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Der Stadtturm in Lich ist ein 50 Meter hoher mittelalterlicher Festungsturm und Wahrzeichen der Stadt Er wurde im Jahr 1306 errichtet und war Teil der ursprunglichen Befestigungsanlage Bis ins 17 Jahrhundert hinein erfolgten mehrere Umbauten Das Kulturdenkmal beherbergt das Gelaut der benachbarten Marienstiftskirche 1 Stadtturm Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Architektur 3 Gelaut 4 Erhalt und Nutzung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Marienstiftskirche mit Stadtturm nbsp Kriegsrat zur Zeit des schmalkaldischen Krieges 1546 1547 Holzschnitt von Hans Doring im Hintergrund der Stadtturm mit dem alten TurmaufbauPhilipp III von Falkenstein erhielt im Jahr 1300 fur Lich die Stadtrechte und liess die Stadt befestigen 2 Im Suden entstand eine Wasserburg die im Suden und Osten durch die Wetter und ihr Sumpfgebiet geschutzt war Im Westen und Norden ubernahmen der aufgeschuttete Wall mit Mauern und kleinen runden Bastionsturmen die Schutzfunktion Von dem einstigen Wassergraben ist der Schlossteich das verbliebene Relikt 3 Der Stadtturm wurde im Jahr 1306 mit funf Geschossen und einer Hohe von 32 Metern bis zur Zinne errichtet Von hier aus konnte die gegenuberliegende Hochebene eingesehen werden Der Turm bildete ein wesentliches Element der nordlichen Befestigungsanlage Zur Stadtseite war der Wach und Beobachtungsturm in den oberen Geschossen offen Der Wehrgang auf der angrenzenden sieben Meter hohen Mauer knickte an beiden Seiten des Turms ab und verlief quer durch den Turm im ersten Obergeschoss unmittelbar oberhalb des Verlieses Das Verlies im Erdgeschoss hatte ursprunglich keine Tur sondern war wahrend des 14 Jahrhunderts nur durch ein Angstloch in der Decke zuganglich durch das die Beschuldigten und die Versorgung an einer Seilwinde heruntergelassen wurden Die Obergeschosse bildeten zu dieser Zeit einen einzigen grossen Raum der durch Balkenlagen und Leitergange erschlossen wurde und von aussen einsehbar war Die sudliche Offnung umfasste die vier Obergeschosse und schloss mit einem grossen Rund oder Spitzbogen ab und war im Inneren moglicherweise uberwolbt 4 Den oberen Abschluss bildeten ein offener Wehrgang mit breiten Zinnen und ein steinernes Kegeldach 5 Um 1405 wurde die offene Turmseite vermauert und eine Aussentur zum Verlies eingebrochen Die Obergeschosse wurden massiv ausgebaut und durch Innentreppen miteinander verbunden Die Befestigung wurde in den Jahren 1510 bis 1512 durch eine Umwallung verstarkt 2 noch heute heisst die Strasse Am Wall Die Obergeschosse wurden durch Treppen verbunden Um 1540 erhielt das Obergeschoss einen Glockenstuhl aus Eichenholz und ubernahm der Stadtturm die Funktion eines Kirchturms In dem kleinen Dachreiter der neu errichteten Marienstiftskirche die im Jahr 1537 fertiggestellt wurde konnte das mittelalterliche Gelaut nicht untergebracht werden 1 Der Turm hatte als Abschluss Dreiecksgiebel und einen Dachreiter und erreichte nach diesem Umbau eine Hohe von 42 Metern Ein weiterer Umbau erfolgte in den Jahren 1624 bis 1627 Der Turm erhielt einen Fachwerkaufbau mit einem neuen Glockengeschoss und daruber eine Wohnung fur den Turmer Schliesslich wurde eine holzerne Haube aufgesetzt