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Rirette Maitrejean 14 August 1887 als Anna Henriette Estorges in Saint Mexant 11 Juni 1968 in Limeil Brevannes war eine franzosische Anarchistin und Feministin die zur individual anarchistischen Szene dem Milieu libre in Paris gehorte Sie wurde durch ihre Kritik am Illegalismus und ihre Freundschaft mit Albert Camus bekannt Rirette Maitrejean um 1905 Inhaltsverzeichnis 1 Jugend und erste Kontakte in der anarchistischen Szene 2 L anarchie der Illegalismus und die Affare Bonnot 3 Die Abrechnung mit dem Illegalismus Souvenirs d anarchie 4 Einfluss auf Albert Camus 5 Veroffentlichungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseJugend und erste Kontakte in der anarchistischen Szene BearbeitenRirette Maitrejean wurde 1887 als Anna Henriette Estorges in Saint Mexant im Sudwesten von Frankreich geboren und lebte dort auf einem Bauernhof bis die Familie wenige Jahre spater nach Tulle zog 1903 starb der Vater was die Familie in tiefe Armut sturzte Rirette die damals 16 Jahre alt war wollte Lehrerin werden der fruhe und unerwartete Tod des Vaters machte dies jedoch unmoglich Ihre Mutter wollte sie wegen der finanziell prekaren Situation verheiraten Rirette weigerte sich aber beharrlich Sie uberwarf sich daher mit ihrer Mutter und riss 1904 alleine und mittellos nach Paris aus Dort fand sie Arbeit als Naherin und besuchte die sog Volksuniversitaten Universites populaires und die Volkstumlichen Diskussionsveranstaltungen Causeries populaires Einrichtungen zur autodidaktischen Bildung der Arbeiterklasse Von da aus knupfte sie ihre ersten Kontakte zur individual anarchistischen Szene dem Milieu libre rund um die Zeitschrift L anarchie welche 1905 von den Individualanarchisten Albert Libertad 1875 1908 und Anna Mahe 1881 1960 gegrundet worden war 1905 begann sie eine Beziehung mit Louis Maitrejean geb 1882 einem Facharbeiter Anarchisten und Sekretar der Gewerkschaft der Gerber den sie als sie schwanger wurde im September 1906 heiratete 1 Kurz hintereinander bekam sie zwei Kinder Henriette Vater unbekannt und Sarah mit Louis als leiblichem Vater Sie war jedoch wie es damals in diesen Kreisen ublich war eine Fursprecherin der freien Liebe Ihre Ideen zur freien Liebe formulierte Rirette Maitrejean u a in einem Artikel mit dem Titel La Cohabitation der im August 1909 in der Zeitschrift L anarchie in Paris erschien 2 und dessen Erfahrungshintergrund wohl auch die elementare Zwangssituation der beinahe zustande gekommenen Zwangsverheiratung war Im Konzept der Ehe sah sie nur eine Variante der Prostitution 3 Die Heirat mache aus dem Mann einen Meister und aus der Frau ein Spielzeug welche damit so vollkommen auf ihre Individualitat verzichtet dass sie nicht einmal mehr ihren Namen behalt Maitrejean setzte sich aufgrund ihres Eintretens fur die freie Liebe auch fur das Recht der Frau auf Schwangerschaftsabbruch und Empfangnisverhutung ein Fur sie war das unumganglich wenn man uber die Freiheit zu lieben spreche All jene Frauen die aber uber ihren eigenen Korper verfugen mochten bezahlen diese verbotene Freiheit mitunter sehr teuer 4 L anarchie der Illegalismus und die Affare Bonnot Bearbeiten nbsp Victor Serge und Rirette MaitrejeanRirette Maitrejean gehorte 1909 und dann wieder 1911 12 zum Redaktionskollektiv von L anarchie einer der bedeutendsten Zeitschriften des individualistischen Anarchismus dieser Zeit in Frankreich mit Sitz in einem Haus in Romainville einem Vorort von Paris In diesen Zusammenhangen traf sie auch ihren spateren Lebensgefahrten den Revolutionar Victor Serge mit dem sie sich jedoch Anfang der 1930er Jahre wegen dessen Hinwendung zum Bolschewismus uberwarf Serge war 1919 in die Sowjetunion emigriert und wurde Mitglied der KPdSU Obwohl Maitrejean Gewalttaten im Namen des Anarchismus den sog Illegalismus die Propaganda der Tat und Raububerfalle