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Das Lanzenblatt von Kowel auch Speerspitze von Kowel genannt ist ein archaologischer Fund aus dem Jahr 1858 benannt nach dem Fundort im ukrainischen Kowel Das Artefakt wird auf das dritte Jahrhundert n Chr datiert und nimmt aufgrund seiner Inschrift einen wichtigen Stellenwert im Kontext der historischen Sprachwissenschaft ein Bei den Schriftzeichen handelt es sich zweifelsfrei um altgermanische Runen Als tilarids transliteriert ist die aus einem Wort bestehende Runeninschrift einem ostgermanischen Dialekt zuzuordnen Die etymologisch naheliegende und allgemein anerkannte Ubersetzung des Wortes ist Zielreiter Eine Interpretation der kulturell historischen Bedeutung der Inschrift lasst dagegen mehr Spielraum offen Seit 1945 ist das Lanzenblatt von Kowel verschollen Inhaltsverzeichnis 1 Der Inschriftentrager 2 Transliteration der Inschrift 3 Erlauterung der Inschrift 4 Verzierungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseDer Inschriftentrager BearbeitenDa das archaologische Artefakt als solches seit dem Zweiten Weltkrieg als verloren deklariert wurde gibt es nur wenige Informationen uber den Inschriftentrager und seinen historischen Zusammenhang Ein Abguss aus dem Jahre 1880 des Berliner Museums fur Vor und Fruhgeschichte ist gleichermassen verschollen Wer den Gegenstand zu welchen Zwecken verwendete oder von wem er hergestellt wurde bleibt unbeantwortet Das Lanzenblatt besteht aus Eisen und weist eine Lange von 15 5 cm auf Die breiteste Stelle misst 3 cm Auf der Speerspitze sind Symbole sowie acht unverkennbare Runenzeichen in Silbertauschierung eingelegt Transliteration der Inschrift Bearbeiten nbsp Inschrift auf dem Lanzenblatt von Kowel In der Forschung wird die Inschrift transliteriert als ᛏ ᛁ ᛚ ᚨ ᚱ ᛁ ᛞ ᛊ tilaridsAuf dem Artefakt konnen von rechts nach links gelesen zunachst sechs der acht vorhandenen Zeichen zweifelsfrei dem alteren Futhark zugeordnet werden Anlass zur Spekulation geben einzig die Zeichen 1 und 7 die jedoch im Gesamtkontext ebenfalls eine Zuteilung zur gemeingermanischen Runenreihe erlauben Ausnahmen und Eigenheiten wie im Fall der Speerspitze von Kowel sind ebenso in anderen Inschriften zu beobachten Eine normierte Schreibkonvention wie man sie heute kennt kann fur Runeninschriften ohnehin nicht geltend gemacht werden Im vorliegenden Fall lassen sich die Anomalien in der Schrift nachvollziehbar erklaren Zeichen 1 ist als t Rune mit hochgeklappten Staben zu lesen Zwar wurden von Forschern unterschiedliche Ansatze zur Deutung des Zeichens unternommen doch uberzeugt am Ende die plausible Interpretation als ᛏ Unter Berucksichtigung dieses Schreibstils lasst sich die Rune 7 in logischer Abhangigkeit als d Rune erklaren Die beim klassischen Futhark von der Mitte nach unten resp nach oben gerichteten eckigen Stabe der Rune ᛞ wurden beim Lanzenblatt von Kowel in hochgeklappter Variante realisiert und erklaren so die rechteckige Schreibvariante In der Runologie gilt diese Lesung als allgemein akzeptiert Erlauterung der Inschrift BearbeitenBeim Lanzenblatt von Kowel steht die Interpretation des sprachlichen Materials im Interessenfokus Die generell vertretene Transkription als tilarids lasst eine schlussige sprachliche Bestimmung auf Ebene der Morphologie und Semantik zu die damit auch in einem etymologischen Zusammenhang geltend gemacht werden kann Linguistisch lasst sich das Wort tilarids als Kompositum aus den Teilen tila und rids bestimmen Der zweite Bestandteil rids gibt als Trager der grammatischen Informationen Auskunft uber die sprachliche Zuordnung des Wortes Ausgangspunkt der Bestimmung ist im Fall einer Rune ein germanischer Dialekt Die Endung ds spricht fur eine wahrscheinliche Sprachstufe des Gotischen oder generell fur einen ostgermanischen Dialekt bei dem von einer entsprechenden morphologischen Endung ausgegangen werden muss Ein ostgermanischer Auslaut ds wird unter Berucksichtigung der entsprechenden Lautgesetze Synkope und Auslautverhartung auf eine