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Unter dem Begriff Diffusionstheorie werden in Fachgebieten wie der Soziologie der Kommunikationswissenschaft oder der Betriebswirtschaft die theoretischen Konzepte der Diffusion und der Adoption zusammengefasst Die Diffusionstheorie beschaftigt sich mit den Prozessen die durch die Einfuhrung und Verbreitung von Innovationen in einem sozialen System wie dem des Marktes ausgelost werden Als Innovation gelten dabei alle Ideen Prozesse und Objekte die fur eine soziale Gruppe subjektiv als neu wahrgenommen werden Dies kann z B auch Nachrichten umfassen Inhaltsverzeichnis 1 Diffusionsmodelle 2 Forschungsgeschichte 3 Prozess der Adoption 4 Die Entscheidung zur Innovation nach Everett M Rogers 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseDiffusionsmodelle Bearbeiten nbsp Typischer Funktionsverlauf der Wachstums und SattigungsmodelleDiffusions und Lebenszyklusmodelle versuchen Wachstums und Sattigungsprozesse zu beschreiben und gehen davon aus dass die zu analysierenden Zeitreihen sich langerfristig einer Sattigungsgrenze nahern Diffusionsmodelle unterscheiden sich dabei von Lebenszyklusmodellen darin dass sie keine Degeneration abbilden Einen typischen Vertreter dieser Modellvariante stellt das Bass Diffusionsmodell dar Speziell in der Palaosoziologie nennt man die bevorzugte Verwendung der Diffusionstheorie zur Erklarung der Verbreitung von Innovationen in mehreren bzw durch mehrere Kulturen Diffusionismus auch die vergleichenden Politikwissenschaften kennen eine spezielle politische Diffusionstheorie Forschungsgeschichte BearbeitenZu den Begrundern der Diffusionsforschung gehorten der franzosische Soziologe Gabriel Tarde mit seinem Werk Les lois de l imitation Die Gesetze der Nachahmung 1890 frz Neuausgabe Paris 1993 Ahnlich wie bei Schumpeter wird fur Tarde eine Erfindung ein Ausgangspunkt fur Nachahmungsprozesse Zum Zeitpunkt der Erfindung kann man deren Bedeutung noch nicht abschatzen Erst durch die nachahmende Ausbreitung entstehen immer neue Anwendungsmoglichkeiten Deutsche osterreichische und amerikanische Anthropologen Ethnologen und Anthropogeographen wie Friedrich Ratzel Leo Frobenius und Franz Boas verwendeten diffusionistische Erklarungsmodelle kultureller Entwicklung und wiesen damit evolutionistische Modelle zuruck wonach alle Kulturen analoge Entwicklungsstufen durchlaufen Seit den 1930er Jahren wurde die Verbreitung neuer Agrartechnologien z B neuer ertragreicher Saatgutsorten im Mittelwesten der USA zum Untersuchungsfeld fur einige wichtige Pilotstudien der Diffusionsforschung Eine solche Studie uber die Verbreitung von Hybridmais Saatgut in Iowa von Ryan amp Gross 1 fuhrte dazu dass sich das Diffusions Paradigma in der Forschung durchsetzte und in der Folge auf den Gesundheitsbereich und immer weitere Bereiche ubertragen wurde Prozess der Adoption BearbeitenDen Ausgangspunkt der Modellierung bildet die Adoptionstheorie die auf der Individualebene die Faktoren beschreibt die zu einer Ubernahme Adoption oder Ablehnung Rejektion einer Innovation fuhren Aus der Aggregation individueller Adoptionsprozesse lassen sich Diffusionskurven ableiten Sie beschreiben den Anteil der Personen die eine Innovation bereits angenommen haben Die Diffusionsprozesse hangen in Dauer und Intensitat von personen umwelt und produktbezogenen aber auch von raumlichen vgl Diffusionsforschung Determinanten und verfugbaren Kommunikationskanalen ab wie beispielsweise vom Bildungsgrad und Einkommen der Nachfrager der Kompliziertheit und Erklarungsbedurftigkeit der neuen Produkte den Constraints von Informationsflussen und der raumlichen Vernetzung von Informationstragern Die Adoptionstheorie des Diffusionsansatzes geht davon aus dass der Innovations Entscheidungsprozess vor allem durch den individuellen Anspruch des Technologienehmers Adopter