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Dieser Artikel behandelt den Frauentypus Siehe auch Das susse Madel Begriffsklarung Susses Madel beschreibt ein Frauenideal des Wiener Fin de Siecle Popularisiert hat es Arthur Schnitzler mit seinem ersten Buhnenerfolg Liebelei Inhaltsverzeichnis 1 Charakterisierung 2 Arthur Schnitzler 3 Vorgangerfiguren 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseCharakterisierung BearbeitenUnter dem Begriff susses Madel wurde in Wien um 1895 die mannliche Fantasie von einem bestimmten Frauentyp popular Gemeint war damit eine sexuell zugangliche junge Frau aus einfachem Stand aus der Wiener Vorstadt Ihr Reiz lage in ihrer heiteren Naturlichkeit und lebensbejahenden Vitalitat Sie fungiert als Geliebte junger Manner aus gehobenem Stand bevor sie sich eine standesgemasse Gattin nehmen oder der alteren Manner aus derselben Gesellschaftsschicht die sich bei ihr von ihrer Ehe erholen Sie ist eine Gefangene ihres Milieus und trotz aller Zuneigung des jungen Herrn aus gutem Hause nur ein Spielzeug mit dem er sich eine Weile vergnugt das er aber dann wenn es ernst wird wieder weglegt 1 Fur das susse Madel charakteristisch ist ein Ausbeutungsverhaltnis auf das die Frau aber mit einer Mischung aus Kleinburgerlichkeit Realitatssinn und Anstandigkeit reagiert 2 Als austauschbares Liebesobjekt fur Burgersohne kehrt sie nach Beendigung einer oder mehrerer dieser Liebesbeziehungen wieder in die Vorstadt zuruck Solche Beziehungen sind gepragt von sozialer und emotionaler Ambivalenz beruhen jedoch durchaus auf Gegenseitigkeit Die junge Frau hat dadurch Zugang zu gesellschaftlich weitaus hoher stehenden Kreisen wenngleich die Wahrscheinlichkeit einer Ehe ausserst gering ist Geliebt wird das susse Madel also in der Wiener Innenstadt geheiratet aber in der Vorstadt also in den Aussenbezirken wie Wieden Josefstadt oder Mariahilf Dort ist die Heirat mit einem jungen Mann von ihresgleichen meist das einzige was es noch zu erwarten hat Das susse Madel stellt zugleich einen lokal und geschichts spezifischen Gegentypus zur Femme fatale dar Als Sozialcharakter wird sie insbesondere unterschieden von der Prostituierten einerseits und der standesgemassen aber sexuell unzuganglichen hoheren Tochter andererseits und steht damit im Gegensatz zum braven Madchen aus gutem Hause Arthur Schnitzler BearbeitenSowohl im dramatischen wie auch im epischen Werk Arthur Schnitzlers findet sich das susse Madel als gangiges kunstlerisches Klischee der Wiener Moderne im Fin de siecle 3 Den Ausdruck verwendet er zum ersten Mal in der kleinen Szene Weihnachtseinkaufe die zu Weihnachten 1891 in der Frankfurter Zeitung erschien 4 Dieser Frauentypus pragt dann seine fruhen Stucke Annie in Anatol 1893 Christine in Liebelei 1895 und explizit als das susse Madel im Reigen 1900 sowie in der Erzahlung Kleine Komodie 1895 Schnitzler hielt den Ausdruck selbst erstmals in seinem Tagebuch im September 1887 fest als er Jeanette Heeger kennenlernte Am 5 September verfolgte ich im Verein mit Kuwazl mit dem ich manche Abende verbracht hatte ein junges Madchen Sie frappierte mich durch ihre Art und Weise zu reden und gefiel mir ausnehmend Sie wurde zwei Tage darauf meine Geliebte und fesselt mich durch ihre uberzeugende Sinnlichkeit durch ihren Mutterwitz und manches andre Man kann sich kein angenehmeres Verhaltnis denken ein liebes susses Madel das nichts verlangt als mich das allerdings in ausgedehntestem Masse die Soupers in einem einsamen Stadtrestaurant oder in meinem Zimmer anfangs im Prater es wird was hubsches zum Erinnern sein 5 In seiner erst postum veroffentlichten Autobiografie Jugend in Wien fuhrt er es ebenfalls auf Heeger zuruck In der Ruckerinnerung eines solchen Morgens war es dass ich dieses Schmeichelwort vom sussen Madel zum erstenmal in mein Tagebuch schrieb ohne zu ahnen dass es bestimmt war einmal gewissermassen literarisch zu werden Und damals mag es wohl auch zum mindesten meiner Empfindung nach auf Jeanette nicht so ubel gepasst haben 6 Schnitzler kommt dort auch auf die Entdeckung dieses Typus als Idee fur sein literarisches Schaffen zu sprechen Das erste susse Madel will ihm bereits Jahre vor Jeannette Heeger im November 1881 begegnet sein als es die namentliche Bezeichnung dafur noch gar nicht gab Schnitzlers Definition im Tagebuch ist demnach eine Art literarischer Erstbeschreibung Prototyp einer Wienerin reizende Gestalt geschaffen zum Tanzen ein Mundchen das mich in seinen Bewegungen an das Fannchens Schnitzlers erster Jugendliebe Franziska Reich erinnert geschaffen zum Kussen ein paar glanzende lebhafte Augen Kleidung von einfachem Geschmack und dem gewissen Grisettentypus der Gang hin und her wiegend behend und unbefangen die Stimme hell die Sprache in naturlichem