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Wilfred Cantwell Smith 21 Juli 1916 in Toronto 7 Februar 2000 ebenda war ein kanadischer Religions und Islamwissenschaftler und Theologe Er grundete 1951 das Institute of Islamic Studies an der McGill University in Montreal und war von 1964 bis 1973 Direktor des Zentrums fur das Studium der Weltreligionen an der Harvard University In seinem 1962 veroffentlichten Werk The Meaning and End of Religion setzte er sich kritisch mit dem Religionsbegriff auseinander und forderte dass er auf wissenschaftlicher Ebene durch die Begriffe personlicher Glaube und kumulative Tradition ersetzt werden solle Inhaltsverzeichnis 1 Jugend und Studienjahre 2 Professor fur Comparative Religion an der McGill University 3 The Meaning and End of Religion 1962 4 Weitere Karriere 5 Kritik 6 Publikationen Auswahl 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseJugend und Studienjahre BearbeitenWilfred Cantwell Smith wuchs in Toronto in einer presbyterianisch orientierten Familie auf sein Vater war Victor Arnold Smith 1883 und seine Mutter Sarah Cory Smith geborene Cantwell Er hatte noch einen alteren Bruder Arnold Cantwell Smith 1915 1994 Ein sechsmonatiger Aufenthalt mit seiner Mutter in Agypten 1933 liess in ihm den Wunsch reifen als christlicher Missionar im arabischen Raum tatig zu werden 1934 nahm er an der University of Toronto das Studium der Orientalistik auf Wahrend der College Jahre engagierte er sich in verschiedenen okumenischen Kreisen und beschaftigte sich intensiv mit marxistischer Gesellschaftsanalyse 1 Nach Erlangung des Bachelor of Arts im Fruhjahr 1938 mit einer Arbeit uber Kohelet setzte er sein Orientalistik Studium mit einem Stipendium an der britischen Cambridge University fort Hier studierte er unter anderem bei Hamilton Alexander Rosskeen Gibb Eine Dissertation uber die gesellschaftliche Situation in Britisch Indien auf Grundlage der marxistischen Gesellschaftsanalyse wurde wegen der darin enthaltenen antikolonialistischen Untertone von der Universitat jedoch nicht akzeptiert 2 Zusammen mit Muriel McKenzie Struthers 1917 2010 die er 1939 geheiratet hatte brach Smith 1940 zu einem mehrjahrigen Aufenthalt nach Britisch Indien auf der zunachst noch uber das kanadische Stipendium finanziert war 1941 wurde er vom Canadian Overseas Mission Council zum Reprasentanten unter Muslimen ernannt womit seine Finanzierung fur die nachsten Jahre gesichert war 1943 veroffentlichte er in Lahore unter dem Titel Modern Islam in India eine uberarbeitete Version seiner in Cambridge abgelehnten Dissertation Bis 1945 wirkte er als Dozent fur indische und islamische Geschichte am Forman Christian College in Lahore das zur University of the Punjab gehorte Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Smith nach Nordamerika zuruck um bei Philip Khuri Hitti zu promovieren 1948 wurde ihm fur seine Dissertation The Azhar Journal Survey and Critique uber die in Kairo erscheinende islamische Monatsschrift Azhar Zeitschrift Maǧallat al Azhar der Ph D Titel verliehen Professor fur Comparative Religion an der McGill University BearbeitenNach einer ausgedehnten Forschungsreise durch verschiedene islamische Lander mit einem Stipendium der Rockefeller Foundation wurde Smith 1949 auf den neu gegrundeten Lehrstuhl fur Vergleichende Religionswissenschaft Comparative Religion an der McGill University in Montreal berufen Von Anfang an bemuhte er sich um eine starkere Einbindung islamwissenschaftlicher Studien in das Curriculum der Universitat 1951 konnte er mit Hilfe der Rockefeller Foundation an der Universitat ein islamwissenschaftliches Institut ins Leben rufen das er als erster Direktor leitete Zu den Mitarbeitern und Gastwissenschaftlern die er in die Arbeit des Instituts einbeziehen konnte gehorten Fazlur Rahman Jacques Waardenburg Toshihiko Izutsu und Ismail Faruqi 1957 veroffentlichte er seine Monographie Islam in Modern History in der er nach Art einer Bestandsaufnahme die damalige Situation des Islams beschrieb wobei er dem arabischen Raum der Turkei Pakistan und Indien jeweils ein eigenes Kapitel widmete Smith beschaftigte sich in dieser Zeit besonders intensiv mit Begriffsgeschichte So zeigte er 1960 in einem Vortrag in Moskau auf dass der Begriff Scharia in fruhen islamischen Texten fast gar nicht auftaucht und auch in islamischen Bekenntnisschriften keine konstitutive Rolle spielte 3 In einem Vortrag den er 1958 an der Universitat London hielt verfolgte er die Begriffsentwicklung von Islam Darin kam er zu dem Ergebnis dass der Begriff Islam im Laufe der