die Eigenschaften der Innovation und die Rahmenbedingungen des Adoptionsprozesses bestimmt wird Der Entscheidungsprozess wird dabei in verschiedene Phasen aufgeteilt und es werden unterschiedliche Typen von Adoptoren definiert Innovators Early Adopters Early Majority etc Diese verschiedenen Adoptoren sind zur Erwagung einer Adoption erst in der ihnen jeweils eigenen Phase bereit Zu Beginn der Diffusion ist praktisch nur von Innovatoren anzunehmen dass sie eine Adoption erwagen die nachste Gruppe der fruhen Anwender erwagt eine Adoption gewohnlich erst dann wenn eine grosse Zahl von Innovatoren das Neue adoptiert hat Auch die fruhe Mehrheit wartet tendenziell ab ob die fruhen Anwender das Neue annehmen und damit zufrieden sind erst dann erwagen sie eine eigene Adoption dasselbe gilt fur die folgenden Gruppen Eine Unterstutzung des Diffusionsprozesses hat daher vor allem bei derjenigen Gruppe Erfolg die gerade aktuell ist auch die Art der Darstellung des Neuen folgt sinnvollerweise den Bedurfnissen der aktuellen Gruppe Innovatoren suchen neue Dinge fruhe und spate Mehrheiten suchen Erprobtes Die Adoptionsbereitschaft erklart sich unter anderem durch soziookonomische Faktoren Bildung Alter Einkommen personlichkeitsbezogene Faktoren Einstellung gegenuber Neuem Neugierde sowie Kommunikations Verhaltensfaktoren Art und Qualitat von Interaktion und Kommunikation mit der sozialen Einheit Auf die Entscheidung zur Ubernahme folgt die Implementierung Anwendung und Nutzung Je nachdem wie die Erfahrungen mit der Nutzung ausfallt wird die Entscheidung gegebenenfalls bestatigt oder aber revidiert Als fordernd oder hemmend fur die Adoptionsentscheidung nennt der Soziologe Everett M Rogers 1931 2004 Faktoren wie relative advantage subjektiv wahrgenommene Verbesserung gegenuber dem Status quo compatibility Kompatibilitat einer Technologie mit Erfahrungen Werten und Bedurfnissen complexity subjektive Komplexitat von neuen Technologien trialability Erprobbarkeit beispielsweise der Zugang zu Testanwendungen und die Kommunizierbarkeit der Innovation zum Beispiel durch Leuchtturmprojekte 2 Die Entscheidung zur Innovation nach Everett M Rogers BearbeitenDie Entscheidung eine Innovation anzunehmen oder abzulehnen ist nach der Theorie des Soziologen Everett M Rogers 1931 2004 keine spontane Reaktion sondern ein sozialer Prozess der sich uber einen bestimmten Zeitraum erstreckt und eine Reihe von Handlungen beinhaltet Er unterscheidet die folgenden Stufen dieses Adoptionsprozesses 3 Knowledge von einer Innovation erfahren Persuasion von einer Innovation im positiven oder negativen Sinn uberzeugt werden Decision sich fur oder gegen eine Innovation entscheiden Implementation die Innovation implementieren Confirmation die Innovationsentscheidung bestatigen und weiter nutzen oder ruckgangig machenIn allen Stufen des Prozesses wird versucht die bestehende Unsicherheit bezuglich der neuen Idee zu reduzieren Dies geschieht z B mittels Informationsbeschaffung durch verschiedene Kommunikationskanale oder dem Testen der Innovation Die Phase der Implementierung der Anwendung wird nur erreicht wenn eine Innovation adoptionsrelevante Eigenschaften aufweist dazu zahlen ein hoher relativer Vorteil eine geringe Komplexitat eine hohe Kompatibilitat eine hohe Erprobbarkeit sowie eine hohe Beobachtbarkeit Die Knowledge PhaseZu Beginn des Adoptionsprozesses steht die Knowledge Phase in der ein Individuum oder eine Organisation erst einmal von der Existenz einer Innovation erfahrt Hier stellt sich die Frage Was kommt zuerst der Bedarf oder das Bewusstsein einer Innovation Bei einzelnen Innovationen ist zuerst das Problem da z B eine Krankheit und anschliessend wird nach der Losung Heilmittel gesucht Bei anderen Innovationen ist zuerst die Losung da z B der Festplattenrekorder und dann wird das Problem gesucht herumliegende Videokassetten