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IBM und der Holocaust Die Verstrickung des Weltkonzerns in die Verbrechen der Nazis engl Originaltitel IBM and the Holocaust The Strategic Alliance between Nazi Germany and America s Most Powerful Corporation ist ein Buch des Investigativjournalisten Edwin Black das 2001 erstmals veroffentlicht wurde Black stellt im Detail die Geschaftsbeziehungen des US Konzerns IBM und seiner deutschen wie europaischen Tochterfirmen mit der deutschen Regierung Adolf Hitlers wahrend der 1930er Jahre und der Zeit des Zweiten Weltkriegs dar Eine Kernaussage des Buches ist Blacks These dass die Technologie von IBM den Volkermord ermoglichte vor allem durch die Herstellung und Tabellierung von Lochkarten auf der Basis von Daten aus der Volkszahlung 1 Die Neuauflage von 2012 bot eine um 37 Seiten bisher unveroffentlichter Dokumente erweiterte Ausgabe Dazu kamen Fotos und anderes Archivmaterial Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Reaktion von IBM 3 Rezeption 4 Gerichtsverfahren 5 Ausgaben 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenIn den fruhen 1880er Jahren konzipierte Herman Hollerith 1860 1929 ein junger Angestellter des U S Census Bureau das Prinzip lesbarer Karten mit standardisierter Lochung wobei jedes Loch einer besonderen Information zu einer Person wie Geschlecht Nationalitat und Beruf entsprach Die Millionen von Lochkarten der Volkszahlung wurden dann ausgewertet 2 1910 grundete der deutsche Lizenznehmer Willy Heidinger die Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft die unter ihrem Akronym DEHOMAG bekannt wurde 3 Ein Jahr spater verkaufte Hollerith sein Unternehmen an den Grossindustriellen Charles Flint 1850 1934 fur 1 41 Millionen Dollar entspricht 34 Millionen Dollar des Jahres 2012 4 Das Unternehmen wurde Teil eines Mischkonzerns mit dem Namen Computing Tabulating Recording Company CTR 4 Flint machte Thomas J Watson 1874 1956 den Starverkaufer der National Cash Register Corporation zum Geschaftsleiter des neuen Unternehmens 5 Die DEHOMAG wurde spater eine direkte Tochtergesellschaft der CTR 6 1924 wurde Watson Chief Executive Officer der CTR und anderte den Namen in International Business Machines IBM nbsp Lochkartenstanzer mit Tastatur 1933Black beschreibt eingehend die weiter vorangehenden Geschafte mit der Regierung Adolf Hitlers und der NSDAP mit IBM Nach dem Machtantritt Hitlers im Januar 1933 wurde am 20 Marz ein Konzentrationslager fur politische Gefangene in Dachau eingerichtet Trotz internationaler Aufrufe zum Boykott wurden die geschaftlichen Beziehungen nicht unterbrochen 7 Willy Heidinger ein begeisterter Anhanger des Regimes leitete weiterhin die Dehomag die zu 90 in amerikanischem Besitz war 8 Der bis 1922 unabhangige Heidinger hatte auf Druck von Watson 90 Prozent der Aktienanteile als Kompensation an IBM abgetreten da er die aufgelaufenen Lizenzgebuhren aufgrund der Inflation in Deutschland nicht mehr bezahlen konnte 9 10 Am 12 April 1933 wurde eine lange verschobene Volkszahlung angekundigt 11 Dies war fur die nationalsozialistische Fuhrung fur die Identifizierung von Juden Sinti und Roma und anderen ethnischen Gruppen die unerwunscht erschienen von besonderer Bedeutung Die DEHOMAG bot ihre Dienste an wobei man sich auf die 41 Millionen Einwohner Preussens konzentrierte 12 Dies wurde von Thomas Watson und IBM in Amerika nicht nur gutgeheissen sondern wie Black behauptet aktiv gefordert und finanziell unterstutzt Watson reiste im Oktober 1933 selbst nach Deutschland Die Investitionen wurden von 400 000 auf 7 000 000 Reichsmark erhoht was etwa dem damaligen Wert von einer Million Dollar entsprach 13 Diese Kapitalspritze erlaubte der DEHOMAG Landerwerb in Berlin und den Bau der ersten IBM Fabrik in Deutschland Mit dieser Ausrustung bereitete sich die Firma auf ein grosses Geschaft mit dem neuen Regime vor so Black 13 Black erwahnt ausserdem einen geheimen Vertrag zwischen Heidinger und Watson der der DEHOMAG besondere geschaftliche Vollmachten