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Nichts ist wie es scheint ist eine Studie von Michael Butter die 2018 veroffentlicht wurde Butter analysiert in dieser Publikation die allgemeinen Merkmale und Mechanismen von Verschworungstheorien Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Wissenschaftliche Rezeption 3 Mediale Rezeption 4 Literatur 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDorothee Riese und Johannes M Kies resumieren in ihrer socialnet Rezension die funf Kapitel des Buches die jeweils einen Aspekt des Themas darstellen Verschworungstheorien werden im ersten Kapitel klassifiziert als solche von oben Regierung oder unten Bevolkerung innen Inland oder aussen Ausland Butter differenziere ausserdem reale Theorien der Verschworung begrenzte raumliche und zeitliche Reichweite uberschaubarer Taterkreis Beispiel Watergate von irrealen Verschworungstheorien zeitlich und raumlich allumfassend unuberschaubarer Kreis von Verantwortlichen Im zweiten Kapitel untersuche Butter Methoden die dazu dienen einen Schein von Seriositat zu vermitteln und stellt finanzielle Interessen als haufiges Motiv hinter der Theoriebildung und verbreitung dar Das dritte Kapitel untersuche die Motive von Menschen an Verschworungstheorien zu glauben Unterlegenheitsgefuhle Gruppenkohasion und Identitatsbildung Die Basis sei oft ein sehr traditionelles Weltbild das die Komplexitat der modernen Welt nicht verstehe und von der Bedeutung einzelner Akteure und ihrer Absichten ausgehe In den letzten beiden Kapiteln werde die historische Entwicklung nachgezeichnet und die Bedeutung des Internets dargestellt Als Massnahmen zum Schutz vor Verschworungstheorien empfehle Butter historical literacy media literacy und social literacy 1 Wissenschaftliche Rezeption BearbeitenIn der Politischen Vierteljahresschrift lobt Eva Marlene Hausteiner Butters begriffliche Differenzierung und seine gehaltvollen Fallstudien zu Eva Herman Donald Trump und zu Daniele Gansers Wissenschaftlichkeitssimulationen Kritisch sieht sie jedoch die enge Auslegung des Verschworungsbegriffs Konzentration auf einzelne Ereignisse und Institutionen die offen lasse ob Verschworungstheorien nicht auch gelegentlich reale Verschworungen einer Regierung entlarven und so eine machtkritische Waffe im Dienste demokratischer Transparenz darstellen konnten Uberrascht ist sie von Butters Angleichung der Verschworungstheorien an wissenschaftliche Theorien Zwar unterschieden sich Verschworungstheorien von aktuellen wissenschaftlichen Theorien nicht zuletzt durch ihr unterkomplexes Weltbild und Kausalitatsverstandnis doch beide seien sinnstiftend komplexitatsreduzierend und durchaus entgegen mancher Deutungen falsifizierbar Kontrovers findet Hausteiner die Thesen Butters uber Stigmatisierung und Bedeutungsverlust der Verschworungstheorien und die behauptete nicht empirische aber funktionale Allianz mit dem Populismus Hausteiner relativiert die Bildungstherapie Butters historical media and social literacy Die AnhangerInnen eines verschworungstheoretisch angereicherten Populismus sind nicht samtlich bildungsfern und auch ein Bildungshintergrund schutzt nicht automatisch vor der Versuchung schlichter Feindbilder Verschworungstheorien machen nicht allein als Wissensform Politik sondern auch als emotionale Ressource der mit Rationalitat und Gegenwissen nicht allein beizukommen sein wird Gelegentlich laufe der Autor auch Gefahr so Hausteiner die Spezifik verschworungstheoretischer Elemente die sprachlichen Ausdrucksformen des verschworungstheoretischen Stils zu uberschatzen 2 Andreas Anton und Alan Schink stellen in ihrer Rezension 2019 kritisch die Defizite der griffigen Definition Butters und Michael Barkuns heraus Ihre Merkmalszuschreibungen seien analytisch letztlich wertlos da sie sich auf unbestimmbare Grossen Nichts Alles bezogen Das grosste Manko stelle Butters ausserst enge Definition von Verschworungstheorien dar nach der es ein wesentliches Merkmal verschworungstheoretischer Deutungen sei dass sie immer falsch sind Die essentialistische Herangehensweise fuhre Butter in offene Widerspruche etwa wenn er schreibt dass sich sogenannte Ereignisverschworungstheorien vielleicht doch als wahr herausstellen konnten Sein Verstandnis fuhre ihn zur Tautologie Da Verschworungstheorien immer falsch seien habe sich auch noch nie eine Verschworungstheorie im Nachhinein als wahr herausgestellt Die Rezensenten kritisieren die einseitige Auswahl von Sekundarliteratur da etwa George Cubitt 3 nur verkurzt andere 4 gar nicht berucksichtigt wurden Jack Bratich 