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Die Laryngaltheorie der Indogermanistik erklart bestimmte Unregelmassigkeiten in Lautverschiebungen und Ablautreihen der Einzelsprachen durch die Wirkung sogenannter Laryngale Der Begriff Laryngal bzw Laryngallaut ist der Semitistik entnommen Dort bezeichnet er traditionell Rachen oder Kehlkopflaute die man in der modernen Phonetik als pharyngal oder glottal einstuft und die auf benachbarte Vokale koartikulativ farbende Wirkungen haben wahrend sie selbst teilweise zur abgeschwachten Aussprache oder diachronisch zum volligen Verschwinden neigen Aufgestellt hat sie in abstrakter Form Ferdinand de Saussure 1879 1 De Saussure ging davon aus dass jener in wichtigen archaischen athematischen Verbalbildungen sehr haufige Langvokal a des Altindischen der in seiner Nullstufe als i dha stellen aber hita gestellt stha stehen aber sthita gestanden oder da geben aber dita gegeben erscheint regelhaft aus der Verbindung von e mit einem Laut entstanden ist der zwar in den bis dahin uberlieferten Sprachen sonst keine Spuren hinterlassen hatte aber in nullstufigen Wortformen zwischen Plosiven sonantisiert wurde und in dieser vokalischen Form wie jeder andere Vokal auch im Rahmen der einschlagigen Lautgesetze weiterexistierte Im dem Altindischen isoglottisch sehr nahestehenden Griechischen fand de Saussure mehr als eine exakte Bestatigung namlich eine prazise Aufteilung in e e a a und ō o Vokalismus die auf drei verschiedene Laute schliessen lasst bei denselben Wurzeln und mit denselben Bedeutungen so dass altind dha genau griech 8h altind hita genau griech 8etos altind stha genau griech sth stᾱ altind sthita genau griech statos altind da genau griech dw und altind dita genau griech dotos entsprachen Im Latein entsprechen altind stha latein sta altind sthita latein status altind da latein dō etwa in dōnum Geschenk und altind dita latein datus Als man spater bemerkte dass die sogenannten Laryngallaute der semitischen Sprachen phonetisch betrachtet also die Pharyngal und Glottal Laute sich ganz ahnlich verhalten wie die von Saussure postulierten Laute begann man diese ebenfalls als Laryngale zu bezeichnen Vermutungen uber die phonetische Realisation der voreinzelsprachlichen indogermanischen Laryngale stutzen sich auch heute noch wesentlich auf das Vorbild der dementsprechenden semitischen Laute Die Laryngaltheorie ist nach fruherem Streit inzwischen durchweg anerkannt Im Einzelnen werden phonologisch entsprechend dem griech Befund der die oben genannte Dreiteilung in e e a a und ō o Vokalismus manifestiert drei Laryngale postuliert die konsonantisch als h h h oder sonantisch als e e e notiert werden Strukturell ergeben sich damit fur vgl oben Reihenfolge altind griech latein im Falle der Wurzel dʰeh sind die latein Folgeformen leicht verdunkelt dha und 8h eine Form dʰeh fur hita und 8etos ein Rekonstrukt dʰe to fur stha sth stᾱ und sta eine Form steh fur sthita statos und status ein Rekonstrukt ste to fur da dw und dō eine Form deh und fur dita dotos und datus ein Rekonstrukt de to Ist nicht bekannt welcher der drei Laryngale im Rekonstrukt angesetzt werden muss wird ein solcher Laryngal heutzutage durch das Coversymbol H oder einfach h ohne Indexziffer symbolisiert Uber die genaue Aussprache dieser Laryngale sind sich die Phonologen nicht einig 2 Inhaltsverzeichnis 1 Beispielhafte Entwicklungen in den idg Einzelsprachen 2 Schwa indogermanicum 3 Einzelnachweise 4 LiteraturBeispielhafte Entwicklungen in den idg Einzelsprachen BearbeitenIm Altgriechischen wirkten sich die indogermanischen Laryngale so aus dass in ihren sonantischen Varianten die allerdings immer dann wenn es nur moglich war realisiert wurden h durch e h durch a und h durch o fortgesetzt wurden bzw unter Ersatzdehnung postvokalisch geschwunden sind h ln gʷʰ u s gt elakʰys ἐlaxys gering ph tḗr gt patḗr pathr Vater h d jo gt ozdō ὄzw ich rieche zu den entstehenden Langvokalen vgl oben 8h sth stᾱ und dw Im Hethitischen wurde h in allen Positionen sowie h im Anlaut als Laryngal transliteriert ḫ fortgesetzt idg peh ṷr gt heth paḫḫur Feuer Diese Beobachtung konnte nach der Entzifferung des Hethitischen der bislang altesten uns schriftlich bekannten indogermanischen Sprache im Jahr 1929 gemacht werden und sie wird oft als praktische Bestatigung von Saussures Theorie angefuhrt Tatsachlich war sie aber eher ein Hindernis bei der Durchsetzung der Laryngaltheorie 3 In heutigen Darstellungen wird die Laryngaltheorie meist mit Belegen aus dem Altgriechischen begrundet Daruber hinaus gehen manche Indogermanisten davon aus dass sich die komplizierten Ablautsysteme z B e i a gehe ging gegangen der Tochtersprachen aus wenigen Vokalen vielleicht sogar nur einem einzigen Vokal herleiten lassen Von anderen Forschern werden solche Versuche jedoch als willkurliche zauberstab laryngalistische Erklarungen abgelehnt 4 Schwa indogermanicum BearbeitenVor und in der ersten