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Mit dem Begriff Kopf auch Kern 1 bzw Nukleus im osterreichischen Sprachgebrauch auch Haupt engl head wird in der Linguistik ein Bestandteil eines zusammengesetzten Ausdrucks bezeichnet der die grammatischen Eigenschaften des gesamten Ausdrucks festlegt und von dem begleitende Ausdrucke abhangen Der Kopfbegriff lasst sich hierbei in gleicher Weise auf der Wortebene Morphologie und auf der Satzebene Syntax anwenden und stellt damit ein fundamentales Strukturprinzip fur die gesamte Grammatik dar Es wird davon ausgegangen dass normalerweise alle Merkmale eines zusammengesetzten Ausdrucks von einem Kopf herruhren dies ergibt dann eine endozentrische Konstruktion Im Bereich der Syntax unterscheiden sich Theorien darin ob kopflose Gebilde lediglich einen selteneren Fall darstellen oder ob sie vollstandig ausgeschlossen werden konnen In der Morphologie sind Ausnahmen haufiger anzutreffen vor allem in Form der exozentrischen Komposita Ein System wie sich in der Syntax ein Kopf zu einem komplexen Ausdruck ausbauen lasst und dabei dessen Merkmale bestimmt wird von der X Bar Theorie formuliert Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeine Definition 2 Kopfe in der Morphologie 2 1 Komposition 2 2 Derivation 2 2 1 Mogliche Ausnahmen von der Rechtskopfigkeit 3 Kopfe in der Syntax 3 1 Projektion von Merkmalen 3 2 Kopfe und abhangige Elemente 4 Verwandte Verwendungen des Kopfbegriffs 5 Literatur 6 EinzelnachweiseAllgemeine Definition BearbeitenEin Kopf ist allgemein gesprochen derjenige Bestandteil in einem zusammengesetzten Ausdruck der die Eigenschaften des gesamten Ausdrucks festlegt Zum einen bedeutet dies dass der Kopf den Kern eines Ausdrucks bildet und bestimmt welche abhangigen Elemente noch hinzutreten konnen und welche nicht Ein solches Element das in einem zusammengesetzten Ausdruck das abhangige Gegenstuck zum Kopf bildet wird auch Dependens genannt Zum anderen spielt der Kopf eine Rolle fur den Umgang mit grammatischen Merkmalen z B Wortart oder Flexionsmerkmalen Der Kopf ist der Teil eines zusammengesetzten Ausdrucks der selbst dieselben Merkmale tragt die auch der Gesamtausdruck tragt und von dem sie auch herstammen Man sagt der Kopf projiziert oder vererbt seine Merkmale an den Gesamtausdruck Dies ist der Prozess der Bildung einer syntaktischen Phrase die von einem Kopf ausgeht siehe unten Unter dem Kopfprinzip versteht man insgesamt den allgemeinen Grundsatz dass die Merkmale eines komplexen Ausdrucks mit einem Kopf in seinem Inneren ubereinstimmen mussen mit anderen Worten dass Konstruktionen normalerweise nicht exozentrisch sind Diejenigen Merkmale fur die eine Ubereinstimmung zwischen Kopf und Gesamtausdruck verlangt wird werden auch als Kopfmerkmale bezeichnet Kopfe in der Morphologie BearbeitenKomposition Bearbeiten Besonders klare Beispiele fur das Kopfprinzip zeigen sich bei der regelmassigen Ableitung von zusammengesetzten Wortern Komposita 2 Hierbei findet man dass im Deutschen der rechte Teil die Eigenschaften eines Kopfes hat sofern nicht der Sonderfall eines exozentrischen Kompositums vorliegt Zum Beispiel Hausschuh N mask Haus N neutr Schuh N mask In diesem Beispiel erweist sich das Rechtsglied Schuh als Kopf denn Es legt die Kategorie des gesamten zusammengesetzten Wortes fest im Beispiel N d h Nomen Substantiv sonst auch A Adjektiv V Verb Es legt weitere Flexionsmerkmale wie Genus eines zusammengesetzten Nomens fest mask fem neutr sowie das Flexionsparadigma dem das gesamte Wort angehoren wird Es kann die Bedeutungskategorie