystyle t nbsp s v a t v a s 0 v a v s displaystyle s v a cdot t frac v a cdot s 0 v a v s nbsp dd Ausklammern von v a displaystyle v a nbsp im Nenner und Kurzen liefert das gleiche Ergebnis wie die konvergente Reihe Literatur BearbeitenMax Black Achilles and the Tortoise In Analysis Nr 11 1950 S 91 101 Simon Blackburn Practical Tortoise Raising In Mind Nr 104 1995 S 696 711 S Brown What the Tortoise taught us In Mind Nr 63 1954 S 170 179 Florian Cajori The Purpose of Zeno s Arguments on Motion In Isis Nr 3 1 1920 S 7 20 L Carroll C L Dogson What the Tortoise said to Achilles In Mind Nr 104 1995 S 278 280 M Clark Paradoxes from A to Z Routledge London 2000 Pascal Engel Dummett Achilles and the tortoise In L Hahn R Auxier Hrsg The philosophy of Michael Dummett Library of Living philosophers Open Court La Salle Ill 2005 Adolf Grunbaum Modern Science and Zeno s Paradoxes Wesleyan University Press Middletown 1967 Andrew Harrison Zeno s Paper Chase In Mind Nr 76 304 1967 S 568 575 J M Hinton C B Martin Achilles and the Tortoise In Analysis Nr 14 3 1954 S 56 68 C V Jones Zeno s paradoxes and the first foundations of mathematics Spanish In Mathesis Nr 3 1 1987 S Makin Art Zeno of Elea In Routledge Encyclopedia of Philosophy Bd 9 London 1998 S 843 853 R Morris Achilles in the Quantum Universe Redwood Books Trowbridge Wiltshire 1997 Jorge Luis Borges Zwei Essays in Kabbala und Tango S Fischer Verlag 1991 Aloys Muller Das Problem des Wettlaufs zwischen Achill und der Schildkrote In Archiv fur Philosophie Nr 2 1948 S 106 111 Stanislaus Quan The Solution of Zeno s First Paradox In Mind Nr 77 306 1968 S 206 221 W D Ross Aristotle s Physics Clarendon Oxford 1936 xi xii Bibliographie alterer Literatur zu den Paradoxien der Bewegung S 70 85 u o Kommentar zu den Abschnitten bei Aristoteles Bertrand Russell Our Knowledge of the External World Kap 5 und 6 Open Court London Chicago 1914 Richard Mark Sainsbury Paradoxien Reclams Universal Bibliothek 18135 Reclam Stuttgart 2001 ISBN 3 15 018135 6 Wesley C Salmon Hrsg Zeno s paradoxes Hacket Indianapolis 1970 Nachdruck 2001 ISBN 0 87220 560 6 Wesley C Salmon Space Time and Motion Kap 2 Dickenson Publishing Co Enrico California and Belmont California 1975 T Smiley A Tale of Two Tortoises In Mind Nr 104 1995 S 725 736 Roy Sorensen A Brief History of the Paradox Oxford University Press 2003 L E Thomas Achilles and the Tortoise In Analysis Nr 12 4 1952 S 92 94 J F Thomson What Achilles should have said to the Tortoise In Ratio Nr 3 1960 S 95 105 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiquote Arnfrid Astel Zitate Christoph Bock Elemente der Analysis PDF 2 2 MB S 59 f Nick Huggett Zeno s Paradoxes In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Eintrag in Wolfram s Math World Englisch mit weiterer Literatur Peter Lynds Zeno s Paradoxes A Timely Solution Englisch mit weiterer Literatur PDF Datei 166 kB Artikel in Matroids Matheplanet Ulrich Eckhardt Zenon PDF 320 kB Zenon und die Zeitlupe In Wolfram Heinrich Zenon Achilles und die Schildkrote Der vergessene Denker Costabile Matarazzo http derfranzehatgsagt blogspot com 2011 08 zenon achilles und die schildkrote htmlEinzelnachweise Bearbeiten Nach Peter Janich Achilles und die Schildkrote In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Band 1 Metzler Stuttgart 1995 Nachdruck 2004 S 41 ISBN 3 476 02012 6 Aristoteles Physik VI 9 239b14 240a18 in der Formulierung dass auch das langsamste Tier im Laufe nicht eingeholt werden konne vom schnellsten da der Verfolger immer erst dahin kommen musse von wo das fliehende Tier fortgelaufen ist so dass das langsamere immer einen Vorsprung behalte Aristoteles Physik Abgerufen am 16 Oktober 2013 Altgriechischer Originaltext siehe im Bildschirmausschnitt 4 Simplicius On Aristotle s Physics 1014 10 vgl S M Chohen P Curd C D C Reeve Hrsg Readings in Ancient Greek Philosophy From Thales to Aristotle Hackett Indianapolis Cambridge 1995 S 58 f Mind Nr 1 1895 S 278 280 Hierzu siehe zum Beispiel Pascal Engel Dummett Achilles and the tortoise In L Hahn R Auxier Hrsg The philosophy of Michael Dummett Library of Living philosophers Open Court La Salle Ill 2005 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Achilles und die Schildkrote amp oldid 225487644