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Himmelpfortgasse der einzige Roman des Schweizer Schriftstellers und Graphologen Max Pulver erschien 1927 in Munchen Er schildert die Amour fou zwischen einem erfolgreichen Kriminalisten Ehemann und Familienvater und einer jungen Kunstlerin deren wache Sinnlichkeit mit den Anspruchen ihres gutburgerlichen Elternhauses rivalisiert Die mit wiederholtem Kokainkonsum beflugelten erotischen Ekstasen sowie die existenziellen Krisen und seelischen Zusammenbruche werden in einer expressiven Sprache beschrieben die dem Text eine auch fur den heutigen Leser noch spurbare Frische und Unmittelbarkeit 1 verleiht Diese Sprache zusammen mit einer Reihe wichtiger psychologischer und kulturphilosophischer Erkenntnisse die der schonungslose Blick in die Abgrunde der menschlichen Seele zeitigt machen aus dem lange unterschatzten Werk einen der bemerkenswertesten Romane des zwanzigsten Jahrhunderts 2 Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Form 3 Stil 4 Kritik 5 Interpretation 6 Ausgaben 7 Literatur 8 EinzelnachweiseHandlung BearbeitenDer Protagonist aus dessen Perspektive die Handlung geschildert wird heisst Alexander Moenboom ist Sohn hollandischer Eltern in seinen Dreissigern stehend lebt mit seiner Frau Ruth und einem Kind in Munchen und kann als freier Journalist und Kriminalist die ersten beruflichen Erfolge vorweisen In einem Restaurant trifft er eines Tages Mariquita eine junge Wiener Malerin die dort zusammen mit ihrer Cousine Lisbeth einer Bekannten Moenbooms speist Sofort ist er elektrisiert besonders fasziniert ihn Mariquitas Gesicht in dem ihm der knallrote schrag stehende Mund auffallt der ihn an eine Wunde denken lasst Die erotische Spannung steigt als die drei in Mariquitas Pension gehen die beiden Besucher betrachten Mariquitas Bilder wahrend sie sich hinter einem Wandschirm umzieht Moenbooms Aufmerksamkeit ist hin und hergerissen zwischen einem Blatt das ihn besonders anspricht und den Vorgangen hinter dem Wandschirm die er sich ausmalt Doch am nachsten Tag muss Mariquita nach Wien zuruckreisen und Moenbooms Leben findet in seine alltaglichen Bahnen zuruck Immerhin bleibt man in brieflichem Kontakt und Mariquita schickt das Blatt mit der Zeichnung die auf Moenboom den starksten Eindruck gemacht hat Mehr als ein halbes Jahr ist vergangen seit der ersten Begegnung Mariquita wird von ihren Eltern gedrangt einen Mann zu heiraten den sie nicht liebt Um dieser Situation zu entfliehen nimmt sie eine vor langerer Zeit ausgesprochene Einladung Moenbooms und seiner Frau an und kundigt ganz kurzfristig ihren Besuch an Die Wiederbegegnung erneuert die erotischen Spannungen die sich in einer ausgedehnten mit Kokain befeuerten Liebesnacht auf dem Wohnzimmersofa entladen wahrend Moenbooms Frau im ehelichen Schlafzimmer ausharrt Die Aussprache mit ihr am nachsten Tag veranlasst Mariquita umgehend wieder abzureisen Moenboom muss geschaftlich nach Berlin fahren Seine Freizeit dort verbringt er im Kreis von Bekannten an deren Zusammenkunften regelmassig Kokain konsumiert wird Da erreicht ihn ein Anruf aus Rotterdam seine Mutter zu der er ein angespanntes nie geklartes Verhaltnis hat liegt im Sterben Mit Ruth fahrt er nach Holland in der Hoffnung die Mutter noch lebend anzutreffen um sich mit ihr aussprechen zu konnen Doch sie lebt bei Moenbooms Ankunft schon nicht mehr Zusammen mit Ruth organisiert er Beerdigung Haushaltauflosung und Erbteilung Auf einen drangenden Brief Mariquitas hin fahrt er von Rotterdam direkt nach Wien Mariquitas Atelier im Dachgeschoss an der Himmelpfortgasse wird zum Schauplatz leidenschaftlicher Begegnungen Die Liebenden konnen sich jeweils nur an