von selbsternannten Anarchistinnen und Anarchisten z B der Bonnot Bande fruh verurteilte hatten L anarchie und das Milieu libre personliche Verbindungen mit diesen Kreisen Dies fuhrte zu Hausdurchsuchungen in den Redaktionsraumen von L anarchie und in den Privatwohnungen diverser Anarchistinnen und Anarchisten darunter auch Maitrejeans und Serges Wohnung In der Folge wurde sie 1912 verhaftet und gehorte im Prozess gegen die Bonnot Bande zu den Angeklagten Obwohl sie mit den Raububerfallen dieser Gruppe nichts zu tun hatte und diese nicht guthiess weigerte sie sich bis zuletzt vor Gericht gegen andere Anarchistinnen und Anarchisten auszusagen 22 Angeklagte standen insgesamt vor Gericht beim Urteilsspruch am 28 Februar 1913 gab es vier Todesurteile und lebenslange Freiheitsstrafen nur wenige unter ihnen Rirette Maitrejean wurden freigesprochen 5 Die Abrechnung mit dem Illegalismus Souvenirs d anarchie BearbeitenZwischen dem 18 August und 31 August 1913 veroffentlichte Rirette Maitrejean in der Tageszeitung Le Matin eine Artikelfolge in der sie mit jenem Teil der individual anarchistischen Stromung abrechnete der sich dem Illegalismus bewaffneten Raububerfallen und der Propaganda der Tat verschrieben hatte Diese unter dem Titel Souvenirs d anarchie Erinnerungen an die Anarchie wobei sich d anarchie auf die Zeitschrift L anarchie bezieht veroffentlichten Artikel waren zugleich eine anarchistische Kritik der Gewalt und anderer problematischer Tendenzen in der individual anarchistischen Szene dieser Zeit wie beispielsweise ein abstruser pseudo wissenschaftlicher Glaube an Naturheilmethoden oder eine anti feministische und frauenfeindliche Haltung vieler mannlicher Mitstreiter Fur einen Teil der Anarchistenszene galt sie fortan als Verraterin und wurde mit Denunziationen uberhauft da sie den Mythos des edlen anarchistischen Raubers infrage gestellt hatte 6 Einfluss auf Albert Camus BearbeitenAb 1923 arbeitete Maitrejean als Korrektorin u a bei der franzosischen Tageszeitung Paris Soir Im Zuge dieser Tatigkeit kam sie auch verstarkt mit Anarchosyndikalisten in Kontakt und organisierte sich in der anarchosyndikalistisch orientierten Gewerkschaft Syndicat des correcteurs Gewerkschaft der Korrektoren Bei ihrer Arbeit lernte Maitrejean im Jahre 1940 Albert Camus kennen der als Journalist und Redaktionssekretar fur Paris Soir arbeitete und es entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft zwischen den beiden Iris Radisch schreibt in ihrer Camus Biografie Politisch am nachsten stand Camus letztlich den franzosischen Libertaren zu denen er uber seine Freundin Rirette Maitrejean seit seiner Zeit beim Paris Soir gute Kontakte unterhalt 7 Sie soll ihn so ihr Biograf Lou Marin mit der Geschichte des Anarchismus in Frankreich vertraut gemacht haben 8 9 10 Marin fasste Maitrejeans entscheidenden Einfluss auf Camus politisches Denken dahingehend zusammen dass sie ihn in die libertare Denktradition eingefuhrt habe 11 Michel Onfray hingegen bezweifelte dass erst Maitrejean Camus mit dem Anarchismus in Kontakt gebracht habe Schon in jungen Jahren habe er sich mit der libertaren Philosophie beschaftigt 12 Nach Marin habe Maitrejean mit ihrer Kritik des Illegalismus Camus spatere Kritik des Nihilismus beeinflusst Fur ihn ist dieser Einfluss in vielerlei Hinsicht offensichtlich Entsprechende Stellen in Camus Werk Der Mensch in der Revolte wurden den Uberlegungen Maitrejeans zum Thema bis hinein in Details entsprechen 13 Rirette Maitrejean meinte uber Camus dass dieser nicht nur ein reizender Mensch sondern auch ein verlasslicher Freund gewesen sei der dem Anarchismus inhaltlich wirklich ausserordentlich nahe gestanden habe 14 In den 1950er Jahren traf sie ihn bei Zusammenkunften im Kreis um die libertare Zeitschrift Temoins in Paris die z T in Camus Wohnung stattfanden 15 Nach seinem Tod 1960 arbeitete sie an einem Sammelband