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Das Wrack von Karschau wurde im Januar 2000 im Flachwasserbereich der Schlei nahe der Ortschaft Karschau in der schleswigschen Landschaft Angeln in Schleswig Holstein gefunden nachdem ein Anwohner Holzteile entdeckt hatte Diese stellten sich bei genauerer Untersuchung als Wrack eines grossen Frachtschiffes skandinavischer Bauart aus dem spaten 12 Jahrhundert dar das geschatzt mindestens 22 Meter lang und 6 4 Meter breit gewesen war Dies war der erste derartige Fund der heutigen deutschen Kuste sowohl hinsichtlich der Grosse des ehemaligen Schiffes als auch des Fundalters Eine Ausgrabung fand noch im gleichen Jahr statt Die Funde wurden ins Landesmuseum in Schleswig gebracht 1 Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Fund 3 Voruntersuchung 4 Bergung 5 Funde 6 Das Schiff 7 Einordnung 8 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenDie Schlei war im Mittelalter Teil eines Handelsweges der die Ostsee mit ihren angrenzenden Volkern und deren Erzeugnissen mit den Handelszentren im Norden und Westen Europas und im Rheinland verband Dieser Handelsweg nutzte die Schleswiger Landbrucke als die kurzestmogliche Verbindung zwischen Nord und Ostsee im sudlichen Jutland um die Umfahrung Skagens und die damit verbundenen Gefahren zu vermeiden Es wird angenommen dass das Wrack von Karschau von einem Schiff stammt das entweder auf Handelsreise die Schlei befuhr und dabei havarierte oder zum Abwracken ans Ufer gebracht wurde 2 Das Alter des Schiffes zeigt dass es in der Zeit der beginnenden Verstadterung in den Regionen an der westlichen und sudlichen Ostsee betrieben wurde als sich die dortige Gesellschaft von herkommlicher landbesitzender Lebensweise zu einer stadtischen Handels und Handwerksgemeinschaft entwickelte 3 4 Fund BearbeitenAnfang 2000 herrschte in der westlichen Ostsee witterungsbedingt extremes Niedrigwasser Dabei fielen flache Bereiche der Schlei trocken Ein solcher Flachwasserbereich vor Karschau ist der Rest einer inzwischen erodierten Landzunge die sich als Fortsetzung eines Moranenzuges hier zwischen zwei Buchten erstreckte Infolge des niedrigen Wasserstandes lag hier der Gewasserboden frei Am 30 Januar wurden im ehemaligen Uferbereich der seit dem Mittelalter erodierten Landzunge Wrackteile entdeckt Bei einer Inaugenscheinnahme konnten Bootsbauer aus der Umgebung aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Rekonstruktion eines anderen Wracks Haithabu 1 diese Teile mittelalterlichem Schiffbau zuordnen 2 Zuvor waren bereits Anfang Dezember 1999 bei Arnis Spantreste eines Schiffes aus dem Mittelalter gefunden worden 5 Die Archaologische Landesaufnahme verzeichnet den Fund als Altgemeinde Fauluck Karschau Kreis Schleswig Flensburg LA 44 Die Fundstelle liegt etwa 60 Meter vom Ufer der Schlei entfernt bei normalem Wasserstand in einer Tiefe von etwa 1 1 1 5 Metern 2 Die obersten Teile des Wrackes liegen im Bereich des historischen Meeresspiegels Stand der Forschung im Jahre 2000 Unterhalb des Wrackes wurde Treibholz gefunden 1 6 Voruntersuchung BearbeitenAnfang Mai des Jahres 2000 wurde eine archaologische Voruntersuchung durchgefuhrt um sich zunachst einen Uberblick hinsichtlich Beschaffenheit und Ausmass des Fundes zu verschaffen Daneben galt das Interesse der Suche nach gegebenenfalls vorhandenen weiteren Funden in der Nahe einer denkmalpflegerischen Beurteilung und der Untersuchung von Bergungsperspektiven sowie letztlich der Sicherung des Fundes durch eine Befahrenssperre und Abdeckungsarbeiten Zugleich begann die Offentlichkeitsarbeit um die Besonderheit des Fundes zu vermitteln und fur die Unterstutzung von Ausgrabung und Ausstellung des Fundes zu werben Im Zuge dieser Untersuchung wurde das Wrack ausgehend von den oberflachlich sichtbaren Bauteilen