festlegen d h der Kopf bezeichnet die Art von Gegenstand auf den sich das Kompositum bezieht und das Erstglied bestimmt diesen lediglich naher Der letzte Punkt gilt jedoch nur in Fallen wie hier wo das Kompositum regelmassig interpretiert wird es ist daneben auch moglich dass ein Kompositum als ganzes Wort eine neue Bedeutung erwirbt die nicht mehr aus der Bedeutung des Kopfes hervorgeht z B Kindergarten ist kein Garten sondern bezeichnet insgesamt eine Betreuungseinrichtung wogegen Gemusegarten regular interpretiert werden kann Wenn das Kompositum als ganzes eine neue Bedeutung erwirbt andert dies jedoch nichts an dem Kopfprinzip fur die grammatischen Merkmale wie Wortart oder Genus Die Wirkungsweise des Kopfprinzips zeigt sich deutlich anhand von Kontrasten wie den folgenden Hausschuh N mask Haus N neutr Schuh N mask eine Art von Schuh namlich fur im Haus Schuhhaus N neutr Schuh N mask Haus N neutr eine Art von Haus namlich eines in dem Schuhe verkauft werden Rotwein N mask rot Adj Wein N mask Wein der rot ist weinrot Adj Wein N mask rot Adj rot und zwar von der Farbe wie Rot Wein Demnach verhalten sich Zusammensetzungen aus Adjektiv und Nomen insgesamt wie ein Nomen wenn das Nomen Rechtsglied ist aber insgesamt wie ein Adjektiv wenn das Adjektiv Rechtsglied ist Dies zeigt dass der Kopf sich immer rechts befindet Das letzte Beispiel zeigt dass auch die deutsche Rechtschreibung einem Kopfprinzip folgt Ein Kompositum wird gross geschrieben wenn es als ganzes ein Substantiv ist jedoch wenn der Kopf und damit das ganze Kompositum adjektivisch sind wird der Wortanfang klein geschrieben auch wenn er zu einem substantivischen Erstglied gehort Das Rechtsglied und daher also der Kopf eines Kompositums kann ein einfacher Wortstamm sein z B Tante im Beispiel unten oder zusammengesetzt sein wie Kinder garten Kindergartentante N fem Kindergarten N mask Tante N fem Kind er Garten N mask neutr Waldkindergarten N mask Wald N mask Kindergarten N mask Kind er Garten N mask neutr Derivation Bearbeiten Wenn ein Affix benutzt wird um aus einem Wortstamm ein neues Wort abzuleiten Derivation kann dieses Affix auch als Kopf betrachtet werden wenngleich auch andere Darstellungsweisen moglich sind s u Beispielsweise ist die Endung er dafur verantwortlich dass aus einem Verbstamm zeig wie er auch im Infinitiv zeig en enthalten ist ein Nomen wird Zeiger N mask zeig V eine Vorrichtung die dazu dient etwas an zu zeigen Dieser Fall kann durch das Kopfprinzip erklart werden indem man das Affix er als eine Einheit auffasst die das Kategoriemerkmal N Nomen und das zusatzliche Merkmal maskulin selbst tragt und in der Art eines Kopfes auf den ganzen Ausdruck vererbt Zeiger N mask zeig V er N mask eine Vorrichtung die dazu dient etwas an zu zeigen Eine Alternative die in manchen Morphologietheorien bevorzugt wird ist allerdings das Affix nur als Zeichen fur das Ansetzen einer Regel zu nehmen die den ursprunglichen Stamm z B zeig V auf einen neuen Stamm Zeiger N abbildet Dieses Verfahren ist gunstiger wenn es keine isolierbare Einheit gibt die als Trager des neuen Kategoriemerkmals identifiziert werden kann z B wenn die Ableitung nur durch Vokalwechsel im Inneren des Wortstamms angezeigt wird wie in find V Fund N Ein Kopf muss normalerweise ein isolierbarer Ausdruck sein sonst sind allenfalls abstraktere Darstellungen mithilfe unsichtbarer Kopfe denkbar Mogliche Ausnahmen von der Rechtskopfigkeit Bearbeiten Bei einigen Fallen von Derivation scheint es dass auch ein links angefugtes Element Prafix Kopf sein kann Beispiele