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Die Sedimentationshypothese auch lexikalische Hypothese oder lexikalischer Ansatz bezeichnet in der Psychologie die Annahme dass alle wichtigen Personlichkeitseigenschaften umgangssprachlich durch Eigenschaftsworte der jeweiligen Sprache reprasentiert sind 1 Man unterstellt dass die menschlichen Sprachen fur alle personlichen Eigenschaften die bedeutsam interessant oder nutzlich sind oder waren im Laufe der Zeit spezielle Worter entwickelt haben Mit der Wichtigkeit individueller Personlichkeitsunterschiede stieg dabei auch die Wahrscheinlichkeit dafur dass die Sprache ein gesondertes Wort hervorbrachte Die Sammlung der Begriffe eines Sprachraumes mit denen individuelle Unterschiede beschrieben werden konnen sollte den Bereich der relevanten individuellen Differenzen abdecken Sie ist eine der wichtigsten und am meisten gebrauchten wissenschaftlichen Theorien der differentiellen und Personlichkeitspsychologie Unter anderem wurden die Big Five Personlichkeitsmerkmale aus einer lexikalischen Analyse gewonnen Aus Tausenden von Adjektiven zur Bezeichnung der Personlichkeit haben Psychologen mit Hilfe statistischer Verfahren die entscheidenden Dimensionen ermittelt Das Konzept funktioniert auch bei Kindern und in anderen Kulturen Inhaltsverzeichnis 1 Fruhe Vermutung 2 Untersuchungen 2 1 Beginn Germanische Sprachen 2 2 Nicht germanische Sprachen und spatere Untersuchungen 3 Ahnliche Konzepte 4 Kritik 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksFruhe Vermutung Bearbeiten nbsp Francis GaltonDie Sedimentationshypothese wurde zuerst von Francis Galton 1884 ansatzweise formuliert 2 I tried to gain an idea of the number of the more conspicuous aspects of the character by counting in an appropriate dictionary the words used to express them I examined many pages of its index here and there as samples of the whole and estimated that it contained fully one thousand words expressive of character each of which has a separate shade of meaning while each shares a large part of its meaning with some of the rest Francis Galton Measurement of Character in Fortnightly Review 36 179 185 1884 3 Untersuchungen BearbeitenBeginn Germanische Sprachen Bearbeiten nbsp Gordon AllportBegrundet durch die Wissenschaftsgeschichte der Psychologie wurden die ersten Untersuchungen zur Galtons Uberlegungen im anglo amerikanischen Raum durchgefuhrt und dementsprechend an germanischen Sprachen Allport amp Odbert 1936 4 Die erste systematische Zusammenstellung lexikalischer Ausgangsdaten stammt von Gordon Allport und Henry Sebastian Odbert 1936 die die annahernd 550 000 Worte von Webster s New International Dictionary aus dem Jahre 1925 nach Adjektiven Partizipien und Substantiven durchsuchten die Personlichkeitsdispositionen bezeichneten Selbst nach Ausschluss von Substantiven die identischen Adjektiven entsprachen z B Angstlichkeit angstlich und Dialektvarianten ergab sich immer noch eine Liste von 17 953 Wortern darunter allerdings sehr viele seltene die nur von wenigen Englischsprechenden verstanden werden Die so entstandene Liste ordneten sie in 4 Kategorien Generalisierte und personliche Dispositionen konsistente und stabile Arten der Anpassung einer Person an ihre Umwelt z B gesellig aggressiv furchtsam 4 504 Begriffe Zustande Stimmungen und Aktivitaten z B froh traurig begeistert 4 541 Begriffe Hochgradig bewertende Beurteilungen der personlichen Reputation z B exzellent wertvoll durchschnittlich 5 226 Begriffe Physische und nicht zuzuordnende Merkmale 3 682 Begriffe An dieser Liste setzten verschiedene Reduktionsverfahren zur Gewinnung von Eingangsdaten fur Faktorenanalysen an Cattell 1943 5 Raymond Bernard Cattell ging von den Begriffen der ersten Kategorie plus 100 der zweiten Kategorie aus und reduzierte diese in mehreren Schritten auf 35 bipolare Cluster siehe Clusteranalyse Norman 1967 6 Warren T Norman reduzierte die Liste von Allport und Odbert auf 2 800 gebrauchlichere Eigenschaftsworte unter Ausschluss von gesundheitsbezogenen Bezeichnungen z B kranklich und stark bewertenden Bezeichnungen z B hervorragend bosartig Goldberg 1990 