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Das Ultimatumspiel auch ultimative Verhandlung ist eine der praktischen Anwendungen der Spieltheorie fur Wirtschafts und Verhaltensforschung Es wurde von Werner Guth u a 1982 experimentell umgesetzt Das Ultimatumspiel wird gerne als Laborexperiment zur Erforschung des Altruismus beziehungsweise Egoismus eingesetzt In verschiedenen Variationen des Spiels wird untersucht in welchem Mass der Mensch nur den sich aus dem Spielgegenstand ergebenden Nutzen maximiert und in welchem Mass der Mensch bei seinen Entscheidungen auch andere Interessen mit einbezieht Beispiele fur zu berucksichtigende andere Interessen sind die Pflege von Spielregeln die ihm oder der Gemeinschaft nutzen und kulturelle Gepflogenheiten wie der Sinn fur Gerechtigkeit sowie das Wirken des eigenen Personlichkeitsbilds auf Mitspieler und Beobachter Auch fur neurobiologische Experimente wird das Ultimatumspiel neben anderen erfolgreich eingesetzt um beispielsweise die Auswirkungen von geschadigten Gehirnarealen auf das Verhalten zu untersuchen 1 Eine Mehrspielerversion ist das so genannte Pirate game Inhaltsverzeichnis 1 Grundform des Ultimatumspiels 2 Variante Diktatorspiel 3 Nutzenmaximierung auf verschiedenen Ebenen 4 Empirische Ergebnisse 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGrundform des Ultimatumspiels BearbeitenEinem Akteur A1 wird ein Gut c displaystyle c nbsp z B Geld zur Verfugung gestellt Hiervon muss er einen Teil s displaystyle s nbsp wahlen 0 s c displaystyle 0 leq s leq c nbsp und einem anderen Akteur A2 anbieten Lehnt dieser den ihm angebotenen Teil ab so muss auch A1 auf seinen Teil verzichten und beide gehen leer aus Nimmt A2 an so erhalt er das Angebot s displaystyle s nbsp und A1 erhalt den Rest c s displaystyle c s nbsp Ein Ziel des Spieles besteht fur den Spieler A1 darin seinen Gewinn in Form von Geld zu maximieren Er konnte aber auch andere Ziele haben zum Beispiel das Geld gerecht aufzuteilen In der vorliegenden Betrachtung wird Gewinnmaximierung angenommen Das Ziel des Spielers A2 ist dem Spieler A1 nicht unbedingt bekannt Er kann es aber auf Grund von gesellschaftlicher Erfahrung vermuten In der Standardversion des Ultimatumspiels sind sich die Spieler nicht bekannt und konnen nicht miteinander kommunizieren Die beiden Spieler haben also keine Konsequenzen bis auf einen Nichtgewinn zu furchten Die spieltheoretische Losung fur ertragsorientierte rationale Spieler besteht darin dass A1 von der Summe c displaystyle c nbsp nur den geringstmoglichen Teil s gt 0 displaystyle s gt 0 nbsp z B 1 Cent anbietet weil er weiss dass ein im Sinne der individuellen Nutzenmaximierung rationaler Spieler A2 diesen geringen Betrag einer Auszahlung von Null vorziehen und deshalb zustimmen wird bei einer Auszahlung von Null entstunde fur A2 kein Vorteil weshalb er ablehnen konnte A1 hat somit seine Investition minimiert und den an ihn selbst auszuzahlenden Anteil maximiert In Experimenten verhielten sich jedoch viele Spieler A2 nicht in diesem Sinne rational sondern lehnten lieber einen kleinen Gewinn ab als eine unfair empfundene Aufteilung zu akzeptieren Angebote unter ungefahr 15 der Gesamtsumme werden in der Regel abgelehnt so dass auch der Anbieter leer ausgeht Die Aufteilung ist leicht unterschiedlich Im Durchschnitt uberlasst A1 30 des Gutes A2 Ublich ist praktisch immer eine Aufteilung die sich von der rationalen Aufteilung drastisch unterscheidet Ist A1 bereits Eigentumer des Gutes c displaystyle c nbsp und kann davon einen Teil s displaystyle s nbsp an A2 abgeben wobei wie zuvor