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Heinz Halm 21 Februar 1942 in Andernach ist ein deutscher Islamwissenschaftler Seine Forschungsgebiete sind die Geschichte des islamischen Vorderen Orients besonders die Agyptens Nordafrikas und Syriens bzw der Ismailiten Siebener Schia der Imamiten Zwolfer Schia und anderen schiitischen Konfessionen Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Islam und Sakularisierung 3 Veroffentlichungen 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHalm machte sein Abitur 1961 auf dem Kurfurst Salentin Gymnasium in Andernach 1 Er studierte ab 1962 Islamkunde Geschichte und Semitistik an der Universitat Bonn wo er zum Doktor der Philosophie promoviert wurde Seine Lehrerin an der Universitat Bonn war Annemarie Schimmel 1969 arbeitete er am Tubinger Atlas des Vorderen Orients mit 1975 habilitierte er sich in Kulturwissenschaften und wurde 1980 Professor fur Islamwissenschaft in Tubingen Nach 1987 war er kurzzeitig Professeur associe an der Sorbonne in Paris Er wohnt in Ammerbuch Islam und Sakularisierung BearbeitenHalm weist unter anderem nach dass die nach dem Untergang des Osmanischen Reiches entstandenen Staaten der arabischen Welt alle mehr oder weniger sakulare Staaten seien Syrien und der Irak waren nie etwas anderes auch Tunesien unter Bourguiba Agypten unter Nasser Arabischer Sozialismus die Turkei unter Ataturk Kemalismus und der Iran der Pahlavi Dynastie 1925 1979 sowie die zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion haben alle starke Sakularisierungsschube erlebt Selbst die Islamische Revolution in Iran hat eine wenn auch zunachst nur formale republikanische Staatsform mit Prasident und Parlament errichtet Formen die indes noch weiter mit demokratischem Inhalt zu fullen waren Die islamistischen Bewegungen die seit den 70er Jahren in den meisten islamischen Landern erstarkt sind sind nach Halm eine Reaktion auf diesen fortschreitenden Sakularisierungsprozess den sie notfalls mit Gewalt ruckgangig zu machen versuchen um angeblich theokratische in Wahrheit totalitare Regime zu etablieren Ihr Slogan ist das eingangs zitierte Der Islam ist Religion und Staat Heinz Halm Islamisches Rechts und Staatsverstandnis Islam und Staatsgewalt S 4 Sind Muslime nicht in der Lage eine der Grundlagen der modernen Demokratie anzuerkennen die Trennung zwischen Religion und Staat den sakularen Staat als neutralen Vermittler zwischen unterschiedlichen religiosen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen Der Slogan wird denn auch mit Vorliebe von Vertretern jener politischen Stromungen im modernen Islam im Munde gefuhrt die wir islamistisch nennen also jener Richtungen des politischen Islam die der Demokratie westlichen Zuschnitts ablehnend oder gar feindlich gegenuberstehen und einen islamischen Staat fordern der nicht demokratische sondern theokratische Zuge tragen und die in der prophetischen Sendung Mohammeds geoffenbarte gottgewollte Ordnung auf Erden realisieren soll Nun ist aber der Slogan al Islam din wa daula 2 vor dem 19 Jahrhundert gar nicht zu belegen Er ist selber ein Produkt der Moderne und es ist zu fragen ob er tatsachlich historisch begrundet ist und nicht bloss ein Idealbild oder das Postulat einer bestimmten modernen Ideologie darstellt Unbestreitbar ist dass die Verbindung zwischen Religion und politischer Macht im Islam alter und enger gewesen ist als im Christentum Wahrend das Christentum sich drei Jahrhunderte lang gegen die Staatmacht des Romischen Reiches behaupten musste ehe es sie dann selbst ubernehmen und durchdringen konnte ist der Islam schon von seinem Stifter dem Propheten Mohammed in Formen gegossen worden die