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Erika Ika Hugel Marshall geboren am 13 Marz 1947 in Roth gestorben am 21 April 2022 in Berlin war eine deutsche Autorin Aktivistin Padagogin und Kunstlerin Sie war in der afrodeutschen Frauenbewegung ADEFRA e V Schwarze Frauen in Deutschland aktiv Ihre Autobiografie Daheim unterwegs Ein deutsches Leben behandelt den Rassismus in Deutschland und ihre Suche nach einer Familienidentitat Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 1 1 Kindheit 1 2 Spatere Jahre 1 3 Berliner Jahre 2 Autobiografie 3 Ausstellungen 4 Auszeichnungen 5 Veroffentlichungen Auswahl 5 1 Autobiografie 5 2 Herausgeberschaften 5 3 Beitrage Aufsatze 6 Filme 7 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenKindheit Bearbeiten Ika Hugel Marshall wurde 1947 als Tochter einer bayrischen Mutter und eines afroamerikanischen US Soldaten geboren Ihre Eltern hatten sich 1946 kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kennengelernt nachdem die Gesetze gelockert worden waren die Militarangehorigen den Umgang mit Zivilisten untersagten Im November 1946 kehrte ihr Vater nach einer Krankheit in die USA zuruck Beide wussten um die Schwangerschaft jedoch erfuhr Marshalls Mutter erst spater von der plotzlichen Ruckfuhrung durch die Armee Ein Jahr nach Ikas Geburt heiratete ihre Mutter einen deutschen Mann und im folgenden Jahr wurde ihre Halbschwester geboren Sie wuchs bis zu ihrem funften Lebensjahr in einer Kleinstadt in Bayern auf Kurz nachdem Hugel Marshall eingeschult wurde legte das Jugendamt fest dass sie in einem Heim untergebracht werden sollte Als Begrundung der Heimunterbringung gab das Jugendamt an dass die personliche und berufliche Entwicklung gefahrdet sei wenn sie weiterhin in einer Kleinstadt bei ihrer Familie aufwuchse 1 Die damalige Gesetzgebung sah vor dass uneheliche Kinder automatisch in die Vormundschaft des Jugendamtes fielen Das Jugendamt schickte sie im Alter von sieben Jahren in das Kinderheim Kinderheimat Gotteshutte in Huckeswagen bei Koln Dort lebte sie fur den Rest ihrer Kindheit obwohl man ihr versprochen hatte dass es nur vorubergehend sei und sie nur sechs Wochen dortbleiben musse Im Heim war sie das einzige schwarze Kind und somit andauernden Schikanen der anderen Kinder und Erziehenden die Nonnen waren ausgesetzt 2 Sie wurde von den Nonnen oft geschlagen gedemutigt und war exorzistischen Ritualen des von einer evangelischen Freikirche gefuhrten Heimes ausgesetzt 3 Zu diesem Zeitpunkt in Hugel Marshalls Kindheit hatte sie keinen grosseren Wunsch als weiss zu sein und sie war voller Schuldgefuhle weil sie schwarz war denn die Nonnen sagten ihr dass Schwarzsein Sunde in ihre Seele bringe In den Sommerferien durfte sie nach Hause fahren ihrer Familie erzahlte sie nie von ihren schlimmen Erfahrungen im Kinderheim 4 Ihr wurde durch das Heim der Besuch eines Gymnasiums verwehrt und ihr fruher Wunsch Lehrerin zu werden blieb ihr verwehrt Stattdessen wurde sie gezwungen eine Ausbildung zur Kinderpflegerin zu machen 5 Spatere Jahre Bearbeiten Schliesslich fand sie Arbeit in einem Kinderheim in Frankfurt am Main wo sie zwolf Jahre lang tatig war Das Heim erinnerte sie an das entwurdigende Waisenhaus in das sie geschickt worden war und wirkte eher wie eine Haftanstalt als wie eine Schule In Zusammenarbeit mit den anderen