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Rineck ist ein Hofgut auf der Gemarkung der heutigen Gemeinde Elztal im nordlichen Baden Wurttemberg Von 1788 bis 1850 bestand ausserdem die Gemeinde Rineck die jedoch wegen des schlechten Leumunds ihrer Bewohner aufgelost wurde Heute befindet sich zusammen mit einem landwirtschaftlichen Betrieb auf dem Hofgut ein Seminar und Gesundheitszentrum das so genannte deutsche Zentrum fur Prana Heilung nach Choa Kok Sui Diese Metallplatte auf einem Wegweiser markiert das nordliche Ortsende von Rineck Inhaltsverzeichnis 1 Geografie 2 Geschichte 2 1 Odes Weideland 2 2 Besiedlung ab 1784 2 3 Schlechte Lebensbedingungen 2 4 Auflosung der Gemeinde 1849 50 2 5 Grundung des heutigen Hofguts 3 Einzelnachweise 4 Literatur 5 WeblinksGeografie BearbeitenDas Hofgut Rineck liegt etwa ein Kilometer nordlich von Elztal Muckental im hinteren Odenwald Geschichte BearbeitenOdes Weideland Bearbeiten Die Gegend zwischen den Odenwald Dorfern Krumbach Limbach Muckental und Trienz gehorte im fruhen 18 Jahrhundert der Kurpfalz und wurde von der Kellerei in Lohrbach verwaltet Der ode und unfruchtbare Landstrich bei Rineck wurde 1726 vom Lohrbacher Amtskeller als lauther Wildnus und schlecht Odenwaldisch Feld bezeichnet 1727 als Wusteney Dort befand sich lediglich seit langem ein einzelner Hof der Rineckshof ansonsten diente die etwa 200 Morgen grosse Flache als Schafweide der umliegenden Gemeinden Besiedlung ab 1784 Bearbeiten Bereits 1733 veranlasste die kurpfalzische Hofkammer in Mannheim das Oberamt Mosbach die Urbarmachung des oden Gelandes zu uberprufen Rund 50 Jahre spater wurde das Gelande schliesslich vom Lohrbacher Amtskeller Minet zur Ansiedlung ausgeschrieben Die Siedler erhielten jeweils etwa einen Morgen Land geschenkt und mussten sich zur Abgabe von Naturalien und Zins an die Kellerei Lohrbach verpflichten Der nahe Hof wurde Altrineck Althof oder Ruhlingerhof genannt wahrend die ab 1784 entstehende Siedlung zunachst den Namen Neurineck trug Die Siedler waren teilweise Bauern aus den umliegenden Odenwaldgemeinden teils entstammten sie aber auch dem fahrenden Volk Als Berufe werden u a genannt Kesselflicker Besenbinder Korbmacher Gaukler Maulwurfsfanger fahrende Musikanten und Hundehandler Die Bewohner kamen nicht immer freiwillig sondern wurden auch teilweise von ihren fruheren Meldegemeinden abgeschoben Sie wurden im Volksmund Rielinger genannt Der erste Burgermeister Franz Holzschuh erhielt am 29 August 1788 den Kaufbrief und das Rechtsgesetzbuch von der Kurpfalz wodurch die Siedlung Rineck zur Gemeinde erhoben wurde Rineck kam 1803 zum Furstentum Leiningen und 1806 an das Land Baden Kirchlich zahlte Rineck zur Pfarrei in Rittersbach Burgermeister Holzschuh stammte vom alten Rineckshof und besass insgesamt 36 Morgen Land womit er der grosste Grundbesitzer der Gemeinde war Auch die ihm in der Grosse ihres Besitzes nachfolgenden Peter Edinger mit 19 Morgen und Georg Nohe mit 12 Morgen kamen vom Rineckshof Schlechte Lebensbedingungen Bearbeiten Wegen der schlechten Boden und der nachlassigen Bestellung der Felder der Gemeinde unter deren Bevolkerung von 57 Erwerbstatigen im Jahr 1803 nur 7 Bauern aber 19 Kunstler waren kam es oft zu Hunger Bettel Diebstahl und Wilderei Auch von bewaffneten Uberfallen Rielinger Banden wird berichtet Da die Gemeinde uber keinen eigenen Wald verfugte kam es vielfach auch zu Holzfrevel in umliegenden Waldern der von bewaffneten Rotten begangen wurde In zeitgenossischen Berichten ist sogar die Rede davon dass man in Rineck uberhaupt kein Holz mehr gekauft sondern alles benotigte Holz anderweitig gestohlen hatte und dass die als Langfingerleshof bezeichnete Gemeinde Rineck die allgemeine Klage der Umgebung errege und auf einen unglaublichen Grad demoralisiert sei Im April 1835 wurden der Burgermeister von Lohrbach und die meisten Manner des Ortes unter dem Vorwand eines gerade durch Rinecker stattfindenden Holzfrevels aus dem Ort gelockt und anschliessend das Anwesen des Burgermeisters in Brand gesteckt Das Oberamt vermutete die Tater in Rineck und stationierte dort einen Gendarmen der jedoch im Juni 