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Kirchenbusse lat poenitentia publica gr ὑpoptwsis hypoptōsis bezeichnet in der alten Kirche offentlich zu verrichtende Busswerke die groben und offentlichen Sundern auferlegt wurden Die Bestimmungen daruber ruhrten teils von Konzilien teils von Kirchenvatern her und hatten den Zweck der gottlichen Gerechtigkeit Genuge zu leisten gegebenes Argernis aufzuheben und den Sunder grundlich zu bessern Der Bussende war wahrend der Busszeit aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und wurde erst nach Ableistung der Strafe wieder aufgenommen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Katholische Kirche 3 Orthodoxe Kirchen 4 Lutherische Kirche 5 Reformierte und Freikirchen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Geschichte dieser Bussdisziplin hat verschiedene Perioden In der fruhesten Zeit gab es nach der Taufe nur eine einmalige Chance die durch eine schwere Sunde verlorene Zugehorigkeit zur Kirche wiederzuerlangen Der Bischof der die Ausstossung ausgesprochen und bestimmte Busswerke festgesetzt hatte musste den Busser nach Ableistung der Busswerke unter Handauflegung und Gebet wieder aufnehmen Im 3 Jahrhundert wurde das Busswesen vollstandig ausgebildet und geordnet Selbst die Christen die in der diokletianischen Christenverfolgung ihren Glauben verleugnet hatten konnten wieder in die Kirche aufgenommen werden wenn sie sich der Kirchenbusse unterworfen hatten Dazu mussten alle die durch schwere Vergehen Argernis gegeben hatten vier Grade der Busse durchlaufen deren Dauer nach der Grosse des Vergehens bemessen wurde Die erste Klasse bildeten die Weinenden gr proskleiontes proskleiontes lat flentes hiemantes die vor den Turen der Kirche im Bussergewand weinend und auf der Erde liegend die Eintretenden um Wiederaufnahme anflehen mussten Die zweite Klasse der Horenden ἀkrowmenoi akroōmenoi audientes durfte in der inneren Vorhalle dem Narthex der Vormesse beiwohnen musste sich aber beim Beginn der Opfermesse entfernen die Dauer dieser Busszeit betrug gewohnlich drei Jahre Die dritte Klasse die der fussfallig Knienden ὑpopiptontes hypopiptontes genuflectentes substrati durfte der Vormesse kniend beiwohnen und wurde vor der Opfermesse mit einem Segen entlassen diese Busszeit dauerte langer nach den Bestimmungen des Konzils von Nicaa sieben Jahre ofter die ganze Lebenszeit Die vierte Klasse der Stehenden systantes systantes consistentes durfte dem ganzen Gottesdienst stehend beiwohnen war aber nicht zum Empfang der Kommunion zugelassen Diese Busszeit dauerte gewohnlich zwei Jahre 1 Wahrend der gesamten Busszeit mussten die Bussenden mit abgeschnittenen Haaren bzw mit einem Bussschleier in einen Sack gekleidet erscheinen fasten sich aller offentlichen Geschafte des Badens und aller Vergnugungen enthalten Nach Beendigung der Busszeit in der vierten Klasse und Ablegung eines offentlichen Sundenbekenntnisses ἐ3omologhsis exomologesis mit der Bitte um Aussohnung mit der Kirche wurden sie gewohnlich an einem Grundonnerstag vom Bischof durch Erteilung der Absolution wieder aufgenommen Der Bischof konnte die Dauer der Kirchenbusse auch abkurzen etwa bei Zeichen besonders ernster Reue und bei Todesgefahr Im Anschluss an die decianische Christenverfolgung wurde auch Nachsicht gewahrt wenn die Ausgestossenen Libelli pacis von Martyrern und Bekennern vorweisen konnten Von der Unwiederholbarkeit der Busse ruckte man im Laufe der Zeit allmahlich ab In der Ostkirche zeichneten sich Lockerungen bereits im 4 Jahrhundert ab in der Westkirche wurde dies spatestens im 8 Jahrhundert deutlich Die Unterscheidung der Grade fiel nach und nach weg und die offentliche Kirchenbusse verwandelte sich mehr und mehr in eine geheime Busse des Einzelnen vor einem