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Mit Carte de Visite Abkurzung CdV bezeichnet man eine Fotografie die auf einem Karton im Format von ca 6 9 cm fixiert wurde hier als Visitformat bezeichnet Ab etwa 1860 wurde die Carte de Visite sehr popular und trug wesentlich zur Verbreitung der Fotografie bei Nach 1915 ist sie nur noch sehr vereinzelt zu finden In der historischen Literatur findet man auch Begriffe wie Visitkarte und Visitkarton Avers einer CdV von Heinrich Graf Brustbild nach rechts von Pauline Lucca ovaler Ausschnitt Berlin um 1870Avers einer CdV von E Bieber Ganzfiguriges Portrat von Anton Wilhelm Scheel Hamburg etwa 1869 Inhaltsverzeichnis 1 Idee 2 Herstellung 2 1 Format 2 2 Karton 2 3 Ruckseiten 3 Popularitat 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseIdee BearbeitenAuf die Frage wer als erster auf die Idee kam Photographien im Format einer Visitenkarte herzustellen sind unterschiedliche Antworten bekannt Es ist noch nicht lange her da hielt man den franzosischen Fotografen Andre Adolphe Eugene Disderi fur den Erfinder der Carte de Visite Die Fotografin Gisele Freund veroffentlichte 1978 Disderi erfasste alle Mangel und erkannte dass man es im photographischen Gewerbe nur zu etwas bringen konnte wenn es einem gelange den Auftraggeberkreis zu vergrossern und die Portratauftrage zu steigern Dies konnte man aber nur wenn man sich auf die okonomischen Verhaltnisse der Massenschichten umstellte Und so kam Disderi auf einen genialen Einfall Er verkleinerte das Format Er erfand die Carte de Visite deren Mass ungefahr unserem heutigen 6 9 cm Format entspricht Gisele Freund Photographie und Gesellschaft 1 Aber es lassen sich fruhere Hinweise auf das Format finden Die erste bekannte Erwahnung eines Portrats auf einer Visitenkarte findet sich 1851 in der Ausgabe der franzosischen Zeitschrift La Lumiere vom 24 August 2 Dort berichtete der Kunstkritiker Francis Wey der Mitglied der Societe heliographique war von dem Daguerreotypisten und Fotografen Louis Dodero 3 Il nous raconte avec bonhomie que s etant avise de mettre au lieu de son nom son portrait sur ses cartes de visite ce caprice a ete goute a trouve des imitateurs et par la popularise la decouverte dans le pays In bester Laune erzahlte er uns dass er auf den Gedanken gekommen sei anstelle seines Namens sein Portrat auf seiner Visitenkarte aufzubringen diese launige Idee habe Anklang und Nachahmer gefunden und dadurch sei seine Erfindung im Lande popular geworden Francis Wey De quelques applications nouvelles et curieuses de la photographie Fantaisies photographiques de M Dodero 4 5 Dodero war seiner Zeit voraus als er nachfolgend im Text zitiert wurde Wenn es gelange dieses Verfahren eines Tages einfacher und gunstiger zu gestalten konnte man es auch fur Passe Jagdausweise etc nutzen Er war der Meinung eine Fotografie sei besser geeignet jemanden z B am Bankschalter zu identifizieren als durch eine Unterschrift und eine banale Beschreibung des Aussehens Er bildete in seinen Briefen neben seiner Unterschrift sein Portrat ab Tatsachlich scheint sich niemand fur diese Idee begeistert zu haben denn sie fand keine Nachahmer und geriet daher in Vergessenheit Der nachste Hinweis findet sich wieder in der La Lumiere und zwar in der Ausgabe vom 28 Oktober 1854 Dort schrieb der Redakteur Ernest Lacan 6 Une idee originale a fourni a M E Delessert et a M le comte Aguado l occasion de faire de delicieux petits portraits Jusqu