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Der Afrikaner ist eine 2004 erstmals auf Franzosisch unter dem Titel L Africain veroffentlichte autobiografische Erzahlung von Jean Marie Gustave Le Clezio die 2007 auf Deutsch erschien Der Vater des Erzahlers war vom Ende der 1920er bis in die 1950er Jahre 22 Jahre lang als Arzt in Westafrika tatig Ihn stellt der Erzahler als den Afrikaner vor Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Vorbemerkung 1 2 Arzt in britischem Kolonialdienst 1 3 Erste Ehejahre in Westafrika 1 4 Kindheitsjahre des Erzahlers in Westafrika 2 Rezeption 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenVorbemerkung Bearbeiten In dem Roman Onitsha von 1991 thematisiert Le Clezio zum ersten Mal was er 1948 als 8 Jahriger mit seiner Mutter fur eine Reise nach Afrika unternahm um dort seinem ihm bis dahin unbekannten Vater zu begegnen Das Autobiographische verbirgt sich jedoch in Onitsha im 12 jahrigen Fintan dessen Erzahlperspektive nur eine neben einigen anderen ist In Der Afrikaner lasst sich der Ich Erzahler ausdrucklich auf das ein was er den bedeutsamsten Teil meiner Kindheit nennt 1 als er und sein um ein Jahr alterer Bruder mit ihrem Vater zugleich ein ganz anderes Leben kennenlernen Vor der Reise habe er davon getraumt seine Mutter sei eine Schwarze Denn er habe sich im Vorhinein schon seine Ruckkehr nach Frankreich vorgestellt die ihn in seiner Umgebung zu einem Fremden machen wurde mit seiner Mutter als vorgestellter Afrikanerin glaubte er der fantasierten neuen Wirklichkeit besser gewachsen zu sein Als aber sein Vater mit Eintritt seines Ruhestandes nach Frankreich zuruckkehrte sei er sich bewusst geworden dass er der Afrikaner war Das habe ihm eine neue Sicht auf seine Familie abverlangt In Erinnerung daran habe er sich an die Abfassung der Erzahlung gemacht S 5 die er mit zahlreichen Schwarz Weiss Fotos illustriert die sein Vater in Afrika gemacht hat Arzt in britischem Kolonialdienst Bearbeiten nbsp Politische Karte von NigeriaDer Erzahler flicht die Lebensdaten seines Vaters unchronologisch in den Fortgang seines Erzahlens ein Zusammengesetzt ergeben sie folgendes Lebensbild Er wurde in Moko einer Stadt im Landesinnern von Mauritius Ende des 19 Jahrhunderts wohl 1896 geboren und verliess 1919 die Insel nachdem die Familie aus ihrem Geburtshaus vertrieben und in alle Winde zerstreut worden war Sein Vater habe sich dazu nie geaussert sei immer wieder einmal von Wut daruber erfullt gewesen Der Sohn findet spater in einem Heft des Vaters die Notiz dass er nur noch fortgehen und nie mehr zuruckkehren wolle S 57 f Er ging nach London erhielt ein Stipendium zum Studieren studierte 7 Jahre zunachst an einer Ingenieurschule dann Medizin Wegen des Stipendiums musste er eine gemeinnutzige Arbeit ubernehmen Anstatt aber eine Stelle im Krankenhaus von Southampton in der Abteilung fur tropische Erkrankungen zu ubernehmen meldete er sich unvermittelt fur den Kolonialdienst Er verliess 1926 England und ging nach Georgetown in Britisch Guyana Von dort versah er in einer Piroge auf den Flussen im Landesinnere unterwegs seinen arztlichen Dienst Auf den hinterlassenen Fotos erkennt der Erzahler eine geheimnisvolle Welt die durch Krankheiten Angst und die Gewalttatigkeit von Goldwaschern und Schatzsuchern gekennzeichnet ist und in der man den hoffnungslosen Abgesang der dem Untergang geweihten indianischen Welt vernimmt S 62 Damit hatte er aus Abenteuerlust den ersten Schritt getan der ihn in eine andere Welt fuhrte und zwang die Kriegszeit im Exil zu verbringen auf seine Frau und seine Kinder zu verzichten und auf gewisse Weise unweigerlich