Beichtvater Dieser konnte sich bei der Verhangung der Strafen an sogenannten Ponitentialbuchern orientieren wie sie in grosser Zahl uberliefert sind etwa von Theodor von Canterbury Beda Venerabilis u a Darin sind fur einzeln spezifizierte Vergehen als angemessen empfundene Busstaxen aufgelistet Obwohl die Kirchenbusse gegen Ende des 16 Jahrhunderts vielerorts abgeschafft wurde wurde sie zu Teilen im 18 Jahrhundert wieder eingefuhrt Aufgrund von steigenden Kindstotungsdelikten wurde sie dann jedoch wieder abgeschafft so z B 1786 in Weimar durch Goethe Katholische Kirche BearbeitenIm 13 Jahrhundert verschwand die Kirchenbusse bis auf wenige Ausnahmen ganz An ihre Stelle trat die in der Romisch katholischen Kirche noch heute bestehende Praxis in der geheimen Beichte eine im Verhaltnis zur Schwere der Sunden stehende Busse durch Gebet Fasten Almosengeben usw aufzuerlegen Orthodoxe Kirchen BearbeitenNoch einfacher wird sie zugleich mit dem Bann und der Exkommunikation in der Griechischen Kirche geubt Lutherische Kirche BearbeitenVon der alteren Lutherischen Kirche wurde zwar die romische Busslehre verworfen aber die alte Busszucht beibehalten und besonders gegen fleischliche Verbrecher geubt Ihr Vergehen wurde offentlich beim Gottesdienst vom Geistlichen der Gemeinde verkundigt wahrend die Delinquenten am Altar knien und dann noch einmal selbst ein offentliches Sundenbekenntnis ablegen mussten Erst dann konnten sie die Absolution empfangen und nun mit den ubrigen Kommunikanten doch gewohnlich zuletzt am Abendmahl teilnehmen Nach ihrer weitgehenden Abschaffung im 18 19 Jahrhundert suchte die strengere kirchliche Partei ihre Wiedereinfuhrung in Form der Kirchenzucht Reformierte und Freikirchen BearbeitenWeit strenger wurde die Kirchenbusse in der Reformierten Kirche gehandhabt besonders in der Schweiz in Frankreich und in Holland durch den Einfluss Calvins und namentlich in der Presbyterianischen Kirchen durch John Knox Man nahm dabei bewusst die altkirchliche Tradition wieder auf wobei auch hier die kirchliche Strenge nachliess wie ebenso in der Anglikanischen Kirche die fruher die Kirchenbusse mit grossem Ernst handhabte In der strengsten Form bestand die Kirchenbusse fort bei den Bohmischen Brudern Herrnhutern Mennoniten Quakern und bestimmten amerikanischen Freikirchen Literatur BearbeitenKarl Josef Klar Das kirchliche Bussinstitut von den Anfangen bis zum Konzil von Trient Europaische Hochschulschriften Reihe 23 Theologie 413 Lang Frankfurt am Main u a 1991 ISBN 3 631 43251 8 Zugleich Saarbrucken Universitat Dissertation 1990 Ernst Dassmann Sundenvergebung durch Taufe Busse und Martyrerfurbitte in den Zeugnissen fruhchristlicher Frommigkeit und Kunst Munsterische Beitrage zur Theologie 36 Aschendorff Munster 1973 ISBN 3 402 03572 3 Zugleich Munster Universitat Habilitations Schrift 1968 1969 Heinrich Karpp Hrsg Die Busse Quellen zur Entstehung des altkirchlichen Busswesens Traditio Christiana 1 ISSN 0172 1372 EVZ Verlag Zurich 1969 Weblinks BearbeitenDieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text aus Pierers Enzyklopadisches Worterbuch 4 Auflage von 1857 1865 Bitte entferne diesen Hinweis nur wenn du den Artikel so weit uberarbeitet hast dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt dies mit Quellen belegt ist und er den heutigen sprachlichen Anforderungen genugt Pierer s Universal Lexikon Band 9 Altenburg 1860 S 503 504 Einzelnachweise Bearbeiten Wilhelm M Gessel Bussstufen In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 2 Herder Freiburg im Breisgau 1994 Reinhard Messner Bussriten II Zweite Busse In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 2 Herder Freiburg im Breisgau 1994 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kirchenbusse amp oldid 237494738