www.wikidata.de-de.nina.az
Die Kollegialgerichtsrichtlinie ist ein Rechtsbegriff aus dem deutschen Staatshaftungsrecht Nach standiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft einen Beamten in der Regel kein Verschulden wenn ein mit mehreren Rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtstatigkeit als objektiv rechtmassig angesehen hat 1 Dies beruht auf der Erwagung dass von einem Beamten der allein und im Drang der Geschafte handeln muss keine bessere Rechtseinsicht erwartet werden kann als von einem Gremium mit mehreren Rechtskundigen das in voller Ruhe und nach reiflicher Uberlegung entscheidet nachdem vorher der Prozessstoff in ganzer Fulle vor ihm ausgebreitet war 2 Dieser Grundsatz ist regelmassig nur fur Amtspflichtverletzungen entwickelt worden und kann auch nur dort in Grenzen unter bestimmten Voraussetzungen Geltung beanspruchen 3 Er setzt voraus dass das konkrete Verhalten desjenigen Amtstragers der die im Haftungsprozess zu beurteilende Amtspflichtverletzung begangen hat Gegenstand kollegialgerichtlicher Billigung gewesen ist Er gilt also nicht bereits dann wenn sich der Amtstrager lediglich allgemein auf Gerichtsentscheidungen berufen kann die seine Rechtsauffassung stutzen 4 Allgemein ist eine Verneinung des Verschuldens nur dann gerechtfertigt wenn das Kollegialgericht die Rechtmassigkeit der Amtstatigkeit nach sorgfaltiger Prufung bejaht hat Der Bundesgerichtshof hat daher Ausnahmen von dieser allgemeinen Richtlinie in solchen Fallen zugelassen in denen die Annahme des Kollegialgerichts die Amtshandlung sei rechtmassig gewesen auf einer unzureichenden tatsachlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruhte etwa deshalb weil das Gericht sich bereits in seinem Ausgangspunkt von seiner sachlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen konnen oder weil es infolge unzureichender Tatsachenfeststellung von einem anderen Sachverhalt als dem vor den der Beamte gestellt war ausgegangen ist oder den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfaltig und erschopfend gewurdigt hat 5 Fur die Anwendbarkeit ist nicht zwingend erforderlich dass das betreffende Kollegialgericht aufgrund mundlicher Verhandlung oder durch Urteil entschieden hat Es genugt vielmehr auch ein Gerichtsbescheid Wenn die einschlagige Verfahrensordnung es zulasst dass das Gericht sich seine abschliessende Uberzeugung uber die Rechtmassigkeit eines behordlichen Aktes ohne mundliche Verhandlung bildet so muss eine auf diese Weise gewonnene Erkenntnis auch im Amtshaftungsprozess die gleiche Wirkung entfalten wie ein aufgrund mundlicher Verhandlung ergangenes Urteil 6 Beispiel BearbeitenEin Burger reicht beim Bauamt einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ein Der zustandige Beamte lehnt den Antrag jedoch ab weil aus seiner Sicht die Voraussetzungen fur die Erteilung der Baugenehmigung nicht gegeben sind Der Burger wendet sich gegen diese Entscheidung an das Verwaltungsgericht Der Prozess um die Baugenehmigung geht uber mehrere Instanzen Eine der unteren Instanzen bestatigt die Entscheidung des Beamten den Bauantrag abzulehnen und weist die Klage des Burgers ab Auf die Berufung des Burgers fallt aber schliesslich in einer hoheren Instanz eine rechtskraftige Entscheidung zu Gunsten des Burgers Die Baugenehmigung muss erteilt werden der Burger darf wie geplant bauen Das hohere Gericht stellt damit rechtsverbindlich fest dass der Beamte dem Burger die Baugenehmigung seinerzeit nicht hatte versagen durfen In der Zwischenzeit sind die Kosten fur den geplanten Bau jedoch ganz erheblich gestiegen Diesen Schaden will der Burger von dem Dienstherrn des Beamten der Gemeinde ersetzt bekommen Denn wie das hohere Gericht festgestellt hat hatte der Beamte bereits ursprunglich die korrekte Entscheidung treffen mussen die Baugenehmigung zu erteilen und so dem Burger einen kostengunstigeren Bau ermoglichen mussen Ein solcher Schadensersatzanspruch besteht jedoch nicht weil der zustandige Beamte nicht schuldhaft gehandelt hat Wenn selbst das aus mehreren Richtern besetzte Gericht in der unteren Instanz das Kollegialgericht letztlich falsch aber offenbar nicht vollkommen fernliegend nicht gesehen hat dass die Baugenehmigung eigentlich hatte erteilt werden mussen kann auch dem einzelnen Beamten kein Verschuldensvorwurf gemacht werden Weblinks BearbeitenBernd Rohlfing Amtshaftung Universitatsverlag Gottingen 2015 ISBN 978 3 86395 218 1 freie Onlineversion S 263 ff Einzelnachweise Bearbeiten RGZ 106 406 BGHZ 187 286 Urteil vom 17 September 2015 des OLG Munchen Az 1 U 1041 14 Rnrn 91 100 unter Angabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGH vom 8 Oktober 1992 III ZR 220 90 BGHZ 119 365 369 f vom 17 Marz 1994 III ZR 27 93 NJW 1994 3158 3159 vom 3 Februar 2000 III ZR 296 98 BGHZ 143 362 371 und vom 9 Dezember 2004 III ZR 263 04 BGHZ 161 305 309 BGH NVwZ RR 2003 166 Staudinger Kommentar zum BGB Rnrn 211 ff zu 839 BGB BGH NVwZ 1998 1329 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kollegialgerichtsrichtlinie amp oldid 237700895