Zuge eines politischen Gemeinwesens aufwiesen Die von Mohammed bis zu seinem Tode geleitete Urgemeinde Umma von Medina 622 632 war auf der Arabischen Halbinsel etwas Neues erstmals wurden die in tribaler Zersplitterung lebenden in endlose Fehden und Blutrachen verstrickten arabischen Stamme sesshafte wie nomadisierende einer ubergeordneten auf Gesetz Recht und Moral gegrundeten Zentralgewalt unterworfen einer politischen Ordnung zu der auch die Einforderung von Abgaben und eine von der Zentrale betriebene Aussenpolitik gehorten all dies sind zumindest Ansatze staatsahnlicher Strukturen wie es sie bis dahin auf der Arabischen Halbinsel nicht gegeben hatte Und nach dem Tod Mohammeds begann dieses Gemeinwesen kriegerisch zu expandieren und nach dem Modell seiner Nachbarn Byzanz und Persien imperiale Zuge zu entwickeln Aufgrund dieser Entwicklung die sich von der Fruhgeschichte des Christentums deutlich unterscheidet war der Islam nicht genotigt kirchenahnliche Organisationsstrukturen zu entwickeln Das Gemeinwesen selber war die aussere Form in der die neue Religion sich manifestierte Die Frage ist nun ob diese enge historische Verbindung tatsachlich unaufloslich ist ob der Islam wirklich wie manche seiner Anhanger behaupten ohne die enge Verflechtung mit der Staatsgewalt nicht existieren konne An dieser These sind Zweifel angebracht Zunachst einmal enthalt der Koran selber keinerlei Vorschrift uber eine gottgewollte Staatsform Auch Mohammed hat keine solche vorgeschrieben er hat nicht einmal einen Nachfolger benannt jedenfalls nicht nach der sunnitischen Mehrheitsmeinung so dass nach seinem Tod seine Gemeinde eine Reihe burgerkriegsahnlicher Krisen erlebte innere Zwistigkeiten der umma welche die Frommen als gottgewollte Prufungen verstanden Zudem endet nach allgemein islamischer Auffassung mit dem Tode des Propheten die Prophetie uberhaupt und damit die Theokratie Mohammed gilt als das Siegel der Propheten die durch ihn gebrachte koranische Offenbarung als endgultige Beglaubigung und Schlussstrich unter alle bisher den Menschen zuteil gewordenen gottlichen Willensbekundungen nach Mohammed kann es daher nach islamischer Auffassung keinen von Gott direkt inspirierten Propheten mehr geben Wie aber sollte das von Mohammed geschaffene Gemeinwesen gelenkt werden wenn seine Nachfolger denn das bedeutet das arabische Wort Kalif khalifa nicht direkt von Gott inspiriert waren Die vier ersten Kalifen waren aus seinem engsten Anhangerkreis durch Konsens bestimmte fruhe Weggefahrten doch schon 661 kam mit dem Statthalter von Syrien Muʿawiya I die Familie der Omaijaden an die Macht die sich als Dynastie etablieren konnte und bis 750 von ihrer Hauptstadt Damaskus aus das neue arabische Imperium regierte Damit verschob sich der politische Schwerpunkt Medina und von der Arabischen Halbinsel weg nach Damaskus Von dort aus regierten die Omaijaden bis 750 das neue arabische Imperium Frommen Kritikern erschienen die Omaiyyaden von Damaskus als rein weltliche Monarchen als Konige wie man etwas verachtlich sagte obwohl auch sie selbstverstandlich den Kalifentitel fuhrten Ihre mit Mosaiken Wandgemalden und Statuen uppig ausgestatteten Schlosser ihre Jagden und Gelage und die an ihren Hofen gepflegte Wein Weib und Gesang feiernde Poesie erregten den Unwillen der Frommen Heinz Halm Islamisches Rechts und Staatsverstandnis Islam und Staatsgewalt Damals Heft 3 Marz 2002Veroffentlichungen BearbeitenDie Ausbreitung der safi itischen Rechtsschule von den Anfangen bis zum 8 14 Jahrhundert Beihefte zum Tubinger Atlas des Vorderen Orients Reihe B Geisteswissenschaften Nr 4 Reichert Wiesbaden 1974 ISBN 3 920153 30 8 Kosmologie und Heilslehre