a present les cartes de visite ont porte le nom l adresse et quelquefois les titres des personnes qu elles representent Pourquoi ne remplacerait on pas le nom par le portrait Die Herren E Delessert und Graf Aguado haben einen originellen Einfall gehabt bei dem sie reizende kleine Portrats machen Bis jetzt haben Visitenkarten den Namen die Adresse und zuweilen den Titel der Person getragen die sich vorstellte Warum sollte man nicht den Namen durch das Portrat ersetzen Ernest Lacan Vues et portraits par M Edouard Delessert 7 5 Die Ideen von Delessert und Aguado dienten weniger dem Nutzen als dem gesellschaftlichen Umgang Sie stellten sich vor jeder solle eine Reihe von unterschiedlichen Portrats bei sich tragen Wenn man zu Besuch komme dann solle das Portrat auf der Visitenkarten in untadeligen Handschuhen zeigen den Kopf wie zum Gruss leicht geneigt den Hut ganz nach der Etikette auf dem rechten Oberschenkel abgelegt darstellen Zum Abschied stellten sie sich ein Portrat vor das Sie in Reisekleidung zeigt die Schirmmutze auf dem Kopf den Korper in eine Decke gehullt die Beine in weiten Fellstiefeln die Reisetasche in der Hand 8 Kaum vier Wochen nach dieser Veroffentlichung beantragte der geschaftstuchtige Eugene Disderi am 27 November 1854 ein Patent auf die Carte de Visite Dies Patent beinhaltete eine technische Realisierung mit einer speziellen Kamera Der Erfolg begann viereinhalb Jahre spater Ein weiteres Zitat zur Carte de Visite findet sich im englischsprachigen Lexikon Haydn s Dictionary of Dates 9 Hier ist davon die Rede dass die erste kleine Fotografie von M onsieur Ferrier 10 in Nizza 1857 gemacht worden sei Der Herzog von Parma 11 habe sein Portrat auf seine Visitenkarte geklebt Herstellung BearbeitenDie Herausforderungen die Disderi erkannte waren die technische Umsetzung des kleinen Formates die Steigerung der Produktivitat und Verringerung der Kosten Die Fotografien waren auf Karton aufgezogene Papierkopien von Kollodium Nassplatten Negativen und seit 1864 um mit Uran Kollodium uberzogenem Papier Dieses Wothlytypie Verfahren ermoglichte es direkte Abzuge zu erhalten und auf Papier zu ziehen Die Kollodium Nassplatten oder Wothlytypiepapiere wurden mit Spezialkameras belichtet Dabei wurden nicht kleine Negative vergrossert die Problematik bestand vielmehr darin uberhaupt ein entsprechend kleines Aufnahmeformat zu erreichen um 1850 lagen die Plattengrossen zwischen 6 8 Zoll 16 5 21 6 cm Ganzplatte und 2 2 Zoll 5 1 6 4 cm Neuntelplatte nbsp Aufteilung einer Kollodium Nassplatte fur Visitenkartenportrats um 1860Eugene Disderis Spezialkamera verfugte daher uber vier Objektive und eine verschiebbare Plattenkassette Mit Hilfe der Mehrfachoptik konnten auf jeder Halfte der Glasplatte jeweils vier Belichtungen aufgenommen werden dann wurde die Platte mit Hilfe der Kassette verschoben und die nachsten vier Belichtungen konnten auf der zweiten Halfte festgehalten werden Format Bearbeiten Hauptartikel Bildformat Papierbild Anschliessend wurden auf Albuminpapier Abzuge im Negativformat von etwa 8 10 Zoll 20 3 24 5 cm angefertigt die in 8 Carte de Visite Formate 6 9 cm zerschnitten wurden Der Schneidevorgang konnte bei den Wothlytypien direkt erfolgen Die Fotografie hatte gewohnlich eine Breite von 54 mm 54 bis 60 mm und eine Hohe von 92 mm 85 bis 97 mm und wurde auf einem Karton mit Abmessungen von einer Breite von ca 65 mm 60 bis 67 mm und einer Hohe von 105 mm 101 bis 107 mm montiert 12 Karton