ausserhalb Deutschlands gab womit die nun nazifizierte Firma Tochterfirmen und Lizenznehmer dieser Lander umgehen und ersetzen circumvent and supplant konnte und die Bestellung und Lieferung von lochkartentechnologischen Losungen direkt an Kunden dieser Lander vornehmen konnte 14 Im Ergebnis sei Deutschland in kurzer Zeit der zweitwichtigste Kunde von IBM ausserhalb des US Marktes geworden 15 Der Zensus von 1933 der mit Hilfe und Dienstleistungen der IBM uber ihre deutsche Tochter durchgefuhrt wurde erwies sich als wesentliches Werkzeug um die judische Minderheit zu identifizieren zu isolieren und schliesslich zu vernichten Die geschatzte Zahl der Juden wurde erheblich nach oben korrigiert da nun die Personen mit nur einem oder mehreren judischen Vorfahren erfasst wurden So wurde die ursprungliche Schatzung von 400 000 bis 600 000 Juden aufgegeben und eine neue Schatzung von 2 Millionen angenommen 16 Mit der Besetzung Europas erfolgten Zahlungen in den eroberten Landern Auch hier spielten die deutsche IBM Niederlassung und nach der Eroberung Polens neue polnische Tochterfirmen eine wichtige Rolle die von New York aus spezielle Aufgaben zugewiesen bekamen 17 Die Maschinen zur Datenerfassung und Auswertung die von IBM geliefert wurden waren fur die Erfassung Zusammenfuhrung und Vernichtung der europaischen Juden unerlasslich zeigt Black auf 18 Black behauptet jedes KZ Lager habe seine eigene Hollerith Abteilung gehabt um Daten der Gefangenen zu erfassen 19 Black behauptet ohne IBM Ausrustung ihre Wartung und Instandhaltung und den Nachschub von Kartenmaterial hatten Hitlers Lager nicht die riesigen Menschenmengen bewaltigen konnen 20 Reaktion von IBM BearbeitenIBM hat nie die historischen Zeugnisse der Forschung Blacks als solche in Frage gestellt sondern hauptsachlich die Methodik und die Schlussfolgerungen kritisiert 21 IBM behauptete keine weiteren Dokumente zu besitzen da die meisten wahrend des Krieges zerstort wurden oder verloren gegangen seien 22 In ihrem IBM Statement on Nazi era Book and Lawsuit antwortete IBM im Februar 2001 auf die Darstellung Blacks es sei jahrzehntelang bekannt gewesen dass Nazis die Hollerithausrustung benutzt hatten und dass IBMs deutsche Niederlassung wahrend der 1930er Jahre Hollerith Ausrustung geliefert habe Wie viele andere Firmen sei auch die DEHOMAG unter deutsche Kontrolle gekommen Es sei auch weithin bekannt dass Thomas J Watson Sr die Medaille der deutschen Regierung fur seine Rolle in den Weltwirtschaftsbeziehungen angenommen und in der Folge abgelehnt und zuruckgegeben habe 23 Am 29 Marz 2002 wies IBM Blacks Behauptung zuruck IBM halte Informationen und Aufzeichnungen zuruck 24 Mr Black is asserting that IBM is withholding materials regarding this era in its archives There is no basis for such assertions and we deplore the use of such claims to sell books Mr Black behauptet dass IBM Materialien zu dieser Zeit in seinen Archiven zuruckhalt Diese Anschuldigungen sind haltlos und wir missbilligen die Verwendung solcher Behauptungen um Bucher zu verkaufen 25 IBM ubergab jedoch spater einen erheblichen Teil seiner Firmenaufzeichnungen an wissenschaftliche Archive in New York und Stuttgart damit sie von unabhangigen Forschern untersucht wurden 26 In einem Artikel im Geschichtsnachrichtennetzwerk der George Mason University beschuldigte Edwin Black Rechtsanwalte von IBM der Zensur in Wikipedia Artikeln zur Geschichte der IBM 26 Rezeption BearbeitenNewsweek bezeichnete das Buch als explosive und fugte hinzu durch grundliche Forschung belegt sei Blacks Falldarstellung ebenso einfach wie atemberaubend 2003 zeichnete die American Society of Journalists and Authors ASJA Blacks Werk IBM and the Holocaust als bestes Sachbuch des Jahres aus 27 Richard Bernsteins Rezension im The New York Times Book Review stellte die ausfuhrliche und gut mit Quellen belegte Darstellung Blacks heraus bemerkte aber dass er nicht beweise dass IBM die einzige oder entscheidende Verantwortung fur das Geschehene trage 28 IBM berief sich auf