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Die Studie I oder auch Elektronische Studie I von Karlheinz Stockhausen aus dem Jahr 1953 ist eine der ersten Kompositionen fur elektronische Musik die nach seriellen Reihentechniken konstruiert wurde und deren elektroakustisches Grundmaterial aus Sinustonen besteht Im Werkeverzeichnis des Komponisten tragt sie zusammen mit Studie II die Nr 3 und ist insgesamt 9 42 Minuten lang Zudem existiert zu der Komposition eine Partitur Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Entstehung 3 Struktur 4 Weiterfuhrung 5 Trivia 6 Einzelnachweise 7 LiteraturHintergrund BearbeitenKarlheinz Stockhausen sah sich in den fruhen 1950er Jahren musikalischen Grenzen ausgesetzt da sein Streben nach einer wirklichen Synthese von Klangstrukturen S 39 1 durch die Komposition mit Instrumentaltonen nach verschiedenen Strukturen und einem gemeinsamen rationalen Proportionsprinzip nicht durchfuhrbar gewesen ist Der Widerspruch zwischen konsequenter Reihenkomposition und einer Verwendung von Instrumenten wird an Versuchen deutlich die Klangfarben verschiedener Instrumente durch Reihen ordnen zu wollen So wie man Zeit und Lautstarkeproportionen und Intervallverhaltnisse der Tonhohen als Reihenstruktur ordnet S 39 1 Ein Instrumentalton ist bereits in der Anordnung seine Obertone und deren Lautstarkeverhaltnisse determiniert die die Charakteristik eines Instrumentaltons ausmacht Daher verwendete der Komponist fur Studie I reine Sinustone die mit Sinusgeneratoren erzeugt werden Jeder existierende Klang und damit auch jedes Gerausch ist ein Gemisch solcher Sinustone und deren Spektrum das durch die Anzahl Intervall und Lautstarkeverhaltnisse der Sinustone zueinander die Klangfarbe bestimmt Des Weiteren sah Stockhausen in der elektronischen Musik die Moglichkeit die Grenzen eines ausfuhrenden Spielers zu uberwinden die somit die Arbeit fur Komponisten ebenfalls eingrenzen Es fiel Ihnen Musik ein die in vielerei Hinsicht nicht mit Instrumenten zu verwirklichen war Wurde in einzelnen Fallen solche Musik demnach unter viel Verrenkungen und Komplikationen fur Instrumente geschrieben so stellten sich in Grenzfallen fast unuberwindliche Schwierigkeiten des Spielens und endlich der klanglichen Wirksamkeit ein S 41 1 Elektronische Musik uberwand diese Grenzen und somit konnte eine Musik komponiert werden die zum Teil fur ausfuhrende Spieler technisch nicht spielbar war Dennoch lehnte Stockhausen instrumentale Musik nicht ab sondern sah darin andere Qualitaten Instrumentalmusik gab die Moglichkeit die Aktion des Spielers durch optische Zeichen zu beeinflussen und eine schopferische stets veranderliche Reaktionsfahigkeit anzusprechen Eine instrumentale Auffuhrung ist somit jedes Mal einzigartig In elektronischer Musik lasst sich mit einmaliger Produktion eine beliebige Wiederholbarkeit der Auffuhrung erreichen S 148 ff 1 Entstehung BearbeitenDas Werk entstand im Studio fur elektronische Musik des WDR in Koln welches 1953 eroffnet und von Herbert Eimert geleitet wurde Stockhausen realisierte zunachst eine Etude im Jahr 1952 in Paris die jedoch aus Klangen angeschlagener Klaviersaiten besteht Die Tatsache vorgefertigtes Material zu verwenden wie es aus der Tradition der musique concrete ublich ist liess sich jedoch nicht mit der zu verwirklichenden Synthese von Klangstrukturen vereinbaren die in Studie I realisiert wurde weshalb Stockhausen die Etude zuruckzog und zunachst fur einige Jahrzehnte nicht veroffentlichte Struktur BearbeitenDer Komponist setzte sich folgende Voraussetzung fur die Realisierung auf ein Tonband Das zu verwendende Reihensystem der Sinustone sollte in einem von ihm definierten mittlerem Horbereich beginnen das in beide Richtungen der Tonhohe zu den Horgrenzen strebt Die Dauer eines Tones soll umgekehrt proportional zu seinem definierten Frequenzabstand sein Die Schallstarke soll mit wachsendem Frequenzabstand aus dem mittleren Horbereich proportional zur Dauer abnehmen Das bereits erwahnte Verhaltnis der Frequenzen ist nach funf Intervallen der Obertonreihe definiert 12 5 4 5 8 5 5 12 und 5 4 Multipliziert man nun eine vorgegebene Ausgangsfrequenz fur die Stockhausen 1920 