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Leon Szalet ursprunglich Chaim Jehudah Leib Chalette 9 April 1892 in Zelechow 2 Marz 1958 in Berlin war ein polnischer Immobilienmakler Er lebte ab 1921 in Berlin seine Flucht nach England im Jahre 1939 scheiterte Daraufhin wurde er ins KZ Sachsenhausen eingeliefert und dort massiven Misshandlungen ausgesetzt 1940 kam er dank der Bemuhungen seiner Tochter frei und konnte via Italien und Shanghai in die Vereinigten Staaten fluchten Szalet war einer der fruhesten Zeitzeugen der Verbrechen des Nationalsozialismus Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 1 1 237 Tage im Judenblock 1 2 Freilassung Flucht 1 3 Kein Friede den Frevlern 1 4 Krankheit Tod 1 5 Lebensweg der Tochter 2 Buch und Film 3 Bibliographie 4 Weblinks 5 Quellen 6 Literatur 7 EinzelnachweiseLeben und Werk Bearbeiten nbsp Gedenktafel am Klinkerwerk Oranienburg Lehnitzschleuse in OranienburgAls kleiner Junge ging Szalett mit seinen Eltern nach Warschau wo er die Schule besuchte und abschloss Danach betatigte er sich als Geschaftsmann heiratete und hatte eine Tochter Gitla Matla die 1914 in Paris geboren wurde als sich ihre Eltern dort vorubergehend aufhielten 1921 ging er nach Berlin betatigte sich als Immobilienmakler und entwarf im Jahr 1926 gemeinsam mit einem Freund dem Architekten Georg Breslauer vorgefertigte Hauser aus Stahl Die beiden suchten um Patente fur ihre Innovation an die auch in verschiedenen Industrienationen bewilligt wurden 1936 wurden seine und Breslauers Modellhauser im Rahmen der Olympia Bauausstellung in London gezeigt Die zunehmend aggressive Aussenpolitik des NS Regime verhinderte weitere Kooperationen mit dem Ausland Kurz vor Kriegsausbruch so berichtet Nikolaus Wachsmann unternahm er einen gewagten Versuch Deutschland zu verlassen Am 27 August 1939 bestieg er ohne Visum ein Flugzeug nach London langte auch dort an wurde jedoch von pflichteifrigen britischen Grenzbeamten zuruckgewiesen 1 Am 13 September 1939 wurde er von der Gestapo in Berlin verhaftet und gemeinsam mit weiteren funfhundert polnischen Juden die in Deutschland lebten ins KZ Sachsenhausen deportiert 237 Tage im Judenblock Bearbeiten Szalet war einer von funfhundert polnischen Juden die von Berlin aus im Jahr 1939 ins KZ Sachsenhausen bei Oranienburg verschleppt wurden In seinem Bericht achtete er auf jedes Detail nichts sollte in Vergessenheit geraten Die Einwohner Oranienburgs empfingen die Haftlinge mit Beschimpfungen sie warfen mit Steinen und Kot Vor Hitler war die kleine Stadt mit 25 000 Einwohnern unbekannt Seit aber deutsche Todesmuhlen dort errichtet wurden ist der Ruhm Oranienburgs weit uber die Grenzen Deutschlands in alle Welt gedrungen Ein SS Blockfuhrer lief auf seinen mit Nageln beschlagenen Stiefeln uber die Rucken der Haftlinge der Baracke 38 Wie mein Korper brannte Ich war nicht mehr Haut Fleisch und Knochen erinnerte sich Szalet Ich war eine einzige Wunde in der ein Feuer sass und brannte 2 Eingebrannt ins Gedachtnis haben sich Bilder der Blumenbeete hinter den Baracken von halb verhungerten Haftlingen sorgsam gepflegt Wahrend vieler schlafloser Nachte beschaftigte mich der tragische Widerspruch zwischen den lieblichen Blumenbeeten und der verbrechengetrankten Atmosphare des Lagers und raubte mir die Ruhe Das wir aber zur Aufzucht unserer Grabesblumen beisteuern mussten das war mehr als Ironie