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Die Kognitive Medienlinguistik KML ist ein interdisziplinarer Forschungszweig der sich mit kognitiven Prozessen bei der Sprachverwendung und Kommunikation in medialen Kontexten befasst Sie steht an der Schnittstelle zwischen kognitiver Linguistik Medienlinguistik und Sprachkritik Wie die Medienlinguistik untersucht die Kognitive Medienlinguistik den Sprachgebrauch in den Medien erweitert um eine Analyse der kognitiven und emotionalen Prozesse die mit der Sprachverarbeitung verbunden sind Inhaltsverzeichnis 1 Fragestellungen Forschung 1 1 Sprache als mentales Kenntnissystem 1 2 Sprache als kommunikatives Instrument 1 3 Sprache und Emotion 2 Methodik 3 Anwendungsgebiete 4 Weblinks 5 Literatur 6 EinzelnachweiseFragestellungen Forschung BearbeitenAnhand des Sprachgebrauchs in den Medien untersucht die Kognitive Medienlinguistik wie massenmediale Prozesse die Vermittlung von Bewusstseinsinhalten beeinflussen die Meinungsbildung steuern und Emotionen aktivieren konnen Sprachliche Ausserungen im medialen Kontext dienen dabei als Untersuchungsgegenstand fur die Analyse der mentalen Prozesse die bei der Sprachproduktion und Sprachverarbeitung ablaufen Im Unterschied zur Medienlinguistik befasst sich die Kognitive Medienlinguistik daher nicht nur mit den Spezifika des Sprachgebrauchs in Abhangigkeit vom Medium sondern vorrangig mit den Zusammenhangen zwischen Sprache Medialitat und kognitiven sowie emotionalen Prozessen Als Untersuchungsgegenstand dienen hauptsachlich massenmediale Kommunikationsformen und Texte aber auch personliche Kommunikationsformen die mittels technischer Medien wie Computer oder Handy erfolgen Der Begriff Medien kann auf drei Dimensionen bezogen werden 1 auf technische Medien Radio TV Print Mail SMS etc auf Zeichenmedien Sprache Bild Musik etc auf die sozial psychologische DimensionAus der dritten Dimension wird bereits ersichtlich dass die Aspekte der Textproduktion und Textrezeption sehr wichtig sind um umfassende Erkenntnisse uber den medialen Sprachgebrauch bekommen zu konnen Sprache als mentales Kenntnissystem Bearbeiten Grundlegend fur die Kognitive Medienlinguistik ist die Annahme dass die menschliche Sprache als Subsystem der Kognition ein mentales Kenntnissystem darstellt 2 Damit versteht sich die KML als eine Teildisziplin der Kognitionswissenschaft Ein Grossteil des Wissens ist in Form von mentalen Schemata Skript Sprachwissenschaft Frames Wissensreprasentation gespeichert sprachliche Einheiten werden im Gedachtnis reprasentiert Mentales Lexikon Die Forschung geht davon aus dass das Denken eine Ansammlung linguistischer und nicht linguistischer Prozesse ist Demnach gibt es kaum Denkprozesse bei denen die Sprache keine Rolle spielt 3 Sprache und Denken sind untrennbar miteinander verbunden Genau dort setzt die KML an Wenn die Denkweise des Menschen die Sprache beeinflusst lasst dies umgekehrt auch Ruckschlusse von der sprachlichen Ausserung auf die zugrundeliegenden kognitiven Prozesse zu Anhand der Sprache sind Einblicke in die Struktur und Funktionsweise des Geistes moglich und damit auch Aussagen daruber wie Menschen Wissen erzeugen Einstellungen kodieren und Realitaten konstruieren Die Zuordnung neuer Informationen zu Altbekanntem ist ein alltaglicher Prozess mit dem Menschen ihre Erfahrungen strukturieren Dieser Prozess birgt aber auch Gefahren Es besteht die Tendenz Bestatigungen des eigenen Weltbildes starker wahrzunehmen und widerspruchliche Informationen eher auszublenden Bestatigungsfehler 4 Das Wissen uber die Welt und damit die Konstruktion der Realitat wird ganz entscheidend durch die Massenmedien gepragt 5 Das spielt insbesondere im Bereich der sozialen Medien eine wichtige Rolle Sie begunstigen zum einen die selektive Suche nach Informationen zum anderen ist ein Grossteil der gezeigten Informationen auf das spezifische Profil des Nutzers zugeschnitten Echokammerphanomen 6 Durch kognitionslinguistische Analysen werden die mentalen Modelle mit ihren spezifischen Bewertungssystemen hinter sprachlichen Ausserungen sichtbar und die zugrundeliegenden Denkprozesse nachvollziehbar gemacht