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Die Testamente der zwolf Patriarchen sind eine pseudepigraphe Schrift Sie ist als Sammlung der Abschiedsreden der zwolf Sohne Jakobs konzipiert die als Vater der Zwolf Stamme Israels gelten In ihrer Endgestalt ist sie christlich und wohl in das dritte Jahrhundert zu datieren Inhaltsverzeichnis 1 Quellen und Uberlieferung 2 Entstehung 3 Form und Inhalt 4 Theologie 4 1 Ethik 4 2 Eschatologie 4 3 Christliche Theologie 5 Literatur 6 WeblinksQuellen und Uberlieferung BearbeitenDie Patriarchentestamente sind nur in mittelalterlichen Manuskripten erhalten Die beste Textqualitat bieten noch die griechischen Handschriften die von der Forschung jedoch verschieden bewertet werden Kritische Texteditionen gibt es von Charles und de Jonge s u Neben der griechischen Uberlieferung gibt es Ubersetzungen in das Armenische Slawische und Neugriechische Diese Versionen werden heute in der Regel als von der griechischen Tradition abhangige Seitenlinien betrachtet die nur begrenzten Wert fur die Rekonstruktion eines etwaigen Originaltextes haben Annahmen eines semitischen d h hier aramaischen oder hebraischen Originals haben sich in der Wissenschaft nicht durchsetzen konnen auch wenn dies nicht ausgeschlossen werden kann Zumeist geht man aber von einer griechischen Grundschrift aus die dem hellenistischen Judentum zuzuordnen sei Dessen ungeachtet existieren ein hebraisches Testament Naphtali der Midrasch Wayissa u und Passagen im Buch der Jubilaen die einen Zusammenhang mit den Patriarchentestamenten erkennen lassen Sie sind jedoch nicht als Vorlage zu bewerten Anders verhalt es sich mit dem Aramaischen Levi Dokument von dem Fragmente in der Kairoer Geniza und in Qumran gefunden wurden Teile davon finden sich zum Teil wortlich in den Patriarchentestamenten wieder Allerdings ist nicht zu bestimmen inwieweit das aramaische Levi Dokument selber schon ein Testament war oder ob es nur auszugsweise von den Verfassern der Patriarchentestamente benutzt wurde Entstehung BearbeitenUber die Entstehung gibt es einigen wissenschaftlichen Streit Im ausgehenden 19 und zu Beginn des 20 Jahrhunderts setzte sich ausgehend von R H Charles die Theorie durch dass es sich bei den Testamenten der zwolf Patriarchen um eine ursprunglich judische Schrift aus der Makkabaerzeit handelte die spater durch christliche Zufugungen Interpolationen uberarbeitet wurde Kronzeuge dieser Theorie ist die armenische Version die weit weniger christliche Passagen aufweist als die griechischen Zeugen Ab Mitte des 20 Jahrhunderts wurde diese Sicht zunehmend angezweifelt In seiner Dissertation von 1953 veroffentlichte M de Jonge seine These dass es gar keine Grundschrift gebe sondern die Patriarchentestamente durch eine christliche Redaktion judischen Materials entstanden seien Dieser Argumentation sollte der Nachweis der These dienen dass der hohe Stellenwert der den armenischen Textzeugnissen eingeraumt wurde nicht berechtigt sei Obwohl dies auch von anderen Forschern eingeraumt wird teilen sie seine daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht Von Hultgard Becker und zuletzt Ulrichsen wurden neue Versuche unternommen die Interpolationstheorie zu verteidigen und eine judische Grundschrift allein auf Grundlage der griechischen Zeugen zu rekonstruieren Hier werden neben textkritischen vor allem auch literarkritische Argumente ins Feld gefuhrt die schon Schnapp zu einer Interpolationstheorie unabhangig von Charles gebracht hatten Doch auch diese Methode wurde grundsatzlich in Frage gestellt nicht zuletzt aufgrund der sehr