sind das Geschwatz das Geschrei das Gejammer Das Prafix Ge bei Substantiven die aus Verben erzeugt werden geht in der Regel mit dem grammatischen Geschlecht Neutrum einher Kopfe in der Syntax BearbeitenProjektion von Merkmalen Bearbeiten In einem einfachen Modell der Syntax lasst sich sagen dass sie die Verbindung von Wortern zu zusammenhangenden Wortgruppen und schliesslich Satzen regelt Unter dieser Voraussetzung erscheint ein Kopf in der Syntax als ein Wort innerhalb einer zusammenhangenden Wortgruppe Konstituente so dass die Merkmale dieses Wortes sich auf die gesamte Gruppe vererben Dabei sind grundsatzlich zwar dieselben Merkmale relevant die auch in der Morphologie betrachtet wurden namlich Wortart Merkmale wie Nomen Verb Adjektiv etc und Flexionsmerkmale Im Unterschied zur Wortbildung wird in der Syntax auch mit Merkmalen hantiert die keine inharenten Eigenschaften von Stammen sind wie Genus das in den Beispielen zur Nominalkomposition zu sehen war sondern variable Merkmale sind die erst durch syntaktische Regeln zugewiesen werden wie z B Kasus Um Kopfe in der Syntax zu bestimmen ist zunachst eine Aufgliederung eines Satzes in Konstituenten d h zusammenhangende Wortgruppen erforderlich zum Beispiel Der Mann wurde bleich Er erbleichte Durch die Ersetzungen von der Mann durch er und wurde bleich durch erbleichte konnen 2 Wortgruppen identifiziert werden Da das Wort erbleichte ein Verb ist und die Wortgruppe wurde bleich genau dieselbe Funktion erfullt kann man schliessen dass letztere als ganze ebenso ein Merkmal verbal besitzt Da bleich ein Adjektiv ist bedeutet dies dass das verbale Merkmal von dem Verb wurde stammen muss das somit ein Kopf ist und seine Kategorie auf die gesamte Einheit projiziert Im Folgenden ist dieses Merkmal als V notiert wurde bleich V wurde V bleich Adj Diese Darstellung zeigt die Analogie zum Kopfprinzip in der Morphologie ein Unterschied ist allerdings dass in der Syntax des Deutschen Kopfe nicht auf eine einzige relative Position beschrankt sind sondern je nach Konstruktionstyp links oder rechts stehen konnen Wenn eine Wortgruppe bezuglich der Vererbung eines Kategoriemerkmals abgeschlossen ist wird sie als syntaktische Phrase bezeichnet Unter der Annahme dass sich das verbale Merkmal im obigen Beispiel nicht auf eine noch grossere Wortgruppe weiter ausbreitet ware der Ausdruck wurde bleich daher als Verbalphrase zu bezeichnen d h als eine abgeschlossene syntaktische Einheit deren Kopf verbal ist Analog kann man schliessen dass die Wortgruppe der Mann dasselbe Kategoriemerkmal besitzt wie das Pronomen er durch das sie im Beispiel weiter oben ersetzt wurde und auch ubereinstimmende Flexionsmerkmale wie maskulin Singular sowie Nominativ Weiterhin ist der ein bestimmter definiter Artikel und das Personalpronomen er ist ebenfalls definit Gemass neueren Analysen der generativen Grammatik ist daher der Artikel als Kopf der gesamten Einheit anzusetzen weil alle ihre Merkmale sich auf diesen zuruckfuhren lassen Das Kategoriemerkmal des Artikels wird ublicherweise mit D bezeichnet fur Determinans der Mann D der D Mann N Altere Analysen die annehmen dass hier N statt D der Kopf sei sind ebenfalls verbreitet fur eine grundsatzliche Veranschaulichung des Kopfprinzips kann diese Alternative hier offengelassen werden In der gezeigten Variante ist die Wortgruppe der Mann nun eine Artikelphrase bzw Determinansphrase also eine abgeschlossene syntaktische Einheit deren Kopf nominal determinierend ist Zu den umstrittensten Fragen der Syntax gehort das Problem ob ganze Satze auch