A1 zusatzlich c s displaystyle c s nbsp als Gewinn erhalt so existieren drei interessante Losungen A1 gibt s c 2 displaystyle s tfrac c 2 nbsp so dass A1 nichts verliert und A2 gewinnt ohne dass er A1 benachteiligt die Halfte des Gutes von A1 A1 gibt s c 3 displaystyle s tfrac c 3 nbsp so dass beide A1 und A2 c 3 displaystyle tfrac c 3 nbsp gewinnen Wenn A2 selbst bereits das Gut d displaystyle d nbsp besitzt so ist der relative Gewinn beider mit der Annahme des Angebots s c d c 2 d displaystyle s c cdot tfrac d c 2d nbsp mit dem Gewinnfaktor 1 c c 2 d displaystyle 1 tfrac c c 2d nbsp gleich Ist das Gut von A1 hierbei grosser als das von A2 so ist die dritte Losung bezogen auf den absoluten Gewinn nachteilig fur A2 Erst wenn das Gut von A2 grosser ist als das von A1 ist die Losung 3 fur A2 von Vorteil und umgekehrt Derjenige der mehr Gut hat wird versuchen Losung 3 durchzusetzen der Andere wird die Losung 2 anstreben Ist das Gut von A1 und A2 gleich sind die Losungen 2 und 3 identisch Ist das eigene Gut kleiner als das des Spielpartners so ist es von Vorteil sein eigenes Gut so weit wie moglich gegenuber dem Spielpartner zu verbergen um die Wahrscheinlichkeit zur Realisierung der Losung 2 zu erhohen Demgegenuber ist es fur den reicheren Spielpartner wichtig das gesamte Gut des armeren Spielpartners zu ermitteln um bei dem Versuch der Durchsetzung der Losung 3 nicht den Verdacht der Unfairness zu erregen Dabei ist der Massstab fur Fairness kulturabhangig Wenn eine Aufteilung unter mehrere erfolgt dann erhoht sich die Bereitschaft auch kleinere Summen anzunehmen Die Aufteilung ist teilweise auch von den konkreten kulturellen Gepflogenheiten abhangig In der Volkswirtschaftslehre bezeichnet ein Pareto optimales Gleichgewicht eine Verteilung knapper Guter in der kein Beteiligter besser gestellt werden kann ohne einen anderen schlechter zu stellen Variante Diktatorspiel BearbeitenEin Diktatorspiel ist eine Variante dieses Spiels bei der A2 das Angebot nicht ablehnen kann Bei dieser Variante wurde man ausschliesslich das kleinstmogliche Angebot erwarten wenn eine Verlustminimierung in der Domane der offensichtlichen Nutzenfunktion Weggabe von so wenig Geld wie moglich das einzig relevante Verhalten ware Ist eine Verlustminimierung Geiz in diesem Bereich nicht dominant beobachtbar so muss untersucht werden welche weiteren Nutzenfunktionen beispielsweise Pflege der Kooperationsbereitschaft fur zukunftige Spiele die Entscheidungen der Teilnehmer an diesem Spiel beeinflussen Nutzenmaximierung auf verschiedenen Ebenen BearbeitenFuhrt das nicht individueller Rationalitat folgende Verhalten zu einer Maximierung des Nutzens z B Geld Ressourcen fur eine Gruppe dann wird mit kollektiver Rationalitat gespielt Ist bei einem Spiel keine Nutzenmaximierung oder zumindest Verlustminimierung zu beobachten dann gibt es entweder keinerlei Rationalitat oder es wurde um einen noch nicht erkannten Nutzen gespielt zum Beispiel in einem Metaspiel um zukunftigen Nutzen sichernde Spielregeln Ultimatumspiele sind gut geeignet diesen Sachverhalt darzustellen und Entparadoxierung bei der Spielanalyse zu demonstrieren In Ultimatumspielen wird auch der Unterschied zwischen einzelnen und oft wiederholten Spielen deutlich Hier wird das einzelne Spiel in Gemeinschaften so gespielt dass das aus Einzelspielen bestehende Gesamtspiel den Nutzen der Gemeinschaft maximiert beziehungsweise Verluste minimiert Daraus kann sich ein effizientes Teilen und Verteilen von Ressourcen innerhalb dieser Gemeinschaft ergeben Empirische Ergebnisse BearbeitenSpieler aus Industrielandern