unterschiedlichen Grundschriften die durch sie rekonstruiert wurden So war es nur eine Frage der Zeit dass ein Entwurf zu einer synchronen Interpretation der Testamente der zwolf Patriarchen vorgelegt wurde in dem das Nebeneinander von judischen und christlichen Passagen nicht als Ergebnis einer Interpolation oder Redaktion sondern als intendierte Einheit betrachtet wird Demnach waren die Patriarchentestamente eine judenchristliche Schrift die bewusst versucht Judisches und Christliches miteinander zu verbinden Form und Inhalt BearbeitenDie Testamente der zwolf Patriarchen sind typische Abschiedsreden wie man sie auch aus der biblischen Literatur kennt Sie beginnen mit der Schilderung dass die Patriarchen in der Stunde ihres Todes ihre Angehorigen um sich versammeln um ihnen eine letzte Mahnung noch mit auf den Weg zu geben und schliessen entsprechend mit der Mitteilung des Todes und einer kurzen Notiz uber ihr Begrabnis Typischerweise beginnt die Rede des Vorfahren mit einem Ruckblick auf sein Leben Hier ist eine fur die pseudepigraphe Literatur typische Tendenz zu erkennen die Lucken innerhalb des biblischen Erzahlstoffes aufzufullen So entfaltet Ruben die Geschichte mit Bilha der Nebenfrau seines Vaters Levi nennt Details aus der Dina Sichem Episode und immer wieder im Mittelpunkt steht die Josephsgeschichte die vor allem von Joseph selbst und von Sebulon intensiv behandelt wird Dem Leser werden unbekannte Details aber auch Gefuhle und Motive der handelnden Personen erzahlt die im biblischen Bericht nicht vorkommen Diese biographischen Notizen werden zum Anlass genommen in ernsthafte moralische Ermahnung uberzugehen Entweder in der Mahnung es besser zu machen als die eigenen Vater und deren Untugenden zu meiden so z B die Unzucht bei Ruben oder der Neid bei Simeon oder aber in der Ermutigung deren Tugenden nachzuleben die Einfachheit bei Issachar oder die Gute bei Joseph Auf diese Ermahnungen folgen Verheissungen fur die Zukunft Drohungen mit Unheil und Exil sollten sich die Nachfahren nicht an die Worte ihrer Vorfahren halten und Versprechungen bezuglich einer Ruckkehr in das Land Gottesnahe wenn sie sich wieder bekehren und den Worten ihrer Vater folgen Diese Passagen zeigen zuweilen apokalyptische Zuge weil Visionen geschildert werden oder das Heil als Sieg uber Beliar und seine Geister dargestellt wird Vor allem in den Zukunftsweissagungen begegnen auch christliche Elemente Sowohl die Passagen was die Schuld der Nachkommen betrifft als auch die Verheissungen des kunftigen Heils werden immer wieder so zugespitzt dass sie eigentlich nur auf Jesus Christus hin gedeutet werden konnen Wieweit diese Elemente sekundare Zufugungen darstellen ist umstritten Theologie BearbeitenEthik Bearbeiten Die Ethik der Patriarchentestamente unterscheidet sich nicht wesentlich von dem was aus dem hellenistischen Judentum oder dem fruhen Christentum schon bekannt ist Tugend und Anstand stehen im Mittelpunkt der Ermahnungen Neid und Unzucht sind verwerflich Uber diese Allgemeinplatze hinaus sind dennoch ein paar Auffalligkeiten festzustellen Eine grosse Rolle spielen Mitleid und Erbarmen Die Fahigkeit zu Empathie wird zu einem wichtigen Gradmesser moralischen Handelns Mitleidlosigkeit habe die Bruder an Joseph schuldig werden lassen dieser aber erbarmt sich seiner Bruder weil er Mitleid mit ihnen verspurte und vergab ihnen ihre Schuld Damit verwandt ist die Betonung der Liebe agape im Rahmen der ethischen Ermahnungen Wie sonst nur in wenigen judischen Schriften dieser Zeit begegnet das doppelte Liebesgebot die Forderung Gott und den Menschen zu lieben