Sowohl Innovationen konnen Bedurfnisse wecken als auch umgekehrt Rogers vertritt innerhalb der Diffusionsforschung die Position dass Menschen keine passive Rolle in der Wissensphase einnehmen Sie empfangen das Wissen vielmehr mit einer individuellen Neigung die beeinflusst ob und wie sie die Nachrichten uber Innovationen wahrnehmen und welche Effekte diese in weiterer Folge haben Rogers bezieht sich dabei auf Edward W Hassinger der feststellt dass Personen selten eine Innovation wahrnehmen wenn noch kein Bedarf nach Veranderung besteht Sie nehmen eine Innovation erst wahr wenn diese als relevant eingestuft wird und mit den eigenen Wertvorstellungen ubereinstimmt 4 Es gibt drei Arten von Wissen die in dieser Phase eine Rolle spielen awareness knowlege Bewusstsein uber die Existenz einer Innovation How to knowledge Grundlegendes Verstandnis daruber wie eine Innovation funktioniert und angewendet werden kann Je komplexer die Innovation desto mehr Wert legen die Leute auf diesen Punkt Principles Knowledge Verstandnis uber tieferliegende Prozesse der Innovation Personen die fruh von einer Innovation erfahren 5 sind besser ausgebildet haben einen hoheren sozialen Status sind den Massenmedien mehr ausgesetzt haben mehr Kontakt zu verschiedenen Personen unter anderem Mitgliedern ihrer Peergroup oder den Change Agents sind weltoffener Persuasion PhaseIn dieser Phase entwickelt eine Person die Einstellung zur Innovation 6 Dabei kann sie eine positive gleichgultige oder gar negative Haltung einnehmen Es geht nicht mehr allein um rationale Argumente vielmehr nehmen Gefuhle einen hohen Stellenwert ein Um die bestehende Unsicherheit weiter zu reduzieren sucht die Person aktiv nach weiteren Informationsquellen und hinterfragt diese Interpersonelle Kommunikation innerhalb der eigenen sozialen Gruppe spielt hierbei eine wichtige Rolle Die Person entwickelt Vorstellungen daruber wie die Innovation in ihrem subjektiven Kontext eingesetzt werden konnte Im Vordergrund steht die Frage welche Vor und Nachteile sich daraus ergeben In dieser Phase sind Themen wie relative Vorteile Kompatibilitat und Komplexitatbesonders wichtig Eine positive Einstellung zur Innovation fuhrt noch nicht zwangsweise zur Implementierung Decision PhaseIn dieser Phase entscheidet sich eine Person uber die Ablehnung oder Annahme der Innovation Ein Weg die Unsicherheit uber den Erfolg der Innovation zu beseitigen ist sie zu testen Testen erhoht die Verbreitungswahrscheinlichkeit und in vielen Fallen reicht es wenn ein Meinungsmacher der betroffenen sozialen Gruppe dies ausfuhrt Eine Demonstration der Innovation hat ebenfalls eine bestarkende Auswirkung auf eine Annahme der Innovation Auch an diesem Punkt kann die Person wiederum entscheiden eine Innovation nicht zu nutzen Dabei gibt es zwei Arten der Ablehnung 7 Aktive Ablehnung Die Person entscheidet sich ganz bewusst gegen eine Innovation Passive Ablehnung auch Nicht Adoption Die Person hat nicht wirklich in Betracht gezogen die Innovation einzufuhren Implementation PhaseDie Implementierung beginnt wenn die betroffene Person eine aktive Rolle einnimmt und die Innovation anwendet 8 Meist folgt diese unmittelbar auf die Entscheidungsphase ausser die Innovation ist z B kurzfristig nicht erhaltlich In vielen Fallen wird eine Innovation nicht exakt ubernommen sondern nach individuellen Bedurfnissen partiell modifiziert Re Invention 9 Obwohl die Entscheidung einer Adaption getroffen wurde bestehen auch in dieser Phase noch Unsicherheiten Diese sind umso grosser je mehr Personen im Entscheidungsprozess involviert sind und die Innovation in das bestehende System integrieren mussen Fragen treten vor allem hinsichtlich des problemlosen Funktionieren auf Change Agents nehmen hierbei eine unterstutzende Rolle in Form von technischer Assistenz ein Die Implementierungsphase kann durchaus