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Mit Manchesterkapitalismus wird eine wirtschaftsgeschichtliche Phase wahrend der industriellen Revolution in Grossbritannien bezeichnet Im Allgemeinen beschreibt der Begriff die Auswirkungen einer Wirtschaftspolitik die sich vorrangig an der Interessenslage der Unternehmer orientiert eine Regulierung des Staates verhindert und soziale Probleme ausklammert Der Manchesterkapitalismus gilt als Inbegriff fur Ausbeutung und Profitgier 1 Inhaltsverzeichnis 1 Historie 2 Abgrenzung zum Manchesterliberalismus 3 Wirkungsgeschichte 4 Literatur 5 EinzelnachweiseHistorie BearbeitenDer Wirtschafts Ploetz herausgegeben von Hermann Schafer und Hugo Ott definiert den Begriff des Manchesterkapitalismus als extreme Form des liberalistischen Kapitalismus v a der ersten Halfte des 19 Jh propagiert die freie Wirtschaft ohne jegliche staatliche Steuerung bei gleichzeitiger volliger Vernachlassigung der sozialen Frage Zeitgenossisch wird der Manchesterkapitalismus alternative Schreibweise Manchester Kapitalismus synonym fur eine grosse soziale Ungleichheit verwendet 2 3 4 5 6 nbsp Kinder bei der Arbeit in einer Baumwollfabrik England 1835 Friedrich Engels schildert in seinem Werk Die Lage der arbeitenden Klasse in England zahlreiche Missstande des wilden Kapitalismus 7 8 In seinem Werk verknupft Engels eine interdisziplinare qualitativ empirische Soziologie mit theoretischen Analysen Der Erfolg seiner Kritik an den Arbeitsbedingungen innerhalb der englischen Industrie resultierte aus der Besonderheit dass sie aus der burgerlichen Herzkammer des Systems kam 9 Engels kritisierte im Besonderen Kinderarbeit lange Arbeitszeiten von oftmals 12 bis sogar 14 Stunden willkurliche Behandlung Hungerlohne bzw Ausbeutung Schutzlosigkeit bei Arbeitsunfallen Armut von Alten Kranken und Schwachen nbsp Arbeiterinnen in einer Baumwollfabrik in Manchester ca 1830Auch die politische Interessenvertretung der Arbeiter und Arbeiterinnen wurde unterdruckt Die Chartisten kampften fur die Zulassung der Gewerkschaften und fur ein gleiches Wahlrecht fur Arbeiter Friedliche Versammlungen wie zum Beispiel 1819 am St Peter s Field in Manchester wurden brutal unterdruckt Peterloo Massaker mit funfzehn getoteten und 650 verletzten Arbeitern und Arbeiterinnen Die Verelendungserscheinungen verschwanden nach und nach als sich die Arbeiter Tarif oder Mindestlohne vertragliche Garantien im Krankheitsfall bei Arbeitsunfallen und bei Arbeitslosigkeit sowie eine Alters und Invalidenrente erkampft hatten Rechtlich besserte sich die Lage der Arbeiter aufgrund der vom englischen Parlament am 29 August 1833 erlassenen Fabrikgesetze Althorp s Act bzw Factory Act 8 10 Die Fabrikgesetze dienten dem Schutz der Arbeiter vor der Willkur der Unternehmer und beschrankten erstmals den Arbeitstag fur Kinder Der Factory Act of 1847 schrieb vor dass Frauen sowie Jugendliche zwischen dreizehn und achtzehn Jahren ab dem 1 Juli 1847 nur noch 63 Stunden ab dem 1 Mai 1848 nur noch 58 Stunden pro Woche arbeiten durften was einem taglichen Arbeitspensum von 10 Stunden pro Tag entsprach 10 Stunden pro Werktag 8 Stunden am Samstag 11 Die durch die Freihandelsbewegung ausgeloste Hoffnung die allgemeinen Lebensverhaltnisse der Fabrikarbeiter wurden sich durch aufgehobene Handelsschranken z B 1846 durch die Abschaffung der Corn Laws verbessern erfullte sich nicht die Lebensmittelpreise sanken nicht Eine Ursache dafur konnte jedoch auch die deutliche Zunahme der Bevolkerungszahl wahrend dieser Zeit sein der allerdings eine deutliche Zunahme der landwirtschaftlichen Ertrage gegenuberstand 12 Obgleich das Durchschnittseinkommen in Grossbritannien 1850 im Vergleich zu anderen europaischen Staaten recht hoch war war zugleich die Verelendung der Arbeiterklasse ausgepragter Abgrenzung zum Manchesterliberalismus BearbeitenDer Begriff des Manchesterkapitalismus ist nicht mit dem Manchesterliberalismus zu verwechseln Der