Jahrhunderte den Bezug zu Gott verloren habe und zwar durch einen allmahlichen Bedeutungswandel weg von personlicher Frommigkeit uber die Bezeichnung fur ein Religionssystem hin zum Begriff fur eine Zivilisation In einer anderen Veroffentlichung aus dieser Zeit kritisierte er die in der westlichen Orientalistik vorherrschende Vorstellung vom Islam als Religion mit einem festen unveranderlichen Wesenskern 4 The Meaning and End of Religion 1962 BearbeitenIn seinem 1962 veroffentlichten Werk The Meaning and End of Religion wandte Smith seinen Ansatz der historischen Begriffskritik auf den Religionsbegriff an Ziel war es ihm die Gewohnheit zu hinterfragen Religion als etwas zu betrachten das in den Einzelreligionen Hinduismus Buddhismus etc konkrete Form annimmt Ursprunglich so Smith habe das lateinische Wort religio eine innere Ausrichtung der Frommigkeit gekennzeichnet 5 Erst im 17 Jahrhundert habe sich der Religionsbegriff von individueller Frommigkeit hin zur Bezeichnung eines Systems von Glaubensvorstellungen und Dogmen verschoben Um die Wende zum 20 Jahrhundert sei schliesslich Religion zur Bezeichnung fur ein historisch gesellschaftliches Phanomen mit geographischer Ausbreitung und zeitlicher Entwicklung geworden uber das dann entsprechend die neue Disziplin der Religionswissenschaft eine Fulle von Daten sammelte Diesen Prozess bezeichnet Smith als Prozess der Reifikation von Religion 6 In den meisten nicht westlichen Kulturen hat es nach Smith dagegen keine Vorstellung von Religion im Sinn eines organisierten Systems gegeben sondern nur Aquivalente zum Begriff der Religiositat oder Frommigkeit zum Beispiel Bhakti Die einzige nicht westliche Kultur die von Anfang an uber einen Religionsbegriff verfugte ist seiner Auffassung nach der Islam in dessen Grundungsschrift dem Koran bereits an mehreren Stellen der aus dem iranischen Sprachraum ubernommene Begriff din fur die eigene Religion verwendet wird z B 3 19 3 84 und auch andere religiose Ausrichtungen damit bezeichnet werden Aufgrund dessen stellt der Islam fur Smith einen Sonderfall special case dar 7 Da aber Islam ursprunglich nur gehorsame Unterwerfung bedeute ansonsten aber nicht inhaltlich gefullt gewesen sei auch nicht bei den klassischen Exegeten wie at Tabari konne auch hier festgestellt werden dass am Anfang nicht ein System religioser Vorstellungen und Gebote gestanden habe sondern nur eine bestimmte personliche Haltung 8 Der Prozess der Reifikation habe beim Islam erst erheblich spater eingesetzt namlich in der Zeit des Kolonialismus als apologetische Reaktion auf den Druck des Westens und zwar so intensiv dass der Islam in der Gegenwart als die am meisten reifizierte Religion betrachtet werden konne 9 Aus seinen Befunden zur Entwicklung des Religionsbegriffs zog Smith die Konsequenz dass dieser aufgrund seiner reifizierenden Konnotationen ganzlich ungeeignet sei um religioses Erleben in seiner Dynamik angemessen zu verstehen Um dieser Aufgabe gerecht zu werden musse die Religionswissenschaft zwischen personlichem Glauben personal faith und kumulativer Tradition cumulative tradition unterscheiden Ersteres bedeute eine innere religiose Erfahrung letzteres die Gesamtheit objektiver Daten in denen sich das vergangene religiose Leben einer bestimmten Gemeinschaft manifestiert Tempel Schriften theologische Systeme Brauche Mythen usw 10 Nachdem die Vergleichende Religionswissenschaft ein Jahrhundert lang die verschiedenen kumulativen Traditionen studiert habe sei es nun die Aufgabe den personlichen Glauben der Menschen dem diese Traditionen gedient haben zu entdecken 11 Weitere Karriere BearbeitenThe Meaning and End of Religion war Smiths einflussreichstes Werk Zwei Jahre spater wurde er auf den Lehrstuhl fur Weltreligionen an der Universitat Harvard berufen der mit der Leitung des Zentrums fur das Studium der Weltreligionen verbunden war Seine Arbeit in Harvard kreiste in besonderer Weise um den Begriff des Glaubens sowie um die Frage wie menschliche Religionsgeschichte trotz aller Unterschiede als Einheit begriffen werden kann 12 1967 wurde Smith in die American Academy of Arts and Sciences gewahlt 13 1974 wechselte er an die Dalhousie University in Halifax wo er das Department of Religion aufbaute 1978 kehrte er nach Harvard zuruck wo er Vorsitzender des interdisziplinaren Komitees The Study of Religion wurde Nach seiner Emeritierung im Jahre 1985 wurde er zum senior research associate am Trinity College der University of Toronto ernannt Kritik BearbeitenDer methodische Ansatz von Smith wurde schon ab den 1970er Jahren von mehreren