Zeit nach der Entdeckung wurde in vielen Fallen das Schwa indogermanicum konsonantisch e sonantisch e dieses vor allem in Worterbuchern vor dem Aufkommen der Laryngalhypothese notiert Fur dieses e findet sich in gewissen Kontexten auch die Notierung h Es ist in fast allen Einzelsprachen als a fortgesetzt im Indoiranischen als i und im Griechischen in dieser prazisen die Laryngalqualitat in sehr vielen Fallen mit Sicherheit bestimmenden dreifachen Aufteilung e a und o Einzelnachweise Bearbeiten Ferdinand de Saussure Memoire sur le systeme primitif des voyelles dans les langues indo europeennes B G Treubner Leipzig 1879 Zu einigen Ansatzen fur die phonetischen Lautwerte der Laryngale siehe die Beitrage zur On the phonetics of the Indo European Laryngeals In Jens Elmegard Rasmussen und Benedicte Nielsen Hrsgg In Honorem Holger Pedersen Kolloquium der Indogermanischen Gesellschaft vom 26 28 Marz 1993 in Kopenhagen Hrsg von Dr Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden 1994 S 433 466 Manfred Mayrhofer Die Hauptprobleme der indogermanischen Lautlehre seit Bechtel Verl der Osterr Akad der Wiss Wien 2004 Sitzungsberichte der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Philosophisch Historische Klasse 709 S 20f Stefan Schaffner Das Vernersche Gesetz und der innerparadigmatische grammatische Wechsel des Urgermanischen im Nominalbereich Innsbrucker Beitrage zur Sprachwissenschaft 103 Institut fur Sprachen und Literaturen der Universitat Innsbruck Innsbruck 2001 S 57 Literatur BearbeitenAlfred Bammesberger Hrsg Studien zur Laryngaltheorie Festschrift fur Rudolf Mosis zum 10 Oktober 1983 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1984 Alfred Bammesberger Hrsg Die Laryngaltheorie und die Rekonstruktion des indogermanischen Laut und Formensystems Winter Heidelberg 1988 John H W Penney Laryngeals and the Indo European root S 361 372 R S P Beekes The Development of the Proto Indo European Laryngeals in Greek Mouton Den Haag Paris 1969 R S P Beekes The nature of the Proto Indo European laryngeals In Theo Vennemann Hrsg The New Sound of Indo European Essays in Phonological Reconstruction Mouton de Gruyter Berlin New York 1989 S 23 33 Martin Kummel Konsonantenwandel Bausteine zu einer Typologie des Lautwandels und ihre Konsequenzen fur die vergleichende Rekonstruktion Reichert Wiesbaden 2007 S 327 336 Fredrik Otto Lindeman Einfuhrung in die Laryngaltheorie Walter de Gruyter Verlag Berlin 1968 neue auf Englisch ubers Aufl Introduction to the laryngeal theory Norwegian University Press Oxford University Press Oslo Oxford 1987 Nachdruck Institut fur Sprachwissenschaft der Universitat Innsbruck 1997 Manfred Mayrhofer Die Fortsetzung der indogermanischen Laryngale im Indo Iranischen VOAW Wien 2005 ISBN 3 7001 3476 2 Michael Meier Brugger Indogermanische Sprachwissenschaft 9 Auflage de Gruyter Berlin 2010 ISBN 978 3 11 025143 2 L 314 ff Stefan Muller Zum Germanischen aus laryngaltheoretischer Sicht mit einer Einfuhrung in Grundlagen der Laryngaltheorie de Gruyter Berlin New York 2007 Martin Peters Untersuchungen zur Vertretung der indogermanischen Laryngale im Griechischen VOAW Wien 1981 Jens E Rasmussen Determining proto phonetics by circumstantial evidence the case of the Indo European laryngeals In Fr Karlsson Hrsg Papers from the Seventh Scandinavian Conference of Linguistics University of Helsinki Helsinki 1983 S 371 384 Jens E Rasmussen Hrsg In Honorem Holger Pedersen Kolloquium der indogermanischen Gesellschaft vom 25 bis 28 Marz 1993 in Kopenhagen Reichert Wiesbaden 1994 R S P Beekes Who were the laryngeals S 449 454 Jost Gippert Zur Phonetik der Laryngale S 455 466 Michael Job Bemerkungen zur Diskussion uber die Phonetik der idg Laryngale S 419 431 Jens E Rasmussen On the phonetics of the Indo European laryngeals S 433 447 Helmut Rix Historische Grammatik des Griechischen Laut und Formenlehre Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1967 2 korr Aufl 1992 leicht zu lesen und viele allgemein anerkannte Beispiele ISBN 3 534 03840 1 Ferdinand de Saussure Memoire sur le systeme primitif des voyelles dans les langues indo europeennes B G Teubner Leipzig 1879 Nachdruck Olms Hildesheim 1972 Peter Schrijver The Reflexes of the Proto Indo European Laryngeals in Latin Rodopi Amsterdam Atlanta 1991 ISBN 978 90 5183 308 9 Harald Wiese Eine Zeitreise zu den Ursprungen unserer Sprache Wie die Indogermanistik unsere Worter erklart Logos Verlag Berlin 2007 ISBN 978 3 8325 1601 7 Werner Winter Hrsg Evidence for Laryngeals 1 Auflage University of Texas Austin 1960 2 Auflage Mouton Den Haag 1965 Nicholas Zair The Reflexes of the Proto Indo European Laryngeals in Celtic Brill Boston Leiden 2012 Ladislav Zgusta The laryngeal and glottalic theories In Sylvain Auroux u a Hrsgg History of the Language Sciences 3 Teilband De Gruyter Berlin 2006 S 2462 2478 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Laryngaltheorie amp oldid 207724314