den Nachmittagen treffen weil die Eltern Mariquitas ihre Tochter unter Kontrolle haben mochten Moenboom wohnt im Hotel Gegen das Ende seines Wiener Aufenthalts eroffnet ihm Mariquita dass sie gerne ein Kind von ihm hatte Moenboom entgegnet nichts Er muss nach Munchen zuruck verspricht aber in 10 Tagen wieder zu kommen Nach einer kurzen heftigen und qualvollen Auseinandersetzung mit Ruth die kaum mehr als einen Stillstand gebracht hat fahrt er wieder nach Wien Er wohnt diesmal bei einer Freundin Gaby die er schon langer kennt Mariquita versucht die Beziehung sozial zu verklammern Moenboom lasst sich nur widerwillig auf Besuche bei ihren Eltern und bei ihrer Freundin Toni ein Das burgerliche Milieu im Elternhaus Mariquitas und ihr wiederholter Wunsch nach einem Kind losen bei ihm Abwehrreflexe aus Mariquita widersetzt sich seiner Idee die Pfingsttage zu zweit in Venedig zu verbringen Stattdessen will sie ein paar Tage alleine verreisen um zur Ruhe zu kommen Sie schreibt sie sei in die Berge gefahren aber Moenboom vermutet sie bei ihrer Freundin Toni und ist wie vor den Kopf geschlagen Er legt sich den Plan zurecht ihr in Zukunft den Glauben zu vermitteln sie bestimme uber ihre Beziehung Nach den Feiertagen wird Moenboom geschaftlich fur mehrere Tage zu einem Auftrag gerufen In dieser Zeit kommt er innerlich etwas zur Ruhe Nach seiner Ruckkehr eroffnet ihm Mariquita sie habe inzwischen geheiratet Moenboom erleidet einen volligen Zusammenbruch und hegt Selbstmordabsichten Seine Freundin Gaby kummert sich um ihn kann das Schlimmste verhindern und verstandigt sogar Ruth die sich einer ausserlichen Versohnung nicht verschliesst Sie leben vordergrundig wieder zusammen Doch die nachsten Abenteuer Moenbooms deuten sich schon an Form BearbeitenHimmelpfortgasse ist eine Ich Erzahlung geschrieben aus der Perspektive Alexander Moenbooms Damit wird dem Leser nicht nur Zugang zur Gefuhls und Empfindungswelt des Protagonisten gegeben dieser erhalt auch Gelegenheit seine Reflexionen einfliessen zu lassen Es gehort zur Logik der Ich Erzahlungen dass der Protagonist seine Abenteuer so gefahrlich sie auch sein mogen uberleben muss sonst konnte er den Bericht nicht verfassen den der Leser in Handen halt In diesem Fall wird diese Logik unterlaufen indem das Buch die Widmung tragt Dem Andenken meines verstorbenen Freundes Alexander Moenboom Der Autor Max Pulver begibt sich damit fiktiv in die Position des Herausgebers und lasst seinen Helden nach vorerst uberstandenem Abenteuer doch noch sterben Warum und unter welchen Umstanden er stirbt bleibt offen Stil BearbeitenDer Drastik der Handlung entspricht eine expressionistische Sprache 3 die den Charakter des Werks weitgehend pragt Wichtigstes Element der expressionistischen Ausdrucksweise ist das haufige Weglassen der Verben Telegrammstil 4 das dem Text einen atemlosen Duktus und gleichzeitig lyrische Weite verleiht Ein Beispiel Ich tappe mich hinab Nach Hause Strichmadchen aus Mauerwinkeln rufen mir nach in den Schneesturm Voruber Treppen drohende Hallen Rotes Blinken Ein Zug 5 Uberhaupt pragt Verkurzung diesen Stil Vorsilben konnen weggelassen werden Qualm von Schloten schmutzt den Himmel 6 Das Adverb wird ins Verb integriert Die Eisentur dumpft hinter uns ins Schloss 7 Charles Linsmayer weist aber darauf hin dass der Roman nicht durchgangig in diesem expressiven Ton gehalten ist Vielmehr passt sich der Stil laufend der Seelenlage des Protagonisten an und kennt auch nuchtern sachliche und ironische Tone 8 Kritik BearbeitenMax Pulver scheint die meisten Kritiker und Rezensenten mit seinem Roman in Verlegenheit gebracht zu haben so dass sie sein Werk mit Schweigen ubergingen 9 Immerhin brachte die