1836 nachts im Dienst hinterrucks erschossen wurde 1 1838 beklagte der Mosbacher Oberamtmann bei der Kreisregierung die allmahlich auf eine Zahl von 600 angewachsenen Einwohner seien Diebe Gauner Brandstifter Vaganten usw weil sie nichts arbeiten wollen Da in der Rinecker Gemeindekasse keinerlei Geld vorhanden war ubernahm der Staat die Besoldung von Burgermeister Lehrer Arzt Leichenschau Totengraber usw ausserdem wurden weitere Gendarmen in Rineck stationiert um dem kriminellen Treiben der Bewohner Einhalt zu gebieten Schliesslich wurden Forderungen laut die Einwohner der Gemeinde zur Auswanderung in die USA zu bewegen Der badische Staat fuhrte langwierige Verhandlungen mit den umliegenden Gemeinden um diese zur Ubernahme eines Teils der Kosten oder zur Aufnahme auswanderungsunwilliger Einwohner zu bewegen 2 Letztlich wurde doch die Auswanderung von uber 600 Personen arrangiert wofur der badische Staat 63 000 Gulden aufbrachte Auflosung der Gemeinde 1849 50 Bearbeiten Der erste Transport mit 168 grosstenteils ledigen Auswanderern verliess Rineck am 3 Oktober 1849 Der Agent des Zentralbureau des badischen Auswanderungsvereins mit dem ein Beforderungsvertrag vereinbart worden war schrieb Einzelne waren barfuss der grosste Teil aber nur leicht und sehr armlich gekleidet so dass sie uberall wo sie auf der Reise nach Bremen hinkamen Aufsehen und Bedauern erregten und nur mit Muhe in den Wirtshausern untergebracht werden konnten 3 Die Auswanderung erfolgte zunachst mit Fuhrwerken bis Eberbach dann mit Schiffen uber Mannheim nach Bremen oder Antwerpen und von dort aus nach New York wo jeder Familienvorstand 20 Gulden und jede weitere Person 10 Gulden erhielt und anschliessend seinem Schicksal uberlassen wurde Uber den Winter trafen von diesen Personen gute Nachrichten ein die den Zuruckgebliebenen die bevorstehende Auswanderung etwas erleichterten Im April 1850 herrschte in Rineck reges Markttreiben da die restliche Bevolkerung ihre uberflussige Habe veraussern und gleichsam fur die Auswanderung benotigte Dinge erwerben musste Am 11 und 13 Mai 1850 wurden die meisten verbliebenen Rinecker in zwei Gruppen von 200 und 235 Personen schliesslich aus dem Ort abtransportiert Die Durchfuhrung wurde vom Mosbacher Amtspersonal und weiteren 40 Gendarmen uberwacht Die zum Transport von Menschen und Habe benotigten Wagen wurden aus den benachbarten Ortschaften requiriert Die Bevolkerung der Nachbarorte verfolgte das Geschehen mit grossem Interesse Auch diese beiden Transporte gingen nach New York wo wieder 10 oder 20 Gulden ausbezahlt und die Menschen ihrem Schicksal uberlassen wurden Der Grossteil der ausgewanderten Rinecker liess sich in Philadelphia nieder Uber andere Auswanderer der Gemeinde Rineck wird dem badischen Auswanderungsverein 1851 berichtet der Burgermeister habe sich mit 80 Gemeindegenossen in Rochester in der Nahe des Ontariosees niedergelassen Sie wohnten alle in einer Strasse zusammen hatten reichlich Verdienst und seien Wegen ihrer guten Fuhrung gut beleumundet Dieselben Leute fur die man in ihrer Heimat nicht genug Gefangnisse hatte um sie wegen ihrer Diebstahle und des Holzfrevels abzustrafen 4 Etwa 20 bis 25 Personen konnten nicht zur Auswanderung bewegt werden Vier Familien wurden der Gemeinde Muckental zugewiesen einige ledige Personen kamen nach Schwetzingen und einige Alte und Gebrechliche wurden auf die umliegenden Orte verteilt Am 2 Dezember 1850 wurde die Gemeinde Rineck aufgelost Nach Auflosung der Gemeinde erhielten die Kapitalglaubiger die verpfandeten Liegenschaften die dann auf Abbruch verkauft wurden Acker und Garten kamen mittels Verkauf an Bewohner von Krumbach und Alt Rineck Die nur etwa zehn Kilometer entfernt liegende Gemeinde Ferdinandsdorf erlag etwa zur selben Zeit einem ahnlichen Schicksal Tolnayshof eine Gemeinde mit ahnlicher Sozialstruktur in der Nachbarregion Bauland konnte sich noch bis 1880 halten Grundung des heutigen Hofguts Bearbeiten Nachdem in Alt Rineck kurz darauf auch einige Bewohner auf die Verlockung von bereits in den USA befindlichen Neu Rineckern hin ausgewandert waren erwarb 1856 die Mutter von Ferdinand Scipio weite