Der offene Laubengang der durch Holzstutzen in vier Felder gliedert war wurde spater verschiefert Ab 1800 sind die Turmer namentlich nachgewiesen Johann Adam Schmidt der letzte Turmer lebte bis 1912 mit seiner Frau Anna Margaretha Tochter des vorletzten Turmers Hermann Philipp Walz in der Turmerwohnung Den beiden wurden elf Kinder geboren Die gemutskranke Tochter Philippine sturzte sich 1891 vom Turm und starb an den Folgen 6 Im Jahr 1897 wurde eine Turmuhr mit Ziffernblattern an allen vier Seiten installiert die 1960 elektrifiziert wurde 1942 und 1943 wurden Feuerwachen auf dem Turm gehalten Wahrend der Luftangriffe 1945 diente das ehemalige Verlies als Luftschutzraum 7 In den 1970er Jahren wurde fur 750 000 DM eine Renovierung durchgefuhrt Betongurte ins Mauerwerk verlegt Risse mit Beton ausgefullt und die senkrechte Schieferflache ausgebessert 8 Im Jahr 1990 folgte eine umfassende Sanierung fur 220 000 Euro Das Dach wurde neu eingeschiefert Fenster erneuert und das Mauerwerk ausgebessert Von der nicht mehr restaurierbaren Wetterfahne fertigten Licher Handwerker ein Duplikat an Die alte Wetterfahne fand ihren Platz im Licher Heimatmuseum 9 In den Jahren 2009 bis 2011 wurden Sicherungsmassnahmen durchgefuhrt und eine Besuchertreppe eingebaut die uber 152 Stufen den sicheren Zugang gewahrt Durch Eigenleistung der Turmfreunde Lich Sponsoren zahlreiche Spendenprojekte und eine Stufenkaufaktion wurde die Finanzierung gesichert 10 Architektur Bearbeiten nbsp Wetterfahne nbsp Sudeingang zum Verlies nbsp Reste der TurmerwohnungDer Stadtturm ist im Norden der ursprunglichen Stadtbefestigung auf quadratischem Grundriss errichtet Der sechsgeschossige Turmschaft uber schragem Sockel hat Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung Er wird durch zwei umlaufende Gesimsbander mit Kehle in unterschiedlich grosse Abschnitte gegliedert Die Mauern sind im Erdgeschoss vier Meter machtig verjungen sich nach oben aber zusehends In ostliche Richtung ist sekundar das rundbogige Stadttor angebaut Das Verlies im Erdgeschoss hat ein Kreuzgratgewolbe dessen Gewolbekappen auf Konsolsteinen ruhen Eine spitzbogige Eingangspforte mit Gewande an der Sudseite gewahrt den Zugang zu einem kleinen Vorraum der durch eine eisenbeschlagene Tur in das quadratische Verlies fuhrt 4 Die alte rechteckige Offnung in der Mitte des Gewolbes ist heute durch Sicherheitsglas verschlossen Der Stein mit dem Zapfen fur die Winde ist erhalten Das erste Obergeschoss wird an der Westseite uber eine Aussentreppe betreten die zu einer rundbogigen Tur fuhrt Dem alten Westeingang durch den ursprunglich der Wehrgang verlief entspricht im Osten eine spitzbogige Pforte Die alte Bogenoffnung an der Sudseite ist noch im Mauerwerk erkennbar Im obersten Geschoss sind die Konsolsteine mit den aufliegenden gekehlten Rippen erhalten Sie weisen auf ein ursprungliches Gewolbe das moglicherweise aber nicht ausgefuhrt wurde In der nordostlichen Ecke ermoglichte eine Wendeltreppe innerhalb der Mauer den Aufstieg vom funften Geschoss auf den alten Wehrgang unter Umgehung des Gewolbes Das sechste Geschoss entstand erst nachdem das Gewolbe entfernt oder aufgegeben wurde 4 An der Nordseite hat jedes Geschoss ein Schlitzfenster das bei Angriffen als