als Anhaltspunkt partiell freigespult um Aufschluss uber Bauweise und Erhaltungszustand zu erlangen Dabei wurde von dem Material nicht mehr als notig freigelegt Anschliessend wurden an Enden und Seiten des erhaltenen Verbandes Suchschnitte angelegt um genauere Informationen uber die Ausmasse des Fundes zu erhalten 5 Infolge dieser Voruntersuchung wurde festgestellt dass ein Einzelfund vorlag Ferner wurden die Grosse des ehemaligen Schiffes und seine Masse vorlaufig bestimmt Aufgrund einzelner Merkmale wie der Verwendung von Eisennieten zur Plankenverbindung Kalfaterung mittels Tierhaaren der Verzierung der Bauteile mit Rillen und dem Fund von Biten 7 wurde die Bauart der nordischen Bautradition zugeordnet 1 6 In Anbetracht der Ausformung der Plankenschaftung des Kielgangs im Mittschiffsbereich und der Veranderung des Spantabstandes bei dem zusammenhangenden Schiffsrest wurde dieser als Achterschiff identifiziert und festgestellt dass im Bereich der vordersten erhaltenen Spanten das Mittelschiff noch nicht erreicht war woraus sich die ungefahre Lange bestimmen liess Die Bedeutung des Fundes fur die Mittelaltergeschichte der Region machte eine Bergung wunschenswert Der Gesamtzustand des Fundes war zum Zeitpunkt der Begutachtung uberraschend gut dennoch wurde eine zugige Bergung fur geboten gehalten 5 Dazu trug der bereits vorhandene Befall durch Pfahlbohrmuscheln bei 1 Bergung BearbeitenDie Bergung der Funde fand vom 5 Juni bis zum 27 Juli 2001 statt Entgegen ursprunglicher Absichten konnte keine Spundwandbergung mit den damit verbundenen Vorteilen vorgenommen werden 5 Daher wurde die Ausgrabung durch Taucher durchgefuhrt Die Finanzierung wurde durch EU Mittel und eine Gegenfinanzierung durch die an der Schlei liegenden Amter und Stadte erbracht Aufgrund dieses eher ungewohnlichen Vorgehens wurde wahrend der Arbeiten der Offentlichkeit breiter Zugang gewahrt So war die Ausgrabungsstelle an sich offentlich zuganglich es gab Fuhrungen in deutscher und danischer Sprache sowie einen Wracktag Diese Phase der Offentlichkeitsarbeit nutzten etwa 5000 Menschen zu einem Besuch der Grabung Die erste Massnahme im Zuge der Bergungsarbeiten war das Anlegen eines Sandsackwalles auf der Seeseite zum Abschirmen der Grabungsstelle gegen das offene Wasser Danach wurde der Verband der noch nicht auseinandergefallenen Schiffsteile freigespult und das Spulgut gesiebt oder aufgefangen Die einzelnen Fundstucke wurden noch unter Wasser durchnummeriert und von Land aus eingemessen Danach wurden Spanten und Planken einzeln auf Tragen an Land gebracht Zuletzt wurde eine Umfeldsuche durchgefuhrt und das Sediment an der Fundstelle bis unter Kielniveau abgetragen Insgesamt erforderte die Aktion 287 Tauchstunden die mittels Leichttauchgeraten in einer Tiefe von 1 2 1 5 Metern und bei einer Sichtweite von bis zu 15 Zentimetern geleistet wurden An der Aktion waren neben Archaologen auch Geologen und Biologen beteiligt 8 Nach der Bergung wurden die Funde vorlaufig bestimmt in einer Datenbank erfasst und in Wasserbecken zwischengelagert ehe sie in die Restaurierungswerkstatt des Archaologischen Landesmuseums in Schleswig gebracht wurden Sie wurden in Originalgrosse auf Folie gezeichnet und anschliessend mit Polyethylenglycol konserviert Nach dem Einlesen der Zeichnungen wurden diese fur den Bau eines Modells des Wracks im Massstab 1 10 ausgedruckt mit dem die genaue Schiffsform rekonstruiert wird Auf Grundlage dieses Modells kann ein Nachbau des Schiffes angefertigt werden 2 Funde BearbeitenNeben einem bei Bergungsbeginn zusammenhangenden Verband aus Spanten und Planken wurden einzelne Schiffsteile wie Wrangen Biten und Verbindungsteile sowie weitere Teil und Kleinfunde gemacht Vom Kiel waren nicht ganz 8 Meter erhalten Daran angeschaftet war ein runder Achtersteven