Die Working Group on Internet Governance (WGIG) war eine internationale Expertengruppe zur Erläuterung der Sachfragen des Themas Internet Governance. Die WGIG bestand aus 40 Experten von Regierungen, der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft, die gleichberechtigt unter der Leitung von Nitin Desai (Sonderberater des UNO-Generalsekretärs zum WSIS) zusammenarbeiteten. Sie wurde 2004 auf Empfehlung des Weltgipfels für die Informationsgesellschaft, der zuerst im Dezember 2003 in Genf tagte, durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan ins Leben gerufen und mit drei Aufgaben betreut, die in Empfehlungen an die Entscheidungsträger des Weltgipfels in Tunis 2005 münden sollten:
- 1. Erarbeitung einer Definition (englisch: „working definition“) von „Internet Governance“;
- 2. Erläuterung der verschiedenen Sachfragen von öffentlichem Interesse (englisch: „public policy issues“) mit Bezug zur Internet Governance, um die Problemlösung entsprechend fokussieren zu können
- 3. Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über die unterschiedlichen Rollen und Verantwortungsbereiche der Regierungen, der existierenden internationalen Organisationen und Foren, sowie der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft, sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industrieländern.
Arbeit und Bericht Bearbeiten
Die WGIG hielt vier Arbeitsgruppentreffen in Genf ab: 23.–25. November 2004; 14.–18. Februar 2005; 18.–20. April 2005; und 14.–17. Juni 2005. Sie lieferte im Juli 2005 ihren Bericht ab, der im Wesentlichen die Ergebnisse der drei Aufgabenstellungen darstellt.
Definition von Internet Governance Bearbeiten
Als Definition wurde folgende Begriffsdefinition von „Internet Governance“ erarbeitet:
Sachfragen Bearbeiten
Dem Mandat entsprechend beschäftigte sich die WGIG mit einer Reihe von Sachfragen:
- Verwaltung des „Root Zone Files“ und des „Root Zone Systems“
- Kosten für die Verbindungsleitungen („Interconnection“)
- Stabilität des Internets, Sicherheit und Kriminalität im Netz (Cybercrime)
- Spam
- Sinnvolle Beteiligung an der Entwicklung weltweiter Regelungen
- Schaffung von Kapazitäten („capacity building“)
- Zuteilung von Domain-Namen
- IP Adressierung
- Urheberrechtsschutz (IPR)
- Meinungsfreiheit
- Datenschutz und Schutz der Privatsphäre
- Rechte der Verbraucher
- Mehrsprachenfähigkeit
- Weitere Themen
Empfehlungen Bearbeiten
Forum Bearbeiten
Ein wesentlicher Vorschlag war die Schaffung eines Forums, in dem die verschiedenen Interessenvertreter ihre Ansichten über Internet Governance diskutieren könnten. Dieses Forum sollte offen sein für alle Interessenvertreter aus Industriestaaten und Entwicklungsländern und diesen Beteiligungsmöglichkeiten auf gleichberechtigter Basis ermöglichen. Dieser Vorschlag wurde im Wesentlichen durch die Teilnehmer des World Summit on the Information Society (WSIS) in Tunis im November 2005 aufgegriffen, die sich auf die Schaffung eines Internet Governance Forums einigten.
Modelle für Internet Governance Bearbeiten
Die WGIG hat in ihrem Bericht neben der Definition und der Klärung der Sachfragen auch grundsätzliche Vorschläge unterbreitet, wie Internet Governance in Zukunft aussehen könnte. Als Prinzipien, denen sich jegliche Aufsicht über das Internet beugen sollten, wurden aufgelistet:
- Keine Regierung sollte eine überragende Rolle bei der Internet Governance einnehmen.
- Die Organisationsform sollte multilateral, transparent und demokratisch sein, unter voller Einbeziehung und Beteiligung von Regierungen, dem Privatsektor, der Zivilgesellschaft und internationaler Organisationen, jeweils innerhalb ihrer spezifischen Rollen.
Daraufhin wurden verschiedene Modelle vorgeschlagen, wobei sich hierin zeigt, dass auch nach 18 Monaten intensiver Beratungen kein gemeinsamer Vorschlag für ein einziges Modell erarbeitet werden konnte, auf den sich alle Beteiligten Experten einigen konnten. Nachstehend in Kürze die wesentlichen Aspekte der verschiedenen Modelle:
- Modell 1:
- Modell 2:
- Modell 3:
- Modell 4:
Klärung der Rollen der Interessenvertreter Bearbeiten
Ferner befasste sich die WGIG damit, die unterschiedlichen Rollen und Verantwortungsbereiche der verschiedenen Interessenvertreter – Staaten, internationale Organisationen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft – zu definieren.
Regierungen Bearbeiten
Diese sollen sich vornehmlich mit dem Erstellen von Regelungen im öffentlichen Interesse sowie deren Koordinierung und Implementierung befassen. Dazu gehört auch die Schaffung eines positiven Umfelds für die Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs), die Übernahme von Aufsichtsfunktionen, das Erlassen von Gesetzen, Bestimmungen und die Annahme von Standards, die Verabschiedung von internationalen Abkommen, die Entwicklung von so genannten „best practices“, die Förderung der Schaffung von Kapazitäten in und durch IKTs und die Förderung von Forschung und Entwicklung von neuen Technologien und Standards. Weitere Aufgaben umfassen den Zugang zu IKT Diensten, die Bekämpfung der Online-Kriminalität, die Förderung der IKT Infrastruktur und die Adressierung von allgemeinen Entwicklungsproblemen. Schließlich zählt die WGIG auch die Unterstützung von Mehrsprachenfähigkeit und kultureller Vielfaltigkeit sowie die Schiedsgerichtsbarkeit und die Lösung von Konflikten zu den Aufgaben des öffentlichen Sektors.