Neue Zurcher Zeitung nicht nur einen Auszug als Vorabdruck 10 sondern auch eine ausfuhrliche Rezension in der Eduard Korrodi ein durchzogenes Fazit zieht Was kommt menschlich bei diesem Roman heraus Dass die Geliebte einen anderen heuert der ihr ein Kind schenkt dass er sich vom Gift entzaubert hat indem er es beschrieben Es ware mehr zu erwarten gewesen Auch eine starkere psychologische Ausbeute nachdem sich der Held seiner Verfeinerung beruhmt in Wirklichkeit ist der Leser der Erzahlung horig sie reisst ihn mit weil sie hervorragend in der Einzelszene ist weil ein wirklicher Konner und ein schneidiger Intellekt hinter ihr steht der den Hollenpfuhl durchschaut 11 Mogen viele gerade in der landlich gepragten Schweiz Pulvers Grenzuberschreitungen als Peinlichkeit empfunden haben so gibt man sich umgekehrt in der Metropole Berlin ostentativ gelangweilt Diese Menschen aus der Sphare der internationalen Kaffeehauser deren Begierden am Rande der Vorstadt auf den Rummelplatzen bei den Apachen ihre Objekte suchen sind sie uns nicht grundlich uber Dies alles ruhrt uns im Innersten nicht mehr an Dennoch liest man gespannt gefangen von einem Klugen geistig Uberlegenen bewundert oft Erfindungsgabe im sprachlichen Ausdruck 12 Das vorliegende Kritikmuster also Lob der sprachlichen Virtuositat bei gleichzeitiger Abwertung der Handlung und des Gehalts halt sich jahrzehntelang So spricht Werner Gunther noch 1968 von kunstlerisch durchwirkten Unerquicklichkeiten 13 Erst Jan Haltmar in seiner Dissertation von 1979 14 und Charles Linsmayer im Nachwort zur Neuausgabe von 1980 15 fanden zu einer ausgewogeneren und differenzierteren Beurteilung Interpretation Bearbeiten Wer sich selbst erkennt erkennt den Verbrecher in sich Und wenn er weiter grabt das Tier 16 Nicht zufallig ist der Hauptschauplatz des Romans das Wien Freuds der Geburtsort der Psychoanalyse 17 Pulver fuhrt in diesem Werk seelische Tiefenbohrungen aus und wie Freud stosst er auf die dunkle Seite der menschlichen Existenz Und wie in der Psychoanalyse spielen Schlaf und Traum eine Schlusselrolle Schlaf ein und Du sackst mit einem Ruck in die Vorzeit Der Traum ist voller Tiger und Schlangen voller Greuel und Mord 18 Um Selbstbegegnung geht es wesentlich in diesem Roman und Selbstbegegnung war schon der Titel von Pulvers erster Buchveroffentlichung einem Gedichtband von 1916 Der Roman treibt das Thema weiter mit andern sprachlichen Mitteln und in gesteigerter Radikalitat Moenboom fuhlt sich seinen Trieben ausgeliefert doch er ist sich bewusst dass nicht alle Menschen von der gleichen Triebstruktur gepragt sind Leidenschaft ist ruchlos wie das Leben selbst Blinde Wucht schmaler Gipfel der Ekstase absturzend in das breite Wellental der Qual Wie beneide ich die Triebarmen die kein Reiz verwirrt 19 Unter den gegebenen Umstanden ist es fur Moenboom unmoglich seiner Verantwortung gerecht zu werden Er steht zwischen zwei Frauen und kann sich nicht entscheiden wird an beiden schuldig Jetzt bricht das verschmahte Gewissen wie ein Blitz aus mir ich gewahre was ich angerichtet Wo ist Hilfe Darf ich Mariquita verraten um Ruth zu trosten Die eine toten um die andere zu retten 20 Das Thema des Gewissens scheint das heimliche Kernthema des Romans zu sein der das Motto Die Welt ist Gewissen 21 tragt Dieses Thema verschattet nicht nur das Erotische sondern auch das Familiare und das Pekuniare Ist in der Psychoanalyse die Traumdeutung der Konigsweg zum Unbewussten so ist in der Himmelpfortgasse das Kokain der Turoffner zur Selbstbegegnung Kokain entbindet den Geist aus seiner Verschrankung unerbittlich nackt tritt der Abgeloste sich selbst gegenuber das heisst das tritt ein wovor fast alle Menschen