Erzieherinnen und gegen den Widerstand der Einrichtungsleiterin gelang es ihr die Einrichtung wahrend ihrer Zeit dort grundlegend zu verandern und zu modernisieren Neben ihrer Arbeit dort schloss sie ein berufsbegleitendes Studium der Sozialpadagogik ab 6 In Frankfurt lernte sie Orloff Hugel kennen und heiratete ihn Beide Familien waren bei der Hochzeit anwesend aber einige Vorfalle zeigten einmal mehr wie die deutsche Gesellschaft sie als unsichtbar behandelte Als sie und Orloff ihre Heiratsurkunde abholen wollten begrusste der Standesbeamte Orloff schrieb seinen Namen auf und fragte dann Wo ist die Braut Als sie nach der Trauung die Stufen des Gerichtsgebaudes hinuntergingen gratulierte ein Passant der Brautjungfer zur Hochzeit Sie ignorierte die Vorfalle obwohl mich dieses standige Bedurfnis andere darauf hinzuweisen dass ich es bin die heiratet beunruhigt Nach sechs Jahren liessen sie und Orloff sich scheiden 6 Wahrend ihrer Zeit in Frankfurt engagierte sich Hugel Marshall in der Frauenrechtsbewegung Sie begann mit dem Taekwondo Training bei Sunny Graff mit der sie spater eine innige Freundschaft verband und spater die Kampfsportgruppe Frauen in Bewegung grundete und aufbaute Bestarkt durch das Training beschrieb Hugel Marshall die Trainingsstunden als einen Ort an dem sie obwohl sie die einzige Schwarze war nicht fortlaufend mit der eigenen Unterdruckung durch die rassistischen und sexistischen Strukturen jeglicher Art konfrontiert war Durch Graff erfuhr sie von einem bundesweiten Treffen Afrodeutscher Menschen in der Nahe von Frankfurt und beschloss nach grosseren Zweifeln andere afrodeutsche Menschen kennenzulernen und wurde fruhes Mitglied der Initiative Schwarzer Deutsche ISD 7 Spater erlangte sie den schwarzen Gurtel in Taekwondo und unterrichtete in Berlin Selbstverteidigungskurse fur Schwarze Frauen Frauen mit Migrationsbiografie und judische Frauen 8 Berliner Jahre Bearbeiten 1965 versuchte sie ihren Vater zu finden und schrieb ihm einen Brief in dem sie ihm ihre Situation erklarte aber der Brief wurde mit dem Vermerk unzureichende Adresse zuruckgeschickt Sie gab die Hoffnung nie auf ihn zu finden und als sie 1990 nach Berlin zog traf sie Menschen die ihr anboten ihr bei der Suche nach ihrem Vater und dieser Seite ihrer Familie zu helfen 1993 im Alter von 46 Jahren traf sie schliesslich ihren Vater und seine grosse amerikanische Familie in Chicago wo sie willkommen geheissen und als Gleichberechtigte akzeptiert wurde 6 Hugel Marshall sagte spater Hier ist das Ende meiner Reise und fugte hinzu Ich wusste dass mein Uberleben in einer weissen rassistischen Gesellschaft nicht umsonst war Er starb ein Jahr spater Ab 1986 engagierte sie sich in der afrodeutschen Frauenbewegung und war Mitbegrunderin von ADEFRA Sie nutzte Literatur und Medien um auf den Status von Afrodeutschen als statistisch unsichtbar und doch unangenehm auffallig aufmerksam zu machen Ika Hugel Marshalls Arbeit wurde von der amerikanischen Burgerrechtlerin Audre Lorde beeinflusst Lorde lebte in Deutschland als ADEFRA gegrundet wurde und ermutigte Afrodeutsche zusammenzukommen und uber ihr Leben zu sprechen Lorde mit der sie eine tiefe Freundschaft verband ermutigte sie ihr autobiografisches Werk Daheim Unterwegs Ein deutsches Leben herauszugeben Hugel Marshall ist Mitautorin des Dokumentarfilms Audre Lorde The