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Deli osmanisch دلی auch Delu دلو Tapferer Heldenmutiger Verwegener Tollkuhner Wahnsinniger Verruckter 1 2 bzw Deliler Mehrzahl im Deutschen Delis oder Deli war im Osmanischen Reich der Name eines einzelnen Reiters bzw eines berittenen Verbandes der osmanischen Provinzialtruppen der im Kampf tollkuhn auf den Feind losging Dabei sollen die Deli meist von Opium berauscht gewesen sein 3 Diese Deli waren eine gemischte Truppe aus Angehorigen von Balkanvolkern und Turken Deli Sinan links 1526 im Kampf mit einem ungarischen Ritter Detail einer Miniatur aus SuleymannameParallel zum Begriff Deli wahrscheinlich sogar schon fruher fand auch der Begriff Delil Mehrzahl Deliller fur dieselben Personen und Verbande Verwendung Er kommt aus dem Arabischen und bedeutet im Osmanischen im Zusammenhang mit den Eroberungskriegen in Europa Fuhrer im Sinne von Pfadfinder 4 Inhaltsverzeichnis 1 Militarische und reprasentative Funktionen 1 1 Pfadfinder und Frontkampfer 1 2 Leibwache 1 3 Bewaffnung und Kleidung 2 Niedergang der Deli 3 Ehrentitel und Spitzname 4 Siehe auch 5 Quellen Einzelnachweise und AnmerkungenMilitarische und reprasentative Funktionen BearbeitenPfadfinder und Frontkampfer Bearbeiten nbsp Deli mit Fellmutze und Adlerschwingen sich selbst kasteiend Detail einer Miniatur aus Surname i Humayun 1582 1587 Die Namensform Delil erfasst recht genau die fruheste Funktion Als mit Ort und Bevolkerung des Balkans vertraute Kundschafter und Pfadfinder halfen die grosstenteils ursprunglich vom Balkan stammenden Delil den osmanischen Vortrupps und dem gesamten osmanischen Heer seit dem 14 Jahrhundert bei der Erkundung des Terrains und damit bei der Planung und Ausfuhrung der Kriegszuge Als die Delil selbst unter der Fuhrung eines Delileragasi Aga der Tollkuhnen 5 ahnlich den Akinci die militarischen Aufgaben von Vortrupps ubernahmen und sich als besonders wagemutig erwiesen setzte sich allgemein der moglicherweise aus Delil korrumpierte 6 Bewunderung ausdruckende Name Deli durch In einer Art Selbststilisierung zeigten sich die Deli genannten Delil im Heer und in der Offentlichkeit als schmerzverachtende Draufganger Manche ubernahmen Praktiken von Derwischen indem sie die Maltratierung ihres Korpers bis zur Selbstverstummelung zur Schau stellten wie beispielsweise bei den Aufzugen anlasslich des Beschneidungsfestes des Sehzade Mehmed des Sohnes Sultan Murats III Als Deli ein erfolgreicher Frontkampfer zu sein war die Grundlage fur Beforderungen und Belohnungen Als Beweis des Erfolges konnten die abgeschlagenen Kopfe der besiegten Gegner dienen wie beispielsweise 1575 der Prediger der kaiserlichen Botschaft in Istanbul berichtete Deli Pervana hat Herrn Auersberg gekopfft und den Kopf getragen ist Zaim und seine Besoldung ihm mit zwey hundert und funffzig Thalern verbessert worden kan Alai oder Sansagbeg werden 7 8 Ihre grosste militarische Wirksamkeit entfalteten die Deli im 16 und 17 Jahrhundert 2 Mindestens bis in das 18 Jahrhundert wurden sie weiterhin als Reitertruppen eingesetzt wie zwei Schilderungen der Kriegsvorbereitungen von 1713 und 1736 zeigen Der Sultan brach nach Adrianopel auf Gleich nach seiner Ankunft zu Adrianopel zog der Beglerbeg von Anatoli mit seinen Truppen stattlich auf voraus die Beherzten und Tollkuhnen Gonullu und Deli 9 achtzig bosnische Deli d i Tollkuhne gepantzert die ersten mit grossen Adlerflugeln angethan vierzig roth vierzig gelb gekleidet 10 Leibwache Bearbeiten Deli fungierten zudem bis gegen Ende des 17 Jahrhunderts als besondere Garde osmanischer Wurdentrager 11 Die Grosswesire befehligten in