dessen Ende abgebrochen war Die zwei an Steuerbord und dreizehn an Backbord erhaltenen Plankengange in Verbindung mit den vorgefundenen beziehungsweise anhand der Plankenausformung nachgewiesenen knapp 40 Spanten lassen Ruckschlusse auf die Dimensionen des Schiffes zu Zu den weiteren Funden gehoren Reste der Kalfaterung von Tauwerk unterschiedlicher Starke aus Lindenbast ein Block der Takelung Teile von holzernen Schalen Fassern und Nadeln letztere teils mit gelochtem Kopf Fragmente eines Dreilagenkammes und eines Metallknopfes sowie Nahrungsreste wie beispielsweise Haselnusse 8 sowie ferner insgesamt 321 Knochenfragmente 9 Letztere Funde klebten an Teerresten im Schiffsinneren 8 Das Schiff BearbeitenBei der Voruntersuchung wurden die Masse des Schiffes auf mindestens 22 Meter Lange und 6 4 Meter Breite bestimmt Der Rumpf war geklinkert Die gefundenen Schiffsplanken sind 23 29 Zentimeter breit bei einer Starke von 2 5 3 9 Zentimetern die langste hat eine Lange von 5 75 Metern Sie bestehen aus radial gespaltenem Eichenholz das nach dendrochronologischen Untersuchungen aus der Gegend von Odense stammen konnte 10 Ihre Befestigung erfolgte durch Eisenniete die etwa 6 6 Millimeter im Querschnitt messen und im Inneren des Schiffes mit Nietplatten mit Kantenlangen zwischen 2 0 und 3 2 Zentimetern vernietet waren Spanten und Wrangen waren dagegen durch Holznagel verbunden Von diesen wurden zwei auf die Holzart bestimmt Einer davon war aus Kiefer der andere aus Weide gefertigt Diese Nagel sind 3 2 3 4 Zentimeter stark und haben am ausseren Ende Kopfe mit etwa 4 Zentimetern Durchmesser Die Kalfaterung besteht aus Tierhaar mit Teer Bei dem Haar handelt es sich vorwiegend um Schafwolle 5 Beinahe alle Teile des Schiffes waren mit Rillen verziert oft auch mit einer zweiten parallelen Rille An vielen Teilen waren Kanten gefast Aufgrund der Funde wurde eine Schiffsbreite von mindestens 6 6 Metern bei einer Lange von etwa 25 Metern angenommen Letztere ergibt sich aus dem ungewohnlich engen Spantabstand im vorderen Bereich des zusammenhangenden Wrackrestes Es wird davon ausgegangen dass hier ungefahr die Schiffsmitte war 8 Die abnehmende Hohe der Bodenwrangen uber dem Kiel bis zur vordersten gefundenen Bodenwrange im Verbandsstuck lasst vermuten dass die eigentliche Schiffsmitte weiter vorne lag 5 Aus dem Abstand zum Achtersteven und dessen Auspragung lasst sich die Lange des fehlenden Rumpfes und damit die Gesamtlange des Schiffes abschatzen Da das Kielschwein nicht aufgefunden wurde lasst sich die Mastposition nur indirekt ableiten Die Abmessungen der Bodenwrangen und die im Mittschiffsbereich sehr engen Spantabstande belegen die Konstruktion des Schiffes als reines Segelfahrzeug das nicht gerudert wurde Wahrscheinlich handelt es sich somit um ein reines Frachtschiff das dem Handel aber auch der Logistik bei Kriegshandlungen gedient haben mag Das Fallalter des verbauten Holzes wurde dendrochronologisch auf um oder nach 1138 datiert 8 Der Fund eines sauber ausgeformten Reparaturstuckes lasst annehmen dass das Schiff kein Neubau mehr war 5 Einordnung BearbeitenDer Fund schloss zum Zeitpunkt seiner Untersuchung eine Forschungslucke Er ist von Ort und Gegenstand her einzigartig Vergleichbare Funde gibt es lediglich im sudskandinavischen Raum mit den Schiffen von Ellinga Eltang Galtaback 1 Korsholm 3 Lynaes 1 sowie Roskilde 2 und 4 nicht nach Relevanz Vergleichbarkeit angefuhrt Davon haben nur Lynaes 1 und Roskilde 4 ebenfalls eine rekonstruierte Rumpflange von mehr als 20 Metern 1 Eine weitere Gemeinsamkeit mit diesen beiden Schiffen ist dass alle drei Funde in Forden liegen die zu zwei der bedeutendsten Zentren Altdanemarks fuhrten 5 Der Vergleich legt weiterhin nahe dass das vor Karschau gefundene Schiff zu den grossten Frachtschiffen der damaligen