Sprache als kommunikatives Instrument Bearbeiten Insbesondere bei sprachlichen Ausserungen im medialen Umfeld ist noch eine andere Funktion der Sprache entscheidend Da Sprache als kommunikatives Instrument fungiert konnen sprachliche Ausserungen nicht nur als Spuren der Denkprozesse des Produzenten bei der Sprachproduktion gelesen werden Ebenso sind sie Handlungs Signale an den Rezipienten der Ausserung da beim Sprachverstehen auch im Gehirn des Rezipienten kognitive Prozesse ausgelost werden 7 Fur die Forschung ist die massenmedialen Kommunikation dabei von besonderem Interesse weil sie aufgrund der grossen Reichweite entsprechend viele potenzielle Empfanger hat die diese Handlungssignale erhalten und bewusst oder unbewusst verarbeiten Sprache und Emotion Bearbeiten Fur die Erforschung des Sprachgebrauchs in Medien ist auch der Zusammenhang von Sprache und Emotion entscheidend da keine sprachliche Ausserung allein kognitiv produziert oder rezipiert wird Kognition und Emotion sind keine vollstandig voneinander getrennten Entitaten sondern beeinflussen sich gegenseitig 8 Das primar fur Emotionen verantwortliche limbische System hat zahlreiche neuronale Verbindungen zum Kortex Denkprozesse sind demnach nie nur von kognitiven sondern immer auch von affektiven Bewertungen begleitet Emotionen fungieren als interne Bewertungssysteme des Menschen und haben somit Einfluss auf das Denken und das Handeln 9 Auch das Sprachverstehen ist kein neutraler Vorgang sondern wird immer mehr oder weniger von Emotionen gesteuert da diese nicht nur Denkprozesse auslosen oder selbst durch Denkprozesse ausgelost werden konnen sondern als Bewertungssysteme massgeblich jede Ausserung pragen 10 Umgekehrt machen sich Produzenten diese Gegebenheit gerade in den Massenmedien haufig selbst zunutze Das sogenannte Emotionspotenzial beschreibt die Eigenschaft einer sprachlichen Ausserung oder eines Textes beim Rezipienten bestimmte Gefuhle hervorrufen zu konnen 11 Ein hohes Emotionspotenzial haben beispielsweise Berichterstattungen in denen ein Sachverhalt ausschliesslich von einem bestimmten Standpunkt aus beleuchtet wird man spricht in diesem Fall von einer Perspektivierung 12 Auch das Auslassen von Informationen oder eine De und Rekontextualisierung von Information kann das Emotionspotenzial eines Textes erhohen Ziel der Kognitiven Medienlinguistik ist es die verwendeten Strategien und sprachlichen Mittel transparent zu machen um auf dieser Basis Aussagen uber die potenzielle Wirkung einer sprachlichen Ausserung auf den Rezipienten zu treffen Methodik BearbeitenDie kognitive Medienlinguistik verwendet je nach Forschungsgegenstand Methoden die in der allgemeinen und kognitiven Linguistik zum Tragen kommen Dabei spielen vor allem empirische Beobachtungsmethoden eine Rolle Um den Sprachgebrauch in medialer Kommunikation zu analysieren eignet sich zum Beispiel die quantitative und qualitative Korpusanalyse bei der eine Sammlung von Texten oder Textausschnitten zur linguistischen Auswertung erstellt wird 13 Diese kann Aufschluss uber Sprachverwendungsphanomene geben welche wiederum helfen einen Einblick in mentale Strukturen und Prozesse zu ermoglichen 14 15 Bei kleineren Studien wird die Methode der Fragebogenstudie angewandt Dazu werden Fragebogen zu einem bestimmten Thema an die Teilnehmer ausgehandigt und individuell beantwortet Ein weiteres Verfahren stellen linguistische Experimente dar Sie zahlen zu den wichtigsten Beobachtungsmethoden Dabei wird zwischen Online und Offline Methoden unterschieden Bei der Online Methode wird direkt wahrend des zu beobachtenden Vorgangs bei der Offline Methode erst nach dem Testvorgang angesetzt Hierbei werden zum Beispiel Versuchspersonen bestimmte Aufgaben gestellt und innerhalb einer Zeitspanne beobachtet und anschliessend ausgewertet 2 Die Ergebnisse konnen Aufschluss uber bestehende Thesen und Theorien geben und mentale Vorgange wahrend der medialen Textrezeption aber auch bei der freien Reproduktion sichtbar machen 2 Anwendungsgebiete BearbeitenAls interdisziplinare Wissenschaft hat die kognitive Medienlinguistik verschiedene Anwendungsgebiete Sie kann dazu beitragen