zu seinen Ehren mit 16 Bis sie im Alter erblindete war Maitrejean als Korrektorin tatig Sie starb 1968 in einem Krankenhaus in Limeil Brevannes 17 und ist in einem Kolumbarium auf dem Friedhof Pere Lachaise bestattet 18 Veroffentlichungen BearbeitenSouvenirs d anarchie Editions La Digitale Quimperle 2005 ISBN 2 903383 53 7 Orig 1913 franzosisch Lou Marin Hrsg Albert Camus Libertare Schriften 1948 1960 Laika Verlag Hamburg 2013 ISBN 978 3 942281 56 0 In dem Buch sind zwei Kapitel aufgenommen an denen Rirette Maitrejean mitgearbeitet hat s Inhaltsverzeichnis 19 franzosisch Camus et les libertaires 1948 1960 2008 Literatur BearbeitenLou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 ISBN 978 3 939045 26 7 Anne Steiner Rirette l insoumise Milles Sources Tulle 2013 ISBN 978 2 909744 29 2 franzosisch Anne Steiner Les En dehors Anarchistes individualistes et illegalistes a la Belle Epoque L Echappee Paris 2008 ISBN 978 2 915830 13 2 franzosisch Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Rirette Maitrejean Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Rirette Maitrejean im Katalog der BnF Bibliotheque nationale de France Rirette Maitrejean im Katalog SUDOC Rirette Maitrejean du col claudine a la bande a Bonnot Radio Feature France Inter 5 Juni 2016 Audio Podcast 55 Minuten franzosisch Einzelnachweise Bearbeiten Anne Steiner Rirette Maitrejean une adolescence rebelle in dies Les militantes anarchistes individualistes des femmes libres a la Belle Epoque In Amnis Revue de civilisation contemporaine Europes Ameriques 8 2008 S 15 online Anmerkung Anne Steiner ist Soziologin an der Universitat Paris Nanterre Dieser Artikel wurde von Andrea Scharer und Lou Marin ins Deutsche ubersetzt und ist erschienen in Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 S 215 217 Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 S 20 Rirette Maitrejean Unanstandigkeit Pruderie In L anarchie Nr 331 10 August 1911 S 1 In deutscher Ubersetzung zu lesen in Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 S 219 Ubersetzt von Andrea Scharer und Lou Marin Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 S 68 81 Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 insbesondere S 51 68 Iris Radisch Camus Das Ideal der Einfachheit Eine Biographie Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 2013 ISBN 978 3 498 05789 3 S 248 Lou Marin Ursprung der Revolte Albert Camus und der Anarchismus Verlag Graswurzelrevolution Nettersheim 1998 Lou Marin Hrsg Albert Camus Libertare Schriften 1948 1960 Laika Hamburg 2013 Einleitung S 13 f Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 S 196 211 Lou Marin Camus und seine libertare Kritik der Gewalt In Willi Jung Hrsg Albert Camus oder Der Gluckliche Sisyphos Bonn University Press bei V amp R unipress 2013 ISBN 978 3 8471 0146 8 S 80 Michel Onfray Die Rolle der Rirette In ders Im Namen der Freiheit Leben und Philosophie des Albert Camus Knaus Verlag Munchen 2013 ISBN 978 3 8135 0533 7 S 248 f Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 S 202 f Lou Marin Rirette Maitrejean Attentatskritikerin Anarchafeministin Individualanarchistin Verlag Graswurzelrevolution Heidelberg 2016 S 197 Marin in Willi Jung ebd Michel Onfray ebd Anne Steiner Rirette Maitrejean une femme libre a la Belle Epoque Quartiers Libres Nr 101 2005 Pere Lachaise Gruppe 87 Grab Nummer 2439 Rezension von Karsten Hueck in Deutschlandradio Kultur Normdaten Person GND 11939202X lobid OGND AKS LCCN nr90000094 VIAF 34567969 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Maitrejean RiretteALTERNATIVNAMEN Estorges Anna Henriette Geburtsname KURZBESCHREIBUNG franzosische Anarchistin und FeministinGEBURTSDATUM 14 August 1887GEBURTSORT Saint MexantSTERBEDATUM 11 Juni 1968STERBEORT Limeil Brevannes Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rirette Maitrejean amp oldid 231562861