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Hans Ernst Friedrich Giese geboren am 26 Juni 1920 in Frankfurt am Main gestorben am 21 Juli oder 22 Juli 1970 aufgefunden bei Saint Paul de Vence Frankreich war ein deutscher Mediziner und Sexualforscher Laut Volkmar Sigusch war Giese der einflussreichste Sexualwissenschaftler der Adenauer Zeit 1 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Bibliographie Auswahl 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenHans Giese war Sohn des Staats und Kirchenrechtlers Friedrich Giese und von Annemarie Giese geborene Campe 1882 1958 Er studierte Medizin Philosophie und Germanistik in Freiburg im Breisgau Seine Studien schloss er 1943 mit der Promotion zum Dr phil bei Franz Schultz ab Dissertation Das Polaritatsprinzip in Goethes Dichtung ab Am 1 Dezember 1941 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde zum 1 Januar 1942 aufgenommen Mitgliedsnummer 8 827 588 2 Er horte die Vorlesungen von Martin Heidegger und hielt von dessen Gedanken angeregt am 28 Januar 1944 einen Vortrag zum Thema Untersuchungen zum Wesen der Begegnung der heute als literarischer Markstein der Emanzipation der Homosexuellen gilt Darin unternahm er einen Versuch eine systemkonforme mannerbundische Theorie der Homosexualitat Bernd Ulrich Hergemoller zu entwerfen 1946 promovierte er zusatzlich in Medizin bei Werner Villinger Dissertation Die Formen mannlicher Homosexualitat Untersuchungen an 130 Beispielen Er grundete im April 1949 das Institut fur Sexualforschung in Kronberg im Taunus musste aber das Institut nach Protesten der Nachbarn die am Turschild Anstoss genommen hatten bald darauf in die elterliche Wohnung nach Frankfurt verlegen 3 Im Oktober 1949 beteiligte er sich in Zusammenarbeit mit Kurt Hiller an der Neugrundung des Wissenschaftlich Humanitaren Komitees Mit Hiller uberwarf er sich allerdings schon bald Die Universitat Frankfurt lehnte seinen Antrag auf Habilitation mit Hinweis auf seine offen vertretene Homosexualitat ab 1950 organisierte Giese die erste sexualwissenschaftliche Tagung in Deutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus Eroffnet wurde die Tagung vom Berliner Anatomen Hermann Stieve Im Rahmen dieser Tagung grundete Giese zudem die Deutsche Gesellschaft fur Sexualforschung zu deren erstem Prasidenten der Hamburger Psychiater Hans Burger Prinz gewahlt wurde Im gleichen Jahr grundete er eine Zeitschrift fur Sexualforschung die allerdings nur kurzlebig war Von 1952 an gab er dann zusammen mit Burger Prinz die Beitrage zur Sexualforschung heraus die bis heute erscheinen und inzwischen zur umfangreichsten sexualwissenschaftliche Fachbuchreihe der Welt angewachsen sind 108 Bande Stand 2021 3 Im Jahr 1957 war er wissenschaftlicher Berater fur den Spielfilm Das Dritte Geschlecht des Regisseurs Veit Harlan der im Dritten Reich antisemitische Propagandafilme gedreht hatte In einem Vorfilm der in einigen Stadten gezeigt wurde fuhrten Giese und Harlan ein Gesprach uber Homosexualitat 4 Giese beabsichtigte eine Debatte uber den seit dem deutschen Kaiserreich geltenden 175 anzustossen mit der zentralen Aussage Homosexuelle sind anders aber keine Kriminellen Harlan war zwar in mehreren Spruchkammerverfahren als entlastet erkannt worden wurde aber von seinen Gegnern weiterhin heftig bekampft Der Film in der ursprunglichen Version wurde in Deutschland von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft verboten Der um seine Investitionen besorgte Filmverleih liess Szenen nachdrehen und schnitt ihn um wobei die Tendenz angeblich verandert wurde Als Anders als du und ich 175 kam er doch noch in die Kinos Giese ging 1958 nach Hamburg wo er sich mit der im Jahr zuvor erschienenen Schrift Der homosexuelle Mann in der Welt bei Hans Burger Prinz doch noch habilitieren konnte und im Jahr 1965 ausserplanmassiger Professor wurde Sein Institut fur Sexualforschung wurde 1959 nach Hamburg verlegt und an in die Universitatsklinik Hamburg Eppendorf integriert ohne jedoch eine universitare Finanzierung oder personelle Unterstutzung zu erhalten 3 Giese sympathisierte mit dem libertaren Zweig der APO Fur den Rowohlt Verlag gab er ab 1968 die