Privatwirtschaft Bearbeiten
Zu den Rollen und Verantwortungsbereichen des Privatsektors zählen hier insbesondere die Selbstregulierung der Industrie, die Entwicklung der „best practices“, der Entwurf von allgemeinen Vorschlägen, Richtlinien und Werkzeugen für politische Entscheidungsträger und andere Interessenvertreter, Forschung und Entwicklung von Technologien, Standards und Prozessen. Ferner gehört zu den Aufgaben die Unterstützung bei dem Entwurf von nationalen Gesetzen und Teilnahme an nationalen und internationalen Entscheidungsfindungsprozessen, die Förderung der Innovationen und der Schaffung von Kapazitäten sowie die Beilegung von Streitigkeiten.
Zivilgesellschaft Bearbeiten
Die Zivilgesellschaft kann insbesondere Aufklärungsarbeit leisten sowie zur Schaffung von Kapazitäten beitragen, die Wahrung des öffentlichen Interesses anmahnen, die Bürger in den demokratischen Prozessen mobilisieren und die Perspektiven von Randgruppen, einschließlich marginalisierter Gemeinschaften und so genannte „grass-roots“ Aktivisten einbringen. Die Expertise, Fähigkeiten, Erfahrung und das Wissen in einer Reihe von IKT Politikbereichen soll in den Politikprozess eingebracht werden, um diese Prozesse stärker an den Interessen aller Menschen zu orientieren. Die Zivilgesellschaft kann zudem zu der Entwicklung von neuen Technologien und Standards beitragen, „best practices“ entwickeln und verbreiten, sicherstellen, dass sowohl politische Kräfte als auch die Teilnehmer im Markt den Bedürfnissen aller Mitglieder der Gesellschaft Rechnung tragen. Insgesamt soll also die Zivilgesellschaft soziale Verantwortung und „good governance“ fordern, sich als Anwalt für die Entwicklung von Sozialprojekten und Aktivitäten einsetzen, die zwar wichtig, aber nicht als profitabel oder modern angesehen sind. Dadurch sollen Visionen einer menschenzentrierten Informationsgesellschaft auf der Basis von Menschenrechten, nachhaltiger Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit geschaffen werden.
Sonstige Interessengruppen Bearbeiten
Zuletzt hat die WGIG auch anerkannt, dass die akademische Gemeinschaft sehr viel zur Entwicklung des Internets beigetragen hat und eine Quelle der Inspiration, Innovation und Kreativität darstellt. In gleicher Weise ist die technische Gemeinschaft und ihre Organisationen in tiefer Weise mit dem Betrieb des Internets, mit dem Setzen von Standards und der Entwicklung von Diensten im Internet befasst. Beide Gruppen tragen somit nachhaltig und wertvoll zur Stabilität und Sicherheit, zum Funktionieren und zur Entwicklung des Internets bei.
Ergebnisse Bearbeiten
Die Empfehlungen der WGIG wurden in der Vorbereitungsphase zu der zweiten Phase des WSIS in verschiedenen PrepComs zum Teil heiß und kontrovers diskutiert (siehe auch Internet Governance). Als vorläufiges Resultat bleibt jedoch festzuhalten, dass es für keines der vorgeschlagenen Modelle einen Konsensus gab, so dass lediglich das Internet Governance Forum als eine der Empfehlungen umgesetzt werden wird. Dieses wird zwar keine Fortsetzung der WGIG sein, die ja als kleine Expertengruppe mit einem bestimmten Mandat und einem bestimmten Termin für die Abgabe des Berichts beauftragt war, aber die Arbeit der WGIG wird sicher – in dem größeren Rahmen des Internet Governance Forums – fortgeführt werden.
Mitglieder der WGIG Bearbeiten
- Nitin Desai (Chairman)
- Abdullah Al-Darrab
- Carlos A. Afonso
- Peng Hwa Ang
- Karen Banks
- Faryel Beji
- Vittorio Bertola
- José Alexandre Bicalho
- Kangsik Cheon
- Trevor Clarke
- Avri Doria
- William Drake
- Raúl Echeberría
- Dev Erriah
- Baher Esmat
- Juan Fernandez
- Ayesha Hassan
- David Hendon
- Willy Jensen
- Wolfgang Kleinwächter
- Jovan Kurbalija
- Iosif Charles Legrand
- Donald MacLean
- Allen Miller
- Jacqueline A. Morris
- Olivier Nana Nzépa
- Alejandro Pisanty
- Khalilullah Qazi
- Rajashekar Ramaraj
- Masaaki Sakamaki
- Joseph Sarr
- Peiman Seadat
- Charles Sha’ban
- Lyndall Shope-Mafole
- Waudo Siganga
- Juan Carlos Solines Moreno
- Mikhail Yakushev
- Peter Zangl
- Jean-Paul Zens
Sekretariat Bearbeiten
- Markus Kummer, Executive Coordinator
- Frank March, Senior Programme Adviser
- Tarek Cheniti, Consultant
- Hind Eltayeb, Administrative Assistant
- Robert Shaw, part-time, seconded by ITU
- Howard Williams, part-time, seconded by the Universität Strathclyde
- David Satola, World Bank (part-time in his personal capacity)
- Chengetai Masango, Intern (April–July 2005)
- Chango Mawaki, Fellow, in association with DiploFoundation (June 2005)
- Seiiti Arata, Fellow, in association with DiploFoundation (June 2005)
- Dhrupad Mathur, Fellow, in association with DiploFoundation (June 2005)
Siehe auch Bearbeiten
Weblinks Bearbeiten
- WSIS-Website
- Website der Working Group on Internet Governance (WGIG)
- Resultate des WSIS:
- Tunis Commitment (PDF; 152 kB)