Zeit im Bereich der Ostsee gehorte 11 Es war zudem bis dato der einzige Fund dieser Art in Deutschland Aus dem rechteckigen Querschnitt der Niete der Ausbildung der Bodenwrangen und der einfachen Rillenzier wird eine nachwikingerzeitliche Datierung moglich Jedoch machen Funde in Sudschweden und Danemark als Vergleichsmaterial einen Bau nach 1200 unwahrscheinlich was zu den Ergebnissen der dendrochronologischen Untersuchungen passt 5 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Hans Joachim Kuhn Anton Englert Sonke Hartz Oliver Nakoinz Jan Fischer Ein Wrack des 12 Jahrhunderts aus der Schlei bei Karschau In Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchaologie Band 7 2000 S 42 45 a b c d Anton Englert Hans Joachim Kuhn Oliver Nakoinz Das Wrack von Karschau ein nordisches Frachtschiff aus dem 12 Jahrhundert In Christian Radtke Hrsg Enogtyvende tvaerfaglige Vikingesymposium Kiels Universitet i forbindesle med Archaologisches Landesmuseum Schleswig 2002 Forlaget Hikuin og Afdeling for Middelalderarkaeologi Aarhus Universitet Hojbjerg 2002 S 7 24 Digitalisat A Andren Den urbana scenen Stader och samhalle i det medeltida Danmark Acta Archaeologica Lundensia Series in 8 Band 13 Malmo 1985 S 253 261 zitiert nach Anton Englert et al Ein Wrack des 12 Jahrhunderts aus der Schlei bei Karschau In Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchaologie Band 7 2000 S 42 45 N Skyum Nielsen Kvinde og Slave Danmarkshistorie uden retouche Band 3 Kopenhagen 1971 S 114 119 zitiert nach Anton Englert et al Ein nordisches Frachtschiff in der Schlei vor Karschau Kreis Schleswig Flensburg Ein Vorbericht In Archaologische Nachrichten aus Schleswig Holstein Heft 11 2000 S 34 57 a b c d e f g h i Anton Englert Jan Fischer Sonke Hartz Hans Joachim Kuhn Oliver Nakoinz Ein nordisches Frachtschiff in der Schlei vor Karschau Kreis Schleswig Flensburg Ein Vorbericht In Archaologische Nachrichten aus Schleswig Holstein Heft 11 2000 S 34 57 a b J Bill Small Scale Seafaring in Danish Waters AD 1000 1600 Unveroffentlichte Dissertation Universitat Kopenhagen 1997 S 154 zitiert nach Hans Joachim Kuhn et al Ein Wrack des 12 Jahrhunderts aus der Schlei bei Karschau In Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchaologie Band 7 2000 S 44 Bite Querbalken uber Bodenwrangen Mastbite zur Aufnahme des Mastes jochartig ausgeformte Bite vgl A Englert et al 2000 S 41 und A Englert et al 2002 S 12 13 a b c d e Anton Englert Jan Fischer Hans Joachim Kuhn Oliver Nakoinz Die Ausgrabung des nordischen Lastschiffes aus dem 12 Jahrhundert bei Karschau In Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchaologie Band 8 2001 S 55 58 Dirk Heinrich Die Knochenfunde vom Wrack eines nordischen Frachtschiffes des 12 Jahrhunderts aus der Schlei bei Karschau LA44 Kreis Schleswig Flensburg unter besonderer Berucksichtigung taphonomischer Aspekte In Norbert Benecke Hrsg Beitrage zur Archaozoologie und Prahistorischen Anthropologie IV Wais amp Partner Stuttgart 2003 S 97 101 Digitalisat Aoife Daly The Karschau Ship Schleswig Holstein Dendrochronological Results and Timber Provenance In International Journal of Nautical Archaeology Band 36 Nummer 1 2007 S 155 166 englisch Ole Crumlin Pedersen Ships as indicators of trade in northern europe 600 1200 In Jan Bill Birthe L Clausen Hrsg Maritime Topography and the Medieval Town Papers from the 5th International Conference on Waterfront Archaeology at the Danish National Museum Copenhagen 14 16 May 1998 Kopenhagen 1999 S 11 20 zitiert nach Hans Joachim Kuhn et al Ein Wrack des 12 Jahrhunderts aus der Schlei bei Karschau In Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchaologie Band 7 2000 S 44 54 620561 9 889835 Koordinaten 54 37 14 02 N 9 53 23 41 O Abgerufen 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