Scharte diente An der Sudseite sind schmale Rechteckfenster angebracht Die Ost und Westseite sind fensterlos Der holzerne Innenausbau des Turmschaftes datiert aus dem Jahr 1406 und die Fachwerkspitze von 1620 wie eine dendrochronologische Untersuchung bestatigt hat 10 Der Fachwerkaufbau ist vollstandig verschiefert Das Glockengeschoss hat an jeder Seite ein grosses viereckiges Ziffernblatt das von zwei runden Schalllochern flankiert wird Der Laubengang ist heute verschiefert sodass das Glockengeschoss zusammen mit dem Laubengang heute wie einer Kubus erscheint 11 Ein Pultdach leitet zur zweigeschossigen oktogonalen Haube uber in der die Turmerwohnung eingerichtet war Reste der lehmverputzten Innenwande sind erhalten Die geschweifte Haube wird von einem Turmknopf und einer prachtigen Wetterfahne bekront Sie zeigt uber schmiedeeisernem Rankenwerk den Solmsischen Wappenschild das von den Solmsischen Lowen gehalten wird uber denen Halbmond und Reichsapfel vielleicht eine umgearbeitete Sonne angebracht sind Daruber erhebt sich der doppelkopfige Adler mit Krone der in den Fangen Schwert und Zepter greift Eine zwolfstrahlige Sonne ist seitlich angebracht und korrespondiert mit der Sonne auf Ostseite der Marienstiftskirche Die Wetterfahne ist 2 50 Meter hoch und ohne Sonne 1 75 Meter breit 11 Sie wurde um 1990 von der Schlosserei Schnabel in Lich vollstandig erneuert Die alte war abgangig und steht heute im Licher Heimatmuseum Die Datierung der alten Wetterfahne ist schwierig da die Anordnung einiger Elemente auf die Zeit nach 1711 weist die Abzeichen selbst aber fur die erste Halfte des 17 Jahrhunderts sprechen Das vergoldete F II auf der Brust des Adlers steht fur Kaiser Ferdinand II 1637 Eine Erneuerung der Helmstange und Ausbesserung der Fahne sind fur das Jahr 1723 nachgewiesen 1787 wurde die Stange nochmals erneuert Vermutlich wurde die Wetterfahne des 17 Jahrhunderts nach 1723 umgearbeitet 12 nbsp Blick vom Turm nach Suden uber die Licher Altstadt Blickwinkel 180 Gelaut BearbeitenDer Stadtturm beherbergt ein Dreiergelaut das zur Marienstiftskirche gehort 13 Die Glocken hangen im Glockengeschoss unterhalb der Wohnung des Turmers der fur das viertelstundige Schlagen verantwortlich war Die grosse Festglocke Anna stammt aus Kloster Arnsburg die kleine Glocke wurde in Windecken hergestellt 14 Im Jahr 1942 wurden die Glocken an die Rustungsindustrie abgeliefert entgingen aber dem Einschmelzen und wurden 1948 von einem Hamburger Glockenlager zuruckgebracht 15 Die Glocken erklangen nach ihrer Ruckkehr zum ersten Mal wieder am Palmsonntag 1947 Nr Name Funktion Gussjahr Giesser Gussort Durchmesser mm Schlagton HT 1 16 Inschriften Bild 1 Anna Festglocke 1400 unbekannt 1 380 f1 anno domini m cccc anna me fvndi ivssit philippvs nobilis hic sit falckensteyn totvs regim ine tvnc b e n e notvs Dazu als Reliefs Christuskopf mit grossem Nimbus Bischofsbuste Kruzifix mit Kleeblattendigungen und segnender Bischof nbsp 2 Maria Elfuhrglocke 1517 Nikolaus von Lothringen 1 230 ges1 1 5 1 7 hoc opus effusum est magna cum laude decorum virginis ac matris regnantis cuncta per euum aevum ni v loth sowie HOC SIGNVM MAGNI REGIS EST und ein eingegossenes flaches Kreuz mit erhohten Punkten und Ranken nbsp 3 Feuerglocke 1755 