7 Lewis Goldberg wiederum erweiterte und reduzierte die Liste in mehreren Schritten der Klassifikation und Beurteilung durch Studenten zu 339 Adjektiven die in 100 Gruppen fast synonymer Worte klassifiziert wurden Angleitner amp Ostendorf 1990 8 Fur den deutschen Sprachraum durchsuchten Angleitner et al Wahrigs deutsches Lexikon nach Adjektiven die Personlichkeitseigenschaften beschreiben Es wurden 5 092 Adjektive gefunden und letztendlich ergab sich fur die Selbst und die Bekanntenbeurteilungen eine Funf Faktoren Struktur die den angloamerikanischen Big Five weitgehend entsprach Nicht germanische Sprachen und spatere Untersuchungen Bearbeiten Chinesisch Yang amp Bond 1990 Tschechisch Hrebickova amp Ostendorf 1995 Hebraisch Almagor et al 1995 Ungarisch Szirmak amp DeRaad 1994 Italienisch Di Blas amp Forzi Caprara amp Perugini 1998 Polnisch Szarota 1995 Russisch Shmelyov amp Pokhilko 1993 Turkisch Somer amp Goldberg 1999 Ahnliche Konzepte BearbeitenPhilosophie der normalen SpracheEinen ahnlichen Ansatz benutzt die Philosophie der normalen Sprache Durch eine genaue Analyse des alltaglichen Gebrauchs der Sprache kann demnach Erkenntnis erlangt werden Phanomenologische PsychologieJohannes Linschoten formuliert Es sitzt mir etwas quer Der Ausdruck ist eine erstarrte Sinngebung einSedimentund hat in seiner Sedimentationdoxischen Werterhalten Die Gefahr die die Psychologie bedroht ist diese Dogmatisierung der doxischen Selbstverstandlichkeiten 9 Die gesellschaftliche Konstruktion der WirklichkeitIn dem von Peter L Berger und Thomas Luckmann 1966 geschriebenen Schlusselwerk der Sozialkonstruktivismus wird unter anderem von Sedimenten von Wissen und Sinn gesprochen Kritik BearbeitenObwohl der lexikalische Ansatz bei Untersuchungen zur Personlichkeit haufig benutzt wird ist er nicht ohne Kritik Viele Eigenschaften von psychologischer Bedeutung seien zu komplex um sie in einzelnen Wortern der Alltagssprache abzubilden Manchmal bedarf es eines umfangreichen Textes um eine bestimmte Charaktereigenschaft genau zu fassen und zu reflektieren Es gibt lexikalische Mehrdeutigkeiten Homographe die nicht immer im richtigen Kontext benutzt werden Es gibt Sprachen die keine lexikalische Analyse erlauben weil es keine schriftlichen Uberlieferungen gibt Personlichkeitsbeschreibende Begriffe verandern sich mit der Zeit und unterscheiden sich in Dialekten Sprachen und Kulturen Literatur BearbeitenWolfgang Muskens Sedimente der Selbstbeschreibung Der lexikalische Ansatz der Personlichkeitsforschung Verlag fur Wissenschaft und Forschung Auflage 1 Aufl 2001 ISBN 3 89700 314 7 Einzelnachweise Bearbeiten Jens B Asendorpf Psychologie der Personlichkeit Springer Berlin Heidelberg Auflage 4 uberarb u aktualisierte Aufl 21 August 2007 ISBN 3 540 71684 X Seite 478 Jens B Asendorpf Psychologie der Personlichkeit Springer Berlin Heidelberg Auflage 4 uberarb u aktualisierte Aufl 21 August 2007 ISBN 3 540 71684 X Seite 154 Galton 1884 Buchauszug PDF Datei 450 kB Allport G amp Odbert H 1936 Trait names A psycho lexical study Psychological Monographs Whole No 211 Cattell R B 1943 The description of personality Basic traits resolved into clusters Journal of Abnormal and Social Psychology 1943 38 476 506 Warren T Norman 2800 personality trait descriptors Normative operating characteristics for a university population University of Michigan Dept of Psychology 1967 Goldberg L R 1990 An alternative description of personality The big five factor structure Journal of Personality and Social Psychology 59 6 1216 1229 Angleitner A Ostendorf F amp John O P 1990 Towards a taxonomy of personality descriptors in German A psycho lexical study European Journal of Personality 4 2 89 118 Johannes Linschoten Autor Auf dem Wege zu einer Phanomenologischen Psychologie Die Psychologie von William James Phanomenologisch Psychologische Forschungen De Gruyter Juli 1961 ISBN 3 11 003240 6 Seite 82Weblinks BearbeitenDie lexikalische Hypothese und der lexikalische Ansatz Eric Klopp Artikel uber die Grundlagen der lexikalischen Hypothese Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sedimentationshypothese amp oldid 229207420