fliehen das was die Gesellschaft schuf die offentliche Meinung der Staat das Zusammenleben in jeder Form Angst vor der Selbstbegegnung des Einzelnen des Einsamen 22 Kokain so wird in der Himmelpfortgasse klar steht nicht im Dienste der Betaubung sondern vermittelt einen visionaren Hellblick und eine unerhorte Sensibilitat der sinnlichen Beobachtung 23 Moenboom schildert ausfuhrlich seine Erfahrungen mit Kokain die er sehr systematisch analysierte und er erwahnt auch die sozial isolierende Wirkung und negative Einflusse auf die physische Gesundheit die schliesslich dazu fuhrten dass er den Konsum wieder aufgab noch bevor er Mariquita begegnete 24 Erst im Zusammensein mit ihr und oft gemeinsam mit ihr nimmt er die Droge wieder Dies gibt der Annaherung neben der sexuellen eine weitere Dimension denn zur korperlichen Entblossung im Liebesakt kommt die seelische durch die Wirkung des Kokains Keine Folter kann so viel abpressen als ein paar Prisen dieser Droge Wie Rontgenstrahlen durch Haut und Muskel sticht dein Blick bis ins innerste Mark deines Wesens wuhlend nach dem geheimsten Punkt deiner Schwache umwendend alle Triebe zerfressend jede Ballung von Gestalt reisst im Triumph das Verletzlichste ins Licht 25 Nicht nur Selbstbegegnung also sondern auch Begegnung mit dem Du eine potenzierte erotische Erfahrung wird hier dargestellt Aber gerade das Extreme dieser Erfahrung macht klar dass sie nur im Moment existieren kann dass sie nicht auf Dauer gestellt werden kann 26 Fur Moenboom gibt es nur die egomane Liebesraserei oder die Resignation bei der sich die Handlung am Ende zu beruhigen scheint Auch Mariquita nach Moenboom die wichtigste Figur im Roman erlebt eine Selbstbegegnung In ihrem Fall spielt sie sich beim Anblick des eigenen nackten Korpers in einem dreiteiligen Spiegel ab vor den sie sich von einem Voyeur verfuhrt hinstellt 27 Diese Selbstbegegnung von Angst und Schrecken begleitet ist in mehrfacher Hinsicht eine Schlusselszene fur den Roman Einmal weil dadurch die Sinnlichkeit Mariquitas geweckt wird ein Vorgang ohne den sie sich kaum auf ein Liebesverhaltnis wie jenes mit Moenboom eingelassen hatte Zum andern weil der hellsichtige Moenboom schon bei ihrer ersten Begegnung eine solche Szene ahnt und sich vorstellt was einen grossen Teil der Faszination ausmacht die Mariquita auf ihn ausubt 28 Im spateren Verlauf gewinnt dann fur Mariquita allerdings die burgerliche Moral die Oberhand Sie heiratet einen Mann fur den sie kaum Leidenschaft empfindet 29 Das ist ihre Form der Resignation So schonungslos die Analyse des seelischen Untergrundes bei Moenboom so radikal jene seiner wirtschaftlichen Basis Er erklart was ihn an seinem Beruf als Kriminalist interessiert nicht die Abweichungen krimineller oder pathologischer Art sondern Jene seelische Schicht wo wir alle Verbrecher sind 30 Dass er sich um Geld zu verdienen trotzdem mit den Kriminellen im juristischen Sinne befassen muss gehort zu den Grundwiderspruchen seiner Existenz Vorliebe fuhrt mich zu den Ausnahmen die ich wider besseres Wissen im Dienste der Gesellschaft bekampfe Ich ube also Verrat an meiner wesentlichen Einsicht das heisst ich habe einen Beruf Dieses Opfer fordert die Gesellschaft das Stigma sozialer Brauchbarkeit ist es Verrater an seiner Grundeinsicht sein zu konnen 31 Und jene die dank ererbtem Besitz auf einen Beruf also auf soziale Brauchbarkeit verzichten konnen stehen auch nicht wirklich besser da Reinheit des Gewissens ist der Luxus einer durch Renten gesicherten Klasse deren moralische Perversion sich im glucklichen Vergessen dessen anzeigt was ihre Vorfahren zur Erlangung dieser Renten angerichtet und ausgerichtet 32 Die soziale Bedingtheit