Szalet beschreibt minutios das Lagerleben die Wachhauschen bestuckt mit Maschinengewehren und Scheinwerfern das Steinhaus der Kommandantur den Stacheldraht unter Strom die stets wachsende Barackenstadt und wie SS Manner Leichen uber den Appellplatz kickten 2 Trotz Krankheit meldete er sich zur Arbeitsbrigade Klinker in der Menschen wie Fliegen starben Er wollte alles gesehen haben um Bericht erstatten zu konnen Dass bei der Abrechnung wenn die Frevler zu Kreuze kriechen und um Gnade betteln wurden diese Beobachtungen mit in die Waagschale geworfen werden konnten Ubereinstimmend berichten alle Haftlinge uber die Kraft des gesungene n Gebets Kol Nidre in den Lagern Plotzlich wurde die bedruckende Stille durch eine traurige Melodie unterbrochen Es war der klagende Klang des alten Kol Nidre Gebets 3 Der Schmerz von damals blieb Szalet erhalten bis zu seinem Tod vor allem der Schmerz keine Sprache fur Erlebtes finden zu konnen Wo gibt es Worte fragte er sich Wo kann man Farbe und Pinsel Marmor und Meissel finden um diese Totenprozession wiederzugeben Freilassung Flucht Bearbeiten Aufgrund intensiver Bemuhung seiner Tochter wurde Leon Szalet am 7 Mai 1940 entlassen Vater und Tochter reisten umgehend nach Italien und erreichten dort die SS Conte Verde das letzte Schiff nach Fernost Nach dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 wurden weitere Transporte nach Asien unmoglich Szalet gelangte nach Shanghai und blieb dort bis Oktober 1941 bis das Einreisevisum fur die Vereinigten Staaten eintraf Am 23 Oktober 1941 kam er in San Francisco an In den USA versuchte er fruhere Vertrage zu erneuern und sein Geschaft neu aufzubauen In den Jahren 1942 bis 1944 wahrend die Massenvernichtung der europaischen Juden auf polnischem Territorium ihren Hohepunkt erreichte schrieb Szalet entsprechend seinem Gelubde seinen Bericht uber seine Zeit im KZ Sachsenhausen und uber die Torturen die die Haftlinge dort erleiden mussten Die detaillierten Beschreibungen der Verbrechen von Funktionshaftlingen und SS Blockfuhrern sollten auch der kunftigen Strafverfolgung der Tater dienen 4 Kein Friede den Frevlern Bearbeiten Szalet beschreibt das Lagerleben minutios das Steinhaus der Kommandantur die Wachhauschen bestuckt mit Scheinwerfern und Maschinengewehren den Stacheldraht unter Strom die immer weiter wachsende Barackenstadt und wie die SS Manner die Leichen uber den Appellplatz kickten 2 Nichts sollte in Vergessenheit geraten Er meldete sich trotz Krankheit zur Arbeitsbrigade Klinker die eine hohe Todesrate hatte 5 Er wollte alles sehen um davon berichten zu konnen Dass bei der Abrechnung wenn die Frevler zu Kreuze kriechen und um Gnade betteln wurden diese Beobachtungen mit in die Waagschale geworfen werden konnten 2 Juliane Brauer beschreibt das Werk wie folgt Der Uberlebensbericht Szalets uberzeugt vor allem durch seine sprachliche Eindringlichkeit und seine zeitnahe Intensitat Als Augenzeuge dokumentierte Szalet die wohl schlimmsten Monate fur die judischen Gefangenen im KZ Sachsenhausen vom September 1939 bis zum Fruhjahr 1940 Obwohl nicht als Tagebuch entstanden erweckt die Detailgenauigkeit und die innere Vergegenwartigung des Geschehens vor allem aber die tatsachlich tageweise Beschreibung der ersten und grausamsten 17 Tage in den judischen Baracken den Eindruck dass der Bericht aus zeitgleich entstandenen Notizen hervorging So steht