Unter Glühen versteht man in der Werkstoffkunde das Anwärmen, Durchwärmen und Abkühlen von meist metallischen Halbzeugen und Werkstücken zur Erzielung definierter Werkstoffeigenschaften. Glühen ist ein Teilgebiet der Wärmebehandlung und zählt nach DIN 8580 zu den Fertigungsverfahren durch Änderung der Stoffeigenschaft.
Ein ähnlicher Vorgang ist das Tempern, das ebenso wie das Anlassen als Teil des Vergütens von Metallen eher unterhalb der Glühtemperatur durchgeführt wird.
Unterteilung des Glühvorgangs Bearbeiten
Man unterteilt den Glühvorgang in mindestens drei Phasen:
Sowohl in der Anwärm- als auch in der Abkühlphase kann die Einhaltung spezifischer Anwärm- und Abkühlgeschwindigkeiten erforderlich sein.
Spezialisierte Werkstoffe können auch zusätzliche Teilphasen notwendig machen. Einige Werkstoffe durchlaufen neunstufige Wärmebehandlungen, bis ihre Eigenschaften eingestellt sind. Zur sprachlichen Unterscheidung werden solche komplexen Wärmebehandlungen auch Glühvorschrift oder Glühprogramm genannt. Wobei Glühprogramm homonym gebraucht wird und auch
- die zeitliche Abfolge von Glühungen verschiedener Werkstücke oder
- die Zusammenstellung der möglichen Glühungen für ein Produkt(-sortiment)
bedeuten kann.
Industriell werden zwei verschiedene Verfahren zum Glühen von Stahlband eingesetzt:
- In der Kontiglühe wird das Band abgewickelt und durchläuft kontinuierlich einen mehrere hundert Meter langen Ofen. Durch die Baulänge des Ofens begrenzt, liegt die Glühzeit hier bei maximal 10 Minuten, die Ofentemperatur kann bis zu 950 °C betragen, bei der Herstellung von Elektroblech auch darüber. Typische Glühbedingungen: 60 Sekunden bei 700 °C zur Rekristallisation, danach 1 bis 3 Minuten bei 400 °C zur Überalterung. Oft wird das Kontiglühen mit dem Feuerverzinken kombiniert, siehe Kontinuierliche Bandverzinkung nach dem Sendzimirverfahren.
- Beim Haubenglühen kommen mehrere Coils in einen geschlossenen Ofen. Die Glühdauern können bis zu mehreren Tagen betragen, allerdings sind die Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeiten begrenzt. Die möglichen Temperaturen beim Haubenglühen reichen von 280 bis ca. 700 °C, bei Miteinwicklung von Draht sogar beliebig höher – allerdings muss in diesem Fall anschließend der Rand des Stahlbandes abgeschnitten und verschrottet werden. Bei hochpreisigen Stählen wie kornorientiertem Elektroband kann alternativ zum Drahteinwickeln auch eine trennende MgO-Schicht verwendet werden. Für gezielte Entkohlungs- oder Oxidationsvorgänge muss beim Haubenglühen höherer Aufwand betrieben werden.
Unterteilung nach Werkstoffeigenschaft Bearbeiten
Der gewünschten Werkstoffeigenschaft entsprechend unterscheidet man beim Stahl:
Weichmagnetische NiFe- oder CoFe-Legierungen Bearbeiten
Nach dem letzten Bearbeitungsschritt müssen weichmagnetische NiFe- und CoFe-Legierungen (wie z. B. Mu-Metall) zur Einstellung der magnetischen Eigenschaften einer Wärmebehandlung unterzogen werden. Diese erfolgt in einer reinen Wasserstoffatmosphäre, je nach Legierung bei bis zu 1150 °C. Die Permeabilitätszahl steigt dabei von typischen Werten von 50…150 nach mechanischer Bearbeitung auf 150.000…300.000.
Quellen Bearbeiten
- DIN 8580:2003-09, Fertigungsverfahren - Begriffe, Einteilung. Beuth Verlag GmbH, doi:10.31030/9500683.
- ↑ Hans-Jürgen Bargel, Günter Schulze: Werkstoffkunde. Hrsg.: Springer Vieweg (= Springer-Lehrbuch). Springer Berlin Heidelberg, 2012, ISBN 978-3-642-17716-3, S. 131, doi:10.1007/978-3-642-17717-0.
- http://grz.g.andritz.com/c/com2011/00/01/32/13208/1/1/0/815895841/me-brochure_ssab_cal.pdf
- http://www.jfe-21st-cf.or.jp/chapter_3/3c_5.html
- https://kerschgens.stahl-lexikon.de/index.php/stahllexikon/49-o/2158-Open-Coil-Gl%C3%BChen.html
- ↑ Crystec Technology Trading GmbH, Kurzbeschreibung der Glüharten