medienvermittelte offentliche Kommunikation zu verstehen und zu gestalten Sie greift im Sinn der angewandten Linguistik mitunter Probleme der Medienpraxis auf Dabei kann sie zum Beispiel in einer Medienredaktion zur Untersuchung und Optimierung der Textproduktionskompetenz beitragen 16 Des Weiteren findet die kognitive Medienlinguistik beispielsweise in der Werbung oder Presse und Offentlichkeitsarbeit Anwendung indem sie Empfehlungen zur Frage ausspricht wie Texte hinsichtlich ihres Persuasionspotenzials gestaltet und prasentiert werden konnen Dabei beschaftigt sie sich unter anderem mit den Fragestellungen Wie steuert Sprache Meinungsbildungsprozesse in der Medienberichterstattung Wie vermittelt Sprache in ihrer Doppelfunktion als kognitives Kenntnissystem und kommunikatives Instrument Bewusstseinsinhalte Oder Wie weckt sie persuasiv Begehrlichkeiten oder transportiert und schurt emotionale Vorurteile wie Rassismus Extremismus und Antisemitismus 17 Konkrete Anwendungs und Analysefelder sind beispielsweise Hasssprache im Internet Perspektivierung in der Medienberichterstattung Persuasion in der politischen Kommunikation Emotionalisierung in der WerbungWeblinks Bearbeitenmediensprache net Das Medienlinguistik Portal Deutsche Gesellschaft fur kognitive Linguistik MA Studiengang Kognitive Medienlinguistik an der TU BerlinLiteratur BearbeitenUrsula Christmann Aspekte der Textverarbeitungsforschung In Klaus Brinker Gerd Antos Wolfgang Heinemann Sven F Sager Hrsg Text und Gesprachslinguistik Ein internationales Handbuch zeitgenossischer Forschung 1 Halbband HSK 16 1 Berlin New York 2000 S 113 122 Maximilian Scherner Kognitionswissenschaftliche Methoden in der Textanalyse In Klaus Brinker Gerd Antos Wolfgang Heinemann Sven F Sager Hrsg Text und Gesprachslinguistik Ein internationales Handbuch zeitgenossischer Forschung 1 Halbband HSK 16 1 Berlin New York 2000 S 186 195 Einzelnachweise Bearbeiten Hartmut Stockl Medienlinguistik Zu Status und Methodik eines noch emergenten Forschungsfeldes In Christian Grosslinger Gudrun Held Hartmut Stockl Hrsg Pressetextsorten jenseits der News Medienlinguistische Perspektiven auf journalistische Kreativitat Frankfurt 2012 S 13 34 a b c Monika Schwarz Friesel Einfuhrung in die Kognitive Linguistik Tubingen 2008 Lera Boroditsky Wie die Sprache das Denken formt In Spektrum der Wissenschaft 04 2012 S 30 33 Werner Stangl Bestatigungstendenz In Online Lexikon fur Psychologie und Padagogik Linz 2017 zuletzt abgerufen am 12 Dezember 2017 Niklas Luhman Die Realitat der Massenmedien Wiesbaden 2009 1 Monika Schwarz Friesel Juden sind zum Toten da studivz net 2008 Hass via Internet Zuganglichkeit und Verbreitung von Antisemitismen im World Wide Web In Konstanze Marx Monika Schwarz Friesel Hg Sprache und Kommunikation im technischen Zeitalter Berlin Boston 2013 S 213 236 Monika Schwarz Friesel Einfuhrung in die Kognitive Linguistik Tubingen 2008 Antonio R Damasio Ich fuhle also bin ich Die Entschlusselung des Bewusstseins Munchen 2000 Monika Schwarz Friesel Spannung in Texten erklaren Theoretische Grundlagen und empirische Analysen In Konstanze Marx Simon Meier Hg Sprachliches Handeln und Kognition Berlin Boston 2018 S 61 87 Monika Schwarz Friesel Sprache und Emotion Tubingen 2013 1 Monika Schwarz Friesel Das Emotionspotenzial literarischer Texte In Anne Betten Ulla Fix Berbeli Wanning Hg Handbuch Sprache in der Literatur Berlin Boston 2017 S 351 370 Monika Schwarz Friesel Jan Henning Kromminga Metaphern der Gewalt Tubingen 2013 Monika Schwarz Friesel Manfred Consten Einfuhrung in die Textlinguistik Darmstadt 2014 Monika Schwarz Friesel Jan Henning Kromminga Metaphern der Gewalt Tubingen 2013 1 Helge Skirl Emergenz als Phanomen der Semantik am Beispiel des Metaphernverstehens Emergente konzeptuelle Merkmale an der Schnittstelle von Semantik und Pragmatik Tubingen 2009 Daniel Perrin Medienlinguistik UTB 2503 Konstanz 2006 Technische Universitat Berlin Sprache amp Kommunikation mit dem Schwerpunkt Kognitive Medienlinguistik PDF Datei zuletzt abgerufen am 26 April 2018 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kognitive Medienlinguistik amp oldid 217031561