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Totenfloss ist ein Drama des deutschen Dramatikers Harald Mueller Es entwirft ein Endzeitszenario im atomar und chemisch verseuchten Deutschland des Jahres 2050 Vier Todgeweihte treiben mit einem Floss den Rhein flussabwarts nach Xanten wo sie sich eine Uberlebensmoglichkeit erhoffen Die Premiere des Stucks am 5 Oktober 1984 im Theater Oberhausen blieb ohne uberregionale Wahrnehmung Erst nach der Katastrophe von Tschernobyl stiess eine zweite Fassung auf gesteigertes Interesse Sie hatte am 16 Oktober 1986 gleichzeitig in Basel Dusseldorf und Stuttgart Premiere und wurde in der Saison 1986 87 am dritt haufigsten auf deutschen Buhnen gespielt Nach der Buhnenvorlage entstanden ein Horspiel und ein Fernsehspiel Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Auffuhrungsgeschichte 3 Rezeption 4 Adaptionen 5 Veroffentlichungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDeutschland im Jahr 2050 ist nach einer Katastrophe atomar und chemisch vollstandig verseucht Die Umwelt ist vergiftet die verbliebene Bevolkerung lebt in zu Festungen ausgebauten diktatorisch regierten Stadten Jeder dessen chemische Kontamination einen bestimmten Grad ubersteigt wird in die Chemiewuste ausgewiesen wo in der verstrahlten und vergifteten Natur der sichere Tod auf ihn wartet Zu diesen Todeskandidaten gehoren auch die vier Protagonisten des Stucks Checker Itai Kuckuck und Bjuti Checker sieht sich selbst als Uberlebensmaschine halb Mensch halb Tier der der todlichen Umwelt mit Brutalitat gegenubertritt Itai ist eine angstliche Retortengeburt Er leidet an der Itai Itai Krankheit und schrumpft zu Tode Der Einsiedler Kuckuck ist der einzige Neunzehnhunderter des Quartetts der die Erde noch vor der grossen Katastrophe kannte Immer wieder imitiert er Vogelstimmen aus der Zeit als es noch Vogel gab Bjuti eine junge Frau mit entstelltem Gesicht ist ausgestossen worden weil sie Bucher besitzt Sie beherrscht noch die alte Sprache wahrend alles um sie herum nur noch in Wortfetzen und Kauderwelsch kommuniziert und rezitiert Gedichte Auf einem Floss treiben die vier Ausgestossenen den Rhein flussabwarts gen Xanten der Stadt die zu ihrem Utopia wird weil sie Geruchten zufolge nach der Vernichtung durch eine Neutronenbombe inzwischen giftfrei und bewohnbar sei Die Fahrt fuhrt von Heidelberg nach Mainz wo das Floss auf einer Sandbank strandet uber Bonn wo das Quartett beschossen wird bis Koln wo sich die Wut der drei Jungen uber die zerstorte Umwelt an Kuckuck entladt den sie als Vertreter der alteren Generation fur den Untergang der Welt verantwortlich machen Checker stranguliert den sich vermehrt in Egoismus und Zynismus fluchtenden Kuckuck Doch auf der Fahrt durch die apokalyptischen Landschaften des zerstorten Deutschlands gewinnen die vermeintlichen Monstren auch mehr und mehr ihre Menschlichkeit zuruck Sie treten als Individuen miteinander in Kontakt und aus ihren Verstorungen und Angsten entwickelt sich Hoffnung Itai uberwindet seine Beruhrungsangste Checker verliert mit seinem Schutzanzug auch sein brutales Verhalten und lernt ich zu sich zu sagen Er schwangert Bjuti die einen gesichtslosen Fleischklumpen gebiert Xanten schliesslich als die Verbliebenen die Stadt erreichen erweist sich nicht als das erhoffte Paradies sondern ist eine verschlossene Festung Bewaffnete am Uferrand verwehren die Landung Am Ende leistet Checker dem sterbenden Itai Sterbehilfe Gemeinsam mit Bjuti treibt er aufs offene Meer hinaus Auffuhrungsgeschichte BearbeitenIm Jahr 1982 gewann Harald Mueller einen Dramenwettbewerb des Theaters Oberhausen zum Thema Umwelt Aus diesem Expose entstand das Theaterstuck Totenfloss das am 5 Oktober 1984 unter der Regie von Manfred Repp 1 im Oberhausener Theater im Pott uraufgefuhrt wurde 2 Die Premiere wie das Stuck selbst wurden von der uberregionalen Theaterkritik nicht wahrgenommen Erst der Mueller schon seit langerem verbundene Kritiker Benjamin Henrichs machte 1985 die Offentlichkeit auf Totenfloss aufmerksam als er das Stuck im Jahrbuch Theater 1985 zum Stuck des Jahres nominierte 3 Als Henrichs im Juni 1985 ein Portrat in der Zeit folgen liess 4 war bereits George Tabori auf Totenfloss aufmerksam geworden plante eine Horspielproduktion und eine Inszenierung an den Munchner Kammerspielen Mueller uberarbeitete Totenfloss noch einmal und sprach personlich mit dem Stuck bei 45 deutschen Theaterbuhnen vor 3 Noch im Herbst 1985 kamen mehrere Vertrage uber Auffuhrungen zustande doch einen regelrechten Boom erlebte Totenfloss erst infolge der Katastrophe von Tschernobyl und des Grossbrands