Berlin Years 1984 to 1992 2012 nahm sie zusammen mit ihrer Partnerin Dagmar Schultz an der Premiere des Films auf dem Audre Lorde Legacy Cultural Festival in Chicago teil 9 Hugel Marshall unterrichtete an der Freien Universitat Berlin der Technischen Universitat und der Alice Salomon Hochschule in Berlin In den 90er Jahren war sie als Anti Rassismus Trainerin aktiv Zusammen mit May Ayim und anderen war sie Mitherausgeberin des Buches Entfernte Verbindungen Im Sommer 2021 brachte Ika Hugel Marshall gemeinsam mit Nivedita Prasad und Dagmar Schultz den Sammelband May Ayim Radikale Dichterin sanfte Rebellin heraus 8 nbsp Erinnerungstafel am Grab von Ika Hugel Marshall auf dem Alten St Matthaus KirchhofIhre Grafiken die sie als Kunstlerin entwarf erschienen auf verschiedenen Buchcovers und wurden ausgestellt Sie starb plotzlich und unerwartet am 21 April 2022 im Alter von 75 Jahren Ihr Grab befindet sich in einer Gemeinschaftsgrabstatte auf dem Alten St Matthaus Kirchhof in Berlin 6 Autobiografie BearbeitenIka Hugel Marshall veroffentlichte ihre Autobiografie 1998 unter dem Titel Daheim unterwegs Ein deutsches Leben in der sie ihre Erfahrungen mit dem Uberleben als schwarze Frau in Deutschland schildert Der Titel ist ein bewusstes Oxymoron das auf jemanden verweist der in seinem eigenen Land ein Zuhause sucht Verschiedene Etappen ihres Lebens wie die Suche nach dem Vater die Suche nach ihrer Identitat und die Entwicklung der deutschen Frauenbewegung mit dem Thema Rassismus sind Themen ihrer Autobiografie Es gibt heute sehr viele weisse Deutsche die sich auch gegen Rassismus einsetzen und dafur auch kampfen das hat es zu meiner Zeit eben nicht gegeben auch nicht damals in der Frauenbewegung Da war ihnen Rassismus vollig egal Das hat sich naturlich schon verandert aber fur mich war es einfach so wie ich aufgewachsen bin dass ich einfach im Ruckblick damals auch erkennen musste dass fur mich Weisse eben Rassisten sind solange sie sich nicht wirklich auseinandersetzen Und das tun halt nicht alle Ika Hugel Marshall 10 Das Buch wurde mit dem Audre Lorde Literaturpreis ausgezeichnet und von Hugel Marshall bei offentlichen Veranstaltungen in Deutschland Osterreich und den USA vorgelesen Es wurde als eine intensiv bewegende Reise auf der Suche nach sich selbst eine personliche Geschichte aber auch ein Mikrokosmos des Rassismus im heutigen Deutschland und in vielerlei Hinsicht paradigmatisch fur die schwarz deutsche Erfahrung 2007 hielt sie eine Lesung und ein Seminar uber das Buch unter anderem an der University of Rochester und 2012 gab sie eine offentliche Lesung beim jahrlichen Berlin amp Beyond Film Festival des Goethe Instituts Ausstellungen Bearbeiten2019 Many Colors Between Black And White The Word BerlinAuszeichnungen Bearbeiten1996 Audre Lorde Literary Award fur Daheim Unterwegs Ein deutsches LebenVeroffentlichungen Auswahl BearbeitenAutobiografie Bearbeiten Daheim unterwegs ein deutsches Leben Orlanda Frauenverlag Berlin 1998 ISBN 978 3 929823 52 3 Herausgeberschaften Bearbeiten Entfernte Verbindungen Rassismus Antisemitismus Klassenunterdruckung Orlanda Frauenverlag Berlin 1993 ISBN 978 3 922166 91 7 Invisible woman growing up black in Germany New ed New York 2008 ISBN 978 1 4331 0278 3 mit Nivedita Prasad und Dagmar Schultz Hrg May Ayim Radikale Dichterin sanfte Rebellin Anthologie