Das Internationale Filmfestival Karlovy Vary (tschechisch Mezinárodní filmový festival Karlovy Vary, englische Kurzform KVIFF) findet jedes Jahr Anfang Juli im böhmischen Kurort Karlsbad statt. Das KVIFF zählt zu den 13 A-Festivals, gehört in dieser Gruppe der weltweit führenden Festivals allerdings zu den kleineren Veranstaltungen. Gemessen an der Zahl der verkauften Tickets (etwa 140.000) liegt es zwischen dem etwas größeren Festival von Locarno (147.000) und dem kleineren Warschauer Festival (108.000). Es ist eines der ältesten der Welt und hat sich zu Osteuropas führendem Filmevent entwickelt.
2018 gab es erstmals eine Kooperation mit den Internationalen Hofer Filmtagen.
Geschichte Bearbeiten
Das Filmfestival in Karlsbad ist eine der ältesten Filmschauen der Welt. Premiere feierte es 1946, wobei es im ersten Jahr mit Marienbad einen zweiten Austragungsort gab. In den drei folgenden Jahren fand das Festival sogar ausschließlich in Marienbad statt, ab 1950 dann nur noch in Karlsbad. Die ersten Preise wurden 1948 verliehen. Damit blicken nur die Filmfestspiele von Venedig und das Moskauer Filmfestival, die bereits in den 1930er-Jahren begründet wurden, auf eine längere Tradition zurück. Die Filmfestspiele von Cannes und das Festival von Locarno wurden ebenfalls erstmals 1946 veranstaltet, beide allerdings einige Wochen nach dem ersten Karlsbader Festival.
Von 1958 bis 1992 fand das Filmfestival Karlovy Vary lediglich alle zwei Jahre – im Wechsel mit dem Moskauer Filmfestival – statt. Aus diesem Grund konnte das Festival im Jahr 2015 erst seine 50. Austragung feiern, obwohl es zu dem Zeitpunkt bereits 69 Jahre existierte. Zu größeren Veränderungen kam es schließlich bei der 29. Auflage des Festivals im Jahr 1994, als auf einen jährlichen Austragungsrhythmus umgestellt wurde. Zuvor hatten das tschechische Kultusministerium, die Stadt Karlsbad und das ortsansässige Grand-Hotel Pupp eine Stiftung für das Festival gegründet, die den bekannten tschechischen Schauspieler Jiří Bartoška als Präsidenten des Festivals engagierte. Eine weitere personelle Stärkung erfuhr das Festival 1995 durch die Berufung der Publizistin Eva Zaoralová zur Programmdirektorin. Seither hat das Festival in Fachkreisen immer wieder Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Den Festivalmachern gelang es zudem regelmäßig, internationale Stars nach Karlsbad zu locken. Zu den Gästen zählten beispielsweise Sharon Stone, Robert Redford, Robert De Niro und Leonardo DiCaprio. Bei der 48. Austragung des Festivals 2013 war der iranische Dissidenten-Regisseur Jafar Panahi via Skype zugeschaltet. Wie schon die Filmfestspiele in Cannes 2011 und die Berlinale 2013, bei denen heimlich gedrehte Filme Panahis zu sehen waren, bot das Karlsbader Festival dem unter Hausarrest stehenden Filmemacher so eine Bühne.
Zum 1. Januar 2011 gab die zu diesem Zeitpunkt 78-jährige Zaoralová ihren Posten als Programmdirektorin ab. Zum Nachfolger wurde Karel Och bestimmt, der seit 2001 den Dokumentarfilmwettbewerb und einige Retrospektiven des Festivals (Sam Peckinpah, Michael Powell, Emeric Pressburger) programmiert hatte.
Hauptpreis des Festivals ist der Kristallglobus (Křišťálový Globus). Der East of the West Award, mit dem seit 2005 ausschließlich Produktionen aus Osteuropa prämiert werden, ist in den vergangenen Jahren zum zweiten wichtigen Preis des Festivals avanciert.
2018 gab es zum ersten Mal eine Kooperation zwischen dem Internationalen Filmfestival Karlovy Vary und den Internationalen Hofer Filmtagen.
2020 wurde das Festival aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt.