er in seinen plastischen Schilderungen des emotionalen und korperlichen Leidens der Gefangenen dem Tagebuch des norwegischen Gefangenen Odd Nansen in nichts nach 4 Der Bericht erschien Anfang 1946 in einer gekurzten englischen Fassung unter dem Titel Experiment E Report from an Extermination Laboratory 4 wobei E fur Extermination steht und hiermit die Kontinuitat der Vernichtung in deutschen wie polnischen Lagern nachgezeichnet werden soll Uber die deutsche Ausgabe von 2006 schrieb die taz Wie der Kontrast zwischen den friedlichen Bildern und den Grausamkeiten des Berichteten schmerzt so tut es auch die literarische Qualitat von Szalets Zeugnis die Poesie seiner Sprachbilder 6 Krankheit Tod Bearbeiten Nach dem Untergang des NS Regimes verlangte Szalet Entschadigung fur den Vermogensverlust in Berlin Es gelang ihm die Ruckgabe eines Gebaudes zu erwirken Eine Veroffentlichung seines Zeitzeugenberichts in deutscher Sprache in der Sprache in der der Text verfasst worden war konnte trotz vielfaltiger Bemuhungen zu seinen Lebzeiten nicht realisiert werden Das Buch wurde erst 61 Jahre nach dem Untergang des NS Regimes veroffentlicht 48 Jahre nach seinem Tod Im Jahr 1957 reiste Szalet durch Europa Er besuchte Osterreich Frankreich England und Deutschland Gesundheitliche Probleme erzwangen Aufenthalte in Sanatorien in Osterreich und England Die Nachwirkungen der KZ Haft waren spurbar Er starb Anfang Marz des Folgejahres in Berlin Lebensweg der Tochter Bearbeiten Gitla Matla Szalet spater Madleine Lejwa Chalette heiratete im Jahr 1947 den polnischen Biochemiker Arthur Lejwa Das Paar eroffnete eine Galerie in Manhattan und wurde in den 1950er Jahren zu erfolgreichen Kunsthandlern Die Galerie Chalette benannt nach dem ursprunglichen Namen ihres Vaters wurde von der Tochter 1972 geschlossen nachdem ihr Ehemann gestorben war Sie war jedoch weiterhin als Consultant fur Sammler und Museen tatig forderte den Studienzweig fur Biochemie an der Hebrew University und Ausgrabungsarbeiten der New York University in Aphrodisia und war Patronin der Metropolitan Opera in New York Sie starb kinderlos 1996 in Manhattan 7 Die Sammlung des Ehepaares The Arthur and Madeleine Chalette Lejwa Collection befindet sich im Israel Museum Das Vermachtnis enthalt Werke von Hans Arp Julio Gonzalez und Pablo Picasso 8 Weitere Schenkungen gingen bereits zu Lebzeiten an das Metropolitan Museum of Art in New York und an die National Gallery of Art in Washington Buch und Film BearbeitenEine Kopie des Originalmanuskripts von Leon Szalet gelangte in den 1990er Jahren in das Archiv der Gedenkstatte Sachsenhausen Diese erstellte im Jahr 2006 eine sorgfaltig edierte und kommentierte Ausgabe knapp 50 Jahre nach dem Tode des Dokumentaristen liegt nun sein Vermachtnis der Offentlichkeit vor 4 Allerdings wurde nicht der ursprungliche Titel gewahlt sondern Baracke 38 und der Untertitel 237 Tage in den Judenblocks des KZ Sachsenhausens Die Baracke 38 hat in dreierlei Hinsicht einen besonderen historischen Stellenwert Sie steht als eine der drei sogenannten Judenbaracken symbolhaft fur die Sonderbehandlung judischer Insassen im KZ Sachsenhausen sie wurde 1992 durch einen rechtsradikalen Brandanschlag nahezu vollstandig zerstort und heute befindet sich darin die Dauerausstellung uber judische Haftlinge in Sachsenhausen 4 Erst 2011 fand der vom Autor gewahlte Titel des Manuskripts