Johann Peter Bach Windecken 1 050 g1 ANNO 1755REGENTE ILUSTRISSIMO COMITE AC DOMINODOMINO CAROLO COMITE IN SOLMS LICH ETT etc CIVITATIS LICHENSIS PRAEFECT us G P ROTHCONSUL es I P HIZEL ET P I SCWENCK HOC c EAES CASU QUODAM RIMAS PASSUM DE NOVA CONFILATUMPRISTINO RESTITUERE CLANGORIIN GOTTES NAHMEN FLOSS ICH JOHAN PETER BACHIN WINDECKEN GOSS MICH 1755 nbsp Erhalt und Nutzung BearbeitenIm Jahr 2006 wurde der Verein der Turmfreunde gegrundet Er setzt sich fur den Erhalt die Restaurierung und die Erschliessung des Gebaudes fur die Offentlichkeit ein Finanziert durch Spenden wurde eine verzinkte Eisentreppe uber der historischen Holztreppe von 1406 eingebaut und auf diese Weise der Turm wieder begehbar gemacht Der Verein entwickelt ein kulturpadagogisches Konzept fur die Nutzung des Turms und der fruheren Turmerwohnung die wieder rekonstruiert werden soll 16 Literatur BearbeitenOtto Alt Evangelische Marienstiftskirche Lich Kleine Kunstfuhrer 666 3 Auflage Schnell amp Steiner Regensburg 2011 ISBN 978 3 7954 6896 5 Georg Dehio Handbuch der Deutschen Kunstdenkmaler Hessen I Regierungsbezirke Giessen und Kassel Bearbeitet von Folkhard Cremer Tobias Michael Wolf und anderen Deutscher Kunstverlag Munchen Berlin 2008 ISBN 978 3 422 03092 3 S 560 Hannelore Rischmann et al Es ist an der Zeit 2 Auflage Druckwerkstatt Albohn Fernwald 2012 Magistrat der Stadt Lich Hrsg Paul Gorlich Bearb Licher Heimatbuch Die Kernstadt und ihre Stadtteile Lich 1989 Landesamt fur Denkmalpflege Hessen Hrsg Karlheinz Lang Bearb Kirchenplatz 13 und 17 Ehem Marienstiftskirche heute Ev Pfarrkirche In Kulturdenkmaler in Hessen Landkreis Giessen I Hungen Laubach Lich Reiskirchen Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland Theiss Stuttgart 2008 ISBN 978 3 8062 2177 0 S 401 404 424 426 Heinrich Walbe Die Kunstdenkmaler des Kreises Giessen Bd 3 Sudlicher Teil Hessisches Denkmalarchiv Darmstadt 1933 S 235 241 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Stadtturm Lich Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Licher Turmfreunde Kulturverein LichEinzelnachweise Bearbeiten a b Landesamt fur Denkmalpflege Hessen Hrsg Kirchenplatz 13 und 17 2008 S 404 425 426 a b Dehio Handbuch der Deutschen Kunstdenkmaler Hessen I 2008 S 560 Walbe Die Kunstdenkmaler des Kreises Giessen 1933 S 232 a b c Walbe Die Kunstdenkmaler des Kreises Giessen 1933 S 235 Rischmann Es ist an der Zeit 2012 S 9 16 Rischmann Es ist an der Zeit 2012 S 12 Rischmann Es ist an der Zeit 2012 S 67 71 Rischmann Es ist an der Zeit 2012 S 15 Rischmann Es ist an der Zeit 2012 S 69 f a b Turmfreunde Lich Besuchertreppe abgerufen am 15 September 2014 a b Walbe Die Kunstdenkmaler des Kreises Giessen 1933 S 240 Walbe Die Kunstdenkmaler des Kreises Giessen 1933 S 241 Robert Schafer Hessische Glockeninschriften PDF Datei 37 7 MB in Archiv fur Hessische Geschichte und Alterthumskunde 15 1884 S 475 544 hier S 531 Rischmann Es ist an der Zeit 2012 S 45 Walbe Die Kunstdenkmaler des Kreises Giessen 1933 S 281 f Giessener Allgemeine vom 11 August 2011 Das Erlebnis Licher Stadtturm noch weiter steigern abgerufen am 8 April 2014 50 520782 8 819384 Koordinaten 50 31 14 8 N 8 49 9 8 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stadtturm Lich amp oldid 231515429