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Als Junge Freiheit Urteil bezeichnet man in der deutschen Rechtswissenschaft den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes BVerfG vom 24 Mai 2005 Az 1 BvR 1072 01 BVerfGE 113 63 Das Bundesverfassungsgericht stellte im Rechtsstreit zwischen der Wochenzeitung Junge Freiheit und dem Land Nordrhein Westfalen fest dass die Erwahnung der Jungen Freiheit als rechtsextreme Publikation im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein Westfalen eine unzulassige Einschrankung der Pressefreiheit darstellt Logo auf den Entscheidungen des VerfassungsgerichtsDie Sache wurde an das Verwaltungsgericht Dusseldorf zuruckverwiesen und endete dort am 23 Juni 2006 durch Vergleich zwischen den Parteien Ubereinstimmend sah man keinen Bedarf mehr als zehn Jahre alte Ausfuhrungen des Verfassungsschutzes NRW zur JF an den aktuell vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Massstaben zu messen 1 Der Prozessbevollmachtigte der Jungen Freiheit Alexander von Stahl begrusste es dass die Behorde mit dem Vergleich nun ausdrucklich bestatigt sich kunftig strikt an Geist und Inhalt Massgaben des hochstrichterlichen Spruchs halten zu wollen 2 Inhaltsverzeichnis 1 Sachverhalt 2 Bedeutung des Urteils 3 Aus den Grunden 4 Reaktion des Verfassungsschutzes NRW auf das Urteil 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseSachverhalt BearbeitenIn den Verfassungsschutzberichten wurde die Junge Freiheit im Rahmen der Berichterstattung uber rechtsextremistische Bestrebungen ausfuhrlich behandelt Die in ihr veroffentlichten Beitrage enthielten nach Einschatzung des Landes Anhaltspunkte fur den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen Die Junge Freiheit klagte vor dem Verwaltungsgericht Dusseldorf gegen das Land Nordrhein Westfalen unter anderem auf Unterlassung der Verbreitung der Verfassungsschutzberichte wenn nicht die Passagen uber die Junge Freiheit entfernt wurden auf Feststellung dass das Land nicht befugt sei die Junge Freiheit in die Rubrik Rechtsextremismus einzuordnen solange es nur Anhaltspunkte fur einen Verdacht habe Das VG Dusseldorf wies die Klage am 14 Februar 1997 per Urteil ab 3 Den Antrag auf Zulassung der Berufung wies das Oberverwaltungsgericht fur das Land Nordrhein Westfalen mit Beschluss vom 22 Mai 2001 ab 4 Das daraufhin angerufene Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidungen auf und wies die Sache an das Verwaltungsgericht Dusseldorf zuruck Der Junge Freiheit Verlag GmbH amp Co wurde fur diese Verfassungsbeschwerde von dem fruheren Generalbundesanwalt Alexander von Stahl vertreten Bedeutung des Urteils BearbeitenMit diesem Urteil bestatigte das BVerfG fruhere Aussagen zur Pressefreiheit Die Aufnahme eines Presseorgans in die Rubrik Rechtsextremismus eines Verfassungsschutzberichtes bedeutet einen staatlichen Eingriff der einer Rechtfertigung bedarf Ein auf einzelne Artikel gestutzter Verdacht reicht dazu nicht aus Einzelne Meinungsausserungen etwa in einer speziellen Rubrik Markt der Meinungen die je fur sich als verfassungsfeindlich angesehen werden konnen nicht in allen Fallen der Zeitung zugerechnet werden Dieser Markt der Meinungen muss nicht das gesamte politische Spektrum beinhalten Die presserechtliche Verantwortung der Zeitung fuhrt nicht automatisch zu einer publizistischen Zurechnung der in der Zeitung geausserten Meinungen Der blosse Verdacht der rechtsextremistischen Ausrichtung darf nicht mit erwiesenen rechtsextremistischen Bestrebungen in derselben Sparte des Verfassungsschutzberichtes aufgefuhrt werden Aus den Grunden Bearbeiten Die Veroffentlichung verletzt die Junge Freiheit in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art 5 Abs 1 Satz 2 GG Das Grundrecht sichert die Freiheit der Herstellung und Verbreitung von Druckerzeugnissen und damit das Kommunikationsmedium Presse Gegenstand der Verfassungsschutzberichte ist der Hinweis auf den Verdacht dass die Junge Freiheit bestrebt sei mit Hilfe der Zeitung die freiheitliche demokratische Grundordnung in Bund und Landern zu beseitigen Die Verfassungsschutzberichte greifen zum Beleg einzelne Artikel aus der Jungen Freiheit heraus um auf dieser Grundlage ein Gesamturteil uber die Zeitung und die hinter ihr stehende Gruppierung zu begrunden Aufgabe der Presse ist es umfassende Information zu ermoglichen die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten Dies setzt ihre Unabhangigkeit vom Staat voraus Die Pressefreiheit schutzt die Grundrechtstrager daher vor Einflussnahmen des Staates auf die mit Hilfe der Presse verbreiteten Informationen insbesondere vor negativen oder positiven Sanktionen die an Inhalt und Gestaltung des Presseerzeugnisses anknupfen Der Verfassungsschutzbericht ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Offentlichkeitsarbeit Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren 1 VSG NRW und stammt von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen vgl 5 ff VSG NRW darunter der Rechtsmacht zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel arbeitenden Stelle Der Verlag und die Redaktion der Jungen Freiheit werden durch die Erwahnung in den Verfassungsschutzberichten zwar nicht daran gehindert die Zeitung weiter herzustellen und zu vertreiben sowie auch zukunftig Artikel wie die beanstandeten abzudrucken Ihre Wirkungsmoglichkeiten werden jedoch durch den Verfassungsschutzbericht nachteilig beeinflusst Potenzielle Leser konnen davon abgehalten werden die Zeitung zu erwerben und zu lesen und es ist nicht unwahrscheinlich dass etwa Inserenten Journalisten oder Leserbriefschreiber die Erwahnung im Verfassungsschutzbericht zum Anlass nehmen sich von der Zeitung abzuwenden oder sie zu boykottieren Eine solche mittelbare Wirkung der Verfassungsschutzberichte kommt einem Eingriff in das Kommunikationsgrundrecht gleich Der Schutzgehalt der Kommunikationsgrundrechte kann Auswirkungen sowohl auf die Anforderungen an die Feststellung von Bestrebungen oder eines entsprechenden Verdachts als auch auf die rechtliche Bewertung der ergriffenen Massnahme haben insbesondere im Hinblick auf ihre Angemessenheit Dementsprechend reicht die blosse Kritik an Verfassungswerten nicht als Anlass aus um eine verfassungsfeindliche Bestrebung im Sinne des 15 Abs 2 in Verbindung mit 3 Abs 3 VSG NRW zu bejahen oder allein deshalb die negative Sanktion einer Veroffentlichung in den Verfassungsschutzberichten zu ergreifen Es bedarf daher besonderer Anhaltspunkte warum aus den Artikeln von Dritten die der Redaktion nicht angehoren entsprechende Bestrebungen von Verlag und Redaktion abgeleitet werden konnen Dies kann der Fall sein wenn durch die redaktionelle Auswahl der von Dritten geschriebenen Veroffentlichungen verfassungsfeindliche Bestrebungen von Verlag und Redaktion zum Ausdruck kommen Bei der Bewertung ist allerdings zu berucksichtigen dass Zeitungen sich ublicherweise nicht alle veroffentlichten Inhalte zu Eigen machen auch wenn sie sich nicht jeweils ausdrucklich von ihnen distanzieren Von der Pressefreiheit ist auch die Entscheidung erfasst ein Forum nur fur ein bestimmtes politisches Spektrum bieten zu wollen dort aber den Autoren grosse Freiraume zu gewahren und sich in der Folge nicht mit allen einzelnen Veroffentlichungen zu identifizieren Die Junge Freiheit ist nach eigener Einschatzung rechtskonservativ veroffentlicht aber im rechten Spektrum Artikel hochst unterschiedlicher Autoren mit unterschiedlichen Anliegen Darunter sind zum Teil auch Artikel von prominenten konservativen Politikern und Schriftstellern die nicht im Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen stehen Es bedurfte also besonderer Anhaltspunkte dafur warum die Redaktion sich nicht mit diesen Artikeln wohl aber mit den von den Gerichten herangezogenen Beitragen identifiziert oder aber dafur dass sie sich dieses Spektrums von Meinungen nur bedient um in einem solchen Umfeld verfassungsfeindliche Beitrage plazieren sic und der Offentlichkeit besser vermitteln zu konnen Obwohl die Behorde nur von tatsachlichen Anhaltspunkten fur einen Verdacht ausgegangen ist hat sie die Beschwerdefuhrerin unter den Uberschriften Rechtsextremismus Rechtsextremistische Publikationen Verlage Vertriebe Medien beziehungsweise Rechtsextremistische Organisationen Gruppierungen und Stromungen ohne jede Differenzierung in der Gliederung oder in den Uberschriften des Berichts auf die gleiche Stufe gestellt wie Gruppen fur die sie verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt hat Auch ist zu berucksichtigen dass die Medien bei ihrer Berichterstattung uber verfassungsfeindliche Bestrebungen im Text enthaltene Nuancierungen ublicherweise nicht wiederzugeben pflegen sondern alle im Verfassungsschutzbericht in der gleichen Rubrik aufgefuhrten Organisationen auf eine Stufe stellen Beschluss des BVerfGReaktion des Verfassungsschutzes NRW auf das Urteil BearbeitenDie Behorde ging nach dem Urteil zunachst weiterhin davon aus dass es rechtmassig gewesen sei uber die Junge Freiheit zu berichten da Anhaltspunkte fur den Verdacht rechtsextremer Bestrebungen bestanden hatten Man war zuversichtlich vor dem Verwaltungsgericht an das der Rechtsstreit vom BVerfG zur Entscheidung zuruckverwiesen wurde eindeutig belegen zu konnen dass verfassungsfeindliche Positionen externer Autoren der Jungen Freiheit zuzurechnen seien Verfassungsschutzchef Hartwig Moller ausserte dazu in einer ersten Reaktion auf das Urteil Wir werden weiterhin darauf aufmerksam machen welche Gefahren der Demokratie durch den intellektuellen Rechtsextremisten drohen Die Pressefreiheit ist unbedingt zu schutzen An dieses Prinzip halt sich der Verfassungsschutz Nordrhein Westfalen bei seinem gesetzlichen Auftrag vor den Gefahren durch Extremisten aller Art zu warnen Die Neue Rechte verwischt die Trennungslinien zwischen demokratischem und rechtsextremistischen Spektrum Hinter ihrem gemassigten Duktus verbergen sich oft antidemokratische und fremdenfeindliche Konzepte Dies zu enttarnen bleibt eine der wichtigsten Aufgaben unseres Verfassungsschutzes 5 Nachdem der Rechtsstreit zwischen der Jungen Freiheit und dem Land Nordrhein Westfalen mit einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Dusseldorf beendet war hat der Verfassungsschutz Nordrhein Westfalen ebenso wie das Landesamt fur Verfassungsschutz Baden Wurttemberg das wegen der verfassungswidrigen Erwahnung der Jungen Freiheit in deren Berichten der Jahre 2001 bis 2004 ebenfalls verklagt worden war die Junge Freiheit in keinem der folgenden Jahresberichte mehr erwahnt Siehe auch BearbeitenMedienrechtLiteratur BearbeitenDietrich Murswiek Der Verfassungsschutzbericht das scharfe Schwert der streitbaren Demokratie Zur Problematik der Verdachtsberichterstattung In Neue Zeitschrift fur Verwaltungsrecht 2004 ISSN 0721 880X S 769 778 Gunter Bertram Eine Lanze fur die Pressefreiheit In Neue Juristische Wochenschrift 2005 ISSN 0341 1915 S 2890 2891 Dieter Dorr BVerfG Grundrechte Presserecht Junge Freiheit In Juristische Schulung 2006 ISSN 0022 6939 S 71 74 Dietrich Murswiek Neue Massstabe fur den Verfassungsschutzbericht In Neue Zeitschrift fur Verwaltungsrecht 2006 ISSN 0721 880X S 121 128 Weblinks BearbeitenVolltext der Entscheidung Pressefreiheit gilt auch fur Rechtsextreme Artikel in der tageszeitung taz Zum Klageverfahren der Jungen Freiheit gegen den Verfassungsschutz NRW Memento vom 15 Januar 2017 im Internet Archive Bericht von Juli 2006 mit den Beschlussen bzw Urteilen der drei beteiligten Gerichte PDF Datei 947 kB Presseerklarung der Zeitung JUNGE FREIHEIT JF Einzelnachweise Bearbeiten Rechtsstreit zwischen Verfassungsschutz NRW und Junge Freiheit beendet Pressemitteilung des Innenministeriums NRW vom 23 Juni 2006 Memento vom 4 Oktober 2015 im Internet Archive Sieg fur die Pressefreiheit Pressemitteilung der Jungen Freiheit vom 27 Juni 2006 VG Dusseldorf Urteil vom 14 Februar 1997 Az 1 K 9318 96 OVG Nordrhein Westfalen Beschluss vom 22 Mai 2001 Az 5 A 2055 97 Volltext Pressemitteilung Innenministerium NRW 28 Juni 2005 Memento vom 21 Februar 2006 im Internet Archive Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Junge Freiheit Urteil amp oldid 225928590