germanische Vorform daz zuruckgefuhrt Fur rids wird demnach eine Form germ ridaz mit der Bedeutung Reiter rekonstruiert die grammatisch als Verbalnomen genauer als Nomen Agentis funktioniert und sich als Bildung aus germ reid a reiten erklaren lasst Diese Form ist eine direkte etymologische Entsprechung zum neuhochdeutschen reiten lt althochdeutsch ritan und lasst sich weiter mit den Kognaten aus den verwandten germanischen Sprachen vergleichen Der erste Teil tila kann als Substantiv in systematischer Entsprechung dem Etymon germ tila resp tilaz als Nominativ Singular zugeordnet werden das noch im althochdeutschen zil Ziel greifbar ist In der gotischen Sprache ist eine Entsprechung nur in der Verbalform gatilōn erzielen erreichen in gatils passend oder and tilōn zum Ziel nehmen belegt 1 Auf der Grundlage dieser Belege ware von einer gotischen Rekonstruktion tils Ziel als neutraler a Stamm auszugehen Die beim Lanzenblatt von Kowel effektiv vorliegende Form tila kann anhand dieser Annahmen als Dativ Singular gelesen werden Die genauere Bedeutung des Erstgliedes des Kompositums gibt sich somit als dem Ziel oder zum Ziel zu verstehen Anhand dieser Erlauterungen wird die Interpretation von tilarids als Zielreiter im Sinne von der zum Ziel Reitende linguistisch plausibel Die sprachliche Bestimmung lasst dagegen die kultur historische Bedeutung der Inschrift offen Der Runologe Klaus Duwel interpretiert die Rune als eine magisch poetische Waffenbezeichnung mit der die Lanze in ihrer Funktion als Reiter auf ein Ziel die gegnerischen Schutzwaffen und deren Trager charakterisiert wird 2 Dass mithilfe einer Inschrift dem Gegenstand eine entsprechende Funktion ubertragen werden sollte lasst sich auch an anderen Beispielen beobachten Beim Lanzenblatt von Dahmsdorf mit der Inschrift ranja Anrenner konnen zusammenhangende Vergleiche angestellt werden Ebenfalls denkbar ware die Interpretation der Inschrift als Personenname vgl altenglisch Tilred 3 Germanische Personennamen waren in der Vollform mehrheitlich Komposita Verzierungen BearbeitenAbseits des sprachhistorischen Kontextes vom Lanzenblatt von Kowel sind fur die Archaologie Kultur und Kunstgeschichte die auf dem Artefakt getatigten Symbole und Verzierungen von moglicher Bedeutung Es handelt sich bei den Symbolen aus der jungeren romischen Kaiserzeit um sarmatische Zeichen und einheimische Heilzeichen Auf dem Lanzenblatt von Kowel befinden sich Doppelhaken Vierwirbel oder Swastika Halbmond Punktkreise sowie ein Zeichen in Form eines Y uber dem zwei V liegen Literatur BearbeitenWilhelm Braune Frank Heidermanns Gotische Grammatik Mit Lesestucken und Worterverzeichnis 20 Auflage neu bearbeitet von Frank Heidermanns Tubingen 2004 Wilhelm Braune Ingo Reiffenstein Althochdeutsche Grammatik I Laut und Formenlehre 15 Auflage bearbeitet von Ingo Reiffenstein Tubingen 2004 Friedrich Grunzweig Runeninschriften auf Waffen Inschriften vom 2 Jahrhundert n Chr bis ins Hochmittelalter Wien 2004 Klaus Duwel Runenkunde 4 Auflage Stuttgart 2008 Klaus Duwel Kowel In Hoops Johannes Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd 17 Berlin New York 2001 S 270 272 Friedrich Kluge Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache 25 durchgesehene und erw Aufl bearb von Elmar Seebold Berlin 2011 Elmar Seebold Vergleichendes und Etymologisches Worterbuch der Germanischen Starken Verben The Hague 1970 Weblinks BearbeitenLanzenblatt von Kowel im Runenprojekt der Universitat KielEinzelnachweise Bearbeiten Wilhelm Braune Frank Heidermanns Gotische Grammatik Hrsg Thomas Klein Ingo Reiffenstein und Helmut Gneuss 20 Auflage Max Niemeyer Verlag Tubingen S 263 Duwel Klaus Runenkunde 4 Auflage J B Metzler Stuttgart Weimar 2008 ISBN 978 3 476 14072 2 S 31 Wilhelm Braune Ingo Reiffenstein Althochdeutsche Grammatik I Hrsg Thomas Klein Ingo Reiffenstein und Helmut Gneuss 15 Auflage Max Niemeyer Verlag Tubingen 2004 ISBN 3 484 10861 4 S 13 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lanzenblatt von Kowel amp oldid 226329958