Seiten zum Teil heftig kritisiert unter anderem von Per Kvaerne und Ninian Smart 14 Der agyptische Religionsgelehrte Ismail Raji al Faruqi der eine Zeit lang mit Smith zusammengearbeitet hatte warf 1973 Smith in einem Aufsatz 15 vor dass er nur aufgrund einer vorgefassten Meinung preconvinced argument dem Islam eine unveranderliche feste Essenz abgesprochen habe Aus der Tatsache dass der Begriff islam Unterwerfung bedeute konne nicht geschlossen werden dass damit nicht auch ein religioses System gemeint sei Al Faruqi zufolge hat der Prozess der Reifikation beim Islam schon zu Lebzeiten des Propheten Mohammed selbst stattgefunden und zwar bei dessen Abschiedswallfahrt im Jahre 632 als dieser wie es uberliefert wird den Wortlaut von Sure 5 4 verkundete Heute habe ich Eure Religion vollendet und ich bin damit zufrieden dass ihr den Islam als Religion habt Publikationen Auswahl BearbeitenModern Islam in India A Social Analysis 1943 1946 1963 Victor Gollancz London ISBN 0 8364 1338 5 The Muslim League 1942 1945 1945 Minerva Book Shop Pakistan as an Islamic State Preliminary Draft Shaikh Muhammad Ashraf 1954 Islam in Modern History The tension between Faith and History in the Islamic World 1957 Princeton University Press 1977 ISBN 0 691 01991 6 The Meaning and End of Religion A New Approach to the Religious Traditions of Mankind Macmillan 1962 Fortress Press 1991 ISBN 0 8006 2475 0 The Faith of Other Men 1963 Dutton ISBN 0 453 00004 5 Questions of Religious Truth 1967 Scribner Religious Diversity Essays 1976 Harper Collins ISBN 0 06 067464 4 Belief and History 1977 University of Virginia Press 1986 ISBN 0 8139 1086 2 On Understanding Islam Selected Studies editor Mouton Publishers The Hague 1981 ISBN 90 279 3448 7 Scripture Issues as Seen by a Comparative Religionist 1985 Claremont Graduate School Towards a World Theology Faith and the Comparative History of Religion 1989 Macmillan paperback ISBN 0 333 52272 9 What Is Scripture A Comparative Approach Fortress Press 1993 ISBN 0 8006 2608 7 Patterns of Faith Around the World Oneworld Publications 1998 ISBN 1 85168 164 7 Faith and Belief Princeton University Press 1987 ISBN 0 691 02040 X Believing Oneworld Publications 1998 ISBN 1 85168 166 3Literatur BearbeitenTalal Asad Reading a Modern Classic W C Smith s The Meaning and End of Religion in History of Religion 40 2001 205 22 Andreas Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie Wilfred Cantwell Smiths interreligiose Hermeneutik Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1994 ISBN 978 3 52556 278 9 Andreas Renz Der Mensch unter dem An Spruch Gottes Offenbarungsverstandnis und Menschenbild des Islam im Urteil gegenwartiger christlicher Theologie Wurzburg 2002 63 126 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Wilfred Cantwell Smith im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Cantwell Smith auf der Internetplattform der Abteilung Religionswissenschaft der Leibniz Universitat Hannover Memento vom 4 September 2013 im Internet Archive Fotografie von Wilfried Cantwell Smith Fotografie von Wilfried Cantwell Smith aus dem Jahr 2000Einzelnachweise Bearbeiten Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 33 Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 34 Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 95 Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 99 Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 156f Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 158 Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 161 Vgl Smith The Meaning and End of Religion 113 Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 161 Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 161 163 Vgl Smith The Meaning and End of Religion 188f Grunschloss Religionswissenschaft als Welt Theologie 1994 S 49 American Academy of Arts and Sciences Book of Members PDF Abgerufen am 10 April 2016 Vgl dazu das biographische Portrat zu Smith von Steffen Fuhrding auf der Internetplattform der Abteilung Religionswissenschaft der Leibniz Universitat Hannover Memento vom 4 September 2013 im Internet Archive The Essence of Religious Experience in Islam in Numen 3 1973 186 201 Normdaten Person GND 119142325 lobid OGND AKS LCCN n50013239 VIAF 98223925 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Smith Wilfred CantwellKURZBESCHREIBUNG kanadischer Religions und IslamwissenschaftlerGEBURTSDATUM 21 Juli 1916GEBURTSORT TorontoSTERBEDATUM 7 Februar 2000STERBEORT Toronto Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wilfred Cantwell Smith amp oldid 203448341