5 sei missverstanden worden Insgesamt entsteht der Eindruck dass das Werk mit heisser Nadel gestrickt wurde und dem Autor nicht genugend Zeit blieb um auf elementare Begriffsarbeit Tiefenscharfe und logische Stringenz zu achten Lesenswert ist es aber allein schon deshalb weil es aktuell eine zentrale Referenz in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskussion uber Verschworungstheorien bildet und vermutlich auch kunftig bilden wird 6 Mediale Rezeption BearbeitenTobias Sedelmaier von der NZZ findet die Darstellung Butters erhellend Er arbeite Grundkonstanten der Verschworungstheorien heraus zu denen neben Heimlichkeit und Absicht als dritte Komponente ein absolutes manichaisches Gut Bose Schema gehore Am Anfang stehe stets die Frage cui bono Wem nutzt es Verschworungstheoretiker seien damit so Sedelmaier gedankliche Geisterfahrer die den Weg der Deduktion als Einbahnstrasse nutzen Das utopische Element dieser Theorien liege darin durch Vereinfachung der Tatsachen Komplexitatsreduktion den falschen Glauben zu erzeugen Menschen konnten aktiv etwas an den Verhaltnissen andern Die Reduktion einer sonst kaum aufzulosenden Komplexitat suggeriert Handlungsfahigkeit Wenn statt diffiziler geostrategischer kultureller und sozialer Prozesse in erster Linie Angela Merkel an der Fluchtlingskrise in Deutschland schuld ist so kann aktiv dagegen etwas unternommen werden etwa die Verweigerung ihrer Wahl Noch wesentlicher zur Bestimmung der Verschworungstheorien ist nach Sedelmaiers Auffassung die Fehleinschatzung zeitlicher und personeller Dimensionen Bestimmend sei hier der Glaube einzelne Akteure stunden hinter den Verschworungen und ihre Machenschaften konnten jahrzehntelang geheim gehalten werden 7 Helmut Mayer FAZ geht von der Migrationsthematik aus die er als Anlass zu Verschworungstheorien sieht und mahnt mit Butter zur Vorsicht hohe Umfragewerte zugunsten dieser Theorien fehlzuinterpretieren In Wirklichkeit druckten diese Werte oft nur Verunsicherung aus aber noch keine Zustimmung zu expliziten Theorien einer Gruppe untereinander verstandigter hinter den Kulissen agierender Strippenzieher Populistische Anprangerung von Eliten sei per se noch keine Verschworungstheorie Mayer schatzt Butters Untersuchung da sie fur solche Differenzierungen den Sinn scharfe Er stellt weiter dar dass Butter den Eindruck weitflachiger Zustimmung vor allem auf Effekte der Propagierung im Internet zuruckfuhrt und damit relativiert Die mediale Resonanz verschleiere dass Verschworungstheorien als ungerechtfertigte Wissensanspruche stigmatisiert seien wahrend sie bis in die ersten Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts zumindest in Europa und den Vereinigten Staaten als legitime Formen behaupteten Wissens auftreten konnten 8 9 Der Zeit Rezension von Tobias Haberkorn zufolge revidiert Butter ein Stuck weit die klassische Deutung des Konspirationsglaubens als eine r geistige n Pathologie wie sie Richard Hofstadter in seiner Schrift uber den paranoiden Stil entwickelt habe Verschworungstheorien seien fur Butter stigmatisiertes Wissen das wissenschaftlich nachweisbar falsch sei damit aber noch nichts uber die psychologische Funktion fur ihre Anhanger uber ihre kulturelle Bedeutung und ihre Geschichte aussage Verschworungstheoretiker verabsolutieren Butters Auffassung nach ubliche wissenschaftliche Vorgehensweisen auf vollig unrealistische Weise indem sie etwa die Einflussmoglichkeiten einzelner Personen oder Gruppen auf den Lauf der Geschichte uberschatzten Nichts geschieht durch Zufall oder tatsachliche Interdependenz zu totaler kausaler Determination ubertrieben Alles ist miteinander verbunden Der falsche Schein unfertiger Darstellungen von Sachverhalten sei fur Verschworungstheoretiker nicht Ausdruck von Unkenntnis sondern Tauschungsabsicht Nichts ist wie es scheint 10 Diese drei Eigenschaften wie auch die Typologie hatte schon Michael Barkun herausgearbeitet auf den sich Butter haufig bezieht 11 Butter unterscheide gefahrliche von ungefahrlichen Theorien und warne vor Verschworungspanik Uneinigkeit uber die Funktionsweise der Welt und der Gesellschaft gebe es auch zwischen Menschen die nicht an Verschworungstheorien glaubten und dies sei fur die Demokratie am Ende bedrohlicher 10 Verschworungstheorien seien ein Indiz fur die demokratiegefahrdende Fragmentierung der Gesellschaft 12 Nach Butter waren Verschworungstheorien in der Vergangenheit viel verbreiteter als heute sie seien ublicher Bestandteil offizieller Politik gewesen wie etwa Abraham Lincolns Theorie einer Verschworung der Sklavenhalter