der Regel 400 bis 500 Deli Koprulu Mehmed Pascha Koprulu Fazil Ahmed Pascha und Koprulu Fazil Mustafa Pascha sollen 2 000 solcher Deli als Leibwache gehabt haben die im Feld beritten waren in Konstantinopel aber zu Fuss vor dem Grosswesir einher marschierten wenn er sich nach dem Diwan begab 12 Ihr Befehlshaber hiess Delibasi Anfuhrer der Deli 13 Entsprechend trat beispielsweise der osmanische Botschafter Kara Mehmed Pascha 1665 in Wien auf Sodann kamen des Paschas Deli und Gonullu alle in schmucker Tracht und wohlbewaffnet 14 15 Am Morgen des 14 Juli 1683 zu Beginn der Zweiten Wiener Turkenbelagerung uberbrachte der Delibasi des Grosswesirs Kara Mustafa Pascha Ahmed Aga den Wienern als Unterhandler ein Schreiben mit der Aufforderung zur Kapitulation und Ubergabe der Stadt 16 17 Bewaffnung und Kleidung Bearbeiten nbsp Deli in Paradeuniform Druck von 1688 nach Melchior Lorichs 1526 27 1583 nbsp Deli in typischer Kleidung und Bewaffnung aus dem Codex Vindobonensis 8626 um 1590 von Heinrich Hendrowski Die meisten bildlichen Darstellungen der Deli stammen aus dem 16 Jahrhundert Man findet sie auf osmanischen Miniaturen und auf westlichen Zeichnungen und Drucken Stets auch im Kampf zeigen die Bilder die eher reprasentative Ausstattung der Deli sind also typisierte und nur begrenzt realistische Darstellungen Typisch fur das tradierte Bild des berittenen Deli des 16 Jahrhunderts sind Fellmutze mit Raubvogelschwingen oder einzelnen Federn und Kleidung oder Uberwurf aus Fellen von Leopard Wolf Bar Lowe oder Hyane Die Deli sind mit Lanze und Schwert bewaffnet zuweilen auch mit einer Keule und tragen nicht den turkischen Rundschild sondern den im unteren Teil rechteckigen und im oberen Teil schrag und spitz auslaufenden Schild der christlichen Balkanvolker Im Gegensatz zu den Akinci fehlt bei ihnen der Reflexbogen Dieses Erscheinungsbild wird auch in Reiseberichten westlicher Besucher des osmanischen Reiches gezeichnet beispielsweise bei Nicolas de Nicolay Reise ab 1551 Buch Lyon 1567 u a 18 und Luigi Bassano 1545 19 Beide berichten dass diese Deli vom Balkan stammten und sich selbst in ihrer eigenen Sprache zataznicis Mehrzahl bzw sataznich Einzahl nannten was nach Nicolas de Nicolay defieurs d hommes im Sinn von Herausforderer heisst womit gemeint sei dass sie alleine zehn Mann herausfordern mussten bevor sie den Namen und den Status eines Deli oder eines zataznici erwerben konnten 20 Niedergang der Deli BearbeitenGegen Ende des 18 Jahrhunderts geschah es immer haufiger dass Deli Verbande entlassen wurden und keine Verwendung mehr fanden Ihre Bewaffnung und Kampfweise entsprach nicht mehr den neueren osmanischen Militarstrategien Unter einem Delibaschi oder in kleineren Trupps suchten sie dann ihren Lebensunterhalt durch Raub und Plunderungen sicherzustellen Das geschah beispielsweise unter dem Delibaschi Koca der eine umfangreiche Deli Truppe befehligte und im Gebiet von Kutahya die Dorfer terrorisierte Ahnlich verunsicherte Delibaschi Ismail um 1801 die Region Konya und beteiligte sich 1803 mit seinen Deli an einem Aufstand gegen die Neuordnung der Armee durch welche die Deli keine offizielle Verwendung mehr finden sollten Doch erst nach dem russisch osmanischen Krieg von 1828 1829 an dem Deli noch teilgenommen hatten gelang es Sultan Mahmud II dem Bandenwesen ein Ende zu bereiten Viele Deli flohen und suchten ihr Heil in Agypten und Syrien Einige Deli liessen sich befrieden und in Anatolien ansiedeln Letzte Reste von rauberischen Deli vernichtete Esad Pascha der Vali von Karaman 2 21 Ehrentitel und Spitzname Bearbeiten nbsp Delu Radig Name aus dem Feldzugstagebuch