Preisträger Bearbeiten
1940er-Jahre Bearbeiten
- 1947: keine Preisverleihung
- 1948 – Die letzte Etappe (Ostatni etap) der Regisseurin Wanda Jakubowska
- 1949 – Die Stalingrader Schlacht, Teil 1 (Stalingradskaja bitwa I) des Regisseurs Wladimir Petrow
1950er-Jahre Bearbeiten
- 1950 – Der Fall von Berlin, Teil 1 und 2 (Padenije Berlina I & II) des Regisseurs Micheil Tschiaureli
- 1951 – Ritter des goldenen Sterns (Kawaler Solotoi Swesdy) des Regisseurs Juli Raisman
- 1952 – Das unvergeßliche Jahr 1919 (Nesabywajemy 1919 god) des Regisseurs Micheil Tschiaureli
- 1954 ex aequo: Das Salz der Erde (Salt of the Earth) des Regisseurs Herbert Biberman und Reise mit Hindernissen (Wernyje drusja) des Regisseurs Michail Kalatosow
- 1956 – Wenn alle Menschen der Welt… (Si tous les gars du monde) des Regisseurs Christian-Jaque
- 1957 – Unter dem Mantel der Nacht (Jagte Raho) der Regisseure Sombhu Mitra und Amit Moitra
- 1958 – Der stille Don (Tichi Don) des Regisseurs Sergei Gerassimow
1960er-Jahre Bearbeiten
- 1960 – Serjoscha der Regisseure Giorgi Danelia und Igor Talankin
- 1962 – Neun Tage eines Jahres (Dewjat dnei odnowo goda) des Regisseurs Michail Romm
- 1964 – Der Angeklagte (Obžalovaný) der Regisseure Ján Kadár und Elmar Klos
- 1966 – Kristallglobus nicht vergeben
Spezialpreis der Jury ex aequo an: Leben im Schloß (La vie de château) des Regisseurs Jean-Paul Rappeneau und Der Tod eines Bürokraten (La muerte de un burócrata) des Regisseurs Tomás Gutiérrez Alea - 1968 – Ein launischer Sommer (Rozmarné léto) des Regisseurs Jiří Menzel
1970er-Jahre Bearbeiten
- 1970 – Kes des Regisseurs Ken Loach
- 1972 – Bändigung des Feuers (Ukroschtschenije ognja) des Regisseurs Daniil Chrabrowizki
- 1974 – Romanze für Verliebte (Romans o wljubljonnych) des Regisseurs Andrei Michalkow-Kontschalowski
- 1976 – Kantate über Chile (Cantata de Chile) des Regisseurs Humberto Solás
- 1978 ex aequo: Shadows of a Hot Summer (Stíny horkého léta) des Regisseurs František Vláčil und Weißer Bim Schwarzohr (Bely Bim Tschornoje ucho) des Regisseurs Stanislaw Rostozki
1980er-Jahre Bearbeiten
- 1980 – Die Verlobte der Regisseure Günter Reisch und Günther Rücker
- 1982 – Rote Glocken, Teil I: Mexiko in Flammen (Krasnyje kolokola I: Meksika w ogne) des Regisseurs Sergei Bondartschuk
- 1984 – Lew Tolstoi des Regisseurs Sergei Gerassimow
- 1986 – Die Straße des Sterbens (A Street to Die) des Regisseurs Bill Bennett
- 1988 – Die Stadt Hibiskus (Fu rong zhen) des Regisseurs Xie Jin
1990er-Jahre Bearbeiten
- 1990 – keine Preisverleihung
- 1992 – Krapatchouk des Regisseurs Enrique Gabriel
- 1994 – Mein Seelenbruder des Regisseurs Mariano Barroso
- 1995 – Jízda des Regisseurs Jan Svěrák
- 1996 – Gefangen im Kaukasus (Кавказский пленник) des Regisseurs Sergei Bodrow
- 1997 – Mein Leben in Rosarot (Ma vie en rose) des Regisseurs Alain Berliner
- 1998 – Le Coeur au poing des Regisseurs Charles Binamé
- 1999 – Ha-Chaverim Shel Yana des Regisseurs Arik Kaplun
2000er-Jahre Bearbeiten
- 2000 – Eu Tu Eles des Regisseurs Andrucha Waddington
- 2001 – Die fabelhafte Welt der Amélie des Regisseurs Jean-Pierre Jeunet
- 2002 – Das Jahr des Teufels des Regisseurs Petr Zelenka
- 2003 – Das Fenster gegenüber des Regisseurs Ferzan Özpetek
- 2004 – Certi bambini der Regisseure Andrea & Antonio Frazzi
- 2005 – Kristallglobus: Mein Nikifor des Regisseurs Krzysztof Krauze
- 2006 – Kristallglobus: SherryBaby der Regisseurin Laurie Collyer
- 2007 – Kristallglobus: Jar City des Regisseurs Baltasar Kormákur
- 2008 – Kristallglobus: Terribly Happy (Frygtelig Lykkelig) des Regisseurs Henrik Ruben Genz
- 2009 – Kristallglobus: Angel at Sea (Un ange à la mer) des Regisseurs Frédéric Dumont
- 2010 – Kristallglobus: The Mosquito Net (La mosquitera) des Regisseurs Agustí Vila