Philipp Schnee vom Deutschlandfunk stimmt dieser Darstellung grundsatzlich zu sie wirke jedoch stellenweise wie ein erster Entwurf Etwas kurz komme etwa die Frage wie verschworungstheoretisches Wissen funktioniert oder warum so viele Menschen Komplexitat und Unubersichtlichkeit nur schwer aushalten 13 In seinem Interview mit der Wirtschaftswoche vom 20 April 2018 fuhrte Butter aus bis in die 1960er Jahre seien Verschworungstheorien Teil des offentlichen Diskurses gewesen und jahrhundertelang von Eliten und Regierungen bewusst verbreitet worden danach seien sie in die Subkulturen abgewandert um heute vor allem elite und regierungskritisch uber das Internet verbreitet zu werden Dabei werde die Zahl der Anhanger heutiger Verschworungstheorien uberschatzt 1918 oder 1818 sei die Anhangerschaft von offiziellen Verschworungstheorien die vorwiegend von Regierungsseite aus verbreitet wurden im Vergleich zu den heutigen aus dem Internet viel grosser gewesen 14 Nahezu jeder US Prasident von Washington uber Lincoln bis Eisenhower war ein Verschworungsanhanger Das war fruher vollig etabliert zitiert die Welt am Sonntag aus Butters Werk 15 Verschworungstheorien lieferten in einem unubersichtlichen multikausalen und chaotischen Umfeld den Schlussel zu einem rar gewordenen Gut Gewissheit Wichtig sei Butter auch das Radikalisierungspotential in diesen Theorien und der kulturelle Bezug 15 Literatur BearbeitenMichael Butter Nichts ist wie es scheint Uber Verschworungstheorien Suhrkamp Berlin 2018 ISBN 978 3 518 07360 5 Einzelnachweise Bearbeiten Dorothee Riese Johannes M Kiess Michael Butter Nichts ist wie es scheint Verschworungstheorien In socialnet Rezensionen ISSN 2190 9245 14 Juni 2018 abgerufen am 19 Oktober 2018 Eva Marlene Hausteiner Butter Michael 2018 Nichts ist wie es scheint Uber Verschworungstheorien In Politische Vierteljahresschrift Band 59 Nr 4 1 Dezember 2018 ISSN 1862 2860 S 779 781 doi 10 1007 s11615 018 0117 5 Geoffrey Cubitt Conspiracy myths and conspiracy theories In Journal of the Anthropological Society of Oxford Band 20 1989 S 12 26 Andreas Anton Unwirkliche Wirklichkeiten Zur Wissenssoziologie von Verschworungstheorien Logos Berlin 2011 Andreas Anton Michael Schetsche Michael K Walter Hrsg Konspiration Soziologie des Verschworungsdenkens Springer Wiesbaden 2013 Stef Aupers Trust no one Modernization paranoia and conspiracy culture In European Journal of Communication Band 27 Nr 1 2012 S 22 34 David Coady Hrsg Conspiracy theories The philosophical debate Routledge London 2006 Matthew R X Dentith The philosophy of conspiracy theories Palgrave London 2014 Andreas Elter Die Kriegsverkaufer Geschichte der US Propaganda 1917 2005 Suhrkamp Frankfurt am Main 2005 George E Marcus Hrsg Paranoia within reason A casebook on conspiracy as explanation University of Chicago Press Chicago 1999 Jane Parish Martin Parker Hrsg The age of anxiety Conspiracy theory and the human sciences Blackwell Oxford 2001 Jack Bratich Conspiracy Panics Political Rationality and Popular Culture SUNY Press 2008 Andreas Anton Alan Schink Rezension zu Michael Butter 2018 Nichts ist wie es scheint Uber Verschworungstheorien In Zeitschrift fur Anomalistik Bd 19 2019 S 471 486 Tobias Sedlmaier Ich denke also spinn ich In NZZ 26 April 2018 ISSN 0376 6829 nzz ch abgerufen am 15 Januar 2019 Helmut Mayer Argumente helfen nicht Michael Butter kennt sich mit Verschworungstheorien aus In Frankfurter Allgemeine Zeitung 14 Marz 2018 Michael Butter Nichts ist wie es scheint Uber Verschworungstheorien Rezensionsnotizen In perlentaucher de Abgerufen am 15 Januar 2019 a b Tobias Haberkorn Verschworungstheorien Das mussen sie mir erst mal beweisen In Zeit Online 5 April 2018 abgerufen am 25 Dezember 2018 Michael Barkun Culture of Conspiracy Apocalyptic Visions in Contemporary America Berkeley University of California Press 2003 S 3 4 Nichts ist wie es scheint Uber Verschworungstheorien von Michael Butter Suhrkamp Insel Bucher Buchdetail Abgerufen am 19 Oktober 2018 Klappentext Philipp Schnee Michael Butter Nichts ist wie es scheint Wider besseres Wissen In Deutschlandfunk Kultur 26 April 2018 deutschlandfunkkultur de abgerufen am 19 Oktober 2018 Niklas Dummer Michael Butter Verschworungstheorien sind ein Riesengeschaft Interview mit Michael Butter In WirtschaftsWoche 20 April 2018 abgerufen am 19 Oktober 2018 a b Im Auge der Verschworung In Die Welt 1 Marz 2015 welt de abgerufen am 15 Januar 2019 Normdaten Werk VIAF 8224158792828139040009 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nichts ist wie es scheint amp oldid 235303326