diese Aussage Bernsteins als es im Marz 2002 eine Presseverlautbarung als Zusatz zum IBM Statement uber das Buch der Nazizeit und den dazu gehorigen Rechtsstreit herausgab 24 Gerichtsverfahren BearbeitenIm Februar 2001 wurde auf Grundlage des Alien Tort Claims Acts ATCA Klage gegen IBM erhoben Dem Bundesgericht wurde vorgetragen IBM habe die Lochkartentechnologie zur Verfugung gestellt die den Holocaust erleichtert habe ausserdem habe sie die Aktivitaten von DEHOMAG gedeckt Im April 2001 wurde das Verfahren fallen gelassen Rechtsanwalte meinten sie befurchteten die Weiterfuhrung des Prozesses wurde die Zahlungen einer Holocauststiftung verlangsamen die zur Entschadigung von Zwangsarbeitern und anderer Opfer von Verfolgung vorgesehen seien IBMs deutsche Abteilung zahlte 3 Millionen Dollar in diese Stiftung dabei erklarte das Unternehmen dass es damit keine Schuldanerkenntnis zum Ausdruck bringe 29 2004 klagte die Menschenrechtsorganisation der Sinti und Roma Gypsy International Recognition and Compensation Action GIRCA in der Schweiz gegen IBM 2006 wurde das Verfahren wegen Verjahrung und Nichtzustandigkeit eingestellt da die Schweiz zur Zeit der Ereignisse keine IBM Niederlassung hatte 30 Ausgaben BearbeitenIBM and the Holocaust The Strategic Alliance between Nazi Germany and America s Most Powerful Corporation Crown Books 2001 ISBN 0 609 60799 5 IBM and the Holocaust The Strategic Alliance Between Nazi Germany and America s Most Powerful Corporation Dialog Press 2012 ISBN 978 0 914153 27 6 IBM und der Holocaust Die Verstrickung des Weltkonzerns in die Verbrechen der Nazis Propylaen Verlag Munchen u a 2001 ISBN 3 549 07130 2 IBM und der Holocaust Die Verstrickung des Weltkonzerns in die Verbrechen der Nazis Ullstein Taschenbuchverlag 2002 ISBN 3 548 75087 7 siehe auchGotz Aly und Karl Heinz Roth Die restlose Erfassung Volkszahlen Identifizieren Aussondern im Nationalsozialismus Berlin 1984 Weblinks BearbeitenOffizielle Website englisch Rezensionsnotizen zu IBM und der Holocaust bei Perlentaucher Beate Schreiber Die Studie gleicht doch eher einem Puzzle als einer geschlossenen Darstellung Ein Standardwerk wird sein Buch daher hoffentlich nicht werden Rezension in H Soz Kult 7 Juli 2001 Auszug aus IBM und der Holocaust mit Foto von Hollerith Maschine in der Jewish Virtual Library englisch Einzelnachweise Bearbeiten Peter Preston Observer review IBM and the Holocaust by Edwin Black In theguardian com 18 Februar 2001 abgerufen am 1 Januar 2017 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 25 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 30 a b Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 31 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 38 39 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 44 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 45 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 50 Christian Habbe IBM Der programmierte Massenmord In Spiegel Online 12 Februar 2001 abgerufen am 1 Januar 2017 englische Erstausgabe S 49f Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 54 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 55 a b Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 60 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 61 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 111 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 110 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 193 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 198 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 351 Black IBM and the Holocaust Zweite Taschenbuchausgabe S 352 Michael J Bazyler Holocaust Justice The Battle for Restitution in America s Courts IBM Press Room IBM Statement on Nazi era Book and Lawsuit In Press Release 14 Februar 2001 abgerufen am 2 Januar 2017 IBM Statement on Nazi era Book and Lawsuit 03 ibm com 14 Februar 2001 abgerufen am 16 Juni 2011 a b Addendum to IBM Statement on Nazi era Book and Lawsuit In 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