mit Texten verschiedener Autorinnen und mit unveroffentlichten Gedichten und Texten von May Ayim Unrast Verlag Munster 2021 ISBN 978 3 89771 094 8 Beitrage Aufsatze Bearbeiten Lesbischsein lasst sich verleugnen Schwarzsein nicht in Loulan Nichols Streit u a Hg Lesben Liebe Leidenschaft Texte zur feministischen Psychologie Berlin Orlanda Frauenverlag 1992 S 298 307 Wir brauchen uns und unsere Unterschiede in Lange Chris Ayim May et al Hg Entfernte Verbindungen Rassismus Antisemitismus Klassenunterdruckung Berlin Orlanda Frauenverlag 1993 S 18 32 Wir kampfen seit es uns gibt in Clausen Jeanette amp Friedrichsmeyer Sara Hg Women in German Yearbook 9 Lincoln and London University of Nebraska Press 1994 S 231 240 Schwarze KlientInnen in Therapie und Beratung bei weissen TherapeutInnen in del Mar Castro Varela Schulze Vogelmann Weiss Hg Suchbewegungen Interkulturelle Beratung und Therapie Tubingen dgvt Verlag 1998 S 109 116 Formen und Auswirkungen von Gewalt gegen Migrantinnen und Schwarze Frauen und Madchen in Aranat e V Qualitatsmerkmale von Selbstbehauptungs und Selbstverteidigungskursen fur Madchen und Frauen Lubeck Aranat e V 1999 S 11 15 Die Situation von Afrodeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel meiner Autobiographie Daheim unterwegs Ein deutsches Leben In Kumpfmuller Karl A Hg Europas langer Schatten Afrikanische Identitaten zwischen Selbst und Fremdbestimmung Frankfurt M Brandes amp Apsel Sudwind 2000 S 143 152 Beratung von Eltern mit Kindern aus afrodeutschen Verbindungen in Verband internationaler Familien und Partnerschaften Iaf e V Hg Sichtbar Anders Aus dem Leben afrodeutscher Kinder und Jugendlicher Brandes amp Apsel Frankfurt M 2005 S 112 114 Filme Bearbeitenmit Dagmar Schultz Aletta von Vietinghoff Audre Lorde Die Berliner Jahre 1984 1992 2012Einzelnachweise Bearbeiten Ika Hugel Marshall Daheim unterwegs ein deutsches Leben Orlanda Frauenverlag Berlin 1998 ISBN 978 3 929823 52 3 S 16 20 Ika Hugel Marshall Daheim unterwegs ein deutsches Leben Orlanda Frauenverlag Berlin 1998 ISBN 978 3 929823 52 3 S 45 Susanne Fuhrer Afrodeutsche Aktivistin Ika Hugel Marshall Im Kinderheim misshandelt In deutschlandfunkkultur de 20 April 2020 abgerufen am 30 Juli 2022 Im Kinderheim misshandelt Deutschlandfunk vom 7 Februar 2017 Ika Hugel Marshall Daheim unterwegs ein deutsches Leben Orlanda Frauenverlag Berlin 1998 ISBN 978 3 929823 52 3 S 52 54 a b c d Nachruf auf Ika Hugel Marshall im Tagesspiegel vom 17 Oktober 2022 1 Ika Hugel Marshall Daheim unterwegs ein deutsches Leben Orlanda Frauenverlag Berlin 1998 ISBN 978 3 929823 52 3 S 87 93 a b Miss Sam Zum Tod der afrodeutschen Aktivistin Autorin und Filmemacherin Ika Hugel Marshall In www siegessaeule de 28 April 2022 abgerufen am 31 Juli 2022 Audre Lorde The Berlin Years Abgerufen am 9 Februar 2021 Im Kinderheim misshandelt In http www deutschlandfunkkultur de Abgerufen am 31 Juli 2022 Normdaten Person GND 120041146 lobid OGND AKS LCCN nr99005530 VIAF 118010714 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hugel Marshall IkaALTERNATIVNAMEN Hugel Marshall ErikaKURZBESCHREIBUNG deutsche Schriftstellerin Padagogin und Aktivistin der afrodeutschen BewegungGEBURTSDATUM 13 Marz 1947GEBURTSORT RothSTERBEDATUM 21 April 2022STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ika Hugel Marshall amp oldid 235713347