einen grosseren Zeitraum in Anspruch nehmen Sie endet wenn die Innovation zum integrativen Bestandteil des Systems geworden ist und damit ihren Innovations Charakter verliert Confirmation PhaseEmpirische Studien zeigen dass die Entscheidung fur oder gegen eine Innovation oft revidiert wird Eine beachtliche Anzahl von Personen sucht auch nach der Entscheidung fur eine Innovation weitere Informationen um die eigene Entscheidung zu bestatigen 10 In etwa die gleiche Anzahl Personen wie die der Early Adopters revidiert den eigenen Entscheid und hort auf die Innovation zu nutzen Personen und Organisationen versuchen dauernd kognitive Dissonanzen durch neues Wissen durch die eigene Haltung oder durch Aktionen zu reduzieren Wenn eine Person merkt dass sie einen Bedarf hat und aktiv nach einer Losung sucht Dies geschieht in der Knowledge Phase Wenn eine Person von einer Innovation erfahrt und eine positive Haltung einnimmt aber die Innovation noch nicht einsetzt KAP gap Dieser Zustand tritt in der Decision und Implementation Phase ein Nachdem die Person die Innovation implementiert hat und sie durch externe Informationen davon uberzeugt wird dass die Entscheidung falsch war Dieser Vorgang kann auch umgekehrt verlaufen die Person hat sich gegen eine Innovation entschieden und besinnt sich nachtraglich Im Regelfall ist es fur die Person schwierig eine gefallte Entscheidung ruckgangig zu machen Oft wird die Suche nach neuen Informationen auch sehr selektiv im Sinne der eigenen Entscheidung ausfallen Unterbricht die Organisation oder die Person die Nutzung einer Innovation geschieht dies meist aus zwei Grunden 11 Ersatz durch eine neue Innovation Enttauschung Enttauschung entsteht unter anderem durch Nichteinhalten der erwarteten Leistung falschen Einsatz Der falsche Einsatz einer Innovation wird besonders bei Later adopters beobachtet Die Forschung zeigt dass die Abbrecher oft eine formal tiefere Bildung aufweisen einen tieferen sozialen Status einnehmen und weniger Kontakt mit den Change Agents hatten Dies entspricht dem Gegenteil von Innovatoren Der Schluss liegt nahe dass Innovationen mit einem niedrigen relativen Vorteil eine langsame Verbreitungs dafur eine hohe Abbruchrate aufweisen Im Gegensatz dazu verbreiten sich Innovationen mit einem hohen relativen Vorteil schnell und zeigen auch niedrige Abbruchraten Siehe auch BearbeitenBass DiffusionsmodellLiteratur BearbeitenVeronika Karnowski Diffusionstheorie Konzepte 6 2 aktualisierte Auflage Baden Baden Nomos 2017 ISBN 978 3 8487 2249 5 Everett M Rogers Diffusion of innovations Free Press u a New York NY u a 1962 5 Auflage ebenda 2003 ISBN 978 0 7432 2209 9 Weblinks BearbeitenDiffusionsprozesse von StandardsEinzelnachweise Bearbeiten Bryce Ryan Neal C Gross The diffusion of hybrid seed corn in two Iowa communities In Rural Sociology Bd 8 Nr 1 1943 ISSN 0036 0112 S 15 24 Digitalisat Olof Leps Nutzung und Akzeptanz von E Government Fachanwendungen in der offentlichen Verwaltung Eine empirische Analyse am Beispiel des europaischen Binnenmarkt Informationssystems Logos Verlag Berlin 2016 ISBN 978 3 8325 4272 6 S 33 Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 161 ff Edward Hassinger The diffusion of hybrid seed corn in two Iowa communities In Rural Sociology Bd 24 Nr 1 1959 S 52 53 Digitalisat Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 166 f Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 167 ff Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 171 f Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 172 ff Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 174 ff Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 180 ff Everett M Rogers Diffusion of innovations 4 Auflage Free Press New York NY u a 1995 ISBN 0 02 874074 2 S 182 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Diffusionstheorie amp oldid 234161854