Dialekt vibrierend was sie spricht nur so wie sie eben sprechen kann ja muss das heisst lebenslustig mit einem leisen Anklang von Ubereiligkeit Man ist nur einmal jung meint sie mit einem halb gleichgultigen Achselzucken Da gibt s nichts zu versaumen denkt sie sich Das ist Vernunft in die lichten Farben des Sudens getaucht Leichtsinnig mit einem abwehrenden Anflug von Sprodigkeit Sie erzahlt mit Ruhe von ihrem Liebhaber mit dem sie vor wenigen Wochen gebrochen hat erzahlt lachelnd mit ubermutigem Tone wie sie nun so viele die leicht mit ihr anzubinden gedenken zum Narrn halte was aber durchaus nichts Franzosisches Leidenschaftlich Damonisches an sich hat sondern heimlich humoristisch beruhrt solange man nicht selber der Narr ist 7 In seinem Tagebuch vom 3 Dezember 1898 nennt er Marie Chlum Glumer als das Vorbild 8 In seiner Novelle Spiel im Morgengrauen beschreibt Schnitzlers ein ehemaliges susses Madel das sich zu einer eiskalten Geschaftsfrau hochgearbeitet hat und nun ihren ehemaligen Liebhaber in den Selbstmord treibt In dieser Spielergeschichte aus seinem Spatwerk gibt Schnitzler einem gealterten sussen Madel also Gelegenheit zur Revanche Der Leutnant der sie einst wie eine Prostituierte behandelte begegnet ihr jetzt als verschuldeter Spieler wieder der in hochster Not auf die Hilfe seines Onkels hofft der jetzt ihr Ehemann ist Der Brautigam des sussen Madels wird von Schnitzler in der Regel ohne jegliche Sympathie gezeichnet Er ist eine eher unasthetische Erscheinung dem der Glanz fehlt dem die Madchen verfallen wenn sie den noblen Verfuhrer lieben Bertold Heizmann macht auf die Ubereinstimmung des literarischen Klischees bei Schnitzler mit den Uberlegungen Freuds zu einem bestimmten Typus mannlicher Objektwahl aufmerksam der durch die mehr oder minder stark ausgepragte Dirnenhaftigkeit der Geliebten und die Absicht sie zu retten gekennzeichnet sei 9 Vorgangerfiguren BearbeitenSchon bei Johann Nepomuk Nestroy treten Madchen aus einfachen Verhaltnissen mit ihren Liebhabern aus dem Burgertum auf In Das Madel aus der Vorstadt oder Ehrlich wahrt am langsten wird ein solches Madel von einem wohlhabenden jungen Mann zwar ehrlich geliebt aber im selben Stuck sollen einige junge Naherinnen auch als Zeitvertreib fur reiche Herren herhalten In Nestroys Kampl oder Das Madchen mit den Millionen und die Naherin begehrt ein junger Herr ein Nahmadchen als Objekt seiner vorubergehenden Liebe und will es dafur auch bezahlen Auch in der Comedie Vaudeville La Jolie Fille du Faubourg von Paul de Kock und Charles Varin sowie in Henri Murgers Scenes de la vie de boheme La Boheme treten solche Madel auf 10 Das susse Madel ist eine Operette von Heinrich Reinhardt mit dem Libretto von Alexander Landesberg und Leo Stein Weblinks BearbeitenElfriede Wiltschnigg Susse Madel und femmes fatales Das Bild der Frau in Wien um 1900 PDF 100 kB Einzelnachweise Bearbeiten Gudrun Brokoph Mauch Die Frau in der osterreichischen Literatur der Jahrhundertwende Bertold Heizmann Arthur Schnitzler Traumnovelle Reclam Erlauterungen und Dokumente Stuttgart 2006 S 22 Janz widmet dem Thema das Kapitel Zum Sozialcharakter des sussen Madels in Rolf Peter Janz Arthur Schnitzler Zur Diagnose des Wiener Burgertums im Fin de siecle Stuttgart Metzler 1977 S 41 54 Vgl Rolf Peter Janz Klaus Laermann Arthur Schnitzler Zur Diagnose des Wiener Burgertums im Fin de siecle Stuttgart Metzler 1977 S 44 Fur den jungen Herrn der Stadt dem die Maitresse zu kostspielig oder auch zu langweilig ist der durch eine Prostituierte seine Gesundheit gefahrdet sieht dem die Beziehung zur verheirateten Frau zu riskant ist der aber seinerseits die standesgemasse junge Dame noch nicht heiraten kann oder will empfiehlt sich das susse Madel als Geliebte Frankfurter Zeitung Nr 358 24 Dezember 1891 S 1 2 Auch in der Erstausgabe von Anatol Vgl A S Anatol Historisch kritische Ausgabe Hg von Evelyne Polt Heinzl und Isabella Schwentner unter Mitarbeit von Gerhard Hubmann Berlin Boston De Gruyter 2012 S 900 Vgl auch Arthur Schnitzler In eigener Sache Unveroffentlichter Text Cambridge University Library Mappe 20 8 S 8 Arthur Schnitzler Tagebuch 19 Oktober 1887 Zeno Literatur im Volltext Schnitzler Arthur Jugend in Wien Wien Munchen Zurich 1968 S 277 322 Abgerufen am 10 Oktober 2022 Arthur Schnitzler Tagebuch 25 November 1881 Schnitzler Tagebuch 3 Dezember 1898 Abgerufen am 17 August 2021 Lit Heizmann Arthur Schnitzler Traumnovelle S 22 vgl auch Sigmund Freud Uber einen besonderen Typus der Objektwahl beim Manne in Ders Beitrage zur Psychologie des Liebeslebens GW 8 Frankfurt a M 1969 S 66 77 Daniela Altenweisl Das susse Madel http othes univie ac at 7969 1 2009 11 25 0202801 pdf Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Susses Madel amp oldid 236829013