Ob die Patriarchentestamente damit zu einem Kronzeugen dafur werden dass es diesen Topos schon vor Jesus gegeben hat ist auch von der Antwort auf die Frage nach der Entstehungsgeschichte abhangig Eschatologie Bearbeiten In der Eschatologie wird nach dem Gericht eine endgultige Zuwendung Gottes angekundigt Auffallig ist dass die dafur notwendige Umkehr nicht so sehr eine religiose Erneuerung darstellt dass also der Glaube oder der Gottesdienst erneuert wurde wie das in anderen judischen Reformbewegungen gefordert wurde sondern dass eine rein moralische Umkehr im Vordergrund steht In der Endfassung gilt die Heilsverheissung Israel und den Heidenvolkern gleichermassen manche Forscher halten diesen Heilsunviversalismus aber schon fur christlich Mit Sicherheit als christlich muss die Aussage angesehen werden dass Gott am Ende der Zeit selbst als Mensch erscheinen wird und in Niedrigkeit und Demut sein Volk besucht und begleitet Hier ist erkennbar Jesus Christus gemeint Anders sieht es mit der Ankundigung eines Retters aus Levi und Juda aus Diese wohl zunachst ganz menschliche Figur wird nur in einigen Passagen in christlicher Weise auf Jesus bezogen Priesterkonigliche Rettergestalten finden sich entweder als Vorstellung eines idealen Zweiergespanns aus zwei Messiassen z B aus Aaron und Israel in den Qumranschriften oder als eine Figur in den Berichten vom Priesterkonigtum der Makkabaer und schliesslich in Rekurs auf Melchisedek als idealisierten Priesterkonig der Vaterzeit Christliche Theologie Bearbeiten Auf der christlichen Ebene interpretiert ist auffallig dass nicht von einem Ersatz Israels durch die Heidenvolker die Rede ist sondern dass beide Adressaten von Gottes Heilshandeln bleiben Dazu passt dass gerade da wo von Israels Schuld am Tod Jesu die Rede ist die Patriarchen fur unschuldig an diesem Handeln erklart werden So wird die Schuld und Verantwortung nicht dem Volkskollektiv sondern einer konkreten Gruppe einer konkreten Generation angelastet Durch die Zerstorung des Tempels hat Gott diese Schuldigen in der Sicht der Patriarchentestamente zu recht bestraft und nun steht die Zeit fur die Zuwendung Gottes zu seinem Volk unmittelbar bevor Auch die Vorstellung dass in der menschlichen Gestalt Jesu Christi Gott selbst sein Volk besucht ist zumindest fur das 3 Jahrhundert recht ungewohnlich weil Vertreter derartiger Vorstellungen von Tertullian und Hippolyt als Patripassiani Theopaschiten verurteilt wurden In der Tat ist in einer Stelle der Testamente wo auf den Tod Jesu angespielt wird wortlich vom Leiden des Hochsten die Rede Auch die genealogische Ableitung Jesu aus den Stammen Levi und Juda ist fur christliche Autoren hochst ungewohnlich Wahrend die Davidssohnschaft Jesu fur die christliche Tradition eine feste Grosse darstellte liest man von einer levitischen Abkunft Jesu in den bekannten christlichen Quellen gar nichts Wenn eine priesterkonigliche Wurde Jesu ausgesagt werden sollte tat man dies mit Rekurs auf Psalm 110 in Blick auf die Gestalt Melchisedeks so zum Beispiel der Hebraerbrief Dort wird das levitische Priestertum als eine Art Umweg dargestellt wahrend das Priesterkonigtum Melchisedeks von der Urzeit bis zur Endzeit das eigentlich wahre Hohepriestertum darstelle Jesus Christus nun ausgerechnet mit dem Stamm Levi genealogisch zu verbinden und so doppelt in das judische Volk und dessen Heilsgeschichte zuruckzubinden ist fur das 3 Jahrhundert vollkommen aussergewohnlich Diese Besonderheiten machen zumindest fur die christliche Endgestalt eine judenchristliche Verfasserschaft plausibel Literatur BearbeitenTextausgabenJurgen