der fruhen Ismaʿiliya Eine Studie zur islamischen Gnosis Abhandlungen fur die Kunde des Morgenlandes Bd 44 1 Steiner Wiesbaden 1978 ISBN 3 515 02675 4 Agypten nach den mamlukischen Lehensregistern Beihefte zum Tubinger Atlas des Vorderen Orients Reihe B Geisteswissenschaften Nr 38 2 Bande Reichert Wiesbaden Oberagypten und das Fayyum 1979 ISBN 3 88226 046 7 Das Delta 1982 ISBN 3 88226 121 8 Die islamische Gnosis Die extreme Schia und die Alawiten Artemis Zurich 1982 ISBN 3 7608 4530 4 Die Schia Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1988 ISBN 3 534 03136 9 Englisch Shi ism Islamic Survey Bd 18 Ubers Janet Watson Edinburgh University Press Edinburgh 1991 ISBN 0 7486 0268 2 Franzosisch Le chiisme Ubers Hubert Hougue Presses Universitaires de France Paris 1995 ISBN 2 13 047020 3 Das Reich des Mahdi Der Aufstieg der Fatimiden 875 973 C H Beck Munchen 1991 ISBN 3 406 35497 1 Englisch The Empire of the Mahdi The Rise of the Fatimids Handbuch der Orientalistik Abteilung 1 Der Nahe und der Mittlere Osten Bd 26 Translated from the German by Michael Bonner Brill Leiden u a 1996 ISBN 90 04 10056 3 Der schiitische Islam Von der Religion zur Revolution Beck sche Reihe 1047 Beck Munchen 1994 ISBN 3 406 37437 9 Englisch Shi a Islam From Religion to Revolution Ubers Allison Brown Wiener Princeton NJ 1997 ISBN 1 55876 135 7 The Fatimids and Their Traditions of Learning Ismaili Heritage Series Bd 2 Tauris London 1997 ISBN 1 85043 920 6 In arabischer Sprache Al fatemeyun wa taqaliduhum fil taaliem Al Mada Damaskus 1999 Der Islam Geschichte und Gegenwart Beck sche Reihe 2145 Beck Munchen 2000 ISBN 3 406 44745 7 10 Aufl 2015 ISBN 978 3 406 62886 3 Italienisch L Islam Storia e presente Ubers Ugo Marelli GLF editori Laterza Roma 2003 ISBN 88 420 6725 3 Die Kalifen von Kairo Die Fatimiden in Agypten 973 1074 Beck Munchen 2003 ISBN 3 406 48654 1 Die Araber Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart Beck sche Reihe 2343 C H Beck Munchen 2004 ISBN 3 406 50843 X 4 Aufl 2015 ISBN 978 3 406 68284 1 Italienisch Gli arabi Dall epoca preislamica ai giorni nostri Il mulino Bologna 2006 ISBN 88 15 10963 3 Die Schiiten Beck sche Reihe 2358 C H Beck Munchen 2005 ISBN 3 406 50858 8 aktual Neuaufl 2015 Febr ISBN 3 406 67716 9 als Hg Geschichte der Arabischen Welt Beck s historische Bibliothek o Nr Zuerst hg von Ulrich Haarmann C H Beck Munchen 2004 ISBN 3 406 47486 1 Literaturverz S 680 736 Kalifen und Assassinen Agypten und der Vordere Orient zur Zeit der ersten Kreuzzuge 1074 1171 Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung C H Beck Munchen 2014 ISBN 978 3 406 66163 1 Die Assassinen Geschichte eines islamischen Geheimbundes Beck sche Reihe 2868 C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 70414 7 Festschrift Hinrich Biesterfeldt Verena Klemm Hrsg Differenz und Dynamik im Islam Festschrift fur Heinz Halm zum 70 Geburtstag Ergon Verlag Wurzburg 2012 ISBN 978 3 89913 885 6 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Heinz Halm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Mitarbeiterportrat des Orientalischen Seminars der Universitat Tubingen Memento vom 9 Juli 2012 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Halm Islam In www salentinerandernach de Archiviert vom Original am 4 Mai 2014 abgerufen am 4 Mai 2014 Der Islam ist Religion und Staat Normdaten Person GND 121988015 lobid OGND AKS LCCN n83204534 VIAF 68944067 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Halm HeinzKURZBESCHREIBUNG deutscher Islamwissenschaftler und Schia ExperteGEBURTSDATUM 21 Februar 1942GEBURTSORT Andernach Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heinz Halm amp oldid 235335929