bei Sandoz in Schweizerhalle Die Neufassung wurde am 16 Oktober 1986 gleichzeitig am Theater Basel am Dusseldorfer Schauspielhaus und am Staatstheater Stuttgart uraufgefuhrt Uber 40 weitere Buhnen folgten und Totenfloss wurde in der Saison 1986 87 hinter Offene Zweierbeziehung und Der Kontrabass zum drittmeistgespielten Stuck an deutschen Theaterbuhnen 5 Das Drama wurde auch ein internationaler Erfolg und in 12 Sprachen ubersetzt 6 Rezeption BearbeitenDie Zeitschrift Theater heute wahlte Totenfloss 1986 zum Stuck zum Thema des Jahres 7 Dieter Kafitz nannte das Drama 1988 das kennzeichnendste Beispiel einer postmodernen Endzeitdramatik und fur Jurgen Schroder war der Autor der unbestrittene Meister einer harten Kleingruppendynamik wobei er bereits fruhere Werke Muellers mit der Thematik junger Aussenseiter namentlich Grosser Wolf und Halbdeutsch als Vorspiel zum Totenfloss sah 8 Das Stuck erntete jedoch auch harte Kritik So nannte Peter Iden Totenfloss ein sehr deutsches Stuck Romantisch im schlechtesten Sinne scheinbar radikal voller Selbstmitleid und plarrender Klagen 9 Fur Georg Hensel versinkt das Totenfloss in dem schwarzen Meer von saurem Kitsch das es so tapfer befahren hat Er schloss seine Besprechung mit der Aussage Harald Mueller redet uns brav ins Gewissen er ist ein redlicher Prediger voll guten Willens ein Menschendramatiker aber ist er nicht 10 Peter Michalzik hingegen nahm das Stuck gegen die Kritik in Schutz und beschrieb Sie interessierte sich mehr fur die asthetischen Schwachen des Stuckes als fur die mit ihm angesprochene Problematik Muellers Starke aber liegt gerade darin dass er brisante Zeitfragen auf die Buhne bringt sich am Geschehen und nicht an ideellen Schonheiten orientiert jegliches Asthetisieren zu vermeiden sucht und dadurch einen Blick auf die rauhe Wirklichkeit vermittelt 11 Adaptionen BearbeitenUnter der Regie von George Tabori produzierte der Hessische Rundfunk 1986 eine Horspielumsetzung in der Klaus Fischer Rainer Frieb Jan Biczycki Ursula Hopfner und Harald Mueller selbst sprachen 12 Die Produktion wurde im Mai 1986 als Horspiel des Monats ausgezeichnet und erhielt 1987 den Kurd Lasswitz Preis als bestes Horspiel Der Westdeutsche Rundfunk zeigte Totenfloss am 22 November 1987 als Fernsehspiel Unter der Regie von Hans Peter Cloos spielten Klaus Henninger Felix Romer Marlene Riphahn und Patricia Litten 13 In Skandinavien wurde das Fernsehspiel als Kinofilm gezeigt 14 Veroffentlichungen BearbeitenHarald Mueller Totenfloss In Theater heute 7 1986 S 35 46 Harald Mueller Totenfloss In Spectaculum 43 Suhrkamp Frankfurt am Main 1986 S 77 125 Literatur BearbeitenMichaela Burger Koftis Das Drama als Zitierimperium Zur Dramaturgie der Sprache bei Harald Mueller Rohrig Universitatsverlag St Ingbert 2005 ISBN 3 86110 393 1Weblinks BearbeitenTotenfloss beim Rowohlt Theater Verlag Rotzandkotz In Der Spiegel Nr 42 1986 S 276 278 online Benjamin Henrichs Der Mann in den Dunen In Die Zeit vom 7 Juni 1985 Michael Skasa Viere reisen durch die tote Welt In Die Zeit vom 24 Oktober 1986 Einzelnachweise Bearbeiten Totenfloss beim Rowohlt Theater Verlag Michaela Burger Koftis Das Drama als Zitierimperium Zur Dramaturgie der Sprache bei Harald Mueller S 8 a b Rotzandkotz In Der Spiegel Nr 42 1986 S 276 278 online Benjamin Henrichs Der Mann in den Dunen In Die Zeit vom 7 Juni 1985 Michaela Burger Koftis Das Drama als Zitierimperium Zur Dramaturgie der Sprache bei Harald Mueller S 8 9 281 Harald Mueller Memento des Originals vom 15 Februar 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www rowohlt theaterverlag de beim Rowohlt Theater Verlag Michaela Burger Koftis Das Drama als Zitierimperium Zur Dramaturgie der Sprache bei Harald Mueller S 12 Zitiert nach Jurgen Schroder Endzeitdramatik In Wilfried Barner Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 54220 4 S 866 Peter Iden Endzeitliches Kunstgewerbe In Frankfurter Rundschau vom 18 Oktober 1986 Zitiert nach Michaela Burger Koftis Das Drama als Zitierimperium Zur Dramaturgie der Sprache bei Harald Mueller S 63 Georg Hensel Spielplan Der Schauspielfuhrer von der Antike bis zur Gegenwart 2 List Munchen 1992 ISBN 3 471 77888 8 S 1235 Peter Michalzik Mueller Harald In Dietz Rudiger Moser Hrsg Neues Handbuch der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur dtv Munchen 1990 S 829 Totenfloss in der Horspieldatenbank HorDat Totenfloss im Deutschen Rundfunkarchiv Michaela Burger Koftis Das Drama als Zitierimperium Zur Dramaturgie der Sprache bei Harald Mueller S 279 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Totenfloss amp oldid 230131462