Becker Die Testamente der zwolf Patriarchen Judische Schriften in hellenistisch romischer Zeit III Unterweisung in lehrhafter Form Lieferung 1 2 Auflage Verlagshaus Mohn Gutersloh 1980 ISBN 3 5790 3931 8 Robert Henry Charles The Greek Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs Olms Hildesheim 1960 Nachdruck der Ausgabe Oxford 1908 Harm W Hollander Marinus De Jonge The Testaments of the Twelve Patriarchs A Commentary Studia in veteris testamenti pseudoepigrapha Band 8 Brill Leiden 1985 ISBN 90 04 07560 7 Marinus de Jonge Hrsg The Testaments of the Twelve Patriarchs A critical edition of the greek text Pseudoepigrapha veteris testamenti graece Band I 2 Brill Leiden 1978 ISBN 90 04 05826 5 Howard C Kee Testaments of the Twelve Patriarchs In James H Charlesworth Hrsg The Old Testament Pseudepigrapha Band 1 Doubleday Garden City N Y 1983 ISBN 0 385 09630 5 S 775 828 Michael E Stone The Testament of Levi A first Study of the Armenian Mss of the Testaments of the XII Patriarchs in the Convent of St James Jerusalem St James Press Jerusalem 1969 teilweise in armenischer Schrift StudienJurgen Becker Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der Testamente der zwolf Patriarchen Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums Band 8 Brill Leiden 1970 Habilitationsschrift Universitat Bochum 1968 Anders Hultgard L eschatologie des testaments des Douze Patriarches Almqvist amp Wiksell International Uppsala 1977 82 Interpretation des textes Historia religionum Band 6 1977 ISBN 91 554 0677 7 Composition de l ouvrage textes et traductions Historia religionum Band 7 1982 ISBN 91 554 1240 8 Marinus de Jonge The Main Issues in the Study of the Testaments of the Twelve Patriarchs In Derselbe Jewish Eschatology Early Christian Christology and the Testaments of the Twelve Patriarchs Collected Essays Supplementum to Novum Testamentum Band 63 Brill Leiden 1991 ISBN 90 04 09326 5 S 147 163 Marinus de Jonge The Testaments of the Twelve Patriarchs A Study of their Text Composition and Origin Van Gorcums theologische Bibliotheek Band 25 Van Gorcum Press Assen 1953 Philipp Kurowski Der menschliche Gott aus Levi und Juda Die Testamente der zwolf Patriarchen als Quelle judenchristlicher Theologie Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter 52 Francke Tubingen 2010 ISBN 978 3 7720 8384 6 Friedrich Schnapp Die Testamente der zwolf Patriarchen Niemeyer Halle 1884 Jarl H Ulrichsen Die Grundschrift der Testamente der zwolf Patriarchen Eine Untersuchung zu Umfang Inhalt und Eigenart der ursprunglichen Schrift Acta Universitatis Upsaliensis Historia religionum Band 10 Almqvist amp Wiksell Stockholm 1991 ISBN 91 554 2833 9 Weblinks BearbeitenTextausgabenR H Charles engl Ubers in The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament Bd 2 Oxford Clarendon Press 1913 nbsp Wikisource Paul Riessler Testament der zwolf Patriarchen in Altjudisches Schrifttum ausserhalb der Bibel Augsburg Benno Filser Verlag 1928 Quellen und VolltexteRobert Sinker engl Ubers in Alexander Roberts James Donaldson A Cleveland Coxe Ante Nicene Fathers Bd 8 Buffalo NY Christian Literature Publishing Co 1886 andere AusgabeSekundarliteraturMichael Tilly Testamente der 12 Patriarchen In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff Thomas Knittel Bibliographie Einfuhrung und Inhaltsubersicht Leipzig 1999 Crawford Howell Toy Frederick C Conybeare Kaufmann Kohler Artikel in Jewish Encyclopedia 1901 1906 veralteter Forschungsstand Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Testamente der zwolf Patriarchen amp oldid 229084153