Bearbeiten Der Untersatzkarton fur die Abzuge wurden von spezialisierten Herstellern angeboten 13 Zu Beginn war der Karton minderwertig ca 0 4 mm stark und von Hand beschnitten Die Starke des Kartons nahm im Lauf der Zeit zu ca 0 1 mm pro Jahrzehnt 14 Dies galt in der Regel fur CdV Formate bei grosseren die spater aufkamen und damit auch kostspieligeren Formaten war von Beginn an die Starke ca 1 mm Diese Starke liess es zu schrage und farbige Schnittkanten herzustellen Ruckseiten Bearbeiten Hauptartikel Revers Fotografie Die Ruckseiten wurden im Laufe der Zeit aufwendiger gestaltet Popularitat BearbeitenIm Mai 1859 liess sich Kaiser Napoleon III mit der Kaiserin Eugene von Eugene Disderi zweimal photographieren 15 Anschliessend verteilte er Abzuge im Format Carte de Visite an Hof und Staatsbeamte Diese Portrats verhalfen dem Format zur Popularitat 16 Durch das kleine Format und die rationelle Herstellung mehrerer Abzuge konnten die Kosten deutlich reduziert werden Um 1880 entsprach der Preis von 2 50 Mark fur sechs Abzuge nur noch dem Tageslohn eines Arbeiters 17 In der Folge entwickelte sich die Portrat Fotografie sehr schnell zu einem grossen Erfolg allein in England wurden im Zeitraum von 1861 bis 1867 zwischen 300 und 400 Millionen Cartes de Visite jahrlich hergestellt Ab 1866 wurde auch die grossere Kabinettkarte auch Cabinet angeboten nbsp Fotoalbum fur CdV FormatDie grosse Popularitat der Visit und Kabinettkarten fuhrte auch zur Entwicklung passenden Zubehors Bilderrahmen zum Aufstellen oder hangen Fotoalben mit entsprechenden Passepartouts in denen die Bilder eingeschoben werden konnten wurden in grosser Zahl produziert und angeboten Literatur BearbeitenMatthias Grundig Der Schah in der Schachtel Soziale Bildpraktiken im Zeitalter der Carte de visite Jonas Verlag Marburg 2016 ISBN 978 3 89445 530 9 Gisele Freund Die Photographie im Zweiten Kaiserreich 1851 1870 In Photographie und Gesellschaft Rowohlt Tb 1997 ISBN 3 499 17265 8 S 65 ff Jochen Voigt Faszination Sammeln Cartes de visite Eine Kulturgeschichte der photographischen Visitenkarte Edition Mobilis Chemnitz 2006 ISBN 3 9808878 3 9 Ludwig Hoerner Das photographische Gewerbe in Deutschland 1839 1914 GFW Verlag Dusseldorf 1989 ISBN 3 87258 000 0 Helmut Gernsheim Die Portraitphotographie eine neue Industrie Anspruch und Kritik Wegbereiter der Kunstphotographie Das Cliche verre und Das Visitenkartenportrat Disderi und die Folgen Hohepunkte der Kartomanie In ders Geschichte der Photographie Die ersten hundert Jahre Propylaen Frankfurt a M Berlin Wien 1983 S 285 292 und 355 368 Die Einfuhrung der Visitkarten Photographie In Josef Maria Eder Geschichte der Photographie 1 Band 4 Aufl Verlag Wilhelm Knapp Halle Saale 1932 S 487 ff J Schnauss Uber Visitenkartenportraits In Photographisches Archiv Band 2 Theobald Grieben Berlin 1861 S 205 208 Leo Bock Photographische Gedanken In Photographisches Archiv Band 3 Theobald Grieben Berlin 1862 S 124 127 Bewertung der CdV aus deren Anfangsjahren H d Aubigier Uber die Visitkarten Portraits In Wilhelm Horn Photographisches Journal 15 Band 1861 Otto Spamer Leipzig S 15 17 Societe d heliographie Hrsg La Lumiere Revue de la Photographie Beaux arts Heliographie Sciences Paris 1855 1898 franzosisch ZDB ID 2861128 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Zeitschriften fur Photographie Quellen und Volltexte nbsp Commons Cartes de visite Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien A