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Matthias Knutzen auch Knuzen Knutsen Anfang 1646 in Oldenswort Nordfriesland Schleswig nach 1674 war ein deutscher Religionskritiker Er ist der erste namentlich bekannte Atheist in der europaischen Geistesgeschichte der Neuzeit 1 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Lehre 3 Quellen und Rezeption 4 Werke 5 Werkausgaben 6 Literatur 7 Weblinks 8 FussnotenLeben BearbeitenKnutzen war ein Sohn des Berend Knutzen Organist in Oldenswort in Eiderstedt und dessen Frau Elisabeth Elsebe Knutzens Vater starb noch im Jahr seiner Geburt Knutzen wurde von seinem alteren Bruder Johann Knutzen aufgenommen und aufgezogen der Organist in Konigsberg in Ostpreussen war und besuchte dort von 1661 bis 1664 das Altstadtische Gymnasium 1664 immatrikulierte er sich in Konigsberg und 1668 in Kopenhagen zum Theologiestudium Zwischendurch verdiente er sich an verschiedenen Orten etwas Geld als Hauslehrer 1673 erhielt er eine Stelle als Dorfschullehrer und Hilfsprediger in der Kremper Marsch in seiner schleswig holsteinischen Heimat Er wurde aber schon Ende Dezember 1673 wieder entlassen weil er in seinen Predigten die kirchliche Obrigkeit scharf kritisiert hatte Von dort begab er sich zu einem anderen Bruder nach Tonning Dass er im Februar 1674 in Rom gewesen sein soll wie die Datierung seiner Flugschrift Amicus Amicis Amica nahelegt ist vermutlich eine literarische Fiktion 2 Im September 1674 kam er nach Jena Dort verteilte Knutzen handgeschriebene Flugblatter Scharteken und Schriften mit atheistischem Inhalt Es kam zu einer Untersuchung durch die Stadt und die Universitat Jena Um nicht verhaftet zu werden wich Knutzen zunachst nach Coburg aus dann nach Altdorf bei Nurnberg und wurde am 22 Oktober 1674 ein letztes Mal in Jena gesehen Danach verliert sich seine Spur Johann Moller schrieb in seinem Schriftstellerlexikon Cimbria literata gedruckt 1744 dass Knutzen in einem italienischen Kloster gestorben sein solle doch ist diese Nachricht fragwurdig und wurde wahrscheinlich erfunden um sowohl Knutzen als auch die katholische Kirche zu diskreditieren 3 Lehre BearbeitenIn seinen drei Flugschriften aus dem Jahr 1674 behauptete Knutzen dass es eine Sekte bzw Gemeinschaft der Gewissener oder Conscientarier von lat conscientia Gewissen gebe Diese sollte an verschiedenen Orten Hamburg Jena Paris Amsterdam Rom u a bereits uber Mitglieder verfugen angeblich allein in Jena uber 700 Diese Angaben sind aber zu bezweifeln und die von Knutzen verbreitete Lehre der Gewissener war seine eigene Nach Knutzen gibt es keinerlei transzendente Grossen wie z B Gott unsterbliche Seelen oder ein Jenseits mit Lohn oder Strafe fur das irdische Leben Die Bibel sei wegen ihrer Widerspruche nicht glaubhaft Massstab fur das Handeln der Menschen sollten die Wissenschaft die Vernunft und das kollektive Gewissen sein das die Natur den Menschen mitgeteilt habe Deshalb sei auch die weltliche und kirchliche Obrigkeit uberflussig Reichtum sollte unter den Menschen gerecht verteilt werden Die oberste Regel sei Ehrlich leben niemandem Schaden zufugen und jedem das Seine geben lateinisch Honeste vivere neminem laedere suum cuique tribuere ein romischer Rechtsgrundsatz nach Ulpian Weiter bestritt Knutzen den Sinn der Ehe und pladierte fur die freie Liebe 4 nbsp Amicus Amicis Amica Abdruck bei Johannes Musaeus 1675In seinem auf lateinisch geschriebenen Brief Amicus Amicis Amica fasste Knutzen sein atheistisches Credo so zusammen 5 6 Insuper Deum negamus Magistratum ex alto despicimus Templa quoque cum omnibus Sacerdotibus rejicientes Ausserdem leugnen wir Gott wir verachten die Obrigkeit zutiefst und wir lehnen auch die Kirchen mit allen Pfarrern ab Knutzen wurde fruher auch als moglicher Verfasser der Schrift De tribus impostoribus genannt gilt der heutigen Forschung hierfur aber nicht mehr als Hauptverdachtiger Quellen und Rezeption BearbeitenKnutzen war offensichtlich vom Sozinianismus inspiriert daneben kannte er wohl Spinozas Tractatus theologico politicus der seit 1670 publik war 7 Weitere Einflusse sind schwer auszumachen und umstritten Nachweisbar ist aber dass Knutzen bis in unscheinbare Details hinein in der philosophischen Literatur bewandert war 8 Knutzens Ansichten erregten zunachst die heftige Abwehr von