Kein Friede den Frevlern Verwendung jedoch nicht fur eine Buchpublikation sondern fur einen Essayfilm von Mikko Linnemann der 2011 entstand und den literarischen Uberlebensbericht des Haftlings Leon Szalet mit Bilder und Tonen der beschriebenen Orte aus der Entstehungszeit des Filmes kontrastierte 2 9 Bibliographie BearbeitenLeon Szalet Keine Friede den Frevlern Manuskript aus den Jahren 1942 bis 1944 englische gekurzte Ausgabe Experiment E Report from an Extermination Laboratory 1946 deutsche Ausgabe Baracke 38 237 Tage in den Judenblocks des KZ Sachsenhausens Ediert kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Winfried Meyer Vorwort von Paul Spiegel Als Band 3 der Reihe UberLebenszeugnisse hg von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstatten Metropol Verlag Berlin 2006 ISBN 978 3 938690 11 6 Kein Friede den Frevlern D 2011 Regie Mikko Linnemann Sprecher Michael Mendl Musik Heinz Rottger Sascha Neudeck und Katharina Katter Michal Jacaszek 40 Minuten Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Leon Szalet Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienQuellen BearbeitenLeo Baeck Institut Guide to the Papers of Leon Szalet 1892 1958 1914 1996 AR 10587 MF 944 processed by Johanna Schlicht letzte Anderungen 2005 und 2009 abgerufen am 16 August 2016 Die Bestande bestehen aus I Personlichen Dokumenten II Manuskripten III Reviews IV Vertragen und Copyrights V Korrespondenzen VI Stahlhausern VII Grundbesitz in Berlin VIII Zeitungsausschnitten IX Fotografien und X Gemischten Materialien Nikolaus Wachsmann KL Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Munchen Siedler Verlag 2016 ISBN 978 3 88680 827 4 S 273f 280 798f und 945 Die Materialien wurden auf vier Mikrofilmen gesichert Reel 1 1 1 1 4 Reel 2 1 5 1 22 Reel 3 1 23 2 20 Reel 4 2 21 2 41Literatur BearbeitenThomas Rahe Hore Israel Judische Religiositat in nationalsozialistischen Konzentrationslagern Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1999 ISBN 3 525 01378 7 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Einzelnachweise Bearbeiten Wachsmann S 273 a b c d e Sonja Vogel Wo gibt es Worte Die Tageszeitung Berlin 5 November 2012 abgerufen am 15 August 2016 Thomas Rahe Hore Israel Judische Religiositat in nationalsozialistischen Konzentrationslagern Vandenhoeck amp Ruprecht 1999 S 156 a b c d e Juliane Brauer L Szalet Baracke 38 237 Tage in den Judenblocks des KZ Sachsenhausens Rezension fur H Soz Kult 5 April 2007 abgerufen am 15 August 2016 Siehe auch Klinkerwerk Oranienburg Sonja Vogel Wo gibt es Worte in Tageszeitung Berlin 5 November 2012 abgerufen am 30 Oktober 2016 Rita Reif Madeleine Chalette Lejwa 81 Art Collector Dealer and Donor Orbituary The New York Times 12 Juni 1996 abgerufen am 16 August 2016 Israel Museum Dada Surrealism and their Legacies in the Israel Museum abgerufen am 16 August 2016 Kein Friede den Frevlern Website der Gegenfeuer Produktionen abgerufen am 16 August 2016 Normdaten Person GND 117391417 lobid OGND AKS LCCN nr2002033483 VIAF 10622207 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Szalet LeonALTERNATIVNAMEN Chalette Chaim Jehudah Leib ursprunglicher Name KURZBESCHREIBUNG polnischer Immobilienmakler und Uberlebender des HolocaustGEBURTSDATUM 9 April 1892GEBURTSORT ZelechowSTERBEDATUM 2 Marz 1958STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Leon Szalet amp oldid 203398746