- 2011 – Kristallglobus: Restoration des Regisseurs Joseph Madmony
- 2012 – Kristallglobus: The Almost Man (Mer eller mindre mann) des Regisseurs Martin Lund
- 2013 – Kristallglobus: Das große Heft (A nagy füzet) des Regisseurs János Szász
- 2014 – Kristallglobus: Corn Island (Simindis kundzuli) des Regisseurs George Ovashvili
- 2015 – Kristallglobus: Bob and the Trees des Regisseurs Diego Ongaro
- 2016 – Kristallglobus: It's Not the Time of My Life (Ernelláék Farkaséknál) des Regisseurs Szabolcs Hajdu
- 2017 – Kristallglobus: Little Crusader (Křižáček) des Regisseurs Václav Kadrnka
- 2018 – Kristallglobus: I Do Not Care If We Go Down in History as Barbarians von Radu Jude
- 2019 – Kristallglobus: The Father von Kristina Grozeva und Petar Valchanov
2020er-Jahre Bearbeiten
- 2020 – aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt
- 2021 – Kristallglobus: Der Falke von Stefan Arsenijević
- 2022 – Kristallglobus: Sommer mit Hoffnung (Summer With Hope) von Sadaf Foroughi
- 2023 – Kristallglobus: Blagas Lektionen von Stefan Komandarew
Siehe auch Bearbeiten
Weblinks Bearbeiten
- Offizielle Website des Festivals (tschechisch, englisch)
Belege Bearbeiten
- Filmový svátek ve Varech ovládli Barbaři. Bartoška ocenil Levinsona, Hanzlíka a Pattinsona. In: Informuji.cz. Abgerufen am 10. Juli 2022.
- Richard Gere to Receive Crystal Globe at Karlovy Vary Film Festival. In: Variety.com. 22. Juni 2015, abgerufen am 10. Juli 2022.
- 55th Karlovy Vary International Film Festival. In: Karlovy Vary. Abgerufen am 10. Juli 2022.
- „Jenseits jeder Midlife-Crisis"“, Bei: Süddeutsche.de, 12. Juli 2015
- Paul Katzenberger: „Jafar Panahi: "Mein Herz ist bei Euch"“, Bei: süddeutsche.de, 8. Juli 2013
- Filmfestival in Karlsbad wird abgesagt. In: radio.cz. 28. April 2020, abgerufen am 30. April 2020.
- Liste der Preisträger bei kviff.com (englisch; abgerufen am 11. Juli 2011)
- Liste der Preisträger bei kviff.com, 7. Juli 2012 (englisch; abgerufen am 10. Juli 2012)
- Liste der Preisträger bei kviff.com
- Liste der Preisträger bei kviff.com
- Pressemitteilung des Festivals bei kviff.com
- Pressemitteilung des Festivals bei kviff.com
- Pressemitteilung des Festivals bei kviff.com
- Barbarians from Romania win the 53rd Karlovy Vary IFF. Abgerufen am 10. Juli 2018.
- The Crystal Globe went to Bulgarian Father. Abgerufen am 8. Juli 2019.
- Tom Grater: Karlovy Vary Winners: ‘As Far As I Can Walk’ Takes Grand Prix Crystal Globe. In: deadline.com. 28. August 2021, abgerufen am 29. August 2021 (englisch).
- Hauptpreis des Karlsbader Filmfestivals an Flüchtlingsdrama. In: ORF.at. 28. August 2021, abgerufen am 29. August 2021.
- Melanie Goodfellow: Karlovy Vary Festival Winners: ‘Summer With Hope’ Wins Grand Prix. In: deadline.com. 9. Juli 2022, abgerufen am 10. Juli 2022 (englisch).
- Hauptpreis des Karlsbader Filmfestivals für «Sommer mit Hoffnung». In: deutschlandfunkkultur.de. 10. Juli 2022, abgerufen am 10. Juli 2022.
- David Rams: KVIFF 2022: Festivalfazit und Gewinner*innen des 56. Karlovy Vary Film Festivals! In: tvmovie.de. 10. Juli 2022, abgerufen am 12. Juli 2022.
- ↑ APA Austria Presse Agentur: Hauptpreis des Karlsbad-Filmfestivals geht nach Bulgarien. In: news.at. 8. Juli 2023, abgerufen am 8. Juli 2023.
- Karlsbader Filmfestival zeichnet McGregor und Vikander aus. In: ORF.at. 13. Juni 2023, abgerufen am 13. Juni 2023.
- Karlovy Vary to honour Robin Wright, Christine Vachon; selects Future Frames participants, closing film. In: screendaily.com. 20. Juni 2023, abgerufen am 21. Juni 2023.
- Russell Crowe mit Band bei Filmfestival Karlovy Vary. In: ORF.at. 30. Juni 2023, abgerufen am 1. Juli 2023.
- Andreas Wiseman: Karlovy Vary Reveals Award Winners: ‘Blaga’s Lessons’ Takes Key Prizes. In: deadline.com. 8. Juli 2023, abgerufen am 9. Juli 2023 (englisch).