Manchesterliberalismus auch Manchestertum oder als Manchesterschule bezeichnet definiert eine politische Stromung und Freihandelsbewegung in Grossbritannien im 19 Jahrhundert Diese Bewegung nahm in der Stadt Manchester ihren Ausgang Im englischen Sprachraum wird nicht zwischen den Begriffen Manchester Capitalism Manchester Liberalism Manchester School and Manchesterism unterschieden Der Grund in der unterschiedlichen Begriffsverwendung resultiert aus der Besonderheit dass das Werk Die Lage der arbeitenden Klasse in England von Friedrich Engels im deutschen Sprachraum eine ungleich starkere Wirkung erzielte und den Begriff des Manchesterkapitalismus inhaltlich massgeblich definierte Wirkungsgeschichte BearbeitenDie Soziale Lage der Arbeiterklasse fand zahlreichen Ausdruck in der zeitgenossischen Literatur z B bei Charles Dickens Die Verelendungserscheinungen regten zahlreiche Intellektuelle an z B William Lovett J R Stevens Feargus Edward O Connor Etienne Cabet Pierre Leroux Phillipe Joseph Buchez Louis Blanc Filippo Michele Buonarrotti Giuseppe Mazzini Babeuf Pierre Joseph Proudhon Ferdinand Lassalle oder Saint Simon Sie entwickelten Losungsvorschlage oft utopischer oder romantischer Natur oder regten Gesetzesinitiativen an Sozialistische Bewegungen bzw die Arbeiterbewegung und Gewerkschaften entstanden in Reaktion auf die sozialen Notlagen der Arbeiterklasse Es entstanden die katholische Arbeiterbewegung und christliche Gewerkschaften Der katholische Landtagsabgeordnete Joseph von Buss verlangte 1837 im Badischen Landtag eine Arbeiterschutzgesetzgebung Ein beruhmter Streiter fur die Arbeiterbewegung war der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler als Mitglied in der Frankfurter Nationalversammlung der sich vehement fur das Eigentumsrecht als blosses Nutzungsrecht einsetzte Zahlreiche katholische Arbeitervereine wurden gegrundet Wurttemberg Baden u a ebenso die Katholische Arbeitnehmer Bewegung KAB und die von Adolph Kolping gegrundeten Katholischen Gesellenvereine Burgerliche Sozialreformer wie Georg Heinrich Sieveking Caspar Voght oder Robert Owen versuchten mit zahlreichen teils utopischen Ideen der allgemeinen Verelendung der Arbeiter entgegenzuwirken Literatur BearbeitenKonrad Winckler Unternehmer in den politischen Theorien der Burgerschaft Rechte und Pflichtenorganisation der Wirtschaft in Region Nation und Europa LIT Verlag Munster Berlin London 2016 ISBN 3 643 13404 5 Hermann Schafer Hugo Ott Ploetz Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Lander vom fruhen Mittelalter bis zur Gegenwart Freiburg Wurzburg 1989 ISBN 3 87640 370 7 Einzelnachweise Bearbeiten Markus Hesselmann 1 Der Tagesspiegel vom 15 Marz 2008 Abgerufen am 3 Dezember 2020 Christian Jansen 2 tagesschau de vom 5 Mai 2018 Abgerufen am 3 Dezember 2020 Dieter Sattler 3 Frankfurter Neue Presse vom 21 August 2018 Abgerufen am 3 Dezember 2020 Joachim Frank 4 Frankfurter Rundschau vom 13 Oktober 2017 Abgerufen am 3 Dezember 2020 Jan Sternberg 5 Hannoversche Allgemeine vom 25 November 2017 Abgerufen am 6 Dezember 2019 Hanns Ostermann Martin Schulz 6 Deutschlandfunk Kultur vom 17 Januar 2008 Abgerufen am 6 Dezember 2019 Friedrich Engels Die Lage der arbeitenden Klasse in England In Karl Marx Friedrich Engels Werke Band 2 Dietz Verlag Leipzig 1845 mlwerke de a b Hans Peter Schwarz Manchesterkapitalismus Welt online vom 13 Juli 1996 Abgerufen am 6 Dezember 2019 Uwe Schneidewind Die Kraft der burgerlichen Systemkritik Spiegel online vom 28 November 2020 Abgerufen am 29 November 2020 Eddie Crooks The Factory Inspectors A Legacy of the Industrial Revolution Tempus 2005 ISBN 978 0 7524 3569 5 S 16 C W Cooke Taylor The Factory System and the Factory Acts S 88 Bundeszentrale fur politische Bildung 1848 1949 ein Jahrhundert der deutschen Geschichte Bibliographisches Institut amp F A Brockhaus AG Mannheim 1997 CD ROM Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Manchesterkapitalismus amp oldid 238597669