Brief History of the Carte de Visite MMXIV The American Photography Museum Inc 2004 abgerufen am 22 Dezember 2020 englisch Amerikanische Webseite Carte de Visite PhotoTree com abgerufen am 22 Dezember 2020 englisch Amerikanische Webseite Carte de Visite Sammlung In museum digital Dr Stefan Rohde Enslin abgerufen am 22 Dezember 2020 Einzelnachweise Bearbeiten Gisele Freund Die Photographie im Zweiten Kaiserreich 1851 1870 In Photographie und Gesellschaft Rowohlt Tb Reinbek bei Hamburg 1997 ISBN 3 499 17265 8 S 68 Die Zeitschrift war die allererste die sich mit dem Thema Fotografie beschaftigte Louis Dodero 1824 1902 franzosischer Fotograf La Lumiere vom 24 August 1851 S 115 a b Jochen Voigt Faszination Sammeln Cartes de Visite Eine Kulturgeschichte der photographischen Visitenkarte EditionMobilis Chemnitz 2006 ISBN 3 9808878 3 9 S 12 13 Ernest Lacan 1828 1879 Chefredakteur und Herausgeber der Zeitschrift La Lumiere La Lumiere vom 28 Oktober 1854 S 170 171 Unter der Uberschrift Correspondenz aus Paris in der Zeitschrift Photographisches Archiv 2 Band S 260 verwies der Autor Korrespondent 1861 auf diese Ideen der Herrn Delessert und Aguado Der Korrespondent war Ernest Lacan der Autor der erwahnten Artikel in La Lumiere Cartes de Visite In Benjamin Vincent Haydn s Dictionary of Dates Relating to All Ages and Nations 12 Auflage Edward Moxon London 1866 S 155 englisch Digitalisat http vorlage digitalisat test 1 3D 7B 7B 7B1 7D 7D 7D GB 3DCEQQAAAAYAAJ IA 3D MDZ 3D 0A SZ 3DPA155 doppelseitig 3D LT 3D PUR 3D Es handelt sich moglicherweise um den Fotografen Claude Marie Ferrier 1811 1889 der gemass Union List of Artist Names des J Paul Getty Trust sich 1857 in Nizza aufgehalten haben soll online Es ist nicht eindeutig um welchen Herzog von Parma es sich handelt da der Herzog Robert von Parma zu diesem Zeitpunkt erst neun Jahre alt und sein Vater bereits verstorben war 79 Die gebrauchlichen Formate der Papierbilder In Dr Josef Marie Eder Hrsg Jahrbuch fur Photographie und Reproduktionstechnik 3 Jg Wilhelm Knapp Halle S 1889 S 74 Christa Pieske Das ABC des Luxuspapiers Herstellung Verarbeitung und Gebrauch 1860 1930 Reimer Berlin 1984 ISBN 3 496 01023 1 S 221 Timm Starl Hinter den Bildern Zur Datierung und Identifizierung von Fotografien der Jahre 1839 bis 1945 In Fotogeschichte Band 26 Nr 99 Jonas Verlag Marburg Marz 2006 S 17 Frankreich In Borsen Halle Hamburgische Abend Zeitung Montag 16 Mai 1859 S 4 In diesem Zusammenhang wurde wiederholt berichtet Napoleon III sei am 10 Mai 1859 an der Spitze eines Armeekorps am Atelier von Disderi vorbeigeritten und es sei spontan zu einer Aufnahme gekommen Jochen Voigt weist in seinem Buch S 9 11 nach dass dies so nicht stattgefunden haben kann Ernest Lacan schrieb in einem Aufsatz fur das Photographische Journal der im Band 14 aus dem Jahr 1860 abgedruckt wurde Man kann sich keinen Begriff davon machen wie das hiesige Publicum fur die Visitenkarten eingenommenn ist Jeder will sein Portrait in diesem Format besitzen und an seine Freunde vertheilen Sodann werden die Portraits der politischen kunstlerischen und literarischen Notabilitaten der Beruhmtheiten der Geistlichkeit der Magistratur der Armee des Theaters und selbst der Demi monde in Tausenden von Exemplaren abgezogen und im Handel verbreitet S 56 Das Photoalbum 1858 1918 Ausstellungskatalog Stadtmuseum Munchen Munchen 1975 S 90 94 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Visitformat amp oldid 238913873