des Sultans Suleyman I Von den eigentlichen Deli muss man Personen unterscheiden die in alten Quellen zwar mit dem Namensbestandteil Deli genannt wurden die aber die militarischen und reprasentativen Funktionen nicht innehatten Ein solcher Deli war beispielsweise Deli Hasan Pascha der gegen Ende des 16 Jahrhunderts einen Aufstand gegen das Osmanische Reich anfuhrte und die osmanische Armee bei Tokat besiegte 22 Auch besonders wagemutige nicht muslimische Gegner wurden von den Osmanen manchmal anerkennend Deli genannt So wird in Suleymans I Kriegstagebuch ein Delu Radig erwahnt 23 Siehe auch BearbeitenListe osmanischer TitelQuellen Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Daniel Goffman The Ottoman Empire and Early Modern Europe Cambridge 2004 S 1 a b c Ismail Hakki Uzuncarsili Deli In Encyclopaedia of Islam Second Edition Edited by P Bearman Th Bianquis C E Bosworth E van Donzel and W P Heinrichs Brill 2009 Brill Online Pierer s Universal Lexikon Band 4 Altenburg 1858 S 817 online bei zeno org Esin Atil Suleymanname Washington u a 1986 S 265 Begriffserklarung bei Gerd Frank Die Herrscher der Osmanen Wien u a 1977 Glossarium David Nicolle Armies of the Ottoman Turks 1300 1774 Osprey Publishing London 1983 ISBN 0 85045 511 1 S 14 Klaus Schwarz Osmanische Sultansurkunden Untersuchungen zur Einstellung und Besoldung osmanischer Militars in der Zeit Murads III Aus dem Nachlass hrsg von Claudia Romer Freiburger Islamstudien Band XVII Stuttgart 1997 S 26 Zaim arab زعي Obrist siehe Zeamet Alaibeg Beg eines Zuges Regimentes Sansagbeg Sancakbeg Joseph Hammer Purgstall Geschichte des Osmanischen Reiches Band 7 Pest 1831 S 198 Joseph Hammer Purgstall Geschichte des Osmanischen Reiches Band 7 Pest 1831 S 456 Joseph Hammer Purgstall Geschichte des Osmanischen Reiches Band 7 Pest 1831 S 248 Meyers Grosses Konversations Lexikon 6 Auflage 1905 1909 Stichwort Deli Joseph Hammer Purgstall Geschichte des Osmanischen Reiches Band 10 Pest 1835 S 434 Hauptregister mit weiterfuhrenden Seitenzahlen Im Reiche des Goldenen Apfels Des turkischen Weltenbummlers Evliya Celebi denkwurdige Reise in das Giaurenland und in die Stadt und Festung Wien anno 1665 Ubersetzt eingeleitet und erklart von Richard F Kreutel Osmanische Geschichtsschreiber Bd 2 Graz Wien Koln 1963 2 Aufl S 68ff Gonullu osman turk die Beherzten Aus Kara Mustafa vor Wien Das Tagebuch der Belagerung Wiens 1683 verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte Ubersetzt von Richard F Kreutel in Stefan Schreiner Hrsg Die Osmanen in Europa Erinnerungen und Berichte turkischer Geschichtsschreiber Graz u a 1985 S 206 Die Turken vor Wien Europa und die Entscheidung an der Donau 1683 82 Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien 5 Mai bis 30 Oktober 1983 Wien 1983 S 115f Kat nr 12 37 Abb S 117 Nicolas de Nicolay Dans l empire de Soliman le Magnifique Hrsg von Marie Christine Gomez Geraud u Stephane Yerasimos Paris 1989 S 227f Luigi Bassano Costumi et i modi particolari della vita de Turchi Hrsg von Franz Babinger Munchen 1963 Blatt 43v und 44r Nicolas de Nicolay Les quatre premiers livres des Navigations et peregrinations Orientales Lyon 1568 S 143 Abgerufen am 15 Februar 2018 A H de Groot ESʿAD PASHA In Encyclopaedia of Islam Second Edition Edited by P Bearman Th Bianquis C E Bosworth E van Donzel and W P Heinrichs Brill 2009 Brill Online Karen Barkey Bandits and bureaucrats the Ottoman route to state centralization Cornell Univ Press Ithaca u a 1994 S 206f Osterreichische Nationalbibliothek Hs H O 50 ruz name Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deli Soldat amp oldid 237470909