Teile des Gelandes und schuf damit ein 500 Morgen umfassendes Hofgut das Ferdinand gemeinsam mit seinem Schwager Gustav Herth aufbaute Nach Ferdinand Scipios Tod fuhrte der Sohn Wilhelm Scipio 1953 das Hofgut weiter In den etwa hundert Jahren im Besitz der Scipio war das Hofgut von Verwaltern bewirtschaftet und nie rentabel vielmehr wurden die Verluste aus dem Scipio Vermogen ausgeglichen Von Wilhelm Scipio erbte sein Grossneffe und Sekretar Eberhard von Gemmingen 1926 das Hofgut Er hatte Plane zur Rentabilitatssteigerung doch wurden alle Wirtschaftsgebaude des Hofes 1954 durch Feuer vernichtet Der Wiederaufbau war 1956 abgeschlossen die Tilgung der dadurch entstandenen Schulden zog sich bis in die 1980er Jahre 1989 wurde das Hofgut umfassend modernisiert 5 Das Hofgut Rineck wird heute fur Seminare mit den Schwerpunkten alternative Heilmethoden und Yoga sowie fur Landwirtschaft genutzt Einzelnachweise Bearbeiten Mezler 1965 S 203 204 Verhandlungen der Stande Versammlung des Grossherzogtums Baden Im Jahre 1842 1 Eugen von Philippovich Die staatlich unterstutzte Auswanderung im Grossherzogtum Baden in Archiv fur Soziale Gesetzgebung und Statistik Vierteljahresschrift zur Erforschung der gesellschaftlichen Zustande der Lander Seite 52 Digitalisat Eugen von Philippovich Die staatlich unterstutzte Auswanderung im Grossherzogtum Baden in Archiv fur Soziale Gesetzgebung und Statistik Vierteljahresschrift zur Erforschung der gesellschaftlichen Zustande der Lander Seite 66 Digitalisat Maria Heitland Familienchronik der Freiherren von Gemmingen Fortsetzung der Chroniken von 1895 und 1925 26 Gemmingenscher Familienverband e V 1991 S 168 169 Literatur BearbeitenLeonhard Mezler 1200 Jahre Lohrbach 765 bis 1965 Gemeinde Lohrbach 1965 Bruno Konig 1200 Jahre Elztal Elztal 1975 Karl Wilhelm Beichert Muckental und Rineck 1995 Prof Dr Eugen von Philippovich Die staatlich unterstutzte Auswanderung im Grossherzogtum Baden in Archiv fur Soziale Gesetzgebung und Statistik Vierteljahresschrift zur Erforschung der gesellschaftlichen Zustande der Lander Funfter Band Herausgeber Dr Hch Braun Verlagsbuchhandlung J Guttentag Berlin 1892 Bruno Konig Fur die ganze Umgebung geradezu unertraglich Bericht des Feldscherers Adam von 1856 uber die Gemeinde Rineck in Unser Land Heimatkalender fur Neckartal Odenwald Bauland und Kraichgau 2000 Seite 166 170 ISSN 0932 8173 Karl Heinz Neser Die Diebskolonie im Odenwald Nach Scheitern des Erziehungsexperiments Auswanderung auf Staatskosten in Zeitschrift fur die Geschichte des Oberrheins hrsg von der Kommission fur Geschichtliche Landeskunde in Baden Wurttemberg W Kohlhammer Stuttgart 1993 Band 141 Seite 381 386 ISSN 0044 2607 Karl Heinz Neser Die Auswanderung der Einwohner von Rineck in Unser Land Heimatkalender fur Neckartal Odenwald Bauland und Kraichgau 2001 Seite 65 68 ISSN 0932 8173 Karl Wilhelm Beichert Die Kulturlandschaft Odenwald in der Vergangenheit in Badische Heimat Zeitschrift fur Landes und Volkskunde Natur Umwelt und Denkmalschutz 99 Jahrgang Heft 3 September 2019 Seite 391 02 insbesondere Seite 393 ISSN 0930 7001 Roland Vetter Der Odenwalder mag bisweilen etwas derb erscheinen ein anekdotischer Streifzug durch Eberbach und Umgebung im 19 Jahrhundert Mannheim 2010 Wellhofer Verlag ISBN 978 3 939540 62 5 insbesondere das Kapitel Massenauswanderung auf Staatskosten fur Rineck so billig als moglich Seite 131 145 Im Jahr 1937 veroffentlichte Irma von Drygalski bei Carl Schunemann Bremen ihren Roman Rineck Traum und Fluch der Landfahrer der Rinecks Geschichte thematisiert Neben Akten zur Auswanderung verwendete Frau von Drygalski mundliche Uberlieferungen aus der Region um ihre Handlung zu entwerfen Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Rieneck Baden Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Blatt 8 Eberbach des topographischen Atlases uber das Grossherzogthum Baden von 1838 auf dem das Dorf Rineck noch eingezeichnet ist 49 435709 9 198765 Koordinaten 49 26 8 6 N 9 11 55 6 O Normdaten Geografikum GND 4557897 7 lobid OGND AKS VIAF 249395368 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rineck amp oldid 216240202