der menschlichen Existenz steht damit am Anfang von Moenbooms Zerrissenheit einer Zerrissenheit die fast alle Lebensbereiche durchzieht die Herkunftsfamilie die ungeklarte Beziehung zur Mutter die eigene Familie sein Hang zu Promiskuitat die nationale Identitat als geburtiger Hollander in Deutschland lebend durch seine Arbeit zwischen Munchen Berlin und Wien nomadisierend die problematische Berufsidentitat Ich nenne mich Schriftsteller bin aber eigentlich Journalist speziell Reporter fur Kriminalfalle Ich bin also praktischer Kriminalist wie ich dazu kam weiss ich kaum 33 Max Pulvers Tiefenbohrungen Moenbooms Selbstbegegnung zeitigen Elemente einer condition humaine die in ihrer Akzentuierung spezifisch sein mag fur ihre Zeit Das rastlose aufgepeitschte Dasein Alexander Moenbooms seine innere Zerrissenheit und Entwurzelung ist ein trostloses Spiegelbild der wirren hektischen Nachkriegszeit in Europa 34 die aber in der Epoche der transzendentalen Obdachlosigkeit 35 von genereller Relevanz ist Max Pulver hat in der Figur Moenbooms viele autobiographische Zuge verarbeitet So hat Pulver selber lange Zeit in Munchen gelebt war dort ein Auslander allerdings nicht aus Holland sondern aus der Schweiz stammend 36 war Schriftsteller und Psychologe und wie Moenboom muss er uber eine geradezu hellsichtige Fahigkeit verfugt haben andere Menschen in ihrem Wesen zu erkennen 37 In den Erinnerungen an eine europaische Zeit schildert er ein bedeutsames Erlebnis bei seinem ersten Besuch in Wien im Jahr 1913 Er wohnte damals im Hotel Klomser wie Moenboom bei seinem ersten Besuch In der Nacht erwachte Pulver und hatte den Eindruck von Beklemmung und Not die sich in dem Zimmer entwickelte Am nachsten Morgen erfuhr er vom Kellner dass es sich dabei um den enttarnten Spion Oberst Redl handeln musste der sich in diesem Zimmer vom Osterreichischen Generalstab dazu gedrangt das Leben genommen hatte 38 Diese Reminiszenz ist ein Beispiel fur die ausserordentliche Sensibilitat Pulvers die er mit seinem Protagonisten teilt Es kann im Ubrigen kein Zufall sein dass Moenboom im selben Hotel wohnt in dem sich Redl umbrachte in einem Werk in dem der Selbstmord eine so grosse Bedeutung hat sondern zeigt vielmehr wie raffiniert unterschwellige Anspielungen in den Roman eingebaut sind Schon Korrodi hat die enge wenn auch problematische Beziehung Pulvers zu Moenboom erkannt wenn er von dem Erzahler im Roman als toter Freund und abgestorbenes Ich des Dichters spricht 39 Ob es fur die Mariquita Episode in Pulvers Leben ein direktes Vorbild gibt scheint nicht mehr eruierbar wurde aber plausibel machen warum sich Pulver schon kurz nach der Veroffentlichung von seinem Werk distanziert hat Pulver hatte die Krise die sich darin in der Himmelpfortgasse ungeschminkt offenbart uberwunden und wollte um so mehr als er sich inzwischen als Mann der Wissenschaft burgerlich etabliert hatte nicht mehr an ein Buch erinnert werden worin er geheimste Motivationen und Veranlagungen schonungslos preisgegeben hatte 40 Der autobiographische Kern wurde immerhin erklaren woher die fur den heutigen Leser noch spurbare Frische und Unmittelbarkeit 41 stammen Linsmayer sieht in dem Roman die gegluckte epische Integrierung bedeutsamer psychologischer und kulturphilosophischer Einsichten Selbstfindung des Menschen Liebe und Erotik Drogenabhangigkeit Selbstmord und Gesellschaft in seinen Kontext und nennt als spezifisch literarische Pluspunkte die unaufdringliche aber uberraschend reiche Sprache ihre bewundernswerte Anpassungsfahigkeit an leiseste inhaltliche Nuancen und an die Stimmung des Ich Erzahlers 42 Und er kommt zum Schluss Max Pulvers Roman Himmelpfortgasse den der Autor selbst in