meist Bachelorstudenten aus den Vereinigten Staaten Europa und Asien bieten nach der ersten Form des Experiments typischerweise zwischen 40 und 50 der Summe dem zweiten Spieler an und Angebote unter 30 werden vom zweiten Spieler in der Regel abgelehnt Martin A Nowak u a 2000 2 konnten diese Ergebnisse in einem Modell vorhersagen wenn dieses Reputation berucksichtigt also Informationen uber das Verhalten eines Spielers in der Vergangenheit mitteilt Nowak u a schlossen daraus dass das Ultimatumspiel eine universelle menschliche Tendenz zu fairem und bestrafenden Verhalten zeige Da die Experimente ohne Reputation gespielt werden die Ergebnisse aber nur denen von Simulationen mit Reputation ahneln gingen Nowak u a davon aus dass sich Fairness und Bestrafung in einem evolutionaren Kontext herausbildeten in dem Interaktionen ohne Reputation nicht fitnessrelevant waren 3 In anderen kulturellen Kontexten kam das Ultimatumspiel jedoch zu abweichenden Ergebnissen Joseph Henrich u a 4 fuhrten das Spiel mit mehreren zufallig ausgewahlten kleinen ethnischen Gruppen durch Dabei zeigte sich dass die Spieler aus den Industrielandern das hohe Extrem der Bandbreite von Angeboten und Ablehnungen reprasentierten In den kleinsten Gesellschaften wurden sehr niedrige Angebote gemacht und diese nicht abgelehnt Damit ahnelten diese Ergebnisse den Simulationen von Nowak u a bevor sie Reputation berucksichtigten In den USA wurden beim Diktatorenspiel im Durchschnitt fast doppelt gt 45 so hohe Angebote gemacht wie bei den Hadza lt 30 Das Ultimatumspiel brachte ahnliche Ergebnisse auch ist die Ablehnungsschwelle in den USA hoher als in jeder anderen untersuchten Gesellschaft Die Analyse dieser Daten zeigt dass der Grad der Marktintegration Anteil der konsumierten Lebensmittel die gekauft wurden und der Grad der Religiositat beide unabhangig voneinander hohere Angebote vorhersagen Mit anderen Worten sind die Ergebnisse des Ultimatumspiels in Industrielandern nicht menschliche Universalien sondern spezifisch auf die kulturelle Entwicklung dieser Gesellschaften zuruckzufuhren Henrich u a gehen davon aus dass komplexe marktwirtschaftliche Gesellschaften nicht ohne einen hohen Grad von Kooperation mit Fremden moglich sind 3 Literatur BearbeitenStephen D Levitt Steven J Dubner Superfreakonomics Riemann 2010 ISBN 978 3 570 50122 1 Karl Siegmund Ernst Fehr Martin A Nowak Teilen und Helfen Ursprunge sozialen Verhaltens In Spektrum der Wissenschaft Dossier Heft 5 2006 S 55 PDF Version des Artikels aus Spektrum der Wissenschaft Heft 3 2002 Werner Guth Rolf Schmittberger Bernd Schwarze An experimental analysis of ultimatum bargaining In Journal of Economic Behavior amp Organization Volume 3 Issue 4 Dezember 1982 S 367 388 Einzelnachweise Bearbeiten Gerd Bohmer Neurookonomie Neuroeconomics Neuronale Mechanismen okonomischer Entscheidungen Johannes Gutenberg Universitat Mainz 2010 Abstract mit Download Link PDF 10 8 MB Memento vom 23 Februar 2014 im Internet Archive M A Nowak K M Page K Sigmund Fairness versus reason in the Ultimatum Game PDF 92 kB In Science Band 289 2000 S 1773 1775 a b J Henrich S Heine A Norenzayan The Weirdest People in the World In Behavioral and Brain Sciences PDF 1 2 MB Band 33 2010 S 61 135 J Henrich J Ensminger R McElreath A Barr C Barrett A Bolyanatz J C Cardenas M Gurven E Gwako N Henrich C Lesorogol F Marlowe D P Tracer J Ziker Market religion community size and the evolution of fairness and punishment PDF 211 kB In Science Band 327 2010 S 1480 1484 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ultimatumspiel amp oldid 234552557