kirchlichen Autoren Im Jahr 1677 erschienen zwei Schriften gegen ihn In einer davon ereiferte sich z B der lutherische Theologe Tobias Pfanner 1641 1716 dass Knutzens Werk die Ruchlosigkeiten aller bis dahin bekannten Religionsfeinde ubertreffe 9 Pierre Bayle nahm Knutzen in sein Dictionnaire historique et critique auf 1697 weitere Ausgaben im 18 Jahrhundert Fur die Philosophen der Aufklarung wurde Knutzen damit der erste als Person fassbare Atheist Der Autor Raoul Schrott zitiert in seinem Gedichtband Die Kunst an nichts zu glauben 2015 aus einem fiktiven tatsachlich von ihm selbst erfundenen Manual der transitorischen Existenz das er in einer Bibliothek in Ravenna gefunden haben will und Matthias Knutzen zuschreibt 10 Werke BearbeitenEpistola amici ad amicum lateinisch Brief eines Freundes an einen Freund auch unter dem Titel Amicus Amicis Amica lateinisch Freundliche Wunsche eines Freundes fur seine Freunde angeblich Rom 1674 Gesprach zwischen einem Gastgeber und drei Gasten ungleicher Religion 1674 Gesprach zwischen einem Feldprediger namens Dr Heinrich Brummern und einem lateinischen Musterschreiber 1674 Werkausgaben BearbeitenM Knutzen ein deutscher Atheist und revolutionarer Demokrat des 17 Jahrhunderts Flugschriften und zeitgenossische sozialkritische Schriften Hrsg und eingeleitet von Werner Pfoh Akademie Verlag Berlin 1965 Matthias Knutzen Schriften Dokumente Hrsg von Winfried Schroder Frommann Holzboog Stuttgart Bad Cannstatt 2010 ISBN 978 3 7728 1656 7 Rezension von Till Kinzel Informationsmittel fur Bibliotheken PDF 26 kB Literatur BearbeitenPierre Bayle Matthias Knuzen In Dictionnaire historique et critique Ausgabe 1740 Bd 3 S 12 online hier Heiner Jestrabek Fruhe deutsche Religionskritik Matthias Knutzens Flugschriften Von den 3 Betrugern Moses Jesus Mohammed Reimarus Fragmente Freiheitsbaum edition Spinoza Reutlingen 2014 ISBN 978 3922589556 Dieter Lohmeier Knutzen Matthias In Olaf Klose Eva Rudolph Hrsg Schleswig Holsteinisches Biographisches Lexikon Bd 4 Karl Wachholtz Verlag Neumunster 1976 S 128f Dieter Lohmeier Knutzen Matthias In Neue Deutsche Biographie NDB Band 12 Duncker amp Humblot Berlin 1980 ISBN 3 428 00193 1 S 232 f Digitalisat Winfried Schroder Matthias Knutzen Flugschriften In Ursprunge des Atheismus Untersuchungen zur Metaphysik und Religionskritik des 17 und 18 Jahrhunderts Frommann Holzboog Stuttgart Bad Cannstatt 1998 ISBN 3 7728 1918 4 S 420 f Thomas Steensen Nordfriesland Menschen von A Z Husum Druck und Verlagsgesellschaft Husum 2020 ISBN 978 3 96717 027 6 S 233f Julius August Wagenmann Knutsen Matthias In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 16 Duncker amp Humblot Leipzig 1882 S 335 f Wolfgang Weber Knutzen Matthias In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 4 Bautz Herzberg 1992 ISBN 3 88309 038 7 Sp 190 193 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Weblinks BearbeitenRolf Cantzen Der erste Atheist der Neuzeit Matthias Knutzen SWR2 Wissen 9 August 2016 Manuskript der Sendung Fussnoten Bearbeiten Winfried Schroder in Matthias Knutzen Schriften Dokumente 2010 S 8 Dieter Lohmeier KNUTZEN Matthias In Schleswig Holsteinisches Biographische Lexikon IV S 128 Winfried Schroder in Matthias Knutzen Schriften Dokumente 2010 S 14 Cantzen Der erste Atheist der Neuzeit Manuskript S 7 10 Winfried Schroder in Matthias Knutzen Schriften Dokumente 2010 S 37 Zur Ubersetzung vgl Cantzen Der erste Atheist der Neuzeit Manuskript S 12 Cantzen Der erste Atheist der Neuzeit Manuskript S 8 Schroder Matthias Knutzen 1998 S 421 Schroder Matthias Knutzen 1998 S 420 Vgl Hannelore Schlaffer Bruchstucke einer atheistischen Konfession in NZZ vom 30 September 2015 1 sowie Eberhard Geisler Ein Dichter macht es sich leicht Hubsch ausgedacht aber sprachlich und theologisch zu leichtgewichtig Die Kunst an nichts zu glauben von Raoul Schrott in taz am Wochenende vom 28 11 2015 S 14 2 Normdaten Person GND 118777564 lobid OGND AKS LCCN nb2012022058 VIAF 27867499 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Knutzen MatthiasALTERNATIVNAMEN Knuzen MatthiasKURZBESCHREIBUNG deutscher Religionskritiker und AtheistGEBURTSDATUM 1646GEBURTSORT Oldenswort HolsteinSTERBEDATUM nach 1674 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Matthias Knutzen Theologe amp oldid 234924401