schoner Ubereinstimmung mit praktisch der gesamten zeitgenossischen Kritik als sein schlechtestes Werk betrachtet hat ist in Tat und Wahrheit wie sich vielleicht erst heute nach uber funfzig Jahren abschatzen lasst nicht nur seine bedeutendste literarische Leistung sondern einer der wichtigsten Romane des zwanzigsten Jahrhunderts uberhaupt 43 Ausgaben BearbeitenHimmelpfortgasse Kurt Wolff Verlag Munchen 1927 327 Seiten Himmelpfortgasse Orell Fussli Verlag Zurich 1927 327 Seiten vom Kurt Wolff Verlag ubernommene Restauflage mit uberklebter Verlagsangabe herausgegeben in der Reihe Im Strom der Zeit und als Der Roman des Lasters unserer Zeit angepriesen Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten ISBN 3 7160 1684 5 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Ex Libris Verlag Zurich 1981 in der Reihe Fruhling der Gegenwart Der Schweizer Roman 1890 1950 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1990 Reihe Suhrkamp Weisses Programm Schweiz ISBN 3 518 40276 5Literatur BearbeitenJan Haltmar Max Pulver und sein Roman Himmelpfortgasse Juris Druck Verlag Zurich 1979 Diss Universitat Zurich 1978 ISBN 3 260 04764 6 Charles Linsmayer Nachwort Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman Arche Verlag Zurich 1980 Seiten 189 213 Zygmunt Mielczarek Eros und Droge in Max Pulvers Himmelpfortgasse in Academic papers of College of Foreign Languages Wissenschaftliche Beitrage der Hochschule fur Fremdsprachen Literature and Linguistics Literatur und Linguistik Vol 1 herausgegeben von Wojciech Kalaga Zygmunt Mielczarek und Tadeusz Rachwal Wydawnictwo Wyzszej Szkoly Lingwistycznej Czestochowa 2002 ISBN 83 917152 0 5 Seiten 12 26nur leicht uberarbeitet und erganzt wieder abgedruckt in Zygmunt Mielczarek Sonderwege in der Literatur Schweizer Schriftsteller im Aussenseiterdiskurs Beihefte zum Orbis linguarum Band 57 Oficyna Wydawnicza ATUT Wroclaw und Neisse Verlag Dresden 2007 367 Seiten ISBN 978 3 934038 91 2 Seiten 164 183Einzelnachweise Bearbeiten Charles Linsmayer im Nachwort zur Ausgabe im Arche Verlag von 1980 S 203 Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 Charles Linsmayer Nachwort Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman Arche Verlag Zurich 1980 S 212 Die expressionistische Wucht des Stils entspricht dem halluzinatorischen Gepeitschtsein und der Uber Luziditat Werner Gunther Dichter der neueren Schweiz 3 Bande Francke Bern Munchen 1963 1986 Bd 2 1968 S 626 Gertrud Hehle kritisiert diesen Telegrammmstil in ihrer Dissertation In seinem Roman Himmelpfortgasse fuhrt er gar eine Art von Telegrammmstil ein der mit seiner Gewolltheit nicht besonders smpathisch beruhrt Gertrud Hehle Max Pulvers dramatisches Werk Wien Phil Diss 1938 Masch S 68 zitiert nach Jan Haltmar Max Pulver und sein Roman Himmelpfortgasse Juris Zurich 1979 106 S Diss Universitat Zurich 1978 S 9 Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 60 Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 18 Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 75 Charles Linsmayer im Nachwort zur Ausgabe im Arche Verlag von 1980 S 211 Mit dieser Feststellung gelingt es Linsmayer auch die Argumente von Werner Gunther der Roman flaue gegen das Ende hin ab Werner Gunther Dichter der neueren Schweiz 3 Bande Francke Bern Munchen 1963 1986 Bd 2 1968 S 625 sowie von Jan Haltmar Pulver habe etliche Schwierigkeiten gehabt das Romangeschehen zu einem Ende zu fuhren Jan Haltmar Max Pulver und sein Roman Himmelpfortgasse Juris Druck Verlag Zurich 1979 Diss Universitat Zurich 1978 S 27 zu entkraften Charles Linsmayer Nachwort Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman Arche Verlag Zurich 1980 S 190 Neue