Phrasen sind die einen Kopf besitzen Die verschiedensten Moglichkeiten sind erwogen worden dass der Satz eine Projektion des Verbs ist eine Verbalphrase die auch das Subjekt einschliesst dass der Satz eine Projektion eines abstrakten Merkmals ist wie Finitheit im Gegensatz zu Infinitiv oder dass Satze exozentrische Konstruktionen sind Siehe hierzu auch den Artikel Complementizer Kopfe und abhangige Elemente Bearbeiten Eine weitere Eigenschaft die man an syntaktischen Kopfen finden kann und die auf den ersten Blick von der Projektion von Merkmalen verschieden ist ist die Selektion also die Fahigkeit von Kopfen Erganzungen mit bestimmten semantischen und grammatischen Eigenschaften zu verlangen Der Begriff der Selektion verweist hierbei darauf dass diese Eigenschaft in der Bedeutung des jeweiligen Kopfes verwurzelt ist Es ist eine Eigenschaft die bei jedem individuellen Kopf d h fur die Syntax einzelnen Lexemen verschieden ausgepragt sein kann im Unterschied zum Prinzip der Merkmalsvererbung das automatisch in jeder syntaktischen Verbindung ablauft Beispiele das Bier in den Kuhlschrank stellen das Bier kuhlen schaumen An diesen drei verschieden gebauten Verbalphrasen im Infinitiv zeigt sich dass es eine besondere Eigenschaft des Verbs stellen ist zwei Erganzungen zu verlangen namlich ein direktes Objekt und eine Richtungsangabe die nicht weggelassen werden kann zumindest nicht in dieser Bedeutung des Verbs das Verb kuhlen dagegen verlangt nur ein direktes Objekt und das Verb schaumen gar keines Auch in dieser Hinsicht also hat ein Kopf das jeweilige Verb die Fahigkeit Eigenschaften der gesamten Phrase festzulegen Neben diesem Prozess der Selektion von Erganzungen erscheinen Kopfe auch mit anderen Arten von Begleitern die nicht strikt verlangt werden sondern nur modifizierende Bedeutung haben Adjunkte oder in der traditionellen germanistischen Terminologie Angaben z B Adverbien Auch solche werden in einem allgemeineren Sinn dem Kopf als ein abhangiges Element Dependens gegenubergestellt diese Verallgemeinerung wird in der Dependenzgrammatik zum Aufbau syntaktischer Strukturen genutzt Dass ein Kopf anderes Material im Bereich seiner Projektion selegiert lasst sich im Prinzip auch fur die Kopfe von morphologischen Einheiten finden Derivationsaffixe verlangen meist eine Basis Stamm mit einem bestimmten Kategoriemerkmal und obwohl der Kopf eines Kompositums meistens sein Erstglied nicht selegiert z B in keinem der oben gegebenen Beispiele gibt es den Sonderfall des Rektionskompositums wo dies doch der Fall ist Verwandte Verwendungen des Kopfbegriffs BearbeitenDa der Kopf einer syntaktischen Phrase in erster Linie ein unzusammengesetztes Element ist dient Kopf insbesondere im Zusammenhang mit der X Bar Theorie auch als Bezeichnung fur die Projektionsebene des syntaktischen Wortes symbolisiert durch die Schreibweise X fur eine beliebige Wortart X im Gegensatz zur Ebene der Phrase XP und Zwischenprojektion X Diese Redeweise begegnet beispielsweise im Begriff der Kopfbewegung oder in der Definition der Rektionsbeziehung die von einem Kopf ausgeht Literatur BearbeitenDuden Die Grammatik 8 Auflage Dudenverlag Mannheim 2009 insbesondere S 766 771 Wolfgang Sternefeld Syntax Eine merkmalsbasierte generative Beschreibung des Deutschen 3 Auflage Narr Tubingen 2008 Band 1 Einzelnachweise Bearbeiten In der Dudengrammatik 2009 verwendete Bezeichnung Siehe Sternefeld 2008 Kapitel I 2 an dem die nachfolgende Darstellung orientiert ist Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kopf Grammatik amp oldid 223868048