Taschenbuchreihe rororo sexologie heraus Neben seiner akademischen Arbeit war Giese in den Medien prasent und als Gutachter vor Gericht gefragt Kurz vor seinem Tod hatte das Dusseldorfer Landgericht beschlossen Giese als Gutachter im zweiten Prozess gegen Jurgen Bartsch zu berufen 5 Um 1950 hatte er seinen Lebensgefahrten August Gustl Engert kennengelernt mit dem er bis zu dessen Tod 1969 zusammenlebte 3 Giese verungluckte im Juli 1970 wahrend einer Bergwanderung an der Cote d Azur todlich wenige Tage nach seinem 50ten Geburtstag Zuvor war es zu einem Streit mit seinem damaligen Partner dem Schauspieler Klaus Hartmann gekommen Hartmann reiste ab und Giese ging in die Berge wo er absturzte Erst wenige Wochen zuvor hatte der Senat der Hamburger Universitat die Einrichtung einer sexualwissenschaftlichen Abteilung gebilligt deren Direktor Giese werden sollte ein von ihm lange verfolgtes Ziel womit die prekare Existenz des Instituts fur Sexualforschung ein Ende gefunden hatte 5 Bibliographie Auswahl BearbeitenDer homosexuelle Mann in der Welt Enke Stuttgart 1958 2 uberarb Aufl 1964 bearbeitet zusammen mit Viktor Emil von Gebsattel Psychopathologie der Sexualitat Enke Stuttgart 1962 mit Gunter Schmidt Studenten Sexualitat Verhalten und Einstellung Eine Umfrage an 12 westdeutschen Universitaten Rowohlt Reinbek 1968 als Herausgeber mit Hans Burger Prinz Beitrage zur Sexualforschung Bde 1 146 Enke Stuttgart 1952ff Worterbuch der Sexualwissenschaft Instituts Verlag Bonn 1952 mit A Willy Mensch Geschlecht Gesellschaft Das Geschlechtsleben unserer Zeit gemeinverstandlich dargestellt Gunter Zuhlsdorf Frankfurt am Main 1954 Die Sexualitat des Menschen Handbuch der medizinischen Sexualforschung 1955 2 erweiterte Auflage Enke Stuttgart 1971 ISBN 3 432 01713 8 Geschlechtsleben und Gesellschaft Beitrage zur Sexualpadagogik 8 Bde Enke Stuttgart 1955 1957 mit Fritz Bauer und Hans Burger Prinz Sexualitat und Verbrechen Beitrage zur Strafrechtsreform Fischer Taschenbuch Frankfurt a Main 1963 Die sexuelle Perversion Akademische Verlagsgesellschaft Frankfurt am Main 1967 mit Gunter Schmidt Reihe rororo sexologie 31 Bande Rowohlt Taschenbuch 1968 1975 nach dem Tod Gieses von Bernd Nitzschke redigiert Literatur BearbeitenMartin Dannecker Hans Giese 1920 1970 In Volkmar Sigusch Gunter Grau Hrsg Personenlexikon der Sexualforschung Campus Frankfurt am Main New York 2009 S 226 235 ISBN 978 3 593 39049 9 Bernd Ulrich Hergemoller Mann fur Mann Ein biographisches Lexikon Suhrkamp 2001 ISBN 3 518 39766 4 Moritz Liebeknecht Sexualwissenschaft als Lebenswerk Zur Biografie von Hans Giese 1920 1970 In Peer Briken Hrsg Perspektiven der Sexualforschung Beitrage zur Sexualforschung 108 Psychosozial Verlag Giessen 2019 ISBN 978 3 8379 2918 8 S 23 46 Volkmar Sigusch Geschichte der Sexualwissenschaft Campus Frankfurt am Main New York 2008 ISBN 978 3 593 38575 4 S 391 429 Volkmar Sigusch Hans Giese und seine Theorie der Homosexualitat In Zeitschrift fur Sexualforschung 10 1997 S 245 252 Volkmar Sigusch 50 Jahre Deutsche Gesellschaft fur Sexualforschung In Zeitschrift fur Sexualforschung 14 2001 S 39 80 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Hans Giese im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kurzbiographie mit Bild Nachlass Bundesarchiv N 1134Einzelnachweise Bearbeiten Volkmar Sigusch Sexualitaten Frankfurt am Main 2013 S 190 Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 10951254 a b c d Volkmar Sigusch Geschichte der Sexualwissenschaft Campus 2008 S 391ff Mario Kramp Himmel und Holle das Leben der Kolner Homosexuellen 1945 1969 1995 S 103 a b Hans Giese Nachruf in Der Spiegel vom 2 August 1970 abgerufen am 15 Juni 2023 Normdaten Person GND 118932446 lobid OGND AKS LCCN nr97015649 VIAF 52488404 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Giese HansALTERNATIVNAMEN Giese Hans Ernst Friedrich vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Mediziner und SexualforscherGEBURTSDATUM 26 Juni 1920GEBURTSORT Frankfurt am MainSTERBEDATUM 21 Juli 1970 oder 22 Juli 1970STERBEORT bei Saint Paul de Vence Frankreich Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hans Giese amp oldid 234926603