zu einem Fremden werden liess S 50 1928 ging er nach Afrika wo er 22 Jahre blieb zunachst im Westen Kameruns dort verbrachte er die glucklichsten Jahre seines Lebens S 78 spater in Ogoja im Norden der angrenzenden Provinz Cross River in Nigeria wo er in einem Umkreis von 60 Kilometern der einzige Arzt war Bis auf zwei kurze Urlaube zur Eheschliessung 1932 und zur Geburt seiner Kinder 1939 und 1940 kehrte er bis zum Ende seiner Dienstzeit nie wieder nach Europa zuruck S 49 nbsp Madchen im Burgerkrieg von Biafra Der Mann den der Erzahler 1948 traf sei verbraucht und durch das aquatoriale Klima vorzeitig gealtert gewesen Sein Traum von einem Kontinent im Stand der Gnade der dem Bild der riesigen Grasebene glich uber die Hirten die Viehherden trieben oder dem Bild der Dorfer in der Gegend von Banso in der uralten Vollkommenheit ihrer Lehmwande und Palmendacher S 122 war nach dem Krieg dem Pessimismus gewichen Er sah sich als einen Gescheiterten der seinem Sohn seit seiner Kindheit einen instinktiven Widerwillen gegen das kolonialistische System hinterliess S 71 Zuruck in Frankreich verlor er mit der Unabhangigkeit von Mauritius 1968 seine britische Staatsangehorigkeit und erhielt schliesslich auch die kleine Pension nicht mehr die zu zahlen das unabhangig gewordene Nigeria sich verpflichtet hatte Das Land in dem er gearbeitet und wo der Sohn bei seinem Besuch eindrucklichste Erfahrungen gemacht hatte ging zwischen 1967 und 1970 im Biafrakrieg unter und wurde der ganzen Welt vor Augen gefuhrt aber nur weil es im Sterben lag S 124 127 Erste Ehejahre in Westafrika BearbeitenVon London aus besuchte der Vater als Student seinen Onkel den Grossvater des Erzahlers in Paris und verbrachte seine Ferien in der Nahe seiner Cousine der Mutter des Erzahlers die in Frankreich geboren war und in die er sich verliebte Der gemeinsame Traum von dem entschwundenen Mauritius habe die beiden einander nahegebracht wie im Exil lebende Emigranten eines unerreichbaren Landes S 59 Sie heirateten 1932 und verbrachten sechs gemeinsame Jahre in Westafrika nbsp Weg in KamerunZu dieser Zeit arbeitete der Vater in Kamerun in Bamenda und versorgte von dort aus eine Gegend die von europaischer Kolonisation kaum beruhrt gewesen sei Nie hatten sich sein Vater und seine Mutter so frei gefuhlt wie dort S 88 wenn auch das dicht besiedelte Land andernorts von Krankheiten und Stammesfehden heimgesucht war Die Mutter habe ihm von ausgelassenen Festen in den Dorfern erzahlt Der Erzahler stellt sich vor dass sie sich nachts im Rhythmus der unter der Erde vibrierenden Trommeln geliebt haben fest aneinander gepresst in der Dunkelheit schweissuberstromt im Innern der Hutte aus Lehm und Reisern die nicht grosser war als ein Huhnerstall S 94 Zu dieser Zeit habe sein Vater von einem wiederaufbluhenden vom kolonialen Joch und vom Fluch der Pandemien befreiten Afrika getraumt wovon am Ende ein tiefer Hass auf den Kolonialismus in all seinen Formen ubrig geblieben sei S 121 f Denn auch seinen Wunsch dass seine Kinder Bewohner dieses Landes wurden in dem es ihm lange gefallen hatte habe er begraben mussen So blieb seine Frau die zur Geburt ihres ersten Sohnes 1938 nach Frankreich in die Bretagne zuruckgekehrt war auch wegen des 1939 ausgebrochenen Krieges der sie mit ihren Eltern in die unbesetzte Zone nach Nizza zu gehen zwang in Europa Ein Versuch ihres Mannes sie uber Algerien durch die Wuste zu sich zu holen scheiterte an den strengen Grenzkontrollen Kindheitsjahre des Erzahlers in Westafrika BearbeitenAls der Erzahler seinen Vater in Ogoja einem vorgeschobenen Posten der englischen Kolonie kennenlernte hatte er einen verbitterten Mann vor sich den er zu furchten lernte Die Bruder wurden sofort seinem autoritaren Regiment unterworfen und hatten sich der von ihm verordneten Disziplin zu fugen allerdings nur morgens und abends solange er nicht seinem Beruf als Leiter des Krankenhauses nachging Afrika vermittelte ihm jedoch auf einer ganz anderen Ebene uberwaltigende und faszinierende Eindrucke so die uberall in den Menschen und ihrer Nacktheit sichtbar werdende Korperlichkeit die ihre Gesichter zurucktreten liess und in der auch noch der zerfurchte Leib einer hinfalligen Greisin fur das Kind etwas Unverfalschtes hatte Es kam ihm neu aber zugleich vertraut und nahe vor Die vonseiten des Vaters erfahrene Gewalt wurde verdrangt von einer ganz anderen Gewalt Es waren die vielen Insekten vor allem Ameisen die eigentlichen Herrscher von Ogoja die ihm bei einem Angriff in panische Angst versetzten bei lebendigem Leibe gefressen zu werden oder die in der Nahe auf einer weiten Grasebene befindliche Termitenstadt wo er mit seinem Bruder in einer Art von Besessenheit Termitenhugel zerstorte und sich im Banne einer unergrundlichen Macht agieren sah nbsp Ein District Officer machte sich einen Spass daraus den Erzahler die Schadel der Gorillas beruhren zu lassen die er erlegt hatte Bei den nachmittaglichen gewaltigen Gewittern begab er sich schutzsuchend zu seiner Mutter und zahlte mit ihr die Sekunden vom Blitzeinschlag bis zum horbar werdenden Donner Er sah zu wie sein Vater mit angezundetem hochprozentigen Alkohol eine Skorpionfamilie in Flammen aufgehen liess Zum Schutz vor Malaria schluckte er vor dem Zubettgehen Chinin mit Wasser aus einem Filtergerat In der Erinnerung werden aus diesen hauslichen Szenen aus einer Mischung von Ritualen und vertrauten Dingen wichtige intime Momente Gleichzeitig muss er sich aber fragen ob ihn seine Erinnerung dort eine Bewegungsfreiheit eine Gedankenfreiheit und eine emotionale Freiheit genossen zu haben nicht tauscht Denn die Kriegsjahre in Nizza waren duster und die Zeit nach der Ruckkehr aus Afrika hart weil er unter der brutalen Strenge seines Vaters litt und das Gymnasium mit seinen rohen Sitten ihn zum Sonderling machte S 22 f Beim Schreiben begreift er warum ihn die Zeit von Ogoja wie eine atherische Substanz die zwischen den Wanden der Wirklichkeit zirkuliert immer wieder betaubend uberkommt Darin sei auch die Zeit geborgen in der sein Vater und seine Mutter gemeinsam uber das Hochland in den Konigreichen Westkameruns ritten S 133 f Rezeption BearbeitenJoseph Hanimann SZ entdeckt im Erzahlfluss Le Clezios das Auftauchen einer von Exotik freien Fremdartigkeit die mit der aus der Literatur vertrauten feinen Kolonialwelt nichts zu tun habe Der Autor phantasiere sich auf den Lebensspuren des Vaters in eine Welt in der Gluck und Katastrophe Drama und Fest eng beieinander wohnen so dass verstandlich werde wie ihn das auf Dauer habe pragen konnen Seine politischen Uberlegungen zum Biafrakrieg kommen ihm jedoch zu unvermittelt vor 2 Walter van Rossum sieht in Die Zeit Le Clezio einen wunderbaren Umweg nehmen um seinen Vater wiederzufinden den er so nie kennen gelernt habe Dabei gehe es ihm nicht um therapeutische Klarung oder um spate Versohnung sondern nur um eine magische Beruhrung die das Leben ihm nicht erlaubt habe 3 Weblinks BearbeitenRezensionsnotizen zu Der Afrikaner bei PerlentaucherEinzelnachweise Bearbeiten Zitiert wird nach der bei Hanser erschienenen Ausgabe Der Afrikaner Munchen 2007 ISBN 978 3 446 20948 0 hier S 127 Afrikanische Pragungen Verschuttetes freilegen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Afrikaner amp oldid 221907394