Hz wahlte ergibt sich eine Folge von sechs Tonen Jeder daraus entwickelte Ton bildet den Ausgangspunkt einer neuen Reihe Dieses Verfahren wird solange durchgefuhrt bis die Grenze von 66 Hz erreicht wird die der Komponist als untere Horgrenze definiert Zur Verdeutlichung dieses Prinzips wird der Beginn dieser Frequenzmatrix dargestellt 1920 800 1000 625 1500 1200800 333 417 260 625 5001000 417 521 325 781 625625 260 325 203 488 3901500 625 781 488 1170 9371200 500 625 390 937 750usw Aus diesen einzelnen Sinustonen werde nun Tongemische gebildet aus denen Klangfarben erschlossen werden die mit vordeterminierten Instrumentaltonen nicht realisiert werden konnen Fur die Gruppierung von Tongemischen wird folgende Reihenfolge gewahlt die keine symmetrische oder monotone Folge zulasst 4 5 3 6 2 1 Die Anwendung des obigen Gruppenschemas auf die abgebildete Frequenzmatrix ergibt folgende Zusammensetzung als Beispiel 4 1920 800 1000 625 5 1500 1200 800 333 417 3 260 625 500 6 1000 417 521 325 781 625 2 625 260 1 325Dieses Schema wird nun zum Formenaufbau des ganzen Werkes gewahlt Tone bilden Tongemische Tongruppen vertikal Tongemische bilden Sequenzen Klanggruppen horizontal Sequenzen bilden Strukturen Sequenzgruppen horizontal oder vertikal Da heisst aus einer Gruppenreihe ergeben sich einheitliche Proportionen des ganzen Werkes wie zum Beispiel 4 Tone in Tongemisch 1 4 Klange in Sequenz 1 4 Sequenzen in Struktur 1 5 Tone in Tongemisch 2 5 Tone in Sequenz 2 5 Sequenzen in Struktur 2 usw vgl S 26 2 Um diese Gruppierungen zu strukturieren werden sechs Struktur oder Gruppenformen definiert Sequenzen horizontal untergeordnete Pausendauer vor Tondauer Sequenzen horizontal Pausendauer nach Tondauer Sequenzen vertikal Pausendauer vor Tondauer beginnen gleichzeitig Sequenzen vertikal Pausendauer nach Tondauer beginnen gleichzeitig Sequenzen vertikal Pausendauer vor Tondauer schliessen gleichzeitig Sequenzen vertikal Pausendauer nach Tondauer schliessen gleichzeitig Den Gruppencharakter der Strukturen fur die formale Gesamtvorstellung des Werkes gibt folgende ebenfalls unsymmetrische Reihenfolge 4 2 3 5 6 1 vlg S 27 2 Um die Zeitdauern zu bestimmen wird folgende Beziehung festgelegt Die Zentimeterzahl einer Sekunde auf dem Tonband betragt 76 2 cm Die Dauer eines Tones soll 1 10 der Frequenzzahl sein und somit ergibt sich als Beispiel fur die Tone 1920 Hz 800 Hz und 1000 Hz eine Bandlange von 192 cm 80 cm und 100 cm Jede so gefundene Zeitdauer wird als ubergeordnete Zeitdauer bezeichnet Die untergeordnete Zeitdauer bestimmt das Verhaltnis zwischen Ton und Stille und betragt dazu zwischen 1 6 und 6 6 der gesamten ubergeordneten Zeitdauer Das Verhaltnis zwischen Pause Ton oder Ton Pause wird durch die Gruppen oder Strukturform erklart und die Lange ebenfalls durch eine unsymmetrische Zahlenfolge definiert vlg S 32 2 Weiterfuhrung BearbeitenStockhausen empfand in Studie I eine Horbarkeit der einzelnen Sinuskomponenten und sah seine Synthese in der Verschmelzung von Tonen in Klanggemische nicht realisiert Dazu entwickelte er einen Formplan fur die Studie II in der jedoch von einer Intervallstruktur der Obertonreihe abgesehen wurde und die Klanggemische uber einen Hallraum vermischt wurden Trivia BearbeitenIn der elektronischen Studie I markiert ein ausserhalb der seriellen Systematik stehender Einzelton allerdings fur unvorbereitete Horer unauffallig den Zeitpunkt als Stockhausen bei der Arbeit an dem Stuck uber die Geburt seiner Tochter Suja informiert wurde Stockhausen spricht von einem Bollerschuss Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Stockhausen Texte Bd 1 a b c Stockhausen Texte Bd 2Literatur BearbeitenChristoph von Blumroder Karlheinz Stockhausen 40 Jahre Elektronische Musik In Archiv fur Musikwissenschaft 50 Jahrgang Heft 4 Stuttgart 1993 S 309 323 Karlheinz Stockhausen Dieter Schnebel Hrsg Texte zur Musik 1 Aufsatze 1952 1962 zur Theorie des Komponierens M DuMont Schauberg Koln 1963 Karlheinz Stockhausen Dieter Schnebel Hrsg Texte zur Musik 2 Aufsatze 1952 1962 zur musikalischen Praxis DuMont Schauberg Koln 1964 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Studie I Stockhausen amp oldid 216855296