Zurcher Zeitung 13 Marz 1927 Literarische Beilage Eduard Korrodi Neue Zurcher Zeitung 7 April 1927 wieder abgedruckt in Eduard Korrodi Ausgewahlte Feuilletons Herausgegeben von Helen Munch Kung Schweizer Texte Neue Folge Band 4 Bern Stuttgart Wien 1995 Seiten 114 115 Literarische Umschau Beilage zur Vossischen Zeitung vom Sonntag 25 Dezember 1927 Werner Gunther Dichter der neueren Schweiz 3 Bande Francke Bern Munchen 1963 1986 Bd 2 1968 Seite 628 Jan Haltmar Max Pulver und sein Roman Himmelpfortgasse Juris Druck Verlag Zurich 1979 Diss Universitat Zurich 1978 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 96 Der Begriff wird explizit erwahnt Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 162 Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 138 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 95 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 95 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 6 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 31 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 206 Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 34 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 41 Ihrem von sturmischem Triebleben gepragten Beisammensein liegt nur Vorlaufiges und Instabiles zugrunde schreibt Zygmunt Mielczarek in seinem Aufsatz Eros und Droge in Max Pulvers Himmelpfortgasse in Academic papers of College of Foreign Languages Wissenschaftliche Beitrage der Hochschule fur Fremdsprachen Literature and Linguistics Literatur und Linguistik Vol 1 herausgegeben von Wojciech Kalaga Zygmunt Mielczarek und Tadeusz Rachwal Czestochowa Wydawnictwo Wyzszej Szkoly Lingwistycznej 2002 ISBN 83 917152 0 5 Seiten 12 26 hier Seite 22 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 42 45 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 15 Leidenschaft Alexander Ich habe mich aufgezehrt Jetzt brauche ich Ruhe und Schutz Mehr kann ich nicht vertragen Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 181 Zygmunt Mielczarek hat den Antagonismus von Burgerlichkeit und Sinnlichkeit detailliert herausgearbeitet vgl Mielczarek Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten 23 24 Max Pulver Himmelpfortgasse Ein Roman herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Arche Zurich 1980 S 10 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 11 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 11 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten S 10 Jan Haltmar Max Pulver und sein Roman Himmelpfortgasse Juris Druck Verlag Zurich 1979 Diss Universitat Zurich 1978 Seite 11 Der Begriff stammt von Georg Lukacs aus Die Theorie des Romans von 1916 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten Seite 198 So schreibt Kurt Tucholsky 1931 uber Max Pulver den er als Der grosse Graphologe bezeichnet dass er nicht Schriften deutet sondern Menschen und Menschen nicht nur deutet sondern ihnen durch die Deutung auch ein gut Stuck weiterhelfen kann Kurt Tucholsky Darf man tippen in Vossische Zeitung 1 Januar 1931 Nr 1 gezeichnet als Peter Panter Wieder abgedruckt in Kurt Tucholsky Gesammelte Werke in zehn Banden Band 9 Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1975 S 97 99 Max Pulver Erinnerungen an eine europaische Zeit Orell Fussli Zurich 1953 Seiten 33ff Eduard Korrodi a a O Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten Seite 203 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten Seite 204 Himmelpfortgasse Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Charles Linsmayer Verlag die Arche Zurich 1980 216 Seiten Seite 212 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Himmelpfortgasse Roman amp oldid 233583495