Jacob Israël de Haan (hebräisch יעקב ישראל דיהאן bzw. יעקב ישראל דה האן geboren am 31. Dezember 1881 in Smilde; gestorben am 30. Juni 1924 in Jerusalem) war ein niederländischer Rechtsanwalt, Jurist, Journalist und Dichter. Er wurde am 30. Juni 1924 aufgrund seiner politischen Haltung von der zionistischen Untergrundorganisation Hagana ermordet.
Frühe Jahre Bearbeiten
De Haan wurde in Smilde, einem Dorf in der nördlichen niederländischen Provinz von Drenthe geboren. Er wuchs in Zaandam auf. De Haan war eines von acht Kindern und erhielt eine traditionelle jüdische Erziehung. Sein Vater Yitzchak HaLevi de Haan war ein Chasan. Eine der Schwestern, Carry de Haan (* 1. Januar 1881; † 16. November 1932), war eine bedeutende niederländische Autorin, die unter dem Namen Carry van Bruggen schrieb.
De Haan arbeitete nach seiner Ausbildung als Lehrer und studierte zwischen 1903 und 1909 Rechtswissenschaften. Er schrieb während dieser Jahre in sozialistischen Publikationen. De Haan war ein Freund von Frederik van Eeden und Arnold Aletrino, beide niederländische Autoren und Ärzte.
De Haan lebte in Amsterdam, im Stadtteil De Pijp, wo er 1904 die Novelle Pijpelijntjes schrieb, welche von der Öffentlichkeit kontrovers aufgenommen wurde. In dieser homoerotischen Erzählung schildert er kaum verklausuliert sein eigenes promiskuitives Leben mit homosexuellen Affären. Das Buch führte im Laufe der Kontroverse zur Entlassung von de Haan als Lehrer und zu seinem Ausschluss aus sozialdemokratischen Kreisen.
1907 heiratete de Haan die Ärztin Johanna van Maarseveen. 1919 trennte sich das Ehepaar. Eine offizielle Ehescheidung hingegen erfolgte zeit ihres Lebens nicht. 1908 veröffentlichte de Haan einen zweiten kontroversen Roman Pathologieën, in dem die Sorgen und das Glück einer sadomasochistischen Beziehung beschrieben werden. Der Roman erhielt aber weniger öffentliche Aufmerksamkeit als seine in den folgenden Jahren von 1914 bis 1921 erschienenen Prosa und Sketche.
Engagement für den Zionismus und Abreise nach Jerusalem: Leben im Mandatsgebiet Palästina Bearbeiten
Ab 1910 entwickelte de Haan ein verstärktes Interesse am Judentum, an Eretz Israel und dem Zionismus. Dieses Interesse de Haans war unter anderem ein Resultat aus der massenweisen Verhaftung von Juden im zaristischen Russland, seinem Interesse am Bolschewismus und seinem Engagement zur Befreiung der inhaftierten russischen Juden. De Haan reiste als Diplomat nach Russland mit einem Brief der niederländischen Königin Wilhelmina. In den folgenden zwei Jahren setzte er sich in Russland für die Freilassung von russischen, jüdischen Gefangenen ein und lernte in dieser Zeit die Folgen von Antisemitismus kennen.
Im Internet „Journal The Exquisite Corpse-A Journal of Letters and Life“ schreibt Ludy Giebels über de Haan:
De Haan wurde zunehmend im religiösen Bereich tätig und engagierte sich diesbezüglich. Er schrieb Artikel über Israel und den Zionismus, bevor er 1919 nach Palästina zog, wo er sich in Jerusalem niederließ. Er unterrichtete an der neuen rechtswissenschaftlichen Fakultät in Jerusalem und schickte Artikel zur niederländischen Zeitung Algemeen Handelsblad, einer der bedeutendsten niederländischen Tageszeitungen, und zur Wochenzeitung De Groene Amsterdammer. De Haan beteiligte sich anfangs an der religiös-zionistischen Misrachi in Palästina. Aber als er den Rabbiner Joseph Chaim Sonnenfeld kennenlernte, den Anführer der nicht-zionistischen Haredi Juden, wurde er Mitglied in einer Haredi-Gruppe in Jerusalem, deren politischer Sprecher er wurde. De Haan wurde innerhalb des orthodox-jüdischen Lagers zu einem bedeutenden Mitglied. Er war der Ansicht, dass der Kampf zwischen Juden und Arabern beendet werden müsse und nicht durch Krieg und Konflikt gelöst werden dürfe. Mit dieser Ansicht war De Haan innerhalb der säkularen zionistischen Führer jener Zeit umstritten.
In seinem Gedichtebuch Kwatrijnen („Vierzeiler“) schrieb De Haan über seine sexuellen Kontakte zu bi- und homosexuellen Männern. Das Buch wurde nach seinem Tod in Amsterdam 1924 veröffentlicht. In einem dieser veröffentlichten Gedichte schrieb de Haan:
Ermordung und posthume Bewertungen Bearbeiten
Am 30. Juni 1924 wurde de Haan von der Hagana ermordet. Jacob Israël de Haan wurde auf dem Har haZetim begraben.
Dieser Vorfall wurde in dem Buch De Haan: The first political assassination in Palestine, geschrieben von Shlomo Nakdimon und Shaul Mayzlish, dokumentiert (hebräische Ausgabe, Modan Press, Tel Aviv, 1985). Die Autoren interviewten für ihr Buch 1985 den Auftragsmörder Avraham Tehomi (1903–1990), der als Geschäftsmann mittlerweile in Hongkong lebte. Tehomi erklärte in einem von Nakdimon verfassten Fernsehbericht:
Aufgrund seiner Forderung nach einem friedlichen Lösungsweg zur Erringung eines eigenen Staates Israel war er der Gruppierung innerhalb der zionistischen Bewegung, die dieses Ziel durch Konflikt und Krieg erringen wollte, ein politisches Hindernis. Der Führer der orthodoxen Juden, der Rabbiner Joseph Chaim Sonnenfeld, hatte de Haan als diplomatischen Vertreter gewählt, um auf diplomatischer Ebene die Position der Orthodoxen zu vertreten. Über de Haans Zusammentreffen mit Lord Northcliffe, einem führenden englischen Publizisten, in Alexandria, Ägypten, schreiben die Autoren:
De Haans Ermordung war der erste politische Mord in der jüdischen Gemeinschaft in Palästina und löste eine Kontroverse aus. Der Autor und Publizist Moshe Beilinson schrieb hierüber:
1932 verarbeitete der Autor Arnold Zweig den Charakter und die Ermordung de Haans in seinem Roman De Vriendt kehrt heim. Des Weiteren schrieb der israelische Autor Chaim Be’er das Buch Notzot, in dem ein fiktionaler Charakter auf De Haan basiert.
In ultraorthodoxen Kreisen gilt de Haan als Märtyrer, der von säkularen Juden ermordet wurde. Während der 1980er versuchte die ultraorthodoxe Gemeinde in Jerusalem den Namen von Zupnik Garden in De Haan umzubenennen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. Verschiedene Zionisten haben de Haans Homosexualität als Grund und als Rechtfertigung für den Mord genannt. Der Mörder Tehomi hingegen verneint solche Beweggründe und äußerte:
Eine Zeile (Naar vriendschap zulk een mateloos verlangen „Nach Freundschaft solch ein maßloses Verlangen“) aus de Haans Gedicht Aan eenen jongen visscher („An einen jungen Fischer“) befindet sich als Inschrift im niederländischen Denkmal Homomonument in Amsterdam.
Werke de Haans Bearbeiten
Dichtung Bearbeiten
Zwischen 1900 und 1908 veröffentlichte De Haan Dichtung in zahlreichen Magazinen:
- 1914 – Libertijnsche liederen
- 1915 – Het Joodsche lied. Eerste boek
- 1917 – Liederen
- 1919 – Een nieuw Carthago
- 1921 – Het Joodsche lied. Tweede boek
- 1924 – Kwatrijnen
- 1952 – Verzamelde gedichten
- 1982 – Ik ben een jongen te Zaandam geweest
Prosa Bearbeiten
- 1904 – Pijpelijntjes
- 1904 – Kanalje
- 1907 – Ondergangen
- 1907–1910 – Besliste volzinnen
- 1908 – Pathologieën. De ondergang van Johan van Vere de With
- 1983 – Nerveuze vertellingen
Juristische Schriften Bearbeiten
- 1916 – Wezen en taak der rechtskundige significa.
- 1916 – Rechtskundige significa en hare toepassing op de begrippen (Dissertation)
- 1919 – Rechtskundige significa
Journalistische Veröffentlichungen Bearbeiten
- 1913 – In Russische gevangenissen
- 1922 – Jeruzalem
Literatur Bearbeiten
- Erik Schaap: Mijn lied mijn leed mijn hartstocht: Het leven van Jacob Israël de Haan (1881-1924). Brave New Books, ISBN 978-94-021-7125-9 (niederländisch).
Weblinks Bearbeiten
- Literatur von und über Jacob Israël de Haan im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Archive (Amsterdam Universität)
- (Memento vom 16. Juli 2012 im Internet Archive)
- „Biografieën over Jacob Israël de Haan“ (dbnl.org)
- Emil Marmorstein: „A Martyr’s Message. The Life of Dr. DeHaan“
- William A. Percy: Jacob Israel de Haan: sexology, poetry, politics
Einzelnachweise Bearbeiten
- ↑ corpse.org: On De Haan by Ludy Giebels
- Sonnenfeld, Shlomo Zalman (adaptiert von Hillel Danziger): Guardian of Jerusalem: The Life and Times of Rabbi Yosef Chaim Sonnenfeld (Mesorah Publications, Brooklyn, 1983), ISBN 0-89906-459-0
- Shlomo Nakdimon; Shaul Mayzlish: Deh Han: ha-retsah ha-politi ha-rishon be-Erets Yisraʼel